Ein Butterbrot fährt Segelboot

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claudianne

Mitglied
In der Küche auf einem kleinen Tisch lag ein Butterbrot und wartete.
„Was möchtest Du heute aufs Brot“, fragte Mama.
Das Butterbrot hielt die Luft an und warf einen sehnsüchtigen Blick auf die scharfe Salami und den Käseteller.
„Marmelaaaade!“, rief Jonas wie jeden Morgen, „Ganz dick!“
„Nicht schon wieder“, seufzte das Butterbrot, „ich habe die süße Schmiere so satt.“
Und noch ehe das Messer den erste Tropfen Himbeermarmelade über die Butter strich, hüpfte das Brot vom Tisch. Mit krachender Kruste winkte es ein letztes Mal: „Ade ihr Lieben, eure Marmelade brauch ich nicht, ich such mir jetzt was Besseres“. Der Stinkkäse stank zum Abschied eine extragroße Stinkwolke und Mama ließ vor Schreck das Messer fallen.
„Hey mein Brot“, rief Jonas, doch da hatte sich das Butterbrot schon durchs offene Fenster verkrümelt.

Noch ehe es wusste, wohin die Reise ging, schnappte eine Krähe das Brot und flog mit ihm davon.
„Kräh kräh bäh, da ist ja Butter drauf“, schimpfte die Krähe nach ein paar Flügelschlägen und ließ das Brot gleich wieder fallen. Direkt über dem Meer.
„Du liebe Zeit doch nicht ins Wasser! Da werde ich matschig wie ein eingetunktes Rosinenbrötchen“, sagte das Butterbrot im freien Fall. Und es hatte Glück: Es landete auf einem Boot. Das brauste mit aufgeblähten Segeln davon. Wohin, das war dem Brot egal, wichtig war, dass man dort keine Marmelade aß.

Das Segelboot wurde langsamer und trieb an Land. Am Ufer sah das Butterbrot bunt bemalte Wesen in lustigen Röcken tanzen.
„Hey hoh Ticki Tocken, tanzt mit uns ihr Stinkesocken ...“, sangen die Ticki Tocken und klatschten dabei in die Hände. Als das Segelboot anlegte, sah das Butterbrot, dass die Röcke aus bunten Socken bestanden. Ringelsocken. Und sie stanken nach Käsefüßen.
„Hallo, ich bin ein Butterbrot und suche einen neuen Aufstrich. Was schmiert ihr euch denn aufs Brot?“
„Hey hoh Ticki Tocken, essen gerne Stinkesocken ...“, und schon flog die erste Socke Richtung Butterbrot. Das duckte sich weg und die Socke blieb oben am Masten hängen.
„Pfui Krümel, schnell weg“, rief das Brot und das Boot stach in See.

Nach einer Weile hörte das Brot ein wildes Brummen und blickte nach oben. Um die Stinkesocke kreiste ein Schwarm Schmeißfliegen.
„Hallo ihr da oben, ich bin ein Butterbrot auf großer Fahrt, könnt ihr mir einen guten Belag empfehlen?“
„Wir essen nur die besten Delikatessen: Pferdeapfel, eine Portion Schafsköttel oder Kuhfladenmus zum Dessert, das ist ein Genuss. Dein Geschmack ist aber auch nicht schlecht, das Ringelding an deinem Masten duftet verlockend.“
„Puh, nein das ist nichts für mich, nehmt nur den Socken, ich brauch ihn nicht.“
Die Fliegen dampften ab und das Butterbrot schwitzte.

Es fühlte sich wie ein Toastbrot unter der heißen Sonne. Die Butter schmolz und es war Flaute, als prustend ein Fisch auftauchte und es nass spritzte.
„Hey, meine Knusperkruste wird ja ganz weich und die Butter salzig“, schimpfte das Brot.
FLATSCH schon warf der Fisch noch einen Haufen glibberiger Algen hinterher.
„Mahlzeit“, blubberte er und tauchte ab.
„Pfui Krümel, das kann man doch nicht essen“, sagte das Butterbrot und schob die Algen zurück ins Meer.
Erschöpft strich es die weiche Butter glatt. Was nun? In ein paar Tagen würde ihm ein Schimmelbärtchen wachsen und die Butter ranzig sein. Matschig lag das Brot am Boden des schwankenden Segelbootes, wünschte sich einen festen Teller unter der Kruste und träumte von einem reich gedeckten Frühstückstisch. Von Camembert und Gelbwurst und sogar von Marmelade.
Gerade als sich eine Wienerwurst an seinen Bauch kuscheln wollte, kam SCHNAPP schon wieder eine Krähe und pickte das Butterbrot aus seinem Traum.
„Kräh kräh bäh“, schimpfte der Vogel sogleich, „heute muss mein Pechtag sein, da ist schon wieder Butter drauf.“ Und kaum hoch oben in der Luft, flog das Brot wieder nach unten. Aufgeweicht, wie es war, brauchte es sich um eine sanfte Landung keine Sorgen machen. PLUMPS schon lag es auf dem Steg im Garten.

„Hey, da ist ja mein Butterbrot wieder!“, rief Jonas, der dort beim Angeln saß. Er nahm das Brot und rannte in die Küche. Der Frühstückstisch war noch gedeckt. Er tauchte das Messer in den Marmeladentopf und bestrich das Brot mit Himbeermarmelade - ganz dick.
„Mmh, das schmeckt nach Meer!“
Auch das Butterbrot hatte ausnahmsweise nichts zu meckern. Als Jonas wagemutig noch eine Scheibe Stinkekäse oben drauflegte, war es sogar richtig glücklich.
 
K

kal

Gast
hallo claudianne,
gestern aß ich ein brot ... nein, es blieb auf dem teller + musste sich meinem aufstrich ergeben :)

eine niedliche geschichte aus der sicht einer stulle, die ausrückt um aufstriche zu entdecken.
aber letztendlich hat sie eingesehen: home sweet home.


gern gelesen
und lg
andrea
 

claudianne

Mitglied
Hallo Andrea,

danke für dein Feedback! Ich denke gerade über ein anderes Ende der Geschichte nach. Das "Home sweet home" ist vielleicht noch ein bisschen zu einfach :)

Viele Grüße,
Claudia
 

rogathe

Mitglied
Hm, das Ende ist nicht plausibel: kein Junge hebt ein matschiges
Butterbrot von einem Steg auf, es sei denn aus Not.

LG rogathe
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Toll, man könnte sich fragen, ob die Stinkesocken-Wilden politisch korrekt sind, man könnte sich fragen, warum das Brot irgendwelche Erfahrungen hat, bei einer Lebenserwartung von max. 1/2 Tag aber man sieht einfach drüber hinweg und schmunzelt.

J.
 



 
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