Eine Urlaubsbekanntschaft

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Raniero

Textablader
Eine Urlaubsbekanntschaft

„Also, ihr Zwei, dann macht es mal gut, vielleicht sieht man sich ja bald mal wieder, lasst von euch hören“, verabschiedeten sich Heidi und Reinhard von ihren neuen Bekannten nach der Landung auf dem großen überregionalen Flughafen.
„Aber klar doch, man sieht sich.“

Im Urlaub, im fernen Süden hatten sie sich kennen gelernt, die beiden älteren Ehepaare aus deutschen Landen, Heide und Reinhard Budde sowie Ruth und Helmut Knoop; im gleichen Hotel hatte man drei herrliche Wochen gemeinsam verbracht und war sich, da man ihnen seitens der Hotelleitung einen gemeinsamen Tisch zugewiesen hatte, schnell näher gekommen.
Schon von Beginn an fanden sie sich sympathisch, funkten sozusagen auf der gleichen Wellenlänge, und es dauerte nicht lange, da wurden zu den Mahlzeiten bereits eifrig Photos von Kindern und Enkelkindern ausgetauscht. Doch sie beließen es nicht nur dabei; auch am Strand traf man sich nun auch, die Männer zum Bocciaspiel mit Gleichgesinnten und die Frauen zum Damenplausch, auch Kaffeeklatsch genannt.
Nach dieser ersten Phase des gegenseitigen Beschnupperns gingen die beiden Ehepaare dazu über, auch die Abende miteinander zu verbringen, und bei einer solchen Gelegenheit kam es so, wie es kommen musste, man bot sich das Du an, und schon gewann die lang gezügelte Neugier Überhand, ausgerechnet bei den Männern, wobei man jedoch nicht wusste, ob die Ehefrauen hierbei die treibende Kraft waren.
„Du, sag mal, Reinhard“, wollte Helmut wissen, „was ich dich schon länger fragen wollte, bist du eigentlich noch berufstätig?“
Reinhard lachte.
„Warum fragst du, meinst du, ich sehe schon so alt aus, als wenn ich in Rente wäre? Nein, Scherz beiseite, ich bin tatsächlich Rentner, Ruheständler, seit gut einem Jahr, Gott sei Dank; Mann, bin ich froh, vierzig Jahre als Versicherungsvertreter, das reicht, meinst du nicht auch?“
„Und seitdem genießt er seinen Ruhestand und verdrießt mir die Tage“, ergänzte seine Frau und verdrehte die Augen.
„Aber das stimmt doch gar nicht, Mutti“ protestierte Reinhard.
Mutti lachte. „Na, ja, ganz so schlimm ist es nun auch nicht.“
„Und du, Helmut, wie ist es bei dir?“ fragte Reinhard.
„Na, ja, ich muss noch ein paar Jahre, das heißt, wir beide müssen noch ein paar Jahre.“
„Ihr beide müsst noch? Ja, bist du denn auch noch berufstätig, Ruth?“
„Nun, ja, wir sind selbständig, wir haben ein kleines Geschäft, und da unsere Kinder das nicht übernehmen wollen, so machen wir halt noch einige Jährchen, denn noch sind wir ja rüstig, nicht Helmut?“ entgegnete Ruth.
„Ihr seid selbstständig? Ach, wie schön. In welcher Branche denn?“
„In der Möbelbranche“ antwortete Helmut nach kurzem Zögern, „aber wir haben keinen großen Laden. Wisst ihr, unser Schwerpunkt liegt auf Liegemöbeln, und viele davon halten wir noch nicht einmal vor, sondern fertigen nach Katalog.“
„Liegemöbel?“ rief Heidi verzückt aus. „Auch Stresslessliegen? So eine wünsch’ ich mir schon lange“, meinte sie mit einem vorwurfsvollen Seitenblick auf ihren Ehemann.
„Auch das“, entgegnete Helmut und warf seiner Frau einen vielsagenden Blick zu, „aber, ich glaube, das lohnt sich nicht, für euch, dazu liegen unsere Wohnorte doch viel zu weit auseinander Die kriegt ihr doch bei euch bestimmt preiswerter.“
„Da hast du auch wieder Recht, Helmut, aber besuchen werden wir euch trotzdem einmal, versprochen ist versprochen.“
„Das macht mal ruhig, wir freuen uns“ , antwortete Heidi und warf ihrem Mann einen schnellen Blick zu, „aber das beruht auf doch Gegenseitigkeit, nicht wahr?“
„Aber klar doch. Das Wiedersehen wird aber dann gefeiert.“

Es sollte in der Tat gar nicht mehr so lange dauern, bis zu diesem Wiedersehen, denn als Heidi und Reinhard vom Flughafen zu Haus ankamen, fanden sie im Briefkasten eine Einladung von Verwandten zu einer runden Geburtstagsfeier in einer norddeutschen Stadt vor.
„Das ist ja schon in drei Wochen“ rief Heidi erstaunt, „daran hatte ich gar nicht mehr gedacht, und außerdem, das ist ja ganz in der Nähe von unseren neuen Urlaubsbekannten. Was meinst du, Schatz, sollten wir die Gelegenheit nicht nutzen und einen Abstecher zu Ruth und Helmut machen.“
„Aber natürlich, Heidi, doch wir melden uns vorher nicht an, wir werden sie einfach überraschen.“

Sehr zeitig am Morgen brachen sie auf, mit dem Wagen, zu der Geburtstagsfeier, und weil diese erst für den Abend anberaumt war, beschlossen sie, den besagten Abstecher zu ihren Urlaubsbekannten vorher zu durchzuführen, es blieb sogar noch Zeit für einen Stadtbummel.
Gesagt, getan.
Nach dreistündiger Fahrt stellten sie ihr Auto im Zentrum ab und begannen zuerst mit dem Stadtbummel. Doch wie so etwas bei älteren Ehepaaren im Allgemeinen der Fall ist, ihm wurde es schnell langweilig, weil sie vor jedem Schaufenster stehen blieb, und so machte Reinhard seiner Frau den Vorschlag, allein weiterzubummeln, er würde vorab schon das Möbelgeschäft von Ruth und Helmut aufsuchen, da es ja ganz in der Nähe liegen müsste, und dort auf sie warten.
Heidi willigte ein.
„Bis später, Heidischatz, die Adresse hast du?“
„Ja, Schätzchen, natürlich, Schillerstr. 11, ist ja leicht zu behalten. Geh du schon mal vor und such einen schönen Stresslessessel aus. Oh, die werden Augen machen, Ruth und Helmut!“

In der Tat machten sie große Augen, die beiden Bekannten aus dem gemeinsamen Urlaub, aber noch größere machte Heidi selbst, als sie nach gut einer Stunde vor dem besagten Gebäude an der Schillerstraße stand, in dem sie das Möbelgeschäft von Ruth und Helmut vermutete.
Stattdessen fand sie einen anderen Laden vor, ein Bestattungsgeschäft; über dem Schaufenstewar ein großes Schild mit der Aufschrift ‚Würdiger Heimgang, Inhaber. Helmut und Ruth Knoop’ angebracht.
Voll Empörung betrat Heidi das Ladenlokal, doch ihre Empörung verwandelte sich in blankes Entsetzen, als ihr eigener Mann sie aus einem offenen, mit Brokat ausgestattetem Sarg heraus anlächelte, während Ruth und Helmut ein wenig verlegen dreinblickten.
„Was machst du denn da drin, Reinhard, komm sofort da raus!“
„Aber, Mutti, was hast du denn, komm doch mal her, probier doch auch mal einen aus.“
„Bist du verrückt geworden? Du hast wohl nen Knall!“ schrie Mutti empört, doch nach einer Weile beruhigte sie sich wieder und ließ ihre Blicke durch den Laden schweifen, „na, ja, wenn ich schon einmal hier bin…“
 

Aceta

Mitglied
Hi,

Hat mir gut gefallen !

Sorry - bin nur ein wenig zum "Stöbern" in der LL unterwegs - bitte sei nicht böse, wenn ich jetzt keine Textanalyse mache.

Gruß

Aceta
 

Raniero

Textablader
Hallo Aceta,

freut mich, dass Dir die Geschichte gefallen hat.

Die Idee dazu kam mir, wie so oft, beim Zeitunglesen.:)

Gruß Raniero
 



 
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