Ein delikates Rendezvous

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chrissieanne

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„Achten sie auf ein Holzkreuz links an der Landstraße. Etwa zweihundert Meter weiter geht ein Weg hinein in den Wald. Dort müssen sie abbiegen."
Professor Wilde hielt konzentriert Ausschau. Meine Güte, wie konnte man nur so abgelegen wohnen. Seit einer halben Stunde kam ihm kein einziger Wagen mehr entgegen. Nur sein BMW glitt leise über die Landstraße. Links und rechts dunkler Wald, hinter dem die frühe Abendsonne verschwunden war. Geradezu unheimlich war diese Einsamkeit hier. Er schaute nervös auf die Uhr. Gerade mal sechs. Um acht war er verabredet.
Er hatte es nicht mehr ausgehalten. Er musste wissen, wo sie wohnt. Dann würde er einfach noch ein wenig herumfahren, bis es soweit war.
Immer wieder hörte er diese rauchige, tiefe Stimme. Es war nicht sein erstes Treffen mit einer dieser Frauen, die sich im Internet anbieten. Aber noch nie war er so nervös. Wie gerne würde er jetzt Miles Davis hören. Das er ausgerechnet ihn in sein CD-Regal zurück gelegt hatte. Seine Musik wäre jetzt Balsam für sein Herz, dass beunruhigend schnell schlug.
Da - da ist das Kreuz. Jetzt hieß es aufpassen. Und tatsächlich war da links ein Waldweg. Er bremste. War es möglich, hier mit dem Auto hineinzufahren? Dort im Wald konnte doch unmöglich jemand wohnen. Wenn sie ihn nun angeschmiert hatte? Intelligenz schützt ja bekanntlich vor Torheit nicht. Auch ein Professor der Philosophie und Geschichte kann den Verstand verlieren, wenns um die Begierde geht. Egal, jetzt war er einmal hier und wollte es wissen. Es musste diese Frau geben. Es musste einfach. Er setzte, überflüssigerweise, den Blinker und fuhr hinein in den Wald. Im Schrittempo holperte er über den Weg. Äste kratzten an seinem Wagen. Die Bäume standen so dicht, dass das Abendlicht nicht durchkam. Es war dunkel und - er musste es sich eingestehen - gruselig. Er war kein ängstlicher Mensch, aber er fragte sich doch, was er hier zum Teufel eigentlich tat. Nach etwa zwanzig Minuten wurde es heller, er fuhr auf eine Lichtung zu. Er hielt an. Wenn es sie gab, sollte sie ihn nicht hören. Er überprüfte sein Gesicht im Rückspiegel. Gut sah er aus, das wusste er. Und klug war er, das wusste er auch. Sie war ebenfalls klug, dies hatte er in dem kurzen Gespräch mit ihr sofort registriert. Wenn sie das einhielt, was ihre Stimme versprach, war sie eine Schönheit. Schönheit gepaart mit Intelligenz, das ist mehr als unwiderstehlich. Auch das wusste er.
Er stieg aus dem Wagen., die Tür schloss mit einem leisen „plopp". Totenstill war es. Nur der leichte Wind sang sacht in den Kronen, ab und zu knackte es in den Tiefen der Finsternis. Langsam schritt er den Weg entlang und wagte kaum zu atmen. Er erreichte die Lichtung. Nichts. Doch da, am Rande, schimmerte hinter den Bäumen Gemäuer. Er ging quer über die Lichtung, suchte nach einem Durchkommen, und sah, nach einiger Zeit, einen Pfad. Er folgte ihm - und stand mit einem Mal vor einem uraltem, mit Efeu bewachsenem Häuschen, mit einem - er traute seinen Augen kaum - angebautem Stall, vor dem im abgezäunten Bereich vier Schweine gierig grunzend am Trog fraßen. Eine Frau, die mitten im Wald wohnte, Schweine hielt und sich im Internet anbot???
Das gabs doch gar nicht. Er sollte schleunigst wieder verschwinden. Doch diese Stimme. Sie hatte sich durch seine Gehörgänge ins Hirn gefressen. Und seine Neugier war auf Speed.
Obwohl der Waldboden seine Schritte schluckte, schlich er auf Zehenspitzen um das Haus herum. Er bog zwei dichte Büsche leicht zur Seite, und was er sah, ließ seinen Atem stocken. Sie war nicht schön. Sie war überirdisch.
Auf einer kleinen Terasse saß sie. Das lockige, schwarze Haar im Nacken zusammengebunden. Eine Strähne fiel ihr ins Gesicht, während sie an etwas in ihrer Hand konzentriert arbeitete. Zu ihren Füßen lag eine Katze.
Er starrte minutenlang auf dieses Bild. Dann ging er langsam zurück. Er musste diese Frau haben. Wenn auch nichts mehr sonst in diesem Leben. Eine Stunde noch.

„Es ist besser, wenn ich es roh als Salat esse. Gebraten oder gekocht verliert es bestimmt seine Wirkung. Das müsste gehen, mit einem guten Dressing."
Kate tupfte mit einem Wattestäbchen vorsichtig den Schleim ab.
Sie schaute kurz hoch auf den kleinen Wecker, den sie mit hinaus genommen hatte. Schon halb sieben. Um acht war ihre Verabredung. Ihre erste Ration. Sie lächelte. Der gestrige Abend war ja diesbezüglich ein Reinfall. Aber als Übung doch ganz gut. Mit einem musste sie ja anfangen. Dieser hatte wohl, was seine berufliche Tätigkeit anging, ein wenig hochgestapelt. Journalist. Ha! Der war im besten Fall für die Fußballergebnisse der BILD zuständig. Ein phantastischer Liebhaber, aber dumm wie ein Stuhl. Und mit seltsamen Vorlieben. Sie musste mit einem aufgespannten Regenschirm auf ihm reiten und stöhnen: „Mach mich nass, mein weisser Regen, ströme, ströme." Sie musste jetzt noch lachen, wenn sie daran zurückdachte. Männer.
Sie hasste sie. Sie hasste die Menschen insgesamt. Alle. Wie dumm und einfältig sie waren. Wie berechenbar.So gefangen in ihren billigen Bedürfnissen. Sie liebte gute Gespräche mit intelligenten Menschen, aber irgendwann langweilten sie sie zu Tode. Alle. Und immer.
Sie liebte die Literatur, die Philosophie, doch es kam immer der Punkt an dem sie ermüdete. Ja, angeekelt war. War doch alles von Menschen geschrieben und erdacht.
Das, was sie jedoch wirklich und beständig liebte war Sex. Dafür brauchte sie Männer. Vielmehr gebrauchte sie. Eines Tages, als sie gelangweilt für ihr Juraexamen lernte, dachte sie: „Die Männer fliegen auf mich. Ich kann sie mir aussuchen - sie würden jeden Betrag zahlen. Warum nicht?" Seitdem verkaufte sie sich. Und es gefiel ihr. Sie machte ihr Examen, arbeitete jedoch nie in ihrem Beruf. Sie wollte niemals für niemanden irgendetwas tun. Als Prostituierte tat sie zwar auch etwas, aber in erster Linie für sich. Und beim Sex offenbarte sich die Primitivität der Menschen wenigstens unverfälscht. Da sind sie wie die Tiere, zu denen sie sich hingezogen fühlte.
Reich ist sie geworden auf diesem Weg, und konnte sich einen Traum erfüllen. Sie hat immer die Einsamkeit gesucht. In langen Autofahrten und Wanderungen. So hat sie dieses Haus entdeckt - und gewusst: das ist meines.
Seit drei Jahren lebte sie nun hier. Doch dieses völlige Fehlen von Kommunikation lässt das Gehirn schrumpfen.
So kam es ihr vor. Sie bekam Angst. Ein ihr völlig fremdes Gefühl. Angst davor, zu verblöden.
Eines Nachts kam ihr dann die Idee.
Die Generalprobe musste ja schieflaufen. Ist ein gutes Zeichen für das weitere Geschehen. Dafür besass er unglaubliche Augen. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Dunkelgrau mit ewig langen Wimpern.
So ohne Wimpern und auf sich reduziert waren sie eher lächerlich. Kate legte das Wattestäbchen auf den Tisch und balancierte eine etwas unförmige Kugel auf der flachen Hand. „Ich glotz dir ins Auge, Kleiner," kicherte sie, „aber nun muss ich mich zurechtmachen für Professor Wilde." Sie legte die Kugel vorsichtig auf den Tisch, und stand „s m o t s c h" auf. Sie war in etwas hineingetreten. „Oha. Tja, auf dem Zweiten sieht man wohl gar nichts mehr." Angewidert schaute sie auf den glibberigen Matsch. Ihre Katze schnupperte und schleckte.
„Pfui, Bunte, das ist nichts für dich." Sie lief ins Badezimmer, um Klopapier zum aufwischen zu holen. Im Spiegel überprüfte sie ihr Aussehen. Sie war unglaublich schön, das wusste sie. Und sie war klug, das wusste sie auch. Und der Professor war wirklich klug, das hat sie in dem kurzen Telefonat sofort registriert. Schönheit gepaart mit Intelligenz, das ist mehr als unwiderstehlich. Auch das wusste sie. Und für sie genau das, was sie brauchte. Es klingelte. Er war zu früh. Macht nichts. Sie hatte es nicht nötig, sich schöner zu machen, als sie war, und die Katze würde fürs Auge sorgen.

„Süß-saures Dressing. So mach ich es. Einlegen, ziehen lassen. Es ist so stark, ich werds in kleinen Portionen nehmen. Den Rest einfrieren. Wer weiss, wann mich nochmal so eine Potenz besucht. Und zuviel ist bestimmt kontraproduktiv. Meine Güte, die neue Kost bringt meine Süßen ja ganz schön auf Trab"
Die Schöne lauschte lächelnd dem hysterischem Grunzen und Schreien der Schweine, während sie das Hirn wässerte und von den Blutgerinnseln säuberte.
 

Rainer

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hallo chrissieanne,

zugegebenermaßen ist es der erste text den ich von dir lese, und sicher bin ich auch nicht der hellste...
...der sinn des ganzen will sich mir nicht erschließen.

die schweine fressen die überreste - okay.
was will sie dagegen mit dem einen auge als lecker salat? das gehirn, nun gut, bei vielen naturnah lebenden stämmen gilt ja das gehirn (bei anderen das herz) als ort aller kraft, und wenn ich das esse...
es ist für mich zwar interessant, dass du eben keine für mich klar erkennbaren ziele deiner prot aufzeigst, aber trotzdem bleibe ich unbefriedigt zurück.
sicher bin ich zu blöd, aber der sinn der handwerklich guten geschichte will mir einfach nicht in den kopf - bitte kläre einen unbedarften darüber auf.

viele grüße

rainer
 

chrissieanne

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hallo rainer,
einen wirklichen sinn hat die geschichte ja nun nicht. es ist eine geschichte über eine irre attraktive, hyperintelligente, sexliebende misanthropin, die ihre leidenschaft zum beruf macht und dadurch reich wird. in dem haus im wald überkommt sie die angst zu verblöden - und sie beschliesst, hirne von klugen männern zu verspeisen, um dem entgegenzuwirken.
ihr erster, geplanter kanditat war leider aber sehr dumm. töten üben - deshalb hat sie ihn wohl trotzdem umgebracht und als souvenir die augen behalten. vielleicht wollte sie sie ins regal stellen - wer weiss?
während sie die augen säubert, denkt sie schon über die zubereitung des hirnsalats von dr. wilde nach.
nicht über augensalat.

ist es jetzt klarer?
lg
chrissieanne

ps.: auweia. seh jetzt erst, dass ich rendezvous völlig falsch geschrieben hab. gnmpf. kann das jemand ändern?
 

Rainer

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hallo,

danke, jetzt sehe ich klarer :).

zu deinem p.s. - du kannst in deinem originaltext (mit dem darunter befindlichen edit/delete-button) so lange herumändern und verbessern wie du möchtest; die zeitbegrenzung von 15 min besteht nur bei kommentaren.

viele grüße

rainer
 

Rainer

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ohoh,

ich hoffe, das geht jetzt als textbezogenes geplauder durch...
da es ja schon verbessert ist (oder irre ich mich da?) - sowas können nur mods und admins.
aber jetzt weiß ich wenigstens, warum ich beim nochmaligen überfliegen deines textes das unrichtig geschriebene "rendezvous" (jedenfalls streicht mir word diese version nicht an) nicht gerfunden habe - es stand in der überschrift, ich dussel.
da hätte ich mir meine pseudo-weisheiten ja sparen können... :)

vg

rainer
 
Hai nun

Hallo! Ich finde die Geschichte wirklich gut erzählt und auch inhaltlich nicht übel. Mir war alles von Anfang an klar - obwohl es von ihr wohl ein Fehlgedanke ist, dass sie von Gehirnen anderer klüger wird. Hab richig Mitleid mit dem armen Professor! Eine Sache möchte ich doch mal anmerken : Mir sind diese folgenden Sätze ein wenig zu lang. Zu viele Kommas und Gedankenstriche.. könnte man das nicht in mehrere Sätze aufteilen?
Er ging quer über die Lichtung, suchte nach einem Durchkommen, und sah, nach einiger Zeit, einen Pfad. Er folgte ihm - und stand mit einem Mal vor einem uraltem, mit Efeu bewachsenem Häuschen, mit einem - er traute seinen Augen kaum - angebautem Stall, vor dem im abgezäunten Bereich vier Schweine gierig grunzend am Trog fraßen.
Viele Grüße Erika
 



 
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