Ein Tag wie kein anderer

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HajoBe

Mitglied
Fast geräuschlos glitt der letzte Nachtzug aus der Halle. Der Bahnsteig war leer, bis auf einen einzelnen Mann. Er hatte sich eine Zigarette angezündet und starrte dem Zug nach, dessen rote Schlusslichter rasch kleiner wurden.
Den Kragen des Trenchcoats hochgeschlagen, die Hände in den Taschen vergraben wandte er sich zögernd dem Ausgang zu, als hätten sich die letzten Minuten lähmend an seine Sohlen geheftet.
"Hotel Excelsior, bitte!" Das Taxi fädelte sich in den nächtlichen Verkehrsstrom. Er saß schweigend. Auf dem Smartphone Bilder und Korrespondenz. Er las sie wieder und wieder, strich sich verstohlen mit dem Ärmel über die Wangen, als wollte er mit den Tränen das Vergangene verwischen, welches so hoffnungslos gegenwärtig war. Über dem Taxameter die Zeituhr. Jetzt müsste der ICE Baden-Baden passieren. Noch sechs Stunden bis Hamburg. Sechs lange, quälende Stunden. Sodann die SMS: "Bin gut angekommen!". Wirklich <gut>? Und <angekommen>? Im Vorher, das plötzlich nicht mehr war?
Nein, bitte keine Nachricht! Er schaltete das Handy aus. Und...wieder auf <Betriebsbereit> und <Vibrieren>. In der Manteltasche umschloss er es mit der Hand, als wollte er die ersehnte Vibration gleich einem erlösenden Puls aus der Erstarrung tasten.

Sie haben ihn nicht vermisst auf der Tagung. Er hatte nicht teilgenommen. Nach hause hatte er telefoniert, er würde einen Tag länger bleiben. Alte Studienfreunde kämen, voraussichtlich würde die Nacht durchzecht. Er gedenke auszuschlafen, bevor er sich ins Auto setze.
Jetzt tat sich der Montag wie eine graue Wand vor ihm auf, gähnte ihn inhaltslos an. Wie diesen sinnlosen Tag gestalten? Alle Wege erneut gehen, durch Passagen und Parks? Abermals vor Bildern der Ausstellung stehen, Worte staunender Zustimmung oder verwirrender Sprachlosigkeit zurückerinnern? Nur dieses erlösende: <Lass uns essen gehen>, schwirrte ihm durch den Kopf. Dankbar hatte er es aufgegriffen. <Ja, ich kenne einen tollen Italiener>, hatte er erwidert. Und morgen allein? Am selben Tisch etwa? "Buon giorno, Signor!", mit einem Fragezeichen im Gesicht des Kellners.

Seine Blicke verloren sich durch die beschlagenen Scheiben unter nachtschwärmende Pärchen vor den Auslagen und in ihre fröhlichen Gesichter. Er gönnte ihnen das Lachen nicht, hätte es gerne gestohlen, um seine Trauer damit zu besänftigen.
Er lockerte seine Hand. Nein, es hatte nicht vibriert - oder doch? Er starrte aufs Display im Halbdunkel des Wagenfonts. Sich darin spiegelnde Straßenlichter glitten über das vertraute Lächeln. Zärtlich strich er mit dem Zeigefinger über das Glas.
Ein ICE hat doch GPS-Kontakt? Das Handy schwieg beharrlich. Abermals las er die Korrespondenz der letzten Tage. Doch es schmerzte, gleichermaßen, wie es ihn beim ersten Lesen in freudige Erwartung versetzt hatte. Die Gesichter draußen schienen plötzlich fratzenhaft, grinsten zu Masken verzerrt mit Schadenfreude in den Augen. Wut stieg in ihm auf. Schlimmer, es gesellten sich Selbstzweifel hinzu. Was ist bloß gewesen...heute? Alles ist gewesen, alles! Nur wenige versöhnliche Worte aufs Handy... Die Zeit verann. Er fühlte sich miserabel.

"Sie können hier halten, bitte!" Er stieg aus. "Stimmt so!"
Er wusste nicht, wie viel er dem Fahrer gegeben hatte. Ein unterwürfiges <Danke>. Es war wohl reichlich. Der Fahrer tippte an die Mütze. "Gute Nacht, mein Herr!" Er hörte es nicht. Nichts war gut an dieser Nacht. Er schlich durch den Nieselregen ins Hotel.

"Wollen Sie ihren Mantel ablegen?"
Der Barmann deutete auf die Regenlache unter dem Hocker.
"Einen doppelten Whisky!"
Er nahm einen kräftigen Schluck und stierte ins leere Glas.
"Wissen Sie, wie spät es ist?", maulte der Barkeeper und gähnte.
"Geben Sie mir die Flasche und ich bin weg!"

Er nahm den Fahrstuhl. Die Messinglampe am Nachttisch brannte noch. Das Wasserbett zerwühlt, wie sie es verlassen hatten. Er meinte, die Wärme ihrer erregten Körper unter den Kissen noch zu spüren, als er mit der Hand über die Seide strich, die den Duft ihrer Nacktheit verströmte. Er sah sie wieder, sich ausgestreckt räkelnd, ihre blonden Haarsträhnen über den mädchenhaften Brüsten mit den kleinen Beeren, spürte ihre heiße Haut, als ihre Schenkel ihn umschlangen.
Er trank sich in den Schlaf, auf dem Plüschsessel, der den Geruch ihres Parfüms trug. Nein, nicht in dieses Bett! Die Flasche entglitt seinem Griff.

Draußen polterten frühe Straßenbahnen. Unter bleiernen Lidern schaute er ihnen hinterher. Noch immer Regen. Alles war wieder da, stieg in ihm auf, dieses Würgen im Hals.
"Warum hast du verschwiegen, dass du verheiratet bist, dass du Kinder hast und dich niemals für mich trennen wirst? Ich gab dir doch Alles...mich."
Sie hatte sich hastig angekleidet, gedemütigt, nachdem er es ihr gestanden hatte. War ohne Abschied zum Taxistand gerannt. Geweint hat sie, als sie die Tür hinter sich zuschlug. Er fuhr ihr nach.
Doch der ICE glitt bereits fast geräuschlos aus der Halle.
Er sah sie nie wieder.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Hajobe, eine einfühlsam erzählte Geschichte, die ich sehr gern gelesen habe. Die Rahmenhandlung ist Dir gelungen, einzig die Stelle
Nur dieses erlösende: <Lass uns essen gehen>, schwirrte ihm durch den Kopf. Dankbar hatte er es aufgegriffen. <Ja, ich kenne einen tollen Italiener>, hatte er erwidert. Und morgen allein? Am selben Tisch etwa? "Buon giorno, Signor!", mit einem Fragezeichen im Gesicht des Kellners.
wirkt etwas verworren und ist nicht gleich einzuordnen. Vielleicht kannst Du daran noch feilen.

LG Doc
 

HajoBe

Mitglied
Fast geräuschlos glitt der letzte Nachtzug aus der Halle. Der Bahnsteig war leer, bis auf einen einzelnen Mann. Er hatte sich eine Zigarette angezündet und starrte dem Zug nach, dessen rote Schlusslichter rasch kleiner wurden.
Den Kragen des Trenchcoats hochgeschlagen, die Hände in die Taschen vergraben wandte er sich zögernd dem Ausgang zu. Dann verschwand seine schmale Gestalt rasch in der Bahnunterführung. Die Kippe verglühte auf der Treppe.

"Hotel Excelsior, bitte!" Das Taxi fädelte sich in den nächtlichen Verkehrsstrom. Er saß schweigend. Auf dem Smartphone Bilder und Korrespondenz. Er las sie wieder und wieder, strich sich verstohlen mit dem Ärmel über die Wangen, als wollte er mit den Tränen das Vergangene verwischen, welches so hoffnungslos gegenwärtig war. Über dem Taxameter die Zeituhr. Jetzt müsste der ICE Baden-Baden passieren. Noch sechs Stunden bis Hamburg. Sechs lange, quälende Stunden. Sodann die SMS: "Bin gut angekommen!". Wirklich <gut>? Und <angekommen>? Im Vorher, das plötzlich nicht mehr war?
Nein, bitte keine Nachricht! Er schaltete das Handy aus. Und...wieder auf <Betriebsbereit> und <Vibrieren>. In der Manteltasche umschloss er es mit der Hand, als wollte er die ersehnte Vibration als erlösenden Puls aus der Erstarrung tasten.

Sie haben ihn nicht vermisst auf der Tagung. Er hatte nicht teilgenommen. Nach hause hatte er telefoniert, er würde einen Tag länger bleiben. Alte Studienfreunde kämen, voraussichtlich würde die Nacht durchzecht. Er gedenke auszuschlafen, bevor er sich ins Auto setze.

Jetzt tat sich der Montag wie eine graue Wand vor ihm auf, gähnte ihn inhaltslos an. Wie diesen sinnlosen Tag gestalten? Alle Wege erneut gehen, durch Passagen und Parks? Abermals vor Bildern der Ausstellung stehen, Worte staunender Zustimmung oder verwirrender Sprachlosigkeit zurückerinnern?
<Lass uns essen gehen!> Die Worte schwirrten ihm durch den Kopf. Erleichtert hatte er den Vorschlag aufgegriffen. <Ja, ich kenne einen tollen Italiener>, hatte er erwidert - und danach...
Aber morgen, er allein? Am selben Tisch etwa? "Buon giorno, Signor!", mit einem Fragezeichen im Blick des Kellners.
"Solo, Signor?"

Seine Blicke verloren sich durch die beschlagenen Scheiben unter nachtschwärmende Pärchen vor den Auslagen und in ihre fröhlichen Gesichter. Er gönnte ihnen das Lachen nicht, hätte es gerne gestohlen, um seine Trauer damit zu besänftigen.
Er lockerte seine Hand. Nein, es hatte nicht vibriert - oder doch? Er starrte aufs Display im Halbdunkel des Wagenfonts. Sich darin spiegelnde Straßenlichter glitten über das vertraute Lächeln. Zärtlich strich er mit dem Zeigefinger über das Glas.
Ein ICE hat doch GPS-Kontakt? Das Handy schwieg beharrlich. Abermals las er die Korrespondenz der letzten Tage. Doch es schmerzte, gleichermaßen, wie es ihn beim ersten Lesen in freudige Erwartung versetzt hatte. Die Gesichter draußen schienen plötzlich fratzenhaft, grinsten zu Masken verzerrt mit Schadenfreude in den Augen. Wut stieg in ihm auf. Schlimmer, es gesellten sich Selbstzweifel hinzu. Was ist bloß gewesen...heute? Alles ist gewesen, alles! Nur wenige versöhnliche Worte aufs Handy... Die Zeit verann. Er fühlte sich miserabel.

"Sie können hier halten, bitte!" Er stieg aus. "Stimmt so!"
Er wusste nicht, wie viel er dem Fahrer gegeben hatte. Ein unterwürfiges <Danke>. Es war wohl reichlich. Der Fahrer tippte an die Mütze. "Gute Nacht, mein Herr!" Er hörte es nicht. Nichts war gut an dieser Nacht. Er schlich durch den Nieselregen ins Hotel.

"Wollen Sie ihren Mantel ablegen?"
Der Barmann deutete auf die Regenlache unter dem Hocker.
"Einen doppelten Whisky!"
Er nahm einen kräftigen Schluck und stierte ins leere Glas.
"Wissen Sie, wie spät es ist?" Der Barkepper gähnte ihn an.
"Geben Sie mir die Flasche und ich bin weg!"

Er nahm den Fahrstuhl. Die Messinglampe am Nachttisch brannte noch. Das Wasserbett zerwühlt, wie sie es verlassen hatten. Er meinte, die Wärme ihrer erregten Körper unter den Kissen noch zu spüren, als er mit der Hand über die Seide strich, die den Duft ihrer Nacktheit verströmte. Er sah sie wieder, sich ausgestreckt räkelnd, ihre blonden Haarsträhnen über den mädchenhaften Brüsten mit den kleinen Beeren, spürte ihre heiße Haut, als ihre Schenkel ihn umschlangen.
Er trank sich in den Schlaf, auf dem Plüschsessel, der den Geruch ihres Parfüms trug. Nein, nicht in dieses Bett! Die Flasche entglitt seinem Griff.

Draußen polterten frühe Straßenbahnen. Unter bleiernen Lidern schaute er in den Regen. Da war es wieder, dieses Würgen im Hals. Er stürzte ins Bad, übergab sich. Nein, nicht der Whisky.

"Warum hast du verschwiegen, dass du verheiratet bist, dass du Kinder hast und dich niemals für mich trennen wirst? Ich gab dir doch Alles...mich."

Sie hatte sich hastig angekleidet, gedemütigt, nachdem er es ihr gestanden hatte. War ohne Abschied raus gerannt. Geweint hat sie, als sie die Tür hinter sich zuschlug.
Er fuhr ihr nach. Doch der ICE glitt bereits fast geräuschlos aus der Halle.
Er sah sie nie wieder.
 

HajoBe

Mitglied
Fast geräuschlos glitt der letzte Nachtzug aus der Halle. Der Bahnsteig war leer, bis auf einen einzelnen Mann. Er hatte sich eine Zigarette angezündet und starrte dem Zug nach, dessen rote Schlusslichter rasch kleiner wurden.
Den Kragen des Trenchcoats hochgeschlagen, die Hände in die Taschen vergraben wandte er sich zögernd dem Ausgang zu. Dann verschwand seine schmale Gestalt rasch in der Bahnunterführung. Die Kippe verglühte auf der Treppe.

"Hotel Excelsior, bitte!" Das Taxi fädelte sich in den nächtlichen Verkehrsstrom. Er saß schweigend. Auf dem Smartphone Bilder und Korrespondenz. Er las sie wieder und wieder, strich sich verstohlen mit dem Ärmel über die Wangen, als wollte er mit den Tränen das Vergangene verwischen, welches so hoffnungslos gegenwärtig war. Über dem Taxameter die Zeituhr. Jetzt müsste der ICE Baden-Baden passieren. Noch sechs Stunden bis Hamburg. Sechs lange, quälende Stunden. Sodann die SMS: "Bin gut angekommen!". Wirklich <gut>? Und <angekommen>? Im Vorher, das plötzlich nicht mehr war?
Nein, bitte keine Nachricht! Er schaltete das Handy aus. Und...wieder auf <Betriebsbereit> und <Vibrieren>. In der Manteltasche umschloss er es mit der Hand, als wollte er die ersehnte Vibration als erlösenden Puls aus der Erstarrung tasten.

Sie haben ihn nicht vermisst auf der Tagung. Er hatte nicht teilgenommen. Nach hause hatte er telefoniert, er würde einen Tag länger bleiben. Alte Studienfreunde kämen, voraussichtlich würde die Nacht durchzecht. Er gedenke auszuschlafen, bevor er sich ins Auto setze.

Jetzt tat sich der Montag wie eine graue Wand vor ihm auf, gähnte ihn inhaltslos an. Wie diesen sinnlosen Tag gestalten? Alle Wege erneut gehen, durch Passagen und Parks? Abermals vor Bildern der Ausstellung stehen, Worte staunender Zustimmung oder verwirrender Sprachlosigkeit zurückerinnern?
<Lass uns essen gehen!> Die Worte schwirrten ihm durch den Kopf. Erleichtert hatte er den Vorschlag aufgegriffen. <Ja, ich kenne einen tollen Italiener>, hatte er erwidert - und danach...
Aber morgen, er allein? Am selben Tisch etwa? "Buon giorno, Signor!", mit einem Fragezeichen im Blick des Kellners.
"Solo, Signor?"

Seine Blicke verloren sich durch die beschlagenen Scheiben unter nachtschwärmende Pärchen vor den Auslagen und in ihre fröhlichen Gesichter. Er gönnte ihnen das Lachen nicht, hätte es gerne gestohlen, um seine Trauer damit zu besänftigen.
Er lockerte seine Hand. Nein, es hatte nicht vibriert - oder doch? Er starrte aufs Display im Halbdunkel des Wagenfonts. Sich darin spiegelnde Straßenlichter glitten über das vertraute Lächeln. Zärtlich strich er mit dem Zeigefinger über das Glas.
Ein ICE hat doch GPS-Kontakt? Das Handy schwieg beharrlich. Abermals las er die Korrespondenz der letzten Tage. Doch es schmerzte, gleichermaßen, wie es ihn beim ersten Lesen in freudige Erwartung versetzt hatte. Die Gesichter draußen schienen plötzlich fratzenhaft, grinsten zu Masken verzerrt mit Schadenfreude in den Augen. Wut stieg in ihm auf. Schlimmer, es gesellten sich Selbstzweifel hinzu. Was ist bloß gewesen...heute? Alles ist gewesen, alles! Nur wenige versöhnliche Worte aufs Handy... Die Zeit verann. Er fühlte sich miserabel.

"Sie können hier halten, bitte!" Er stieg aus. "Stimmt so!"
Er wusste nicht, wie viel er dem Fahrer gegeben hatte. Ein unterwürfiges <Danke>. Es war wohl reichlich. Der Fahrer tippte an die Mütze. "Gute Nacht, mein Herr!" Er hörte es nicht. Nichts war gut an dieser Nacht. Er schlich durch den Nieselregen ins Hotel.

"Wollen Sie ihren Mantel ablegen?"
Der Barmann deutete auf die Regenlache unter dem Hocker.
"Einen doppelten Whisky!"
Er nahm einen kräftigen Schluck und stierte ins leere Glas.
"Wissen Sie, wie spät es ist?" Der Barkepper gähnte ihn an.
"Geben Sie mir die Flasche und ich bin weg!"

Er nahm den Fahrstuhl. Die Messinglampe am Nachttisch brannte noch. Das Wasserbett zerwühlt, wie sie es verlassen hatten. Er meinte, die Wärme ihrer erregten Körper unter den Kissen noch zu spüren, als er mit der Hand über die Seide strich, die den Duft ihrer Nacktheit verströmte. Er sah sie wieder, sich ausgestreckt räkelnd, ihre blonden Haarsträhnen über den mädchenhaften Brüsten mit den kleinen Beeren, spürte ihre heiße Haut, als ihre Schenkel ihn umschlangen.
Er trank sich in den Schlaf, auf dem Plüschsessel, der den Geruch ihres Parfüms trug. Nein, nicht in dieses Bett! Die Flasche entglitt seinem Griff.

Draußen polterten frühe Straßenbahnen. Unter bleiernen Lidern schaute er in den Regen. Da war es wieder, dieses Würgen im Hals. Er stürzte ins Bad, übergab sich. Nein, nicht der Whisky.

"Warum hast du verschwiegen, dass du verheiratet bist, dass du Kinder hast und dich niemals für mich trennen wirst? Ich gab dir doch Alles...mich."

Sie hatte sich hastig angekleidet, gedemütigt, nachdem er es ihr gestanden hatte. War ohne Abschied raus gerannt. Geweint hat sie, als sie die Tür hinter sich zuschlug.
Er fuhr ihr nach. Doch der ICE glitt bereits fast geräuschlos aus der Halle.
Er sah sie nie wieder.
 

HajoBe

Mitglied
Eion Tag wie kein anderer

Hallo DocSchneider,
danke für dein Interesse und deinen Vorschlag. Habe einiges geändert. Schau bitte nochmal drauf!
Einen schönen Sonntagabend
LG HajoBe
 

HajoBe

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Fast geräuschlos glitt der letzte Nachtzug aus der Halle. Der Bahnsteig war leer, bis auf einen einzelnen Mann. Er hatte sich eine Zigarette angezündet und starrte dem Zug nach, dessen rote Schlusslichter rasch kleiner wurden.
Den Kragen des Trenchcoats hochgeschlagen, die Hände in die Taschen vergraben wandte er sich zögernd dem Ausgang zu. Dann verschwand seine schmale Gestalt rasch in der Bahnunterführung. Die Kippe verglühte auf der Treppe.

"Hotel Excelsior, bitte!" Das Taxi fädelte sich in den nächtlichen Verkehrsstrom. Er saß schweigend. Auf dem Smartphone Bilder und Korrespondenz. Er las sie wieder und wieder, strich sich verstohlen mit dem Ärmel über die Wangen, als wollte er mit den Tränen das Vergangene verwischen, welches so hoffnungslos gegenwärtig war. Über dem Taxameter die Zeituhr. Jetzt müsste der ICE Baden-Baden passieren. Noch sechs Stunden bis Hamburg. Sechs lange, quälende Stunden. Sodann die SMS: "Bin gut angekommen!". Wirklich <gut>? Und <angekommen>? Im Vorher, das plötzlich nicht mehr war?
Nein, bitte keine Nachricht! Er schaltete das Handy aus. Und...wieder auf <Betriebsbereit> und <Vibrieren>. In der Manteltasche umschloss er es mit der Hand, als wollte er die ersehnte Vibration als erlösenden Puls aus der Erstarrung tasten.

Sie haben ihn nicht vermisst auf der Tagung. Er hatte nicht teilgenommen. Nach hause hatte er telefoniert, er würde einen Tag länger bleiben. Alte Studienfreunde kämen, voraussichtlich würde die Nacht durchzecht. Er gedenke auszuschlafen, bevor er sich ins Auto setze.

Jetzt tat sich der Montag wie eine graue Wand vor ihm auf, gähnte ihn inhaltslos an. Wie diesen sinnlosen Tag gestalten? Alle Wege erneut gehen, durch Passagen und Parks? Abermals vor Bildern der Ausstellung stehen, Worte staunender Zustimmung oder verwirrender Sprachlosigkeit zurückerinnern?
<Lass uns essen gehen!> Die Worte schwirrten ihm durch den Kopf. Erleichtert hatte er den Vorschlag aufgegriffen. <Ja, ich kenne einen tollen Italiener>, hatte er erwidert - und danach...
Aber morgen, er allein? Am selben Tisch etwa? "Buon giorno, Signor!", mit einem Fragezeichen im Blick des Kellners.
"Solo, Signor?"

Seine Blicke verloren sich durch die beschlagenen Scheiben unter nachtschwärmende Pärchen vor den Auslagen und in ihre fröhlichen Gesichter. Er gönnte ihnen das Lachen nicht, hätte es gerne gestohlen, um seine Trauer damit zu besänftigen.
Er lockerte seine Hand. Nein, es hatte nicht vibriert - oder doch? Er starrte aufs Display im Halbdunkel des Wagenfonts. Sich darin spiegelnde Straßenlichter glitten über das vertraute Lächeln. Zärtlich strich er mit dem Zeigefinger über das Glas.
Ein ICE hat doch GPS-Kontakt? Das Handy schwieg beharrlich. Abermals las er die Korrespondenz der letzten Tage. Doch es schmerzte, gleichermaßen, wie es ihn beim ersten Lesen in freudige Erwartung versetzt hatte. Die Gesichter draußen schienen plötzlich fratzenhaft, grinsten zu Masken verzerrt mit Schadenfreude in den Augen. Wut stieg in ihm auf. Schlimmer, es gesellten sich Selbstzweifel hinzu. Was ist bloß gewesen...heute? Alles ist gewesen, alles! Nur wenige versöhnliche Worte aufs Handy... Die Zeit verann. Er fühlte sich miserabel.

"Sie können hier halten, bitte!" Er stieg aus. "Stimmt so!"
Er wusste nicht, wie viel er dem Fahrer gegeben hatte. Ein unterwürfiges <Danke>. Es war wohl reichlich. Der Fahrer tippte an die Mütze. "Gute Nacht, mein Herr!" Er hörte es nicht. Nichts war gut an dieser Nacht. Er schlich durch den Nieselregen ins Hotel, spürte die Nässe nicht, die seine Kleidung durchdrang.

"Wollen Sie ihren Mantel ablegen?"
Der Barmann deutete auf die Regenlache unter dem Hocker.
"Einen doppelten Whisky!"
Er nahm einen kräftigen Schluck und stierte ins leere Glas.
"Wissen Sie, wie spät es ist?" Der Barkepper gähnte ihn an.
"Geben Sie mir die Flasche und ich bin weg!"

Er nahm den Fahrstuhl. Die Messinglampe am Nachttisch brannte noch. Das Wasserbett zerwühlt, wie sie es verlassen hatten. Er meinte, die Wärme ihrer erregten Körper unter den Kissen noch zu spüren, als er mit der Hand über die Seide strich, die den Duft ihrer Nacktheit verströmte. Er sah sie wieder, sich ausgestreckt räkelnd, ihre blonden Haarsträhnen über den mädchenhaften Brüsten mit den kleinen Beeren, spürte ihre heiße Haut, als ihre Schenkel ihn umschlangen.
Er trank sich in den Schlaf, auf dem Plüschsessel, der den Geruch ihres Parfüms trug. Nein, nicht in dieses Bett! Die Flasche entglitt seinem Griff.

Draußen polterten frühe Straßenbahnen. Unter bleiernen Lidern schaute er in den Regen. Da war es wieder, dieses Würgen im Hals. Er stürzte ins Bad, übergab sich. Nein, nicht der Whisky.

"Warum hast du verschwiegen, dass du verheiratet bist, dass du Kinder hast und dich niemals für mich trennen wirst? Ich gab dir doch Alles...mich."

Sie hatte sich hastig angekleidet, gedemütigt, nachdem er es ihr gestanden hatte. War ohne Abschied raus gerannt. Geweint hat sie, als sie die Tür hinter sich zuschlug.
Er fuhr ihr nach. Doch der ICE glitt bereits fast geräuschlos aus der Halle.
Er sah sie nie wieder.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Hajobe, jetzt ist es klarer geworden. Ein paar "noch"s streichen und einige Flüchtigkeitsfehler sind drin, sonst alles gut.
Wirklich gern gelesen, lg, Doc
 

HajoBe

Mitglied
Fast geräuschlos glitt der letzte Nachtzug aus der Halle. Der Bahnsteig war leer, bis auf einen einzelnen Mann. Er hatte sich eine Zigarette angezündet und starrte dem Zug nach, dessen rote Schlusslichter rasch kleiner wurden.
Den Kragen des Trenchcoats hochgeschlagen, die Hände in die Taschen vergraben wandte er sich zögernd dem Ausgang zu. Dann verschwand seine schmale Gestalt rasch in der Bahnunterführung. Die Kippe verglühte auf der Treppe.

"Hotel Excelsior, bitte!" Das Taxi fädelte sich in den nächtlichen Verkehrsstrom. Er saß schweigend. Auf dem Smartphone Bilder und Korrespondenz. Er las sie wieder und wieder, strich sich verstohlen mit dem Ärmel über die Wangen, als wollte er mit den Tränen das Vergangene verwischen, welches so hoffnungslos gegenwärtig war. Über dem Taxameter die Zeituhr. Jetzt müsste der ICE Baden-Baden passieren. Noch sechs Stunden bis Hamburg. Sechs lange, quälende Stunden. Sodann die SMS: "Bin gut angekommen!" Wirklich <gut>? Und <angekommen>? Im Vorher, das plötzlich nicht mehr war?
Nein, bitte keine Nachricht! Er schaltete das Handy aus. Und...,wieder auf <Betriebsbereit> und <Vibrieren>. In der Manteltasche umschloss er es mit der Hand, als wollte er die ersehnte Vibration als erlösenden Puls aus der Erstarrung tasten.

Sie haben ihn nicht vermisst auf der Tagung. Er hatte nicht teilgenommen. Nach hause hatte er telefoniert, er würde einen Tag länger bleiben. Alte Studienfreunde kämen, voraussichtlich würde die Nacht durchzecht. Er gedenke, auszuschlafen, bevor er sich ins Auto setze.

Jetzt tat sich der Montag wie eine graue Wand vor ihm auf, gähnte ihn inhaltslos an. Wie diesen sinnlosen Tag gestalten? Alle Wege erneut gehen, durch Passagen und Parks? Abermals vor Bildern der Ausstellung stehen, Worte staunender Zustimmung oder verwirrender Sprachlosigkeit zurückerinnern?
<Lass uns essen gehen!> Die Worte schwirrten ihm durch den Kopf. Erleichtert hatte er den Vorschlag aufgegriffen. <Ja, ich kenne einen tollen Italiener>, hatte er erwidert - und danach...?
Aber morgen, er allein? Am selben Tisch etwa? "Buon giorno, Signor!", mit einem Fragezeichen im Blick des Kellners.
"Solo, Signor?"

Seine Blicke verloren sich durch die beschlagenen Scheiben unter nachtschwärmende Pärchen vor den Auslagen und in ihre fröhlichen Gesichter. Er gönnte ihnen das Lachen nicht, hätte es gerne gestohlen, um seine Trauer damit zu besänftigen.
Er lockerte seine Hand. Nein, es hatte nicht vibriert - oder doch? Er starrte aufs Display im Halbdunkel des Wagenfonts. Sich darin spiegelnde Straßenlichter glitten über das vertraute Lächeln. Zärtlich strich er mit dem Zeigefinger über das Glas.
Ein ICE hat GPS-Kontakt? Das Handy schwieg beharrlich. Abermals las er die Korrespondenz der letzten Tage. Es schmerzte, gleichermaßen, wie es ihn beim ersten Lesen in freudige Erwartung versetzt hatte. Die Gesichter draußen schienen plötzlich fratzenhaft, grinsten zu Masken verzerrt mit Schadenfreude in den Augen. Wut stieg in ihm auf. Schlimmer, es gesellten sich Selbstzweifel hinzu. Was ist bloß gewesen...heute? Alles ist gewesen, alles! Nur wenige versöhnliche Worte aufs Handy... Die Zeit verann. Er fühlte sich miserabel.

"Sie können hier halten, bitte!" Er stieg aus. "Stimmt so!"
Er wusste nicht, wie viel er dem Fahrer gegeben hatte. Ein unterwürfiges <Danke>. Es war wohl reichlich. Der Fahrer tippte an die Mütze. "Gute Nacht, mein Herr!" Er hörte es nicht. Nichts war gut an dieser Nacht. Er schlich durch den Nieselregen ins Hotel, spürte die Nässe nicht, die seine Kleidung durchdrang.

"Wollen Sie ihren Mantel ablegen?"
Der Barmann deutete auf die Regenlache unter dem Hocker.
"Einen doppelten Whisky!"
Er nahm einen kräftigen Schluck und stierte ins leere Glas.
"Wissen Sie, wie spät es ist?" Der Barkepper gähnte ihn an.
"Geben Sie mir die Flasche und ich bin weg!"

Er nahm den Fahrstuhl. Die Messinglampe am Nachttisch brannte noch. Das Wasserbett zerwühlt, wie sie es verlassen hatten. Er meinte, die Wärme ihrer erregten Körper unter den Kissen zu spüren, als er mit der Hand über die Seide strich, die den Duft ihrer Nacktheit verströmte. Er sah sie wieder, sich ausgestreckt räkelnd, ihre blonden Haarsträhnen über den mädchenhaften Brüsten mit den kleinen Beeren, spürte ihre heiße Haut, als ihre Schenkel ihn umschlangen.
Er trank sich in den Schlaf, auf dem Plüschsessel, der den Geruch ihres Parfüms trug. Nein, nicht in dieses Bett! Die Flasche entglitt seinem Griff.

Draußen polterten frühe Straßenbahnen. Unter bleiernen Lidern schaute er in den Regen. Da war es wieder, dieses Würgen im Hals. Er stürzte ins Bad, übergab sich. Nein, nicht der Whisky.

"Warum hast du verschwiegen, dass du verheiratet bist, dass du Kinder hast und dich niemals für mich trennen wirst? Ich gab dir doch Alles...mich."

Sie hatte sich hastig angekleidet, gedemütigt, nachdem er es ihr gestanden hatte. War ohne Abschied raus gerannt. Geweint hat sie, als sie die Tür hinter sich zuschlug.
Er fuhr ihr nach. Der ICE glitt bereits fast geräuschlos aus der Halle.
Er sah sie nie wieder.
 

HajoBe

Mitglied
Hallo DocSchneider,
ich glaube, jetzt kann man es so stehen lassen...
Danke!
Einen schönen Abend aus dem Schwarzwald, der bereits seine Schneehaube aufgesetzt hat.
HajoBe
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Hajobe,
ein bisschen habe ich noch gefunden:

Nach hause hatte er telefoniert,
Entweder nach Hause oder nachhause.

Die Zeit verrann.

"Wollen Sie ihren Mantel ablegen?"
Wollen Sie Ihren....

Die Messinglampe am Nachttisch
Vielleicht besser: auf dem Nachttisch?

.
Er sah sie wieder,
Besser: Er sah sie wieder vor sich.


Vielleicht habe ich etwas übersehen, aber das liegt dann daran, dass der Inhalt alles überstrahlt. Du hast es geschafft, Dich perfekt in den Protagonisten hineinzuversetzen. Das zählt mehr als kleine Fehler. Auf der anderen Seite könnte der Text perfekt werden, wenn sie noch ausgemerzt werden.

LG Doc, gänzlich ohne Schnee ;-)
 

HajoBe

Mitglied
Fast geräuschlos glitt der letzte Nachtzug aus der Halle. Der Bahnsteig war leer, bis auf einen einzelnen Mann. Er hatte sich eine Zigarette angezündet und starrte dem Zug nach, dessen rote Schlusslichter rasch kleiner wurden.
Den Kragen des Trenchcoats hochgeschlagen, die Hände in die Taschen vergraben wandte er sich zögernd dem Ausgang zu. Dann verschwand seine schmale Gestalt rasch in der Bahnunterführung. Die Kippe verglühte auf der Treppe.

"Hotel Excelsior, bitte!" Das Taxi fädelte sich in den nächtlichen Verkehrsstrom. Er saß schweigend. Auf dem Smartphone Bilder und Korrespondenz. Er las sie wieder und wieder, strich sich verstohlen mit dem Ärmel über die Wangen, als wollte er mit den Tränen das Vergangene verwischen, welches so hoffnungslos gegenwärtig war. Über dem Taxameter die Zeituhr. Jetzt müsste der ICE Baden-Baden passieren. Noch sechs Stunden bis Hamburg. Sechs lange, quälende Stunden. Sodann die SMS: "Bin gut angekommen!" Wirklich <gut>? Und <angekommen>? Im Vorher, das plötzlich nicht mehr war?
Nein, bitte keine Nachricht! Er schaltete das Handy aus. Und...,wieder auf <Betriebsbereit> und <Vibrieren>. In der Manteltasche umschloss er es mit der Hand, als wollte er die ersehnte Vibration als erlösenden Puls aus der Erstarrung tasten.

Sie haben ihn nicht vermisst auf der Tagung. Er hatte nicht teilgenommen. Nach Hause hatte er telefoniert, er würde einen Tag länger bleiben. Alte Studienfreunde kämen, voraussichtlich würde die Nacht durchzecht. Er gedenke, auszuschlafen, bevor er sich ins Auto setze.

Jetzt tat sich der Montag wie eine graue Wand vor ihm auf, gähnte ihn inhaltslos an. Wie diesen sinnlosen Tag gestalten? Alle Wege erneut gehen, durch Passagen und Parks? Abermals vor Bildern der Ausstellung stehen, Worte staunender Zustimmung oder verwirrender Sprachlosigkeit zurückerinnern?
<Lass uns essen gehen!> Die Worte schwirrten ihm durch den Kopf. Erleichtert hatte er den Vorschlag aufgegriffen. <Ja, ich kenne einen tollen Italiener>, hatte er erwidert - und danach...?
Aber morgen, er allein? Am selben Tisch etwa? "Buon giorno, Signor!", mit einem Fragezeichen im Blick des Kellners.
"Solo, Signor?"

Seine Blicke verloren sich durch die beschlagenen Scheiben unter nachtschwärmende Pärchen vor den Auslagen und in ihre fröhlichen Gesichter. Er gönnte ihnen das Lachen nicht, hätte es gerne gestohlen, um seine Trauer damit zu besänftigen.
Er lockerte seine Hand. Nein, es hatte nicht vibriert - oder doch? Er starrte aufs Display im Halbdunkel des Wagenfonts. Sich darin spiegelnde Straßenlichter glitten über das vertraute Lächeln. Zärtlich strich er mit dem Zeigefinger über das Glas.
Ein ICE hat GPS-Kontakt? Das Handy schwieg beharrlich. Abermals las er die Korrespondenz der letzten Tage. Es schmerzte, gleichermaßen, wie es ihn beim ersten Lesen in freudige Erwartung versetzt hatte. Die Gesichter draußen schienen plötzlich fratzenhaft, grinsten zu Masken verzerrt mit Schadenfreude in den Augen. Wut stieg in ihm auf. Schlimmer, es gesellten sich Selbstzweifel hinzu. Was ist bloß gewesen...heute? Alles ist gewesen, alles! Nur wenige versöhnliche Worte aufs Handy... Die Zeit verrann. Er fühlte sich miserabel.

"Sie können hier halten, bitte!" Er stieg aus. "Stimmt so!"
Er wusste nicht, wie viel er dem Fahrer gegeben hatte. Ein unterwürfiges <Danke>. Es war wohl reichlich. Der Fahrer tippte an die Mütze. "Gute Nacht, mein Herr!" Er hörte es nicht. Nichts war gut an dieser Nacht. Er schlich durch den Nieselregen ins Hotel, spürte die Nässe nicht, die seine Kleidung durchdrang.

"Wollen Sie ihren Mantel ablegen?"
Der Barmann deutete auf die Regenlache unter dem Hocker.
"Einen doppelten Whisky!"
Er nahm einen kräftigen Schluck und stierte ins leere Glas.
"Wissen Sie, wie spät es ist?" Der Barkepper gähnte ihn an.
"Geben Sie mir die Flasche und ich bin weg!"

Er nahm den Fahrstuhl. Die Messinglampe am Nachttisch brannte noch. Das Wasserbett zerwühlt, wie sie es verlassen hatten. Er meinte, die Wärme ihrer erregten Körper unter den Kissen zu spüren, als er mit der Hand über die Seide strich, die den Duft ihrer Nacktheit verströmte. Er sah sie, sich ausgestreckt räkelnd, ihre blonden Haarsträhnen über den mädchenhaften Brüsten mit den kleinen Beeren, spürte ihre heiße Haut, als ihre Schenkel ihn umschlangen.
Er trank sich in den Schlaf, auf dem Plüschsessel, der den Geruch ihres Parfüms trug. Nein, nicht in dieses Bett! Die Flasche entglitt seinem Griff.

Draußen polterten frühe Straßenbahnen. Unter bleiernen Lidern schaute er in den Regen. Da war es wieder, dieses Würgen im Hals. Er stürzte ins Bad, übergab sich. Nein, nicht der Whisky.

"Warum hast du verschwiegen, dass du verheiratet bist, dass du Kinder hast und dich niemals für mich trennen wirst? Ich gab dir doch Alles...mich."

Sie hatte sich hastig angekleidet, gedemütigt, nachdem er es ihr gestanden hatte. War ohne Abschied raus gerannt. Geweint hat sie, als sie die Tür hinter sich zuschlug.
Er fuhr ihr nach. Der ICE glitt bereits fast geräuschlos aus der Halle.
Er sah sie nie wieder.
 

HajoBe

Mitglied
Fast geräuschlos glitt der letzte Nachtzug aus der Halle. Der Bahnsteig war leer, bis auf einen einzelnen Mann. Er hatte sich eine Zigarette angezündet und starrte dem Zug nach, dessen rote Schlusslichter rasch kleiner wurden.
Den Kragen des Trenchcoats hochgeschlagen, die Hände in die Taschen vergraben wandte er sich zögernd dem Ausgang zu. Dann verschwand seine schmale Gestalt rasch in der Bahnunterführung. Die Kippe verglühte auf der Treppe.

"Hotel Excelsior, bitte!" Das Taxi fädelte sich in den nächtlichen Verkehrsstrom. Er saß schweigend. Auf dem Smartphone Bilder und Korrespondenz. Er las sie wieder und wieder, strich sich verstohlen mit dem Ärmel über die Wangen, als wollte er mit den Tränen das Vergangene verwischen, welches so hoffnungslos gegenwärtig war. Über dem Taxameter die Zeituhr. Jetzt müsste der ICE Baden-Baden passieren. Noch sechs Stunden bis Hamburg. Sechs lange, quälende Stunden. Sodann die SMS: "Bin gut angekommen!" Wirklich <gut>? Und <angekommen>? Im Vorher, das plötzlich nicht mehr war?
Nein, bitte keine Nachricht! Er schaltete das Handy aus. Und...,wieder auf <Betriebsbereit> und <Vibrieren>. In der Manteltasche umschloss er es mit der Hand, als wollte er die ersehnte Vibration als erlösenden Puls aus der Erstarrung tasten.

Sie haben ihn nicht vermisst auf der Tagung. Er hatte nicht teilgenommen. Nach Hause hatte er telefoniert, er würde einen Tag länger bleiben. Alte Studienfreunde kämen, voraussichtlich würde die Nacht durchzecht. Er gedenke, auszuschlafen, bevor er sich ins Auto setze.

Jetzt tat sich der Montag wie eine graue Wand vor ihm auf, gähnte ihn inhaltslos an. Wie diesen sinnlosen Tag gestalten? Alle Wege erneut gehen, durch Passagen und Parks? Abermals vor Bildern der Ausstellung stehen, Worte staunender Zustimmung oder verwirrender Sprachlosigkeit zurückerinnern?
<Lass uns essen gehen!> Die Worte schwirrten ihm durch den Kopf. Erleichtert hatte er den Vorschlag aufgegriffen. <Ja, ich kenne einen tollen Italiener>, hatte er erwidert - und danach...?
Aber morgen, er allein? Am selben Tisch etwa? "Buon giorno, Signor!", mit einem Fragezeichen im Blick des Kellners.
"Solo, Signor?"

Seine Blicke verloren sich durch die beschlagenen Scheiben unter nachtschwärmende Pärchen vor den Auslagen und in ihre fröhlichen Gesichter. Er gönnte ihnen das Lachen nicht, hätte es gerne gestohlen, um seine Trauer damit zu besänftigen.
Er lockerte seine Hand. Nein, es hatte nicht vibriert - oder doch? Er starrte aufs Display im Halbdunkel des Wagenfonts. Sich darin spiegelnde Straßenlichter glitten über das vertraute Lächeln. Zärtlich strich er mit dem Zeigefinger über das Glas.
Ein ICE hat GPS-Kontakt? Das Handy schwieg beharrlich. Abermals las er die Korrespondenz der letzten Tage. Es schmerzte, gleichermaßen, wie es ihn beim ersten Lesen in freudige Erwartung versetzt hatte. Die Gesichter draußen schienen plötzlich fratzenhaft, grinsten zu Masken verzerrt mit Schadenfreude in den Augen. Wut stieg in ihm auf. Schlimmer, es gesellten sich Selbstzweifel hinzu. Was ist bloß gewesen...heute? Alles ist gewesen, alles! Nur wenige versöhnliche Worte aufs Handy... Die Zeit verrann. Er fühlte sich miserabel.

"Sie können hier halten, bitte!" Er stieg aus. "Stimmt so!"
Er wusste nicht, wie viel er dem Fahrer gegeben hatte. Ein unterwürfiges <Danke>. Es war wohl reichlich. Der Fahrer tippte an die Mütze. "Gute Nacht, mein Herr!" Er hörte es nicht. Nichts war gut an dieser Nacht. Er schlich durch den Nieselregen ins Hotel, spürte die Nässe nicht, die seine Kleidung durchdrang.

"Wollen Sie Ihren Mantel ablegen?"
Der Barmann deutete auf die Regenlache unter dem Hocker.
"Einen doppelten Whisky!"
Er nahm einen kräftigen Schluck und stierte ins leere Glas.
"Wissen Sie, wie spät es ist?" Der Barkepper gähnte ihn an.
"Geben Sie mir die Flasche und ich bin weg!"

Er nahm den Fahrstuhl. Die Messinglampe aauf dem Nachttisch brannte noch. Das Wasserbett zerwühlt, wie sie es verlassen hatten. Er meinte, die Wärme ihrer erregten Körper unter den Kissen zu spüren, als er mit der Hand über die Seide strich, die den Duft ihrer Nacktheit verströmte. Er sah sie, sich ausgestreckt räkelnd, ihre blonden Haarsträhnen über den mädchenhaften Brüsten mit den kleinen Beeren, spürte ihre heiße Haut, als ihre Schenkel ihn umschlangen.
Er trank sich in den Schlaf, auf dem Plüschsessel, der den Geruch ihres Parfüms trug. Nein, nicht in dieses Bett! Die Flasche entglitt seinem Griff.

Draußen polterten frühe Straßenbahnen. Unter bleiernen Lidern schaute er in den Regen. Da war es wieder, dieses Würgen im Hals. Er stürzte ins Bad, übergab sich. Nein, nicht der Whisky.

"Warum hast du verschwiegen, dass du verheiratet bist, dass du Kinder hast und dich niemals für mich trennen wirst? Ich gab dir doch Alles...mich."

Sie hatte sich hastig angekleidet, gedemütigt, nachdem er es ihr gestanden hatte. War ohne Abschied raus gerannt. Geweint hat sie, als sie die Tür hinter sich zuschlug.
Er fuhr ihr nach. Der ICE glitt bereits fast geräuschlos aus der Halle.
Er sah sie nie wieder.
 

HajoBe

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Fast geräuschlos glitt der letzte Nachtzug aus der Halle. Der Bahnsteig war leer, bis auf einen einzelnen Mann. Er hatte sich eine Zigarette angezündet und starrte dem Zug nach, dessen rote Schlusslichter rasch kleiner wurden.
Den Kragen des Trenchcoats hochgeschlagen, die Hände in die Taschen vergraben wandte er sich zögernd dem Ausgang zu. Dann verschwand seine schmale Gestalt rasch in der Bahnunterführung. Die Kippe verglühte auf der Treppe.

"Hotel Excelsior, bitte!" Das Taxi fädelte sich in den nächtlichen Verkehrsstrom. Er saß schweigend. Auf dem Smartphone Bilder und Korrespondenz. Er las sie wieder und wieder, strich sich verstohlen mit dem Ärmel über die Wangen, als wollte er mit den Tränen das Vergangene verwischen, welches so hoffnungslos gegenwärtig war. Über dem Taxameter die Zeituhr. Jetzt müsste der ICE Baden-Baden passieren. Noch sechs Stunden bis Hamburg. Sechs lange, quälende Stunden. Sodann die SMS: "Bin gut angekommen!" Wirklich <gut>? Und <angekommen>? Im Vorher, das plötzlich nicht mehr war?
Nein, bitte keine Nachricht! Er schaltete das Handy aus. Und...,wieder auf <Betriebsbereit> und <Vibrieren>. In der Manteltasche umschloss er es mit der Hand, als wollte er die ersehnte Vibration als erlösenden Puls aus der Erstarrung tasten.

Sie haben ihn nicht vermisst auf der Tagung. Er hatte nicht teilgenommen. Nach Hause hatte er telefoniert, er würde einen Tag länger bleiben. Alte Studienfreunde kämen, voraussichtlich würde die Nacht durchzecht. Er gedenke, auszuschlafen, bevor er sich ins Auto setze.

Jetzt tat sich der Montag wie eine graue Wand vor ihm auf, gähnte ihn inhaltslos an. Wie diesen sinnlosen Tag gestalten? Alle Wege erneut gehen, durch Passagen und Parks? Abermals vor Bildern der Ausstellung stehen, Worte staunender Zustimmung oder verwirrender Sprachlosigkeit zurückerinnern?
<Lass uns essen gehen!> Die Worte schwirrten ihm durch den Kopf. Erleichtert hatte er den Vorschlag aufgegriffen. <Ja, ich kenne einen tollen Italiener>, hatte er erwidert - und danach...?
Aber morgen, er allein? Am selben Tisch etwa? "Buon giorno, Signor!", mit einem Fragezeichen im Blick des Kellners.
"Solo, Signor?"

Seine Blicke verloren sich durch die beschlagenen Scheiben unter nachtschwärmende Pärchen vor den Auslagen und in ihre fröhlichen Gesichter. Er gönnte ihnen das Lachen nicht, hätte es gerne gestohlen, um seine Trauer damit zu besänftigen.
Er lockerte seine Hand. Nein, es hatte nicht vibriert - oder doch? Er starrte aufs Display im Halbdunkel des Wagenfonts. Sich darin spiegelnde Straßenlichter glitten über das vertraute Lächeln. Zärtlich strich er mit dem Zeigefinger über das Glas.
Ein ICE hat GPS-Kontakt? Das Handy schwieg beharrlich. Abermals las er die Korrespondenz der letzten Tage. Es schmerzte, gleichermaßen, wie es ihn beim ersten Lesen in freudige Erwartung versetzt hatte. Die Gesichter draußen schienen plötzlich fratzenhaft, grinsten zu Masken verzerrt mit Schadenfreude in den Augen. Wut stieg in ihm auf. Schlimmer, es gesellten sich Selbstzweifel hinzu. Was ist bloß gewesen...heute? Alles ist gewesen, alles! Nur wenige versöhnliche Worte aufs Handy... Die Zeit verrann. Er fühlte sich miserabel.

"Sie können hier halten, bitte!" Er stieg aus. "Stimmt so!"
Er wusste nicht, wie viel er dem Fahrer gegeben hatte. Ein unterwürfiges <Danke>. Es war wohl reichlich. Der Fahrer tippte an die Mütze. "Gute Nacht, mein Herr!" Er hörte es nicht. Nichts war gut an dieser Nacht. Er schlich durch den Nieselregen ins Hotel, spürte die Nässe nicht, die seine Kleidung durchdrang.

"Wollen Sie Ihren Mantel ablegen?"
Der Barmann deutete auf die Regenlache unter dem Hocker.
"Einen doppelten Whisky!"
Er nahm einen kräftigen Schluck und stierte ins leere Glas.
"Wissen Sie, wie spät es ist?" Der Barkepper gähnte ihn an.
"Geben Sie mir die Flasche und ich bin weg!"

Er nahm den Fahrstuhl. Die Messinglampe aauf dem Nachttisch brannte noch. Das Wasserbett zerwühlt, wie sie es verlassen hatten. Er meinte, die Wärme ihrer erregten Körper unter den Kissen zu spüren, als er mit der Hand über die Seide strich, die den Duft ihrer Nacktheit verströmte. Er sah sie wieder sich ausgestreckt räkelnd, ihre blonden Haarsträhnen über den mädchenhaften Brüsten mit den kleinen Beeren, spürte ihre heiße Haut, als ihre Schenkel ihn umschlangen.
Er trank sich in den Schlaf, auf dem Plüschsessel, der den Geruch ihres Parfüms trug. Nein, nicht in dieses Bett! Die Flasche entglitt seinem Griff.

Draußen polterten frühe Straßenbahnen. Unter bleiernen Lidern schaute er in den Regen. Da war es wieder, dieses Würgen im Hals. Er stürzte ins Bad, übergab sich. Nein, nicht der Whisky.

"Warum hast du verschwiegen, dass du verheiratet bist, dass du Kinder hast und dich niemals für mich trennen wirst? Ich gab dir doch Alles...mich."

Sie hatte sich hastig angekleidet, gedemütigt, nachdem er es ihr gestanden hatte. War ohne Abschied raus gerannt. Geweint hat sie, als sie die Tür hinter sich zuschlug.
Er fuhr ihr nach. Der ICE glitt bereits fast geräuschlos aus der Halle.
Er sah sie nie wieder.
 

HajoBe

Mitglied
Hallo Doc,
ja, der Teufel steckt im Detail. Danke für deine Beschäftigung damit!
Ich meine mit dem Detail...
LG bei winterlicher Kälte
HajoBe
 



 
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