Ein hoher Preis

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Ein hoher Preis

Gott, ist das nervig! Wie lange fuhr er nun schon hinter diesem blauen Peugeot hinter her? Eine halbe Stunde? Mit seinen Fingern trommelte er nervös auf dem Lenkrad. Ausgerechnet heute. Um fünf musste Martin am Maritim-Hotel sein. Kundentermin. Sein Chef war bestimmt schon da und wartete schon. Er hasste Unpünktlichkeit. Vor allem bei sich selbst.
Es kam ihm ewig davor, dass er nun schon diesem tiefer gelegten Spielzeug eines Spätpubertierenden hinterher zuckelte, der vor jeder Bodenwelle abbremste und um jede kleine Unebenheit einen Riesenbogen fuhr. Aber er kam einfach nicht vorbei. Erst die vielen Kurven auf der Strecke und wenn es mal ein Stück geradeaus ging, dann kamen ihm Autos entgegen.
Er fuhr jetzt durch Bernsdorf. Er kannte ja die Strecke wie im Schlaf. Nach dem Ortsausgangsschild würde noch eine Linkskurve kommen und dann ging es einige Meter geradeaus. Das musste zum Überholen reichen.
In der Kurve beschleunigte Martin seinen Wagen. Er war nun bis auf wenige Meter auf seinen Vordermann aufgefahren.
Er war angespannt, hochkonzentriert. Wenn es auf die Gerade ging, musste er schnell reagieren. Viel Zeit würde er nicht haben, um vorbeizuziehen.
Dann ging es aus der Kurve heraus. Die Gerade lag vor ihm.
Kein Gegenverkehr, also los!
Er trat aufs Gaspedal und der Motor heulte auf. Die Beschleunigung drückte ihn in den Sitz und Martin spürte in seinem Körper die Vibration jedes einzelnen Zylinders.
Innerhalb von Sekundenbruchteilen hatte er zum Peugeot-Fahrer aufgeschlossen. Als beide auf gleicher Höhe waren, trafen sich ihre Blicke.
Martin registrierte noch das Gesicht mit dem arroganten Grinsen, als er feststellte, dass der Peugeot neben ihm ebenfalls schneller wurde.

Panik erfasste ihn. Sein Fuß zuckte. Für den Bruchteil einer Sekunde wollte er abbremsen. Doch er entschied sich dagegen. Hundert Meter hatte er noch, das musste reichen. Mit einer schnellen Bewegung schaltete er runter und trat das Gaspedal noch einmal voll durch.

Martin beruhigte sich wieder, denn er gewann jetzt Zentimeter um Zentimeter. Jetzt ließ er den Peugeot stehen. Siebzig Meter hatte er noch. Vor der nächsten Kurve würde er vorbei sein.
Und dann tauchte in der Kurve, die vor ihm lag, plötzlich ein LKW auf.
Er erschrak. Adrenalin schoss ihm ins Blut. Seine Hände packten das Lenkrad noch fester. Das Hupen des LKW-Fahrers dröhnte ihm entgegen und war jetzt schon bedrohlich nahe. Und dann war vor ihm alles hell. Sämtliche Scheinwerfer des LKWs strahlten ihm ins Gesicht. Er hielt sich schützend den rechten Arm vor die Augen. Mit der anderen Hand riss er das Lenkrad nach rechts.

Er hatte keine Zeit mehr, zu schauen, ob er ganz am Peugeot vorbei war, als er wieder auf die rechte Spur zog. Er hörte noch ein kurzes Quietschen und einen dumpfen Schlag, der wohl von der hinteren Stoßstange herrührte. Im Rückspiegel sah er, wie der Peugeot in der Kurve ins Schlingern kam und sein Fahrer seinen Wagen mit schreckerfülltem Gesicht und aufgerissenen Augen gerade so unter Kontrolle brachte. Das Dröhnen der LKW-Fanfare verhallte in der Ferne.
Martin atmete tief durch und wischte sich die feucht gewordenen Hände am Hosenbein trocken. Vor ihm war die Straße frei. Fast hätte er dafür einen zu hohen Preis bezahlt.
 

Lakritze

Mitglied
Hallo Simplicius,

ich kann mir nicht helfen, ich werde noch nicht recht warm mit Deiner Geschichte. Sie ist sehr sorgfältig geschrieben und beschreibt eigentlich eine gut gewählte, geradlinige Situation -- knappe Überholmanöver kennt jeder, aus der einen oder anderen Sicht; Du beschreibst die Vorgänge detailliert und nachvollziehbar, alles wird folgerichtig erklärt.

Wahrscheinlich ist es das: für mich wird zu viel erklärt und zu wenig mir als Leserin überlassen. An den wirklich spannenden Stellen wird die korrekte Sprache plötzlich hinderlich und bremst die Geschichte aus -- hier wäre kürzer vielleicht besser.


Gott, ist das nervig! [blue][Innerer Monolog, wechselt aber bald zu erzählender Beschreibung][/blue] Wie lange fuhr er nun schon hinter diesem blauen Peugeot [strike]hinter[/strike] her? Eine halbe Stunde? Mit seinen Fingern [blue][können weg, sind logisch][/blue] trommelte er nervös [blue][auch das ist klar][/blue] auf dem Lenkrad. Ausgerechnet heute. Um fünf musste Martin am Maritim-Hotel sein. Kundentermin. Sein Chef war bestimmt schon da und wartete schon. Er hasste Unpünktlichkeit. Vor allem bei sich selbst. [blue][Auch hier könnte gekürzt werden -- um den Zeitdruck klarzumachen, reicht weniger schon aus][/blue]
Es kam ihm ewig [strike]da[/strike]vor, dass er nun schon diesem tiefe[red]rg[/red]elegten Spielzeug eines Spätpubertierenden [blue][Wertung wird vom Erzähler vorgegeben!][/blue] hinterhe[red]rz[/red]uckelte, der vor jeder Bodenwelle abbremste und um jede kleine Unebenheit einen Riesenbogen fuhr. Aber er kam einfach nicht vorbei. Erst die vielen Kurven auf der Strecke[red],[/red] und wenn es mal ein Stück geradeaus ging, dann kamen ihm Autos entgegen.
Er fuhr jetzt durch Bernsdorf. [blue][gefällt mir -- jeder kennt diese endlosen Ketten von Landstraßendörfern ...][/blue] Er kannte ja die Strecke wie im Schlaf. Nach dem Ortsausgangsschild würde noch eine Linkskurve kommen[red],[/red] und dann ging es einige Meter geradeaus. Das musste zum Überholen reichen.
In der Kurve beschleunigte Martin [strike]seinen Wagen[/strike][blue][was sonst?][/blue]. Er war nun bis auf wenige Meter auf seinen Vordermann aufgefahren.
Er war angespannt, hochkonzentriert [blue][auch hier wird die Beobachtung vorgegeben; eine Beschreibung wie »biss die Zähne zusammen« würde vielleicht den gleichen Zweck erfüllen][/blue]. Wenn es auf die Gerade ging, musste er schnell reagieren. Viel Zeit würde er nicht haben, um vorbeizuziehen.
Dann ging es aus der Kurve heraus. Die Gerade lag vor ihm. [blue][kürzer evtl.: Dann lag die Gerade vor ihm.][/blue]
Kein Gegenverkehr, also los!
Er trat aufs Gaspedal[red],[/red] [strike]und [/strike]der Motor heulte auf. Die Beschleunigung drückte ihn in den Sitz[red];[/red] [strike]und [/strike]Martin spürte in seinem Körper die Vibration jedes einzelnen Zylinders. [blue][Stimmt das Bild? Zylinder vibrieren ja normalerweise nicht, sondern sie stampfen vielleicht eher?][/blue]
Innerhalb von Sekundenbruchteilen hatte er zum Peugeot-Fahrer aufgeschlossen. Als beide auf gleicher Höhe waren, trafen sich ihre Blicke.
Martin registrierte noch das Gesicht mit dem arroganten Grinsen [blue][wieder eine Erklärung: das Verhalten wäre dramatischer, wenn es unkommentiert bliebe][/blue], als er feststellte [blue]diese Wendung mit Nebensatz bremst![/blue], dass der Peugeot neben ihm ebenfalls schneller wurde.

Panik erfasste ihn. Sein Fuß zuckte. Für den Bruchteil einer Sekunde wollte er abbremsen. Doch er entschied sich dagegen. Hundert Meter hatte er noch, das musste reichen. Mit einer schnellen Bewegung schaltete er runter und trat das Gaspedal [strike]noch einmal[/strike] voll durch.

Martin beruhigte sich wieder [blue][uff! An der Stelle wäre ich noch längst nicht beruhigt ...][/blue], denn er gewann [strike]jetzt[/strike] Zentimeter um Zentimeter. Jetzt ließ er den Peugeot stehen. Siebzig Meter hatte er noch. Vor der nächsten Kurve würde er vorbei sein.
Und dann tauchte [blue]vor ihm[/blue] in der Kurve[strike], die vor ihm lag,[/strike] plötzlich ein LKW auf.
Er erschrak. [blue][ist klar, kann weg][/blue] Adrenalin schoss [strike]ihm[/strike] [blue]Martin[/blue] ins Blut. Seine Hände packten das Lenkrad noch fester. Das Hupen des LKW-Fahrers dröhnte ihm entgegen und war jetzt schon bedrohlich nahe. Und dann war vor ihm alles hell. [blue][Hier dachte ich einen Moment: Das Paradies! Oder eine Explosion?][/blue] Sämtliche Scheinwerfer des LKWs strahlten ihm ins Gesicht [blue][kürzer: blendeten ihn?][/blue]. Er hielt sich schützend den [strike]rechten[/strike] Arm vor die Augen. Mit der anderen Hand riss er das Lenkrad nach rechts.

Er hatte keine Zeit mehr, zu schauen, ob er ganz am Peugeot vorbei war, als er wieder auf die rechte Spur zog. Er hörte [strike]noch[/strike] ein kurzes Quietschen und einen dumpfen Schlag, der wohl von der hinteren Stoßstange herrührte [blue][wohl die hintere Stoßstange][/blue]. Im Rückspiegel sah er, wie der Peugeot in der Kurve ins Schlingern kam und sein Fahrer seinen Wagen mit schreckerfülltem Gesicht und aufgerissenen Augen [blue][die neuen, jetzt plötzlich ganz anderen Emotionen gefallen mir gut, allerdings auch hier: schreckerfüllt nimmt die Interpretation vorweg][/blue] gerade so unter Kontrolle brachte. Das Dröhnen der LKW-Fanfare verhallte in der Ferne.
Martin atmete tief durch [blue][Ich würde erwarten, daß er zittert und fast keine Luft bekommt][/blue] und wischte sich die [strike]feucht gewordenen[/strike] Hände am Hosenbein trocken. Vor ihm war die Straße frei. Fast hätte er dafür einen zu hohen Preis bezahlt. [blue][Wieder: vorgegebene Interpretation; lieber streichen!] [/blue]

Zwei Sachen noch:

Daß alle »er« sind (Martin, der Peugeot-Fahrer, beider Wagen, der LKW), macht die Grammatik manchmal etwas sperrig (»sah er, wie der Peugeot in der Kurve ins Schlingern kam und sein Fahrer seinen Wagen ...«). Man könnte das etwas vereinfachen, indem man aus einer der Figuren eine Fahrerin macht -- bloß sone Idee.

Der zu hohe Preis, den Martin hier beinahe bezahlt hätte, wird nicht wirklich greifbar. In solchen Momenten denke ich an die Lieben, die ich fast verloren hätte, und schreie erstmal oder haue aufs Lenkrad. Da bleibt Dein Protagonist seltsam emotionslos.

Alles in allem denke ich, mit etwas Bearbeitung könnte richtig was werden aus dieser Geschichte. Du schreibst gut, flüssig und mit Sorgfalt; mit Tempo und Rhythmus der Sprache kannst Du das noch unterstützen.

Schöne Grüße und viel Spaß hier,
Lakritze
 
Hallo Lakritze,

erstmal vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, meine Geschichte so auseinanderzupflücken. Das finde ich sehr wertvoll.
Wie du bestimmt gesehen hast, war das mein erstes hier veröffentlichtes "Werk". Es war überhaupt mein erster schriftstellerischer Versuch. Deshalb bin ich dankbar für die vielen Tipps, die du gegeben hast. Zwei wesentliche Dinge nehme ich mit:
1. Das, was man in jedem Schreibratgeber findet: Jedes einzelne Adjektiv und Adverb sollte auf den Prüfstand. Ich habe versucht, darauf zu achten. Aber wie du zeigst, war ich an einigen Stellen nicht kritisch genug.
2. Die Kunst ist, zwischen den Zeilen zu schreiben, nicht alles zu erklären und mehr dem Leser überlassen. Das muss man wohl lernen und üben. Ich werd' mich weiter dran versuchen.

Ein paar Fragen zu deinen Anmerkungen hab ich noch.
[blue]Innerer Monolog, wechselt aber bald zu erzählender Beschreibung[/blue]. Ist das positiv oder negativ gemeint? Ich vermute, der Wechsel ist eher irritierend. Wäre es besser, Martins explizit geäußerte Gedanken in Anführungszeichen zu setzen?
[blue]Hier dachte ich einen Moment: Das Paradies! Oder eine Explosion?[/blue] Warst du dann enttäuscht, dass es "nur" die Scheinwerfer waren? Ist das so eine Stelle, wo die Spannung nachlässt?

Auf jeden Fall ermutigst du mich, die Geschichte noch ein bisschen aufzupeppen. Bevor ich einen Fehler mache: Was ist üblich in diesem Forum? Sollte man überarbeitete Versionen als Kommentar oder als neuen Beitrag posten?

Danke und Gruß
Simplicius
 

Lakritze

Mitglied
Hallo Simplicius,
das freut mich. Deine Texte kannst Du direkt hier bearbeiten (Knopf unten); dann hat man noch Zugriff auf die alten Versionen.

Wo ich nicht ordentlich erklärt habe:
»Innerer Monolog, wechselt aber bald zu erzählender Beschreibung. Ist das positiv oder negativ gemeint? Ich vermute, der Wechsel ist eher irritierend. Wäre es besser, Martins explizit geäußerte Gedanken in Anführungszeichen zu setzen?«
Ich denke, entweder das -- oder streichen.

»Hier dachte ich einen Moment: Das Paradies! Oder eine Explosion? Warst du dann enttäuscht, dass es "nur" die Scheinwerfer waren? Ist das so eine Stelle, wo die Spannung nachlässt?«
Nein, wirklich nicht -- das ist Luft anhalten, dann Erleichterung ... bloß so lassen, bitte!

Das ist natürlich alles meine persönliche Meinung; vielleicht äußert sich noch jemand hier, der einen anderen Blick auf Deinen Text hat.

Wie gesagt, viel Spaß und viel Erfolg hier --
schöne Grüße,
L.
 
Ein hoher Preis

Der Peugeot war tiefergelegt. Im Laufe der letzten Minuten war Martins Abneigung gegen die Fahrer solcher Fahrzeuge stark gestiegen. Es nervte ihn, wenn sie um jedes kleine Loch einen Bogen fuhren, dann losjagten, um vor der nächsten Bodenwelle wieder in die Eisen zu steigen. Vor allem jetzt.
Immer wieder fiel sein Blick auf die Uhr. Die kurvige Strecke hatte ihm keine Chance gelassen zu überholen. Ausgerechnet heute. Um fünf musste er am Maritim-Hotel sein. Kundentermin. Sein Chef war bestimmt schon da. Martin hasste Unpünktlichkeit.
Er fuhr jetzt durch Bernsdorf. Die Strecke kannte er im Schlaf. Nach dem Ortsausgangsschild würde noch eine Linkskurve kommen und dann ging es einige Meter geradeaus. Bis auf Weiteres die letzte Chance vorbeizukommen. Das musste reichen.
In der Kurve beschleunigte Martin. Er war nun bis auf wenige Meter auf seinen Vordermann aufgefahren. Er konzentrierte sich, reckte seinen Kopf nach links. Wenn es auf die Gerade ging, musste er schnell reagieren. Viel Zeit würde er nicht haben, um vorbeizuziehen.
Dann lag die Gerade vor ihm. Kein Gegenverkehr, also los!
Er trat aufs Gaspedal. Der Motor heulte auf, die Beschleunigung drückte ihn in den Sitz. Innerhalb von Sekundenbruchteilen hatte er zum Peugeot-Fahrer aufgeschlossen. Als beide auf gleicher Höhe waren, trafen sich ihre Blicke. Martin registrierte noch das Grinsen im Gesicht, als er feststellte, dass der Peugeot neben ihm ebenfalls schneller wurde.
Panik erfasste ihn. Sein Fuß zuckte. Für den Bruchteil einer Sekunde wollte er abbremsen. Doch er entschied sich dagegen. Hundert Meter hatte er noch, das musste reichen. Mit einer schnellen Bewegung schaltete er runter und trat das Gaspedal voll durch.
Martin gewann jetzt Zentimeter um Zentimeter. Er beruhigte sich, denn vor der nächsten Kurve würde er vorbei sein. Siebzig Meter blieben ihm noch.
Doch dann tauchte genau dort ein LKW auf.
Martin hielt den Atem an. Adrenalin schoss ihm ins Blut. Seine Hände packten das Lenkrad noch fester. Das plötzliche, dröhnende Hupen des LKWs drang in Martins Ohr und ließ ihn zusammenzucken. Er presste einen Fluch über seine Lippen.
Im selben Augenblick wurde es gleißend hell. Wie aus Lichtkanonen strahlte ihm das Fernlicht des LKWs ins Gesicht. Schützend hielt sich Martin den Arm vor die Augen. Mit der anderen Hand riss er blind das Lenkrad nach rechts.
Er hatte keine Zeit mehr, zu schauen, ob er ganz am Peugeot vorbei war, als er auf die rechte Spur zog. Er hörte noch ein kurzes Quietschen von hinten und einen dumpfen Schlag. Im Rückspiegel sah er, wie der Peugeot dicht hinter ihm ins Schlingern kam und der Fahrer seinen Wagen mit aufgerissenen Augen gerade so unter Kontrolle brachte. Das Dröhnen der LKW-Fanfare jagte an ihm vorüber, schwoll ab und verhallte in der Ferne.
Martin stieß den angehaltenen Atem aus. Ein flaues Gefühl stieg in ihm auf und machte sich in seinem Magen breit. Auf seinem Körper, der schlaff in den Sitz gesunken war, trat kalter Schweiß aus den Poren. Eine ganze Zeitlang starrte er geradeaus, starrte auf den Punkt, wo eben noch das helle Licht gewesen war. Es verging eine Weile, bis sich das monotone Klacken des Blinkers in sein Bewusstsein schlich. Er wischte seine Hand am Hosenbein trocken und schaltete den Blinker aus.
Vor ihm war die Straße frei.
 
Hallo Lakritze,

ich habe meine Geschichte ein wenig überarbeitet (und hoffentlich gleichzeitig aufgepeppt).
Die meisten deiner Kürzungsvorschläge fand ich plausibel und habe sie deshalb versucht einzuarbeiten. Den ersten Absatz habe ich wegen des Perspektivwechsels und der wertenden Erzählweise nochmal umgestellt. Ich hoffe, das ist mir einigermaßen gelungen.
Auch im letzten Absatz hab ich versucht, mit ein paar Sätzen das "Danach" zu erzählen. Die Geschichte sollte jetzt auch etwas offener sein.
Was meinst du?
Über Kritik würde ich mich wieder sehr freuen.

Gruß und schönen Sonntag!
Simplicius
 

Lakritze

Mitglied
Wow, hast Du geschafft! Gerne nehme ich mir die Geschichte nochmal vor. Jetzt habe ich eher Kleinigkeiten zu bemeckern.

Formulierungen wie »auftauchen, den Atem anhalten, an sein Ohr dringen« suggerieren, daß einiges an Zeit vergeht. Du könntest an einigen Stellen Vorgänge durch die Wortwahl beschleunigen (Schützend hielt er sich den Arm vor die Augen --> Schützend schlug er den Arm vor die Augen).

Achso, und der Titel »Ein hoher Preis« ist jetzt nicht mehr verständlich. Mir fällt als Variation nix Gescheites ein, nur »Der Preis der Freiheit«. %) Besser was Neues ...

[blue][Ein Satz, der die Situation umreißt, wäre am Anfang sinnvoll; vielleicht: »Schon wieder leuchteten die Rücklichter auf; der Peugeot ...«][/blue]
Der Peugeot war tiefergelegt. Im Laufe der letzten Minuten war Martins Abneigung gegen die Fahrer solcher Fahrzeuge stark gestiegen [blue][evtl. prägnanter: Martin begann allmählich, den Fahrer zu hassen][/blue]. Es nervte ihn, [strike]wenn sie [/strike][blue][wie er][/blue] um jedes kleine Loch einen Bogen fuhr[strike]en[/strike], dann losjagte[strike]n[/strike], um vor der nächsten Bodenwelle wieder in die Eisen zu steigen. [strike]Vor allem jetzt.[/strike]
Immer wieder fiel sein Blick auf die Uhr. Die kurvige Strecke hatte ihm keine Chance gelassen zu überholen. Ausgerechnet heute. Um fünf musste er am Maritim-Hotel sein[blue];[/blue] Kundentermin. Sein Chef war bestimmt schon da. Martin hasste Unpünktlichkeit.
Er fuhr jetzt durch Bernsdorf. Die Strecke kannte er im Schlaf. Nach dem Ortsausgangsschild würde noch eine Linkskurve kommen[red],[/red] und dann ging es [strike]einige Meter[/strike] geradeaus. Bis auf Weiteres die letzte Chance vorbeizukommen. Das musste reichen [blue][Die musste er nutzen?][/blue].
In der Kurve beschleunigte Martin [blue][und fuhr bis auf wenige Meter auf seinen Vordermann auf][/blue]. [strike]Er war nun bis auf wenige Meter auf seinen Vordermann aufgefahren. [/strike]Er konzentrierte sich, reckte [blue][irgendwas Unbequemeres? verdrehte?][/blue] seinen Kopf nach links. Wenn es auf die Gerade ging, musste er schnell reagieren. Viel Zeit würde er nicht haben, um vorbeizuziehen.
Dann lag die Gerade vor ihm. Kein Gegenverkehr, also los!
Er trat aufs Gaspedal [blue][gab Gas?][/blue]. Der Motor heulte auf, die Beschleunigung drückte ihn [blue][nicht den Motor][/blue] in den Sitz. Innerhalb von Sekundenbruchteilen hatte er zum Peugeot-Fahrer aufgeschlossen. Als beide auf gleicher Höhe waren, trafen sich ihre Blicke. Martin registrierte noch[strike] das Grinsen im Gesicht [/strike][blue][, wie der Fahrer grinste][/blue], als er feststellte [blue][Nebensatz bremst -- da merkte er][/blue], dass der Peugeot neben ihm ebenfalls schneller wurde.
Panik erfasste ihn. Sein Fuß zuckte. Für den Bruchteil einer Sekunde [blue][Wiederholung -- einen Herzschlag lang?][/blue] wollte er abbremsen. Doch er entschied sich dagegen. Hundert Meter hatte er noch, das musste reichen [blue][hier paßt das »reichen«][/blue]. Mit einer schnellen Bewegung schaltete er runter und trat das Gaspedal voll durch.
Martin gewann jetzt Zentimeter um Zentimeter. Er beruhigte sich [blue][hier vielleicht lieber doch was physiologisches, Atmen?][/blue], denn vor der nächsten Kurve würde er vorbei sein. Siebzig Meter blieben ihm [strike]noch[/strike].
Doch dann tauchte genau dort ein LKW auf [blue][Auftauchen klingt zu allmählich; abrupter wäre passender][/blue].
Martin hielt den Atem an [blue][japste?][/blue]. Adrenalin schoss ihm ins Blut. Seine Hände packten das Lenkrad noch fester. Das plötzliche, dröhnende Hupen des LKWs drang in Martins Ohr [blue][ins Ohr dringen -- wieder zu allmählich][/blue] und ließ ihn zusammenzucken. Er presste einen Fluch über seine Lippen.
Im selben Augenblick wurde es gleißend hell. Wie aus Lichtkanonen strahlte ihm das Fernlicht [blue][2x Licht][/blue] des LKWs ins Gesicht. Schützend hielt [blue]er[/blue] sich [strike]Martin[/strike] den Arm vor die Augen [blue][schneller: ... schlug er ...][/blue]. Mit der anderen Hand riss er blind das Lenkrad nach rechts.
Er hatte keine Zeit mehr, zu schauen, ob er ganz am Peugeot vorbei war, als er auf die rechte Spur zog. Er hörte [strike]noch [/strike]ein kurzes Quietschen von hinten und einen dumpfen Schlag. Im Rückspiegel sah er [blue][die aufgerissenen Augen des Fahrers, als][/blue][strike], wie[/strike] der Peugeot dicht hinter ihm ins Schlingern kam und [strike]der Fahrer seinen Wagen mit aufgerissenen Augen gerade so unter Kontrolle brachte[/strike] [blue]beinahe außer Kontrolle geriet[/blue]. Das Dröhnen der LKW-Fanfare [strike]jagte an ihm vorüber, [/strike]schwoll ab und verhallte in der Ferne.
Martin stieß den angehaltenen Atem aus. Ein flaues Gefühl stieg in ihm auf und machte sich in seinem Magen breit. Auf seinem Körper, der schlaff in den Sitz gesunken war, trat kalter Schweiß aus den Poren [blue][eigenwillige Formulierungen, passen aber m.E. hier gut][/blue]. Eine ganze Zeitlang starrte er geradeaus, starrte auf den Punkt, wo eben noch das helle Licht gewesen war. Es verging eine Weile, bis sich das monotone Klacken des Blinkers in sein Bewusstsein schlich. Er wischte seine Hand am Hosenbein trocken und schaltete den Blinker aus. [blue][Uff! Klasse.][/blue]
Vor ihm war die Straße frei.


Der Schluß stimmt jetzt für mich. Nach dem ziemlich rasanten Überholmanöver ist jetzt die Luft raus, die Sätze werden schachteliger; der Protagonist bekommt nach und nach wieder mit, was um ihn herum passiert, und für den ganzen Streß hat er jetzt als Lohn -- eine leere Straße. Hier fragt sich der Leser, nicht der Protagonist, ob es das wirklich wert war.

Schöne Grüße!
--L.
 
Hallo Lakritze,

schön, dass du dir noch mal die Zeit genommen hast. Danke!
Ich freu mich, dass vor allem der Schluss jetzt besser gefällt. (Deine Assoziation "helles Licht - Paradies" hat mich übrigens auf die Idee gebracht, den Protagonisten noch mal dorthin starren zu lassen, "wo eben noch das helle Licht gewesen war" :)
Ansonsten ist ja noch 'ne Menge blau drin in deinem Kommentar. Viele deiner Vorschläge finde ich gut (erster Satz, schnellere Worte, Wiederholungen), manche gefallen mir nicht so. Wenn ich die Zeit finde (und wenn es dich interessiert), schreib ich Genaueres dazu.
Auf jeden Fall hab ich wieder dazugelernt.

Danke dafür und schöne Grüße!
Simplicius
 

Lakritze

Mitglied
Laß Dir um Himmels willen Deine Geschichte nicht nehmen; mein Blau sind ja bloß Vorschläge und Ideen. Ich schreibe meine Meinung, ohne zu glauben, daß es die einzig wahre ist.

Außerdem werde ich natürlich mäkeliger, je besser mir ein Text gefällt. :) Nichts für ungut! Und ich freue mich über Rückmeldung zu meiner Rückmeldung, also bis dann dann.
 
P

Pikolaus

Gast
Ein anderes Ende wäre mir lieber

Was mir gefällt, ist der Spannungsbogen und die Dramatik. Ich als Leser weiß sofort um was es geht und eine sehr kurze Zeitspanne ist der Rahmen.
Was mir fehlt, sind Dialoge als wörtliche Rede. Zum Beispiel die Flüche und Beschimpfungen der anderen Verkehrsteilnehmer, wenn die sich nicht so verhalten wie wir es erwarten. Hau doch einfach mal ein "Du Blödmann - gib doch Gas, Mensch!" oder "So ein Penner!" dazwischen. Das Salz in der Suppe, finde ich.
Im Sinne einer Kurzgeschichte, die aus meiner Erwartung ein offenes Ende oder eine Pointe haben sollte, wünschte ich mir vielleicht seine Erkenntnis des leichtsinnigen Fahrens. Er könnte plötzlich anhalten und nachdenken. Oder ein technischer Defekt zwingt ihn unmittelbar nach dem Überholmanöver zur Schleichfahrt, er wird vom anderen wieder überholt und verpasst doch den Termin. Nur eine Idee.
Bei deinem Ende bleibt alles unverändert und der Konflikt führt nicht zur Veränderung der Hauptperson. Fast wie bei einem Luftballon, dem kurz vorm Platzen die Luft ausgeht.

LG von Pikolaus
 

Lakritze

Mitglied
Einspruch:
Das Ende ist etwas, das ich an dieser Geschichte sehr schätze. Das lakonische »Vor ihm war die Straße frei« ist eine Anti-Pointe, wie ich sie mir besser nicht vorstellen könnte. Der Leser denkt: Wie jetzt? Und dafür der ganze Aufstand?
Und genauso, das Bild ist ohne Beschreibung sofort präsent, wird es dem Fahrer ergehen: Als Pokal nach dem nervenzerfetzenden Rennen nichts als eine Straße, die vielleicht frei ist, aber eben vor allem -- leer.
 
P

Pikolaus

Gast
@lakritze

Einspruch stattgegeben, die Verhandlung wird fortgeführt.
So habe ich es nicht betrachtet - geht aber, ja, warum nicht.
 



 
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