Eine richtige Nervensäge

djpizza

Mitglied
Eine richtige Nervensäge


... Ich trete fester in die Pedalen. Sascha müsste auch so langsam auf der Party eingetroffen sein. Es ist mal wieder Wochenende. Ich stelle mein Fahrrad in die Einfahrt und schließe es ein wenig unbeholfen ab. Dieser dämliche Gipsarm stört mich dabei jedes Mal. Schließlich muss ich immer alles mit einer Hand machen. An Abwaschen und Bieröffnen ist da nicht zu denken. Selbst onanieren kann ich nicht mehr.
Die Tür ist offen. Auf der Treppe nach oben kommt mir auf einmal die kleine Snowboardlehrerin aus dem Skiurlaub entgegen.
„Hey, du hier?“, fragt sie überrascht.
„Ja, Micha hat mich eingeladen“, sage ich unsicher.
Micha wohnt zwar hier, er hat mich aber nicht eingeladen. Das ist auch nicht so wichtig. Hauptsache Party. Irgendjemanden werde ich hier schon kennen.
Im Treppenhaus höre ich Musik, die aus dem Keller zu kommen scheint. Aha, die Party verteilt sich also auf zwei Stockwerke. Ehe ich mich dafür entscheide, ob ich oben oder doch zuerst unten nachschauen sollte, fragt die Kleine neugierig, was denn mit meinem Arm sei. Ich erzähle ihr kurz die Geschichte vom Bruch, verkneife es mir aber zu sagen, dass die Sache mit dem gebrochenen Arm ihre Schuld sei, zumal sie mich unzureichend unterrichtet hat. Diesen Scherz hätte sie vermutlich missverstanden. Aber sie hätte sich wirklich mal etwas mehr um mich kümmern können.
Da folgt ihr so ein Typ die Treppenstufen herunter. Er mustert mich wie Gammelgemüse im Kühlschrank und steckt vor meiner Nase seine Zunge in ihren Hals. Der ist wohl ihr Freund, der blöde Dandy, denke ich entmutigt, sonst hätte Sie mir im Urlaub bestimmt mehr Aufmerksamkeit geschenkt.
Als ich die Wohnung im ersten Stock betrete, kommt mir gleich Micha entgegen. Ich kenne ihn zwar kaum, schüttele ihm aber mit dem linken Arm die Hand und klopfe ihm geradezu so, wie einem alten Schulfreund, den ich nach langer Zeit zufällig auf einer Party wiedergetroffen habe, feierlich auf die Schulter. Ich schildere ihm kurz was zu dem Gipsarm geführt hat. Micha fühlt - er ist ja Pädagoge und die zeigen, wie ich finde, immer große Anteilnahme - aufrichtig mit und bedauert meinen Unfall aus vollem Herzen. Er stellt mich seinem Kumpel vor, der mir, wie ich glaube, gleichfalls aufrichtiges Mitgefühl entgegenbringt, da ich ja nicht mehr onanieren kann. Das Mitgefühl von Leuten zu ernten, die ich nicht kenne, bin ich derweil durch den Gips gewohnt. Micha lässt uns stehen und begrüßt zwei neue Gäste, die grade die Küche betreten.
Der Bruch ist jedes Mal ein Aufhänger für einen Smalltalk, wie ich ihn jetzt mit Michas Kumpel halte. Ich kann so einen Gipsarm nur Jedem empfehlen, der unter Kontaktschwierigkeiten mit anderen Menschen leidet.
Von dem Treiben der Leute abgelenkt, werfe ich ein paar flüchtige Blicke in die anderen Zimmer, während mir Michas Kumpel dicht auf den Fersen hinterherdackelt und Ausschnitte aus seinem uninteressanten Berufsleben erzählt. Die Leute unterhalten sich angeregt. Manche sitzen gelangweilt daneben, andere verfolgen das Gespräch mit Interesse und alle nuckeln sie an ihrem Bier. Wie schön, das wird mal wieder so eine - Wir sitzen zusammen friedlich im Kreis - stecken uns Räucherstäbchen in die Nase und führen intellektuelle Gespräche - Party, denke ich höhnisch und drehe mich lustlos zum Gabentisch in der Küche, auf dem sich allerhand Selbstmitgebrachtes der Gäste staut. Ich nicke Michas Kumpel in relativ regelmäßigen Zeitintervallen zustimmend zu und reiße etwas vom Fladenbrot ab, das ich zu einer Dönertasche umfunktioniere, die ich bis zum Rand mit gemischtem Salat vollstopfe. Michas Kumpel arbeitet in der Elektrobranche. In einem Stück erzählt er von seinen beruflichen Heldentaten, seinen Einkünften und Aufstiegsmöglichkeiten, die mich von Minute zu Minute immer weniger interessieren. Interesse vortäuschend, stelle ich ihm ab und an überflüssige Fragen, auf die er bedauerlicherweise ausführlich eingeht, wobei er, während ich an meinem vegetarischen Döner kaue, ganz ernst und sachlich bleibt. Ich denke jetzt an Radek, der mir in diesem Moment sehr fehlt. Er hätte mich mit Sicherheit von diesem langweiligen Gespräch erlöst und sich mit Michas Freund gut verstanden. Aber Radek ist nun mal nicht hier und der schräge Typ referiert so, als würde er vor dem Vorstand der Firma, für die er arbeitet, einen Vortrag halten. Der Typ langweilt mich einfach zu Tode, und geht mir nur noch auf die Nerven! Wie kann er bloß einen sitzen haben und mich durchgehend mit Fachchinesisch und all dem anderen Mist vollquatschen? Das geht doch nicht, empöre ich mich innerlich. Mit dem stimmt doch was nicht. Wir sind hier auf einer Party! Da wollen die Leute Spaß haben und sich nicht über langweiliges Zeug unterhalten. Die Wahrscheinlichkeit, dass er ein lustiges Gesicht zieht oder einen Witz reißt, ist bei ihm so hoch wie… Ach, was soll`s. Anstatt mich über ihn aufzuregen, sollte ich mir besser einfallen lassen, wie ich den Langweiler loswerde, ohne dabei unhöflich zu werden. Er ist ja ein Freund von Micha und der soll mich auch weiterhin mögen.
Da kommt mir die Idee.
Ich gebe mich einfach als Hobbykünstler aus und erzähle ihm von meinem Plan, eine Vernissage zu organisieren, auf der ich ausschließlich großflächige schwarz-weiß Fotografien von menschlicher Scheiße aushänge.
„Hey, bevor du weitererzählst und ich es vergesse, lade ich dich hiermit herzlich zu meiner Fäkal-Vernissage ein. Hast du übernächste Woche Donnerstag schon was vor?“
„Hä?“
„Ach ja, das hab ich dir ja noch gar nicht erzählt“, geht mir auf. „Ich bin freischaffender Hobbykünstler und fotografiere die Exkremente anderer Leute.“
„Wie bitte?“
„Du hast mich schon richtig verstanden. Ich fotografiere Scheiße, Kot, Mist, Dünger. Wie auch immer du es nennen magst. Auf meiner Ausstellung werden die Findlinge in ihren unterschiedlichsten Formen und Konsistenzen präsentiert. Nur so vermitteln sie dem Betrachter in ihrer Gesamtheit eine Geschichte und ein ganzheitliches Bild.“
„Vielleicht solltest du Kunst studieren“, schlägt mir Michas Freund trocken vor.
„Nein, eher nicht. Kunst ist in der Regel ein brotloses Gewerbe, bei dem der Künstler neben herausragendem Talent sehr viel Glück haben muss. Nein, das hier mit dem Fotografieren ist nur so als Hobby gedacht.“
„Und wessen Scheiße fotografierst du so?“
„Na, Scheiße von ganz normalen Leuten. Ich begegne ihnen auf Toiletten von Bars und Kneipen. Sobald ich ihnen von meiner Vernissage erzähle, sind sie bis auf ein paar Ausnahmen meistens bereit zu kooperieren. Ich warte bis sie sich ausgeschissen haben, dann mache ich das Foto und betätige für sie die Spülung. So einfach geht das.“
„Hört sich interessant an, was du da machst.“
„Ja, das ist es auch. Soll ich deinen Stuhlgang auch mal fotografieren?“
„Ich weiß nicht so recht. Habe so was noch nie gemacht“, gibt Micha zu bedenken.
„Na, dann wird’s mal höchste Zeit. Ich mache dir einen Vorschlag: Ruf´ mich an, falls du Lust auf ein paar Shootings hast. Gute Bilder werden definitiv aufgehängt. Hier ist meine Karte. Vielleicht ist übernächste Woche Donnerstag auch deine Scheiße dabei“, sage ich und halte ihm im gleichen Atemzug mit einem Augenzwinkern meine Visitenkarte vor die Nase. Micha macht ein nachdenliches Gesicht und reibt sich das Kinn.
Ja, das ist wirklich gut. Nicht schlecht, die Idee. Aber was mache ich, wenn er meine Arbeit wertschätzt und auf mein Angebot eingeht? Dann werde ich ihn wohl nie mehr los.
Vielleicht sollte ich ihm noch vorgaukeln, dass ich mir neben dem Studium meinen Lebensunterhalt als Pornodarsteller finanziere:
„Ach ja, Micha. Wo du gerade von Verdienstmöglichkeiten in deinem Berufszweig gesprochen hast: Als Pornodarsteller kann man auch gut verdienen, wenn man sich, wie du in deiner Branche, in eine Richtung spezialisiert hat. Ich sag`s dir, heutzutage ist Spezialisierung das A und O!“
„Wie meinst du das?“
„Ich habe mich auch spezialisiert. In meiner Branche bin ich mittlerweile als „Fistfucker“ bekannt.“
„Hä?“
„Gleich bei den ersten Drehs nach dem Unfall haben wir die üblichen Dildos, Vibratoren und sonstige Gegenstände der Stimmulanz einfach weggelassen. Jetzt arbeite ich nur noch mit dem Arm, und das mit Erfolg“, antworte ich gelassen und klopfe mit der gesunden Hand auf die Gipsschale, aus der ein hohles Geräusch dringt.
Schlagartig fällt Micha das Lächeln aus seinem Gesicht, und sein Kiefer klappt herunter. Ehe sein Mund wieder zugeht, entschuldige ich mich höflich bei ihm unter dem Vorwand, die Toilette aufsuchen zu müssen und stehle mich in den Keller, von wo ich anfangs die Musik gehört habe. Micha’s Partykeller ist mit einer satten Discoanlage und bunten Lichtern an der Decke ausgestattet. Die Mucke dröhnt aus den Lautsprechern und die Leute tanzen mit fliehenden Schweißperlen im Gesicht, als gäbe es in dieser Stadt sonst keine Diskos.
Ich greife nach einer der frischen Biere aus einer der unzähligen Bierkisten, die in allen Kellerecken zu mehreren Türmen aufgestapelt stehen und wechsele ein paar belanglose Gesprächsfetzen mit Arne, den ich meistens betrunken auf Parties treffe. Er ist erst vor kurzem aus Südafrika wiedergekommen und lässt momentan die Sau raus, bevor es, so sagt er, mit seiner Diplomarbeit ernst wird. Er gibt sich als Beach Boy und hat damit spürbaren Erfolg. Es scharen sich am heutigen Abend um ihn gleich zwei Damen von denen er, behauptet er zuversichtlich, nur eine, aber er wisse noch nicht welche, mit nach Hause nehme. Seine Sorgen hätte ich jetzt auch gerne, denke ich verbittert und kratze mich verzweifelt am Genital.
Ehe ich mich versehe, hat sich der relativ kleine Keller gänzlich mit Leuten gefüllt. Die Feier ist jetzt im vollen Gange. Ich bemühe mich, mit meinem Partygipsarm, so gut es geht zu tanzen, aber die Kunsthoffkralle fliegt im Gedränge der pogenden Meute hin und her und ich unfreiwillig mit. Etwas ungelenk führe ich die Hartschale an den wild zappelnden Leuten vorbei und rette mich nur mit großer Mühe an den Rand der Tanzfläche. Bereits ein leichter Stoß gegen die Finger meiner Gipskralle würde höllisch wehtun.
Da trifft mich doch der Schlag. Da ist er ja wieder, der nervige Kumpel von Micha. Er taucht aus dem Nebeldunst hervor und klopft mir auf die Schulter.
Oh goddogot, denke ich blos. Was kommt den nun?
"Mensch, das mit dem Pornoding, da musst du ja selbst wissen, aber die Fotoausstellung mit der Scheiße finde ich doch recht interessant", jubelt Micha auf und schiebt mir postwendend seine Telefonummer zu.
 

djpizza

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... Ich trete fester in die Pedalen. Sascha müsste auch so langsam auf der Party eingetroffen sein. Es ist mal wieder Wochenende. Ich stelle mein Fahrrad in die Einfahrt und schließe es ein wenig unbeholfen ab. Dieser dämliche Gipsarm stört mich dabei jedes Mal. Schließlich muss ich immer alles mit einer Hand machen. An Abwaschen und Bieröffnen ist da nicht zu denken. Selbst onanieren kann ich nicht mehr.
Die Tür ist offen. Auf der Treppe nach oben kommt mir auf einmal die kleine Snowboardlehrerin aus dem Skiurlaub entgegen.
„Hey, du hier?“, fragt sie überrascht.
„Ja, Micha hat mich eingeladen“, sage ich unsicher.
Micha wohnt zwar hier, er hat mich aber nicht eingeladen. Das ist auch nicht so wichtig. Hauptsache Party. Irgendjemanden werde ich hier schon kennen.
Im Treppenhaus höre ich Musik, die aus dem Keller zu kommen scheint. Aha, die Party verteilt sich also auf zwei Stockwerke. Ehe ich mich dafür entscheide, ob ich oben oder doch zuerst unten nachschauen sollte, fragt die Kleine neugierig, was denn mit meinem Arm sei. Ich erzähle ihr kurz die Geschichte vom Bruch, verkneife es mir aber zu sagen, dass die Sache mit dem gebrochenen Arm ihre Schuld sei, zumal sie mich unzureichend unterrichtet hat. Diesen Scherz hätte sie vermutlich missverstanden. Aber sie hätte sich wirklich mal etwas mehr um mich kümmern können.
Da folgt ihr so ein Typ die Treppenstufen herunter. Er mustert mich wie Gammelgemüse im Kühlschrank und steckt vor meiner Nase seine Zunge in ihren Hals. Der ist wohl ihr Freund, der blöde Dandy, denke ich entmutigt, sonst hätte Sie mir im Urlaub bestimmt mehr Aufmerksamkeit geschenkt.
Als ich die Wohnung im ersten Stock betrete, kommt mir gleich Micha entgegen. Ich kenne ihn zwar kaum, schüttele ihm aber mit dem linken Arm die Hand und klopfe ihm geradezu so, wie einem alten Schulfreund, den ich nach langer Zeit zufällig auf einer Party wiedergetroffen habe, feierlich auf die Schulter. Ich schildere ihm kurz was zu dem Gipsarm geführt hat. Micha fühlt - er ist ja Pädagoge und die zeigen, wie ich finde, immer große Anteilnahme - aufrichtig mit und bedauert meinen Unfall aus vollem Herzen. Er stellt mich seinem Kumpel vor, der mir, wie ich glaube, gleichfalls aufrichtiges Mitgefühl entgegenbringt, da ich ja nicht mehr onanieren kann. Das Mitgefühl von Leuten zu ernten, die ich nicht kenne, bin ich derweil durch den Gips gewohnt. Micha lässt uns stehen und begrüßt zwei neue Gäste, die grade die Küche betreten.
Der Bruch ist jedes Mal ein Aufhänger für einen Smalltalk, wie ich ihn jetzt mit Michas Kumpel halte. Ich kann so einen Gipsarm nur Jedem empfehlen, der unter Kontaktschwierigkeiten mit anderen Menschen leidet.
Von dem Treiben der Leute abgelenkt, werfe ich ein paar flüchtige Blicke in die anderen Zimmer, während mir Michas Kumpel dicht auf den Fersen hinterherdackelt und Ausschnitte aus seinem uninteressanten Berufsleben erzählt. Die Leute unterhalten sich angeregt. Manche sitzen gelangweilt daneben, andere verfolgen das Gespräch mit Interesse und alle nuckeln sie an ihrem Bier. Wie schön, das wird mal wieder so eine - Wir sitzen zusammen friedlich im Kreis - stecken uns Räucherstäbchen in die Nase und führen intellektuelle Gespräche - Party, denke ich höhnisch und drehe mich lustlos zum Gabentisch in der Küche, auf dem sich allerhand Selbstmitgebrachtes der Gäste staut. Ich nicke Michas Kumpel in relativ regelmäßigen Zeitintervallen zustimmend zu und reiße etwas vom Fladenbrot ab, das ich zu einer Dönertasche umfunktioniere, die ich bis zum Rand mit gemischtem Salat vollstopfe. Michas Kumpel arbeitet in der Elektrobranche. In einem Stück erzählt er von seinen beruflichen Heldentaten, seinen Einkünften und Aufstiegsmöglichkeiten, die mich von Minute zu Minute immer weniger interessieren. Interesse vortäuschend, stelle ich ihm ab und an überflüssige Fragen, auf die er bedauerlicherweise ausführlich eingeht, wobei er, während ich an meinem vegetarischen Döner kaue, ganz ernst und sachlich bleibt. Ich denke jetzt an Radek, der mir in diesem Moment sehr fehlt. Er hätte mich mit Sicherheit von diesem langweiligen Gespräch erlöst und sich mit Michas Freund gut verstanden. Aber Radek ist nun mal nicht hier und der schräge Typ referiert so, als würde er vor dem Vorstand der Firma, für die er arbeitet, einen Vortrag halten. Der Typ langweilt mich einfach zu Tode, und geht mir nur noch auf die Nerven! Wie kann er bloß einen sitzen haben und mich durchgehend mit Fachchinesisch und all dem anderen Mist vollquatschen? Das geht doch nicht, empöre ich mich innerlich. Mit dem stimmt doch was nicht. Wir sind hier auf einer Party! Da wollen die Leute Spaß haben und sich nicht über langweiliges Zeug unterhalten. Die Wahrscheinlichkeit, dass er ein lustiges Gesicht zieht oder einen Witz reißt, ist bei ihm so hoch wie… Ach, was soll`s. Anstatt mich über ihn aufzuregen, sollte ich mir besser einfallen lassen, wie ich den Langweiler loswerde, ohne dabei unhöflich zu werden. Er ist ja ein Freund von Micha und der soll mich auch weiterhin mögen.
Da kommt mir die Idee.
Ich gebe mich einfach als Hobbykünstler aus und erzähle ihm von meinem Plan, eine Vernissage zu organisieren, auf der ich ausschließlich großflächige schwarz-weiß Fotografien von menschlicher Scheiße aushänge.
„Hey, bevor du weitererzählst und ich es vergesse, lade ich dich hiermit herzlich zu meiner Fäkal-Vernissage ein. Hast du übernächste Woche Donnerstag schon was vor?“
„Hä?“
„Ach ja, das hab ich dir ja noch gar nicht erzählt“, geht mir auf. „Ich bin freischaffender Hobbykünstler und fotografiere die Exkremente anderer Leute.“
„Wie bitte?“
„Du hast mich schon richtig verstanden. Ich fotografiere Scheiße, Kot, Mist, Dünger. Wie auch immer du es nennen magst. Auf meiner Ausstellung werden die Findlinge in ihren unterschiedlichsten Formen und Konsistenzen präsentiert. Nur so vermitteln sie dem Betrachter in ihrer Gesamtheit eine Geschichte und ein ganzheitliches Bild.“
„Vielleicht solltest du Kunst studieren“, schlägt mir Michas Freund trocken vor.
„Nein, eher nicht. Kunst ist in der Regel ein brotloses Gewerbe, bei dem der Künstler neben herausragendem Talent sehr viel Glück haben muss. Nein, das hier mit dem Fotografieren ist nur so als Hobby gedacht.“
„Und wessen Scheiße fotografierst du so?“
„Na, Scheiße von ganz normalen Leuten. Ich begegne ihnen auf Toiletten von Bars und Kneipen. Sobald ich ihnen von meiner Vernissage erzähle, sind sie bis auf ein paar Ausnahmen meistens bereit zu kooperieren. Ich warte bis sie sich ausgeschissen haben, dann mache ich das Foto und betätige für sie die Spülung. So einfach geht das.“
„Hört sich interessant an, was du da machst.“
„Ja, das ist es auch. Soll ich deinen Stuhlgang auch mal fotografieren?“
„Ich weiß nicht so recht. Habe so was noch nie gemacht“, gibt Micha zu bedenken.
„Na, dann wird’s mal höchste Zeit. Ich mache dir einen Vorschlag: Ruf´ mich an, falls du Lust auf ein paar Shootings hast. Gute Bilder werden definitiv aufgehängt. Hier ist meine Karte. Vielleicht ist übernächste Woche Donnerstag auch deine Scheiße dabei“, sage ich und halte ihm im gleichen Atemzug mit einem Augenzwinkern meine Visitenkarte vor die Nase. Micha macht ein nachdenliches Gesicht und reibt sich das Kinn.
Ja, das ist wirklich gut. Nicht schlecht, die Idee. Aber was mache ich, wenn er meine Arbeit wertschätzt und auf mein Angebot eingeht? Dann werde ich ihn wohl nie mehr los.
Vielleicht sollte ich ihm noch vorgaukeln, dass ich mir neben dem Studium meinen Lebensunterhalt als Pornodarsteller finanziere:
„Ach ja, Micha. Wo du gerade von Verdienstmöglichkeiten in deinem Berufszweig gesprochen hast: Als Pornodarsteller kann man auch gut verdienen, wenn man sich, wie du in deiner Branche, in eine Richtung spezialisiert hat. Ich sag`s dir, heutzutage ist Spezialisierung das A und O!“
„Wie meinst du das?“
„Ich habe mich auch spezialisiert. In meiner Branche bin ich mittlerweile als „Fistfucker“ bekannt.“
„Hä?“
„Gleich bei den ersten Drehs nach dem Unfall haben wir die üblichen Dildos, Vibratoren und sonstige Gegenstände der Stimmulanz einfach weggelassen. Jetzt arbeite ich nur noch mit dem Arm, und das mit Erfolg“, antworte ich gelassen und klopfe mit der gesunden Hand auf die Gipsschale, aus der ein hohles Geräusch dringt.
Schlagartig fällt Michas Kumpel das Lächeln aus dem Gesicht, und sein Kiefer klappt herunter. Ehe sein Mund wieder zugeht, entschuldige ich mich höflich bei ihm unter dem Vorwand, die Toilette aufsuchen zu müssen und stehle mich in den Keller, von wo ich anfangs die Musik gehört habe. Micha’s Partykeller ist mit einer satten Discoanlage und bunten Lichtern an der Decke ausgestattet. Die Mucke dröhnt aus den Lautsprechern und die Leute tanzen mit fliehenden Schweißperlen im Gesicht, als gäbe es in dieser Stadt sonst keine Diskos.
Ich greife nach einer der frischen Biere aus einer der unzähligen Bierkisten, die in allen Kellerecken zu mehreren Türmen aufgestapelt stehen und wechsele ein paar belanglose Gesprächsfetzen mit Arne, den ich meistens betrunken auf Parties treffe. Er ist erst vor kurzem aus Südafrika wiedergekommen und lässt momentan die Sau raus, bevor es, so sagt er, mit seiner Diplomarbeit ernst wird. Er gibt sich als Beach Boy und hat damit spürbaren Erfolg. Es scharen sich am heutigen Abend um ihn gleich zwei Damen von denen er, behauptet er zuversichtlich, nur eine, aber er wisse noch nicht welche, mit nach Hause nehme. Seine Sorgen hätte ich jetzt auch gerne, denke ich verbittert und kratze mich verzweifelt am Genital.
Ehe ich mich versehe, hat sich der relativ kleine Keller gänzlich mit Leuten gefüllt. Die Feier ist jetzt im vollen Gange. Ich bemühe mich, mit meinem Partygipsarm, so gut es geht zu tanzen, aber die Kunsthoffkralle fliegt im Gedränge der pogenden Meute hin und her und ich unfreiwillig mit. Etwas ungelenk führe ich die Hartschale an den wild zappelnden Leuten vorbei und rette mich nur mit großer Mühe an den Rand der Tanzfläche. Bereits ein leichter Stoß gegen die Finger meiner Gipskralle würde höllisch wehtun.
Da trifft mich doch der Schlag. Da ist er ja wieder, der nervige Kumpel von Micha, steht da mitten auf der Tanzfläche, prostet in meine Richtung und schickt sich an mich kumpelhaft zu begrüßen. In dem Moment taucht Micha aus dem Partydunst, stellt sich zwischen mich und den nahenden Stalker und klopft mir auf die Schulter.
Ich bin erleichtert und stoße ein freudiges "Hey Micha, was geht ab?" aus.
"Mensch, dass mit dem Pornoding, musst du ja selbst wissen, aber die Fotoausstellung mit der Scheiße finde ich doch recht interessant", jubelt Micha und schiebt mir postwendend seine Telefonummer zu.
Gleichzeitig läuft in meinem Kopf das Zeitraffer eines kläglich scheiterenden Versuchs, diese Austellung in fünf Tagen zu realisieren, ab.
Ich nehme einen großen Schluck Bier und lasse meinen Blick über Michas Schulter in Richtung Tanzfläche schweifen.
 

djpizza

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... Ich trete fester in die Pedalen. Sascha müsste auch so langsam auf der Party eingetroffen sein. Es ist mal wieder Wochenende. Ich stelle mein Fahrrad in die Einfahrt und schließe es ein wenig unbeholfen ab. Dieser dämliche Gipsarm stört mich dabei jedes Mal. Schließlich muss ich immer alles mit einer Hand machen. An Abwaschen und Bieröffnen ist da nicht zu denken. Selbst onanieren kann ich nicht mehr.
Die Tür ist offen. Auf der Treppe nach oben kommt mir auf einmal die kleine Snowboardlehrerin aus dem Skiurlaub entgegen.
„Hey, du hier?“, fragt sie überrascht.
„Ja, Micha hat mich eingeladen“, sage ich unsicher.
Micha wohnt zwar hier, er hat mich aber nicht eingeladen. Das ist auch nicht so wichtig. Hauptsache Party. Irgendjemanden werde ich hier schon kennen.
Im Treppenhaus höre ich Musik, die aus dem Keller zu kommen scheint. Aha, die Party verteilt sich also auf zwei Stockwerke. Ehe ich mich dafür entscheide, ob ich oben oder doch zuerst unten nachschauen sollte, fragt die Kleine neugierig, was denn mit meinem Arm sei. Ich erzähle ihr kurz die Geschichte vom Bruch, verkneife es mir aber zu sagen, dass die Sache mit dem gebrochenen Arm ihre Schuld sei, zumal sie mich unzureichend unterrichtet hat. Diesen Scherz hätte sie vermutlich missverstanden. Aber sie hätte sich wirklich mal etwas mehr um mich kümmern können.
Da folgt ihr so ein Typ die Treppenstufen herunter. Er mustert mich wie Gammelgemüse im Kühlschrank und steckt vor meiner Nase seine Zunge in ihren Hals. Der ist wohl ihr Freund, der blöde Dandy, denke ich entmutigt, sonst hätte Sie mir im Urlaub bestimmt mehr Aufmerksamkeit geschenkt.
Als ich die Wohnung im ersten Stock betrete, kommt mir gleich Micha entgegen. Ich kenne ihn zwar kaum, schüttele ihm aber mit dem linken Arm die Hand und klopfe ihm geradezu so, wie einem alten Schulfreund, den ich nach langer Zeit zufällig auf einer Party wiedergetroffen habe, feierlich auf die Schulter. Ich schildere ihm kurz was zu dem Gipsarm geführt hat. Micha fühlt - er ist ja Pädagoge und die zeigen, wie ich finde, immer große Anteilnahme - aufrichtig mit und bedauert meinen Unfall aus vollem Herzen. Er stellt mich seinem Kumpel vor, der mir, wie ich glaube, gleichfalls aufrichtiges Mitgefühl entgegenbringt, da ich ja nicht mehr onanieren kann. Das Mitgefühl von Leuten zu ernten, die ich nicht kenne, bin ich derweil durch den Gips gewohnt. Micha lässt uns stehen und begrüßt zwei neue Gäste, die grade die Küche betreten.
Der Bruch ist jedes Mal ein Aufhänger für einen Smalltalk, wie ich ihn jetzt mit Michas Kumpel halte. Ich kann so einen Gipsarm nur Jedem empfehlen, der unter Kontaktschwierigkeiten mit anderen Menschen leidet.
Von dem Treiben der Leute abgelenkt, werfe ich ein paar flüchtige Blicke in die anderen Zimmer, während mir Michas Kumpel dicht auf den Fersen hinterherdackelt und Ausschnitte aus seinem uninteressanten Berufsleben erzählt. Die Leute unterhalten sich angeregt. Manche sitzen gelangweilt daneben, andere verfolgen das Gespräch mit Interesse und alle nuckeln sie an ihrem Bier. Wie schön, das wird mal wieder so eine - Wir sitzen zusammen friedlich im Kreis - stecken uns Räucherstäbchen in die Nase und führen intellektuelle Gespräche - Party, denke ich höhnisch und drehe mich lustlos zum Gabentisch in der Küche, auf dem sich allerhand Selbstmitgebrachtes der Gäste staut. Ich nicke Michas Kumpel in relativ regelmäßigen Zeitintervallen zustimmend zu und reiße etwas vom Fladenbrot ab, das ich zu einer Dönertasche umfunktioniere, die ich bis zum Rand mit gemischtem Salat vollstopfe. Michas Kumpel arbeitet in der Elektrobranche. In einem Stück erzählt er von seinen beruflichen Heldentaten, seinen Einkünften und Aufstiegsmöglichkeiten, die mich von Minute zu Minute immer weniger interessieren. Interesse vortäuschend, stelle ich ihm ab und an überflüssige Fragen, auf die er bedauerlicherweise ausführlich eingeht, wobei er, während ich an meinem vegetarischen Döner kaue, ganz ernst und sachlich bleibt. Ich denke jetzt an Radek, der mir in diesem Moment sehr fehlt. Er hätte mich mit Sicherheit von diesem langweiligen Gespräch erlöst und sich mit Michas Freund gut verstanden. Aber Radek ist nun mal nicht hier und der schräge Typ referiert so, als würde er vor dem Vorstand der Firma, für die er arbeitet, einen Vortrag halten. Der Typ langweilt mich einfach zu Tode, und geht mir nur noch auf die Nerven! Wie kann er bloß einen sitzen haben und mich durchgehend mit Fachchinesisch und all dem anderen Mist vollquatschen? Das geht doch nicht, empöre ich mich innerlich. Mit dem stimmt doch was nicht. Wir sind hier auf einer Party! Da wollen die Leute Spaß haben und sich nicht über langweiliges Zeug unterhalten. Die Wahrscheinlichkeit, dass er ein lustiges Gesicht zieht oder einen Witz reißt, ist bei ihm so hoch wie… Ach, was soll`s. Anstatt mich über ihn aufzuregen, sollte ich mir besser einfallen lassen, wie ich den Langweiler loswerde, ohne dabei unhöflich zu werden. Er ist ja ein Freund von Micha und der soll mich auch weiterhin mögen.
Da kommt mir die Idee.
Ich gebe mich einfach als Hobbykünstler aus und erzähle ihm von meinem Plan, eine Vernissage zu organisieren, auf der ich ausschließlich großflächige schwarz-weiß Fotografien von menschlicher Scheiße aushänge.
„Hey, bevor du weitererzählst und ich es vergesse, lade ich dich hiermit herzlich zu meiner Fäkal-Vernissage ein. Hast du übernächste Woche Donnerstag schon was vor?“
„Hä?“
„Ach ja, das hab ich dir ja noch gar nicht erzählt“, geht mir auf. „Ich bin freischaffender Hobbykünstler und fotografiere die Exkremente anderer Leute.“
„Wie bitte?“
„Du hast mich schon richtig verstanden. Ich fotografiere Scheiße, Kot, Mist, Dünger. Wie auch immer du es nennen magst. Auf meiner Ausstellung werden die Findlinge in ihren unterschiedlichsten Formen und Konsistenzen präsentiert. Nur so vermitteln sie dem Betrachter in ihrer Gesamtheit eine Geschichte und ein ganzheitliches Bild.“
„Vielleicht solltest du Kunst studieren“, schlägt mir Michas Freund trocken vor.
„Nein, eher nicht. Kunst ist in der Regel ein brotloses Gewerbe, bei dem der Künstler neben herausragendem Talent sehr viel Glück haben muss. Nein, das hier mit dem Fotografieren ist nur so als Hobby gedacht.“
„Und wessen Scheiße fotografierst du so?“
„Na, Scheiße von ganz normalen Leuten. Ich begegne ihnen auf Toiletten von Bars und Kneipen. Sobald ich ihnen von meiner Vernissage erzähle, sind sie bis auf ein paar Ausnahmen meistens bereit zu kooperieren. Ich warte bis sie sich ausgeschissen haben, dann mache ich das Foto und betätige für sie die Spülung. So einfach geht das.“
„Hört sich interessant an, was du da machst.“
„Ja, das ist es auch. Soll ich deinen Stuhlgang auch mal fotografieren?“
„Ich weiß nicht so recht. Habe so was noch nie gemacht“, gibt Micha zu bedenken.
„Na, dann wird’s mal höchste Zeit. Ich mache dir einen Vorschlag: Ruf´ mich an, falls du Lust auf ein paar Shootings hast. Gute Bilder werden definitiv aufgehängt. Hier ist meine Karte. Vielleicht ist übernächste Woche Donnerstag auch deine Scheiße dabei“, sage ich und halte ihm im gleichen Atemzug mit einem Augenzwinkern meine Visitenkarte vor die Nase. Micha macht ein nachdenliches Gesicht und reibt sich das Kinn.
Ja, das ist wirklich gut. Nicht schlecht, die Idee. Aber was mache ich, wenn er meine Arbeit wertschätzt und auf mein Angebot eingeht? Dann werde ich ihn wohl nie mehr los.
Vielleicht sollte ich ihm noch vorgaukeln, dass ich mir neben dem Studium meinen Lebensunterhalt als Pornodarsteller finanziere:
„Ach ja, Micha. Wo du gerade von Verdienstmöglichkeiten in deinem Berufszweig gesprochen hast: Als Pornodarsteller kann man auch gut verdienen, wenn man sich, wie du in deiner Branche, in eine Richtung spezialisiert hat. Ich sag`s dir, heutzutage ist Spezialisierung das A und O!“
„Wie meinst du das?“
„Ich habe mich auch spezialisiert. In meiner Branche bin ich mittlerweile als „Fistfucker“ bekannt.“
„Hä?“
„Gleich bei den ersten Drehs nach dem Unfall haben wir die üblichen Dildos, Vibratoren und sonstige Gegenstände der Stimmulanz einfach weggelassen. Jetzt arbeite ich nur noch mit dem Arm, und das mit Erfolg“, antworte ich gelassen und klopfe mit der gesunden Hand auf die Gipsschale, aus der ein hohles Geräusch dringt.
Schlagartig fällt Michas Kumpel das Lächeln aus dem Gesicht, und sein Kiefer klappt herunter. Ehe sein Mund wieder zugeht, entschuldige ich mich höflich bei ihm unter dem Vorwand, die Toilette aufsuchen zu müssen und stehle mich in den Keller, von wo ich anfangs die Musik gehört habe. Micha’s Partykeller ist mit einer satten Discoanlage und bunten Lichtern an der Decke ausgestattet. Die Mucke dröhnt aus den Lautsprechern und die Leute tanzen mit fliehenden Schweißperlen im Gesicht, als gäbe es in dieser Stadt sonst keine Diskos.
Ich greife nach einer der frischen Biere aus einer der unzähligen Bierkisten, die in allen Kellerecken zu mehreren Türmen aufgestapelt stehen und wechsele ein paar belanglose Gesprächsfetzen mit Arne, den ich meistens betrunken auf Parties treffe. Er ist erst vor kurzem aus Südafrika wiedergekommen und lässt momentan die Sau raus, bevor es, so sagt er, mit seiner Diplomarbeit ernst wird. Er gibt sich als Beach Boy und hat damit spürbaren Erfolg. Es scharen sich am heutigen Abend um ihn gleich zwei Damen von denen er, behauptet er zuversichtlich, nur eine, aber er wisse noch nicht welche, mit nach Hause nehme. Seine Sorgen hätte ich jetzt auch gerne, denke ich verbittert und kratze mich verzweifelt am Genital.
Ehe ich mich versehe, hat sich der relativ kleine Keller gänzlich mit Leuten gefüllt. Die Feier ist jetzt im vollen Gange. Ich bemühe mich, mit meinem Partygipsarm, so gut es geht zu tanzen, aber die Kunsthoffkralle fliegt im Gedränge der pogenden Meute hin und her und ich unfreiwillig mit. Etwas ungelenk führe ich die Hartschale an den wild zappelnden Leuten vorbei und rette mich nur mit großer Mühe an den Rand der Tanzfläche. Bereits ein leichter Stoß gegen die Finger meiner Gipskralle würde höllisch wehtun.
Da trifft mich doch der Schlag. Da ist er ja wieder, der nervige Kumpel von Micha, steht da mitten auf der Tanzfläche, prostet in meine Richtung und schickt sich an mich kumpelhaft zu begrüßen. In dem Moment taucht Micha aus dem Partydunst, stellt sich zwischen mich und den nahenden Stalker und klopft mir auf die Schulter.
Ich bin erleichtert und stoße ein freudiges "Hey Micha, was geht ab?" aus.
"Mensch, dass mit dem Pornoding, musst du ja selbst wissen, aber die Fotoausstellung mit der Scheiße finde ich doch recht interessant", jubelt Micha und schiebt mir postwendend seine Telefonummer zu.
Gleichzeitig läuft in meinem Kopf das Zeitraffer eines kläglich scheiterenden Versuchs, diese Austellung in fünf Tagen zu realisieren, ab.
"Oh shit", denke ich nur. "Es gibt Tage, die möchte man meiden. wäre ich heute mal nicht aus dem Bett gestiegen."
 

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... Ich trete fester in die Pedalen. Sascha müsste auch so langsam auf der Party eingetroffen sein. Es ist mal wieder Wochenende. Ich stelle mein Fahrrad in die Einfahrt und schließe es ein wenig unbeholfen ab. Dieser dämliche Gipsarm stört mich dabei jedes Mal. Schließlich muss ich immer alles mit einer Hand machen. An Abwaschen und Bieröffnen ist da nicht zu denken. Selbst onanieren kann ich nicht mehr.
Die Tür ist offen. Auf der Treppe nach oben kommt mir auf einmal die kleine Snowboardlehrerin aus dem Skiurlaub entgegen.
„Hey, du hier?“, fragt sie überrascht.
„Ja, Micha hat mich eingeladen“, sage ich unsicher.
Micha wohnt zwar hier, er hat mich aber nicht eingeladen. Das ist auch nicht so wichtig. Hauptsache Party. Irgendjemanden werde ich hier schon kennen.
Im Treppenhaus höre ich Musik, die aus dem Keller zu kommen scheint. Aha, die Party verteilt sich also auf zwei Stockwerke. Ehe ich mich dafür entscheide, ob ich oben oder doch zuerst unten nachschauen sollte, fragt die Kleine neugierig, was denn mit meinem Arm sei. Ich erzähle ihr kurz die Geschichte vom Bruch, verkneife es mir aber zu sagen, dass die Sache mit dem gebrochenen Arm ihre Schuld sei, zumal sie mich unzureichend unterrichtet hat. Diesen Scherz hätte sie vermutlich missverstanden. Aber sie hätte sich wirklich mal etwas mehr um mich kümmern können.
Da folgt ihr so ein Typ die Treppenstufen herunter. Er mustert mich wie Gammelgemüse im Kühlschrank und steckt vor meiner Nase seine Zunge in ihren Hals. Der ist wohl ihr Freund, der blöde Dandy, denke ich entmutigt, sonst hätte Sie mir im Urlaub bestimmt mehr Aufmerksamkeit geschenkt.
Als ich die Wohnung im ersten Stock betrete, kommt mir gleich Micha entgegen. Ich kenne ihn zwar kaum, schüttele ihm aber mit dem linken Arm die Hand und klopfe ihm geradezu so, wie einem alten Schulfreund, den ich nach langer Zeit zufällig auf einer Party wiedergetroffen habe, feierlich auf die Schulter. Ich schildere ihm kurz was zu dem Gipsarm geführt hat. Micha fühlt - er ist ja Pädagoge und die zeigen, wie ich finde, immer große Anteilnahme - aufrichtig mit und bedauert meinen Unfall aus vollem Herzen. Er stellt mich seinem Kumpel vor, der mir, wie ich glaube, gleichfalls aufrichtiges Mitgefühl entgegenbringt, da ich ja nicht mehr onanieren kann. Das Mitgefühl von Leuten zu ernten, die ich nicht kenne, bin ich derweil durch den Gips gewohnt. Micha lässt uns stehen und begrüßt zwei neue Gäste, die grade die Küche betreten.
Der Bruch ist jedes Mal ein Aufhänger für einen Smalltalk, wie ich ihn jetzt mit Michas Kumpel halte. Ich kann so einen Gipsarm nur Jedem empfehlen, der unter Kontaktschwierigkeiten mit anderen Menschen leidet.
Von dem Treiben der Leute abgelenkt, werfe ich ein paar flüchtige Blicke in die anderen Zimmer, während mir Michas Kumpel dicht auf den Fersen hinterherdackelt und Ausschnitte aus seinem uninteressanten Berufsleben erzählt. Die Leute unterhalten sich angeregt. Manche sitzen gelangweilt daneben, andere verfolgen das Gespräch mit Interesse und alle nuckeln sie an ihrem Bier. Wie schön, das wird mal wieder so eine - Wir sitzen zusammen friedlich im Kreis - stecken uns Räucherstäbchen in die Nase und führen intellektuelle Gespräche - Party, denke ich höhnisch und drehe mich lustlos zum Gabentisch in der Küche, auf dem sich allerhand Selbstmitgebrachtes der Gäste staut. Ich nicke Michas Kumpel in relativ regelmäßigen Zeitintervallen zustimmend zu und reiße etwas vom Fladenbrot ab, das ich zu einer Dönertasche umfunktioniere, die ich bis zum Rand mit gemischtem Salat vollstopfe. Michas Kumpel arbeitet in der Elektrobranche. In einem Stück erzählt er von seinen beruflichen Heldentaten, seinen Einkünften und Aufstiegsmöglichkeiten, die mich von Minute zu Minute immer weniger interessieren. Interesse vortäuschend, stelle ich ihm ab und an überflüssige Fragen, auf die er bedauerlicherweise ausführlich eingeht, wobei er, während ich an meinem vegetarischen Döner kaue, ganz ernst und sachlich bleibt. Ich denke jetzt an Radek, der mir in diesem Moment sehr fehlt. Er hätte mich mit Sicherheit von diesem langweiligen Gespräch erlöst und sich mit Michas Freund gut verstanden. Aber Radek ist nun mal nicht hier und der schräge Typ referiert so, als würde er vor dem Vorstand der Firma, für die er arbeitet, einen Vortrag halten. Der Typ langweilt mich einfach zu Tode, und geht mir nur noch auf die Nerven! Wie kann er bloß einen sitzen haben und mich durchgehend mit Fachchinesisch und all dem anderen Mist vollquatschen? Das geht doch nicht, empöre ich mich innerlich. Mit dem stimmt doch was nicht. Wir sind hier auf einer Party! Da wollen die Leute Spaß haben und sich nicht über langweiliges Zeug unterhalten. Die Wahrscheinlichkeit, dass er ein lustiges Gesicht zieht oder einen Witz reißt, ist bei ihm so hoch wie… Ach, was soll`s. Anstatt mich über ihn aufzuregen, sollte ich mir besser einfallen lassen, wie ich den Langweiler loswerde, ohne dabei unhöflich zu werden. Er ist ja ein Freund von Micha und der soll mich auch weiterhin mögen.
Da kommt mir die Idee.
Ich gebe mich einfach als Hobbykünstler aus und erzähle ihm von meinem Plan, eine Vernissage zu organisieren, auf der ich ausschließlich großflächige schwarz-weiß Fotografien von menschlicher Scheiße aushänge.
„Hey, bevor du weitererzählst und ich es vergesse, lade ich dich hiermit herzlich zu meiner Fäkal-Vernissage ein. Hast du übernächste Woche Donnerstag schon was vor?“
„Hä?“
„Ach ja, das hab ich dir ja noch gar nicht erzählt“, geht mir auf. „Ich bin freischaffender Hobbykünstler und fotografiere die Exkremente anderer Leute.“
„Wie bitte?“
„Du hast mich schon richtig verstanden. Ich fotografiere Scheiße, Kot, Mist, Dünger. Wie auch immer du es nennen magst. Auf meiner Ausstellung werden die Findlinge in ihren unterschiedlichsten Formen und Konsistenzen präsentiert. Nur so vermitteln sie dem Betrachter in ihrer Gesamtheit eine Geschichte und ein ganzheitliches Bild.“
„Vielleicht solltest du Kunst studieren“, schlägt mir Michas Freund trocken vor.
„Nein, eher nicht. Kunst ist in der Regel ein brotloses Gewerbe, bei dem der Künstler neben herausragendem Talent sehr viel Glück haben muss. Nein, das hier mit dem Fotografieren ist nur so als Hobby gedacht.“
„Und wessen Scheiße fotografierst du so?“
„Na, Scheiße von ganz normalen Leuten. Ich begegne ihnen auf Toiletten von Bars und Kneipen. Sobald ich ihnen von meiner Vernissage erzähle, sind sie bis auf ein paar Ausnahmen meistens bereit zu kooperieren. Ich warte bis sie sich ausgeschissen haben, dann mache ich das Foto und betätige für sie die Spülung. So einfach geht das.“
„Hört sich interessant an, was du da machst.“
„Ja, das ist es auch. Soll ich deinen Stuhlgang auch mal fotografieren?“
„Ich weiß nicht so recht. Habe so was noch nie gemacht“, gibt Micha zu bedenken.
„Na, dann wird’s mal höchste Zeit. Ich mache dir einen Vorschlag: Ruf´ mich an, falls du Lust auf ein paar Shootings hast. Gute Bilder werden definitiv aufgehängt. Hier ist meine Karte. Vielleicht ist übernächste Woche Donnerstag auch deine Scheiße dabei“, sage ich und halte ihm im gleichen Atemzug mit einem Augenzwinkern meine Visitenkarte vor die Nase. Micha macht ein nachdenliches Gesicht und reibt sich das Kinn.
Ja, das ist wirklich gut. Nicht schlecht, die Idee. Aber was mache ich, wenn er meine Arbeit wertschätzt und auf mein Angebot eingeht? Dann werde ich ihn wohl nie mehr los.
Vielleicht sollte ich ihm vorgaukeln, dass ich mir neben dem Studium meinen Lebensunterhalt als Pornodarsteller finanziere:
„Ach ja, Micha. Wo du gerade von Verdienstmöglichkeiten in deinem Berufszweig gesprochen hast: Als Pornodarsteller kann man auch gut verdienen, wenn man sich, wie du in deiner Branche, in eine Richtung spezialisiert hat. Ich sag`s dir, heutzutage ist Spezialisierung das A und O!“
„Wie meinst du das?“
„Ich habe mich auch spezialisiert. In meiner Branche bin ich mittlerweile als „Fistfucker“ bekannt.“
„Hä?“
„Gleich bei den ersten Drehs nach dem Unfall haben wir die üblichen Dildos, Vibratoren und sonstige Gegenstände der Stimmulanz einfach weggelassen. Jetzt arbeite ich nur noch mit dem Arm, und das mit Erfolg“, antworte ich gelassen und klopfe mit der gesunden Hand auf die Gipsschale, aus der ein hohles Geräusch dringt.
Schlagartig fällt Michas Kumpel das Lächeln aus dem Gesicht, und sein Kiefer klappt herunter. Ehe sein Mund wieder zugeht, entschuldige ich mich höflich bei ihm unter dem Vorwand, die Toilette aufsuchen zu müssen und stehle mich in den Keller, von wo ich anfangs die Musik gehört habe. Micha’s Partykeller ist mit einer satten Discoanlage und bunten Lichtern an der Decke ausgestattet. Die Mucke dröhnt aus den Lautsprechern und die Leute tanzen mit fliehenden Schweißperlen im Gesicht, als gäbe es in dieser Stadt sonst keine Diskos.
Ich greife nach einer der frischen Biere aus einer der unzähligen Bierkisten, die in allen Kellerecken zu mehreren Türmen aufgestapelt stehen und wechsele ein paar belanglose Gesprächsfetzen mit Arne, den ich meistens betrunken auf Parties treffe. Er ist erst vor kurzem aus Südafrika wiedergekommen und lässt momentan die Sau raus, bevor es, so sagt er, mit seiner Diplomarbeit ernst wird. Er gibt sich als Beach Boy und hat damit spürbaren Erfolg. Es scharen sich am heutigen Abend um ihn gleich zwei Damen von denen er, behauptet er zuversichtlich, nur eine, aber er wisse noch nicht welche, mit nach Hause nehme. Seine Sorgen hätte ich jetzt auch gerne, denke ich verbittert und kratze mich verzweifelt am Genital.
Ehe ich mich versehe, hat sich der relativ kleine Keller gänzlich mit Leuten gefüllt. Die Feier ist jetzt im vollen Gange. Ich bemühe mich, mit meinem Partygipsarm, so gut es geht zu tanzen, aber die Kunsthoffkralle fliegt im Gedränge der pogenden Meute hin und her und ich unfreiwillig mit. Etwas ungelenk führe ich die Hartschale an den wild zappelnden Leuten vorbei und rette mich nur mit großer Mühe an den Rand der Tanzfläche. Bereits ein leichter Stoß gegen die Finger meiner Gipskralle würde höllisch wehtun.
Da trifft mich doch der Schlag. Da ist er ja wieder, der nervige Kumpel von Micha, steht da mitten auf der Tanzfläche, prostet in meine Richtung und schickt sich an, mich kumpelhaft zu begrüßen. Glücklicherweise taucht auch schon Micha aus dem Partydunst hervor, schiebt sich zwischen mich und seinen Kumpel und klopft mir auf die Schulter.
"Hey Micha, was geht ab?" frage ich erleichtert.
"Mensch, dass mit dem Pornoding, musst du ja selbst wissen, aber die Fotoausstellung mit der Scheiße finde ich doch recht interessant", begeistert sich Micha und steckt mir postwendend seine Telefonummer zu.
Schlagartig läuft in meinem Kopf das Zeitraffer eines kläglich scheiterenden Versuchs, diese Austellung in gerade mal zwei Wochen realisieren zu müssen.
"Oh shit", denke ich nur. "Es gibt Tage, die möchte man lieber meiden. Wäre ich doch heute blos nicht aus dem Bett gestiegen."
 

djpizza

Mitglied
Eine echte Nervensäge


... Ich trete fester in die Pedalen. Sascha müsste auch so langsam auf der Party eingetroffen sein. Es ist mal wieder Wochenende. Ich stelle mein Fahrrad in die Einfahrt und schließe es ein wenig unbeholfen ab. Dieser dämliche Gipsarm stört mich dabei jedes Mal. Schließlich muss ich immer alles mit einer Hand machen. An Abwaschen und Bieröffnen ist da nicht zu denken. Selbst onanieren kann ich nicht mehr.
Die Tür ist offen. Auf der Treppe nach oben kommt mir auf einmal die kleine Snowboardlehrerin aus dem Skiurlaub entgegen.
„Hey, du hier?“, fragt sie überrascht.
„Ja, Micha hat mich eingeladen“, sage ich unsicher.
Micha wohnt zwar hier, er hat mich aber nicht eingeladen. Das ist auch nicht so wichtig. Hauptsache Party. Irgendjemanden werde ich hier schon kennen.
Im Treppenhaus höre ich Musik, die aus dem Keller zu kommen scheint. Aha, die Party verteilt sich also auf zwei Stockwerke. Ehe ich mich dafür entscheide, ob ich oben oder doch zuerst unten nachschauen sollte, fragt die Kleine neugierig, was denn mit meinem Arm sei. Ich erzähle ihr kurz die Geschichte vom Bruch, verkneife es mir aber zu sagen, dass die Sache mit dem gebrochenen Arm ihre Schuld sei, zumal sie mich unzureichend unterrichtet hat. Diesen Scherz hätte sie vermutlich missverstanden. Aber sie hätte sich wirklich mal etwas mehr um mich kümmern können.
Da folgt ihr so ein Typ die Treppenstufen herunter. Er mustert mich wie Gammelgemüse im Kühlschrank und steckt vor meiner Nase seine Zunge in ihren Hals. Der ist wohl ihr Freund, der blöde Dandy, denke ich entmutigt, sonst hätte Sie mir im Urlaub bestimmt mehr Aufmerksamkeit geschenkt.
Als ich die Wohnung im ersten Stock betrete, kommt mir gleich Micha entgegen. Ich kenne ihn zwar kaum, schüttele ihm aber mit dem linken Arm die Hand und klopfe ihm geradezu so, wie einem alten Schulfreund, den ich nach langer Zeit zufällig auf einer Party wiedergetroffen habe, feierlich auf die Schulter. Ich schildere ihm kurz was zu dem Gipsarm geführt hat. Micha fühlt - er ist ja Pädagoge und die zeigen, wie ich finde, immer große Anteilnahme - aufrichtig mit und bedauert meinen Unfall aus vollem Herzen. Er stellt mich seinem Kumpel vor, der mir, wie ich glaube, gleichfalls aufrichtiges Mitgefühl entgegenbringt, da ich ja nicht mehr onanieren kann. Das Mitgefühl von Leuten zu ernten, die ich nicht kenne, bin ich derweil durch den Gips gewohnt. Micha lässt uns stehen und begrüßt zwei neue Gäste, die grade die Küche betreten.
Der Bruch ist jedes Mal ein Aufhänger für einen Smalltalk, wie ich ihn jetzt mit Michas Kumpel halte. Ich kann so einen Gipsarm nur Jedem empfehlen, der unter Kontaktschwierigkeiten mit anderen Menschen leidet.
Von dem Treiben der Leute abgelenkt, werfe ich ein paar flüchtige Blicke in die anderen Zimmer, während mir Michas Kumpel dicht auf den Fersen hinterherdackelt und Ausschnitte aus seinem uninteressanten Berufsleben erzählt. Die Leute unterhalten sich angeregt. Manche sitzen gelangweilt daneben, andere verfolgen das Gespräch mit Interesse und alle nuckeln sie an ihrem Bier. Wie schön, das wird mal wieder so eine - Wir sitzen zusammen friedlich im Kreis - stecken uns Räucherstäbchen in die Nase und führen intellektuelle Gespräche - Party, denke ich höhnisch und drehe mich lustlos zum Gabentisch in der Küche, auf dem sich allerhand Selbstmitgebrachtes der Gäste staut. Ich nicke Michas Kumpel in relativ regelmäßigen Zeitintervallen zustimmend zu und reiße etwas vom Fladenbrot ab, das ich zu einer Dönertasche umfunktioniere, die ich bis zum Rand mit gemischtem Salat vollstopfe. Michas Kumpel arbeitet in der Elektrobranche. In einem Stück erzählt er von seinen beruflichen Heldentaten, seinen Einkünften und Aufstiegsmöglichkeiten, die mich von Minute zu Minute immer weniger interessieren. Interesse vortäuschend, stelle ich ihm ab und an überflüssige Fragen, auf die er bedauerlicherweise ausführlich eingeht, wobei er, während ich an meinem vegetarischen Döner kaue, ganz ernst und sachlich bleibt. Ich denke jetzt an Radek, der mir in diesem Moment sehr fehlt. Er hätte mich mit Sicherheit von diesem langweiligen Gespräch erlöst und sich mit Michas Freund gut verstanden. Aber Radek ist nun mal nicht hier und der schräge Typ referiert so, als würde er vor dem Vorstand der Firma, für die er arbeitet, einen Vortrag halten. Der Typ langweilt mich einfach zu Tode, und geht mir nur noch auf die Nerven! Wie kann er bloß einen sitzen haben und mich durchgehend mit Fachchinesisch und all dem anderen Mist vollquatschen? Das geht doch nicht, empöre ich mich innerlich. Mit dem stimmt doch was nicht. Wir sind hier auf einer Party! Da wollen die Leute Spaß haben und sich nicht über langweiliges Zeug unterhalten. Die Wahrscheinlichkeit, dass er ein lustiges Gesicht zieht oder einen Witz reißt, ist bei ihm so hoch wie… Ach, was soll`s. Anstatt mich über ihn aufzuregen, sollte ich mir besser einfallen lassen, wie ich den Langweiler loswerde, ohne dabei unhöflich zu werden. Er ist ja ein Freund von Micha und der soll mich auch weiterhin mögen.
Da kommt mir die Idee.
Ich gebe mich einfach als Hobbykünstler aus und erzähle ihm von meinem Plan, eine Vernissage zu organisieren, auf der ich ausschließlich großflächige schwarz-weiß Fotografien von menschlicher Scheiße aushänge.
„Hey, bevor du weitererzählst und ich es vergesse, lade ich dich hiermit herzlich zu meiner Fäkal-Vernissage ein. Hast du übernächste Woche Donnerstag schon was vor?“
„Hä?“
„Ach ja, das hab ich dir ja noch gar nicht erzählt“, geht mir auf. „Ich bin freischaffender Hobbykünstler und fotografiere die Exkremente anderer Leute.“
„Wie bitte?“
„Du hast mich schon richtig verstanden. Ich fotografiere Scheiße, Kot, Mist, Dünger. Wie auch immer du es nennen magst. Auf meiner Ausstellung werden die Findlinge in ihren unterschiedlichsten Formen und Konsistenzen präsentiert. Nur so vermitteln sie dem Betrachter in ihrer Gesamtheit eine Geschichte und ein ganzheitliches Bild.“
„Vielleicht solltest du Kunst studieren“, schlägt mir Michas Freund trocken vor.
„Nein, eher nicht. Kunst ist in der Regel ein brotloses Gewerbe, bei dem der Künstler neben herausragendem Talent sehr viel Glück haben muss. Nein, das hier mit dem Fotografieren ist nur so als Hobby gedacht.“
„Und wessen Scheiße fotografierst du so?“
„Na, Scheiße von ganz normalen Leuten. Ich begegne ihnen auf Toiletten von Bars und Kneipen. Sobald ich ihnen von meiner Vernissage erzähle, sind sie bis auf ein paar Ausnahmen meistens bereit zu kooperieren. Ich warte bis sie sich ausgeschissen haben, dann mache ich das Foto und betätige für sie die Spülung. So einfach geht das.“
„Hört sich interessant an, was du da machst.“
„Ja, das ist es auch. Soll ich deinen Stuhlgang auch mal fotografieren?“
„Ich weiß nicht so recht. Habe so was noch nie gemacht“, gibt Micha zu bedenken.
„Na, dann wird’s mal höchste Zeit. Ich mache dir einen Vorschlag: Ruf´ mich an, falls du Lust auf ein paar Shootings hast. Gute Bilder werden definitiv aufgehängt. Hier ist meine Karte. Vielleicht ist übernächste Woche Donnerstag auch deine Scheiße dabei“, sage ich und halte ihm im gleichen Atemzug mit einem Augenzwinkern meine Visitenkarte vor die Nase. Micha macht ein nachdenliches Gesicht und reibt sich das Kinn.
Ja, das ist wirklich gut. Nicht schlecht, die Idee. Aber was mache ich, wenn er meine Arbeit wertschätzt und auf mein Angebot eingeht? Dann werde ich ihn wohl nie mehr los.
Vielleicht sollte ich ihm vorgaukeln, dass ich mir neben dem Studium meinen Lebensunterhalt als Pornodarsteller finanziere:
„Ach ja, Micha. Wo du gerade von Verdienstmöglichkeiten in deinem Berufszweig gesprochen hast: Als Pornodarsteller kann man auch gut verdienen, wenn man sich, wie du in deiner Branche, in eine Richtung spezialisiert hat. Ich sag`s dir, heutzutage ist Spezialisierung das A und O!“
„Wie meinst du das?“
„Ich habe mich auch spezialisiert. In meiner Branche bin ich mittlerweile als „Fistfucker“ bekannt.“
„Hä?“
„Gleich bei den ersten Drehs nach dem Unfall haben wir die üblichen Dildos, Vibratoren und sonstige Gegenstände der Stimmulanz einfach weggelassen. Jetzt arbeite ich nur noch mit dem Arm, und das mit Erfolg“, antworte ich gelassen und klopfe mit der gesunden Hand auf die Gipsschale, aus der ein hohles Geräusch dringt.
Schlagartig fällt Michas Kumpel das Lächeln aus dem Gesicht, und sein Kiefer klappt herunter. Ehe sein Mund wieder zugeht, entschuldige ich mich höflich bei ihm unter dem Vorwand, die Toilette aufsuchen zu müssen und stehle mich in den Keller, von wo ich anfangs die Musik gehört habe. Micha’s Partykeller ist mit einer satten Discoanlage und bunten Lichtern an der Decke ausgestattet. Die Mucke dröhnt aus den Lautsprechern und die Leute tanzen mit fliehenden Schweißperlen im Gesicht, als gäbe es in dieser Stadt sonst keine Diskos.
Ich greife nach einer der frischen Biere aus einer der unzähligen Bierkisten, die in allen Kellerecken zu mehreren Türmen aufgestapelt stehen und wechsele ein paar belanglose Gesprächsfetzen mit Arne, den ich meistens betrunken auf Parties treffe. Er ist erst vor kurzem aus Südafrika wiedergekommen und lässt momentan die Sau raus, bevor es, so sagt er, mit seiner Diplomarbeit ernst wird. Er gibt sich als Beach Boy und hat damit spürbaren Erfolg. Es scharen sich am heutigen Abend um ihn gleich zwei Damen von denen er, behauptet er zuversichtlich, nur eine, aber er wisse noch nicht welche, mit nach Hause nehme. Seine Sorgen hätte ich jetzt auch gerne, denke ich verbittert und kratze mich verzweifelt am Genital.
Ehe ich mich versehe, hat sich der relativ kleine Keller gänzlich mit Leuten gefüllt. Die Feier ist jetzt im vollen Gange. Ich bemühe mich, mit meinem Partygipsarm, so gut es geht zu tanzen, aber die Kunsthoffkralle fliegt im Gedränge der pogenden Meute hin und her und ich unfreiwillig mit. Etwas ungelenk führe ich die Hartschale an den wild zappelnden Leuten vorbei und rette mich nur mit großer Mühe in eine ruhigere Ecke. Bereits ein leichter Stoß gegen die Finger meiner Gipskralle würde höllisch wehtun.
Da trifft mich doch der Schlag. Da ist er ja wieder, der nervige Kumpel von Micha, steht da mitten auf der Tanzfläche, prostet in meine Richtung und schickt sich an, mich kumpelhaft zu begrüßen. Glücklicherweise taucht auch schon Micha aus dem Partydunst hervor, schiebt sich zwischen mich und seinen Kumpel und klopft mir auf die Schulter.
"Hey Micha, was geht ab?" frage ich erleichtert.
"Mensch, dass mit dem Pornoding, musst du ja selbst wissen, aber die Fotoausstellung mit der Scheiße finde ich doch recht interessant", begeistert sich Micha und steckt mir postwendend seine Telefonummer zu.
Schlagartig läuft in meinem Kopf das Zeitraffer eines kläglich scheiterenden Versuchs, diese Austellung in gerade mal zwei Wochen realisieren zu müssen.
"Oh shit", denke ich nur. "Es gibt Tage, die möchte man lieber meiden. Wäre ich doch heute bloß nicht aus dem Bett gestiegen."
 

djpizza

Mitglied
Eine echte Nervensäge


... Ich trete fester in die Pedalen. Sascha müsste auch so langsam auf der Party eingetroffen sein. Es ist mal wieder Wochenende. Ich stelle mein Fahrrad in die Einfahrt und schließe es ein wenig unbeholfen ab. Dieser dämliche Gipsarm stört mich dabei jedes Mal. Schließlich muss ich immer alles mit einer Hand machen. An Abwaschen und Bieröffnen ist da nicht zu denken. Selbst onanieren kann ich nicht mehr.
Die Tür ist offen. Auf der Treppe nach oben kommt mir auf einmal die kleine Snowboardlehrerin aus dem Skiurlaub entgegen.
„Hey, du hier?“, fragt sie überrascht.
„Ja, Micha hat mich eingeladen“, sage ich unsicher.
Micha wohnt zwar hier, er hat mich aber nicht eingeladen. Das ist auch nicht so wichtig. Hauptsache Party. Irgendjemanden werde ich hier schon kennen.
Im Treppenhaus höre ich Musik, die aus dem Keller zu kommen scheint. Aha, die Party verteilt sich also auf zwei Stockwerke. Ehe ich mich dafür entscheide, ob ich oben oder doch zuerst unten nachschauen sollte, fragt die Kleine neugierig, was denn mit meinem Arm sei. Ich erzähle ihr kurz die Geschichte vom Bruch, verkneife es mir aber zu sagen, dass die Sache mit dem gebrochenen Arm ihre Schuld sei, zumal sie mich unzureichend unterrichtet hat. Diesen Scherz hätte sie vermutlich missverstanden. Aber sie hätte sich wirklich mal etwas mehr um mich kümmern können.
Da folgt ihr so ein Typ die Treppenstufen herunter. Er mustert mich wie Gammelgemüse im Kühlschrank und steckt vor meiner Nase seine Zunge in ihren Hals. Der ist wohl ihr Freund, der blöde Dandy, denke ich entmutigt, sonst hätte Sie mir im Urlaub bestimmt mehr Aufmerksamkeit geschenkt.
Als ich die Wohnung im ersten Stock betrete, kommt mir gleich Micha entgegen. Ich kenne ihn zwar kaum, schüttele ihm aber mit dem linken Arm die Hand und klopfe ihm geradezu so, wie einem alten Schulfreund, den ich nach langer Zeit zufällig auf einer Party wiedergetroffen habe, feierlich auf die Schulter. Ich schildere ihm kurz was zu dem Gipsarm geführt hat. Micha fühlt - er ist ja Pädagoge und die zeigen, wie ich finde, immer große Anteilnahme - aufrichtig mit und bedauert meinen Unfall aus vollem Herzen. Er stellt mich seinem Kumpel vor, der mir, wie ich glaube, gleichfalls aufrichtiges Mitgefühl entgegenbringt, da ich ja nicht mehr onanieren kann. Das Mitgefühl von Leuten zu ernten, die ich nicht kenne, bin ich derweil durch den Gips gewohnt. Micha lässt uns stehen und begrüßt zwei neue Gäste, die grade die Küche betreten.
Der Bruch ist jedes Mal ein Aufhänger für einen Smalltalk, wie ich ihn jetzt mit Michas Kumpel halte. Ich kann so einen Gipsarm nur Jedem empfehlen, der unter Kontaktschwierigkeiten mit anderen Menschen leidet.
Von dem Treiben der Leute abgelenkt, werfe ich ein paar flüchtige Blicke in die anderen Zimmer, während mir Michas Kumpel dicht auf den Fersen hinterherdackelt und Ausschnitte aus seinem uninteressanten Berufsleben erzählt. Die Leute unterhalten sich angeregt. Manche sitzen gelangweilt daneben, andere verfolgen das Gespräch mit Interesse und alle nuckeln sie an ihrem Bier. Wie schön, das wird mal wieder so eine - Wir sitzen zusammen friedlich im Kreis - stecken uns Räucherstäbchen in die Nase und führen intellektuelle Gespräche - Party, denke ich höhnisch und drehe mich lustlos zum Gabentisch in der Küche, auf dem sich allerhand Selbstmitgebrachtes der Gäste staut. Ich nicke Michas Kumpel in relativ regelmäßigen Zeitintervallen zustimmend zu und reiße etwas vom Fladenbrot ab, das ich zu einer Dönertasche umfunktioniere, die ich bis zum Rand mit gemischtem Salat vollstopfe. Michas Kumpel arbeitet in der Elektrobranche. In einem Stück erzählt er von seinen beruflichen Heldentaten, seinen Einkünften und Aufstiegsmöglichkeiten, die mich von Minute zu Minute immer weniger interessieren. Interesse vortäuschend, stelle ich ihm ab und an überflüssige Fragen, auf die er bedauerlicherweise ausführlich eingeht, wobei er, während ich an meinem vegetarischen Döner kaue, ganz ernst und sachlich bleibt. Der Typ langweilt mich einfach zu Tode, und geht mir nur noch auf die Nerven! Wie kann er bloß einen sitzen haben und mich durchgehend mit Fachchinesisch und all dem anderen Mist vollquatschen? Das geht doch nicht, empöre ich mich innerlich. Mit dem stimmt doch was nicht. Wir sind hier auf einer Party! Da wollen die Leute Spaß haben und sich nicht über langweiliges Zeug unterhalten. Die Wahrscheinlichkeit, dass er ein lustiges Gesicht zieht oder einen Witz reißt, ist bei ihm so hoch wie… Ach, was soll`s. Anstatt mich über ihn aufzuregen, sollte ich mir besser einfallen lassen, wie ich den Langweiler loswerde, ohne dabei unhöflich zu werden. Er ist ja ein Freund von Micha und der soll mich auch weiterhin mögen.
Da kommt mir die Idee.
Ich gebe mich einfach als Hobbykünstler aus und erzähle ihm von meinem Plan, eine Vernissage zu organisieren, auf der ich ausschließlich großflächige schwarz-weiß Fotografien von menschlicher Scheiße aushänge.
„Hey, bevor du weitererzählst und ich es vergesse, lade ich dich hiermit herzlich zu meiner Fäkal-Vernissage ein. Hast du übernächste Woche Donnerstag schon was vor?“
„Hä?“
„Ach ja, das hab ich dir ja noch gar nicht erzählt“, geht mir auf. „Ich bin freischaffender Hobbykünstler und fotografiere die Exkremente anderer Leute.“
„Wie bitte?“
„Du hast mich schon richtig verstanden. Ich fotografiere Scheiße, Kot, Mist, Dünger. Wie auch immer du es nennen magst. Auf meiner Ausstellung werden die Findlinge in ihren unterschiedlichsten Formen und Konsistenzen präsentiert. Nur so vermitteln sie dem Betrachter in ihrer Gesamtheit eine Geschichte und ein ganzheitliches Bild.“
„Vielleicht solltest du Kunst studieren“, schlägt mir Michas Freund trocken vor.
„Nein, eher nicht. Kunst ist in der Regel ein brotloses Gewerbe, bei dem der Künstler neben herausragendem Talent sehr viel Glück haben muss. Nein, das hier mit dem Fotografieren ist nur so als Hobby gedacht.“
„Und wessen Scheiße fotografierst du so?“
„Na, Scheiße von ganz normalen Leuten. Ich begegne ihnen auf Toiletten von Bars und Kneipen. Sobald ich ihnen von meiner Vernissage erzähle, sind sie bis auf ein paar Ausnahmen meistens bereit zu kooperieren. Ich warte bis sie sich ausgeschissen haben, dann mache ich das Foto und betätige für sie die Spülung. So einfach geht das.“
„Hört sich interessant an, was du da machst.“
„Ja, das ist es auch. Soll ich deinen Stuhlgang auch mal fotografieren?“
„Ich weiß nicht so recht. Habe so was noch nie gemacht“, gibt Micha zu bedenken.
„Na, dann wird’s mal höchste Zeit. Ich mache dir einen Vorschlag: Ruf´ mich an, falls du Lust auf ein paar Shootings hast. Gute Bilder werden definitiv aufgehängt. Hier ist meine Karte. Vielleicht ist übernächste Woche Donnerstag auch deine Scheiße dabei“, sage ich und halte ihm im gleichen Atemzug mit einem Augenzwinkern meine Visitenkarte vor die Nase. Micha macht ein nachdenliches Gesicht und reibt sich das Kinn.
Vielleicht sollte ich noch einen draufsetzen und ihm vorgaukeln, dass ich mir neben dem Studium meinen Lebensunterhalt als Pornodarsteller finanziere:
„Ach ja, Micha. Wo du gerade von Verdienstmöglichkeiten in deinem Berufszweig gesprochen hast: Als Pornodarsteller kann man auch gut verdienen, wenn man sich, wie du in deiner Branche, in eine Richtung spezialisiert hat. Ich sag`s dir, heutzutage ist Spezialisierung das A und O!“
„Wie meinst du das?“
„Ich habe mich auch spezialisiert. In meiner Branche bin ich mittlerweile als „Fistfucker“ bekannt.“
„Hä?“
„Gleich bei den ersten Drehs nach dem Unfall haben wir die üblichen Dildos, Vibratoren und sonstige Gegenstände der Stimmulanz einfach weggelassen. Jetzt arbeite ich nur noch mit dem Arm, und das mit Erfolg“, antworte ich gelassen und klopfe mit der gesunden Hand auf die Gipsschale, aus der ein hohles Geräusch dringt.
Schlagartig fällt Michas Kumpel das Lächeln aus dem Gesicht, und sein Kiefer klappt herunter. Ehe sein Mund wieder zugeht, entschuldige ich mich höflich bei ihm unter dem Vorwand, die Toilette aufsuchen zu müssen und stehle mich in den Keller, von wo ich anfangs die Musik gehört habe. Micha’s Partykeller ist mit einer satten Discoanlage und bunten Lichtern an der Decke ausgestattet. Die Mucke dröhnt aus den Lautsprechern und die Leute tanzen mit fliehenden Schweißperlen im Gesicht, als gäbe es in dieser Stadt sonst keine Diskos.
Ich greife nach einer der frischen Biere aus einer der unzähligen Bierkisten, die in allen Kellerecken zu mehreren Türmen aufgestapelt stehen und wechsele ein paar belanglose Gesprächsfetzen mit Arne, den ich meistens betrunken auf Parties treffe. Er ist erst vor kurzem aus Südafrika wiedergekommen und lässt momentan die Sau raus, bevor es, so sagt er, mit seiner Diplomarbeit ernst wird. Er gibt sich als Beach Boy und hat damit spürbaren Erfolg. Es scharen sich am heutigen Abend um ihn gleich zwei Damen von denen er, behauptet er zuversichtlich, nur eine, aber er wisse noch nicht welche, mit nach Hause nehme. Seine Sorgen hätte ich jetzt auch gerne, denke ich verbittert und kratze mich verzweifelt am Genital.
Ehe ich mich versehe, hat sich der relativ kleine Keller gänzlich mit Leuten gefüllt. Die Feier ist jetzt im vollen Gange. Ich bemühe mich, mit meinem Partygipsarm, so gut es geht zu tanzen, aber die Kunsthoffkralle fliegt im Gedränge der pogenden Meute hin und her und ich unfreiwillig mit. Etwas ungelenk führe ich die Hartschale an den wild zappelnden Leuten vorbei und rette mich nur mit großer Mühe in eine ruhigere Ecke. Bereits ein leichter Stoß gegen die Finger meiner Gipskralle würde höllisch wehtun.
Da trifft mich doch der Schlag. Da ist er ja wieder, der nervige Kumpel von Micha, steht da mitten auf der Tanzfläche, prostet in meine Richtung und schickt sich an, mich kumpelhaft zu begrüßen. Glücklicherweise taucht auch schon Micha aus dem Partydunst hervor, schiebt sich zwischen mich und seinen Kumpel und klopft mir auf die Schulter.
"Hey Micha, was geht ab?" frage ich erleichtert.
"Mensch, dass mit dem Pornoding, musst du ja selbst wissen, aber die Fotoausstellung mit der Scheiße finde ich doch recht interessant", begeistert sich Micha und steckt mir postwendend seine Telefonummer zu.
Schlagartig läuft in meinem Kopf das Zeitraffer eines kläglich scheiterenden Versuchs, diese Austellung in gerade mal zwei Wochen realisieren zu müssen.
"Oh shit", denke ich nur. "Es gibt Tage, die möchte man lieber meiden. Wäre ich doch heute bloß nicht aus dem Bett gestiegen."
 

djpizza

Mitglied
Eine echte Nervensäge


... Ich trete fester in die Pedalen. Sascha müsste auch so langsam auf der Party eingetroffen sein. Es ist mal wieder Wochenende. Ich stelle mein Fahrrad in die Einfahrt und schließe es ein wenig unbeholfen ab. Dieser dämliche Gipsarm stört mich dabei jedes Mal. Schließlich muss ich immer alles mit einer Hand machen. An Abwaschen und Bieröffnen ist da nicht zu denken. Selbst onanieren kann ich nicht mehr.
Die Tür ist offen. Auf der Treppe nach oben kommt mir auf einmal die kleine Snowboardlehrerin aus dem Skiurlaub entgegen.
„Hey, du hier?“, fragt sie überrascht.
„Ja, Micha hat mich eingeladen“, sage ich unsicher.
Micha wohnt zwar hier, er hat mich aber nicht eingeladen. Das ist auch nicht so wichtig. Hauptsache Party. Irgendjemanden werde ich hier schon kennen.
Im Treppenhaus höre ich Musik, die aus dem Keller zu kommen scheint. Aha, die Party verteilt sich also auf zwei Stockwerke. Ehe ich mich dafür entscheide, ob ich oben oder doch zuerst unten nachschauen sollte, fragt die Kleine neugierig, was denn mit meinem Arm sei. Ich erzähle ihr kurz die Geschichte vom Bruch, verkneife es mir aber zu sagen, dass die Sache mit dem gebrochenen Arm ihre Schuld sei, zumal sie mich unzureichend unterrichtet hat. Diesen Scherz hätte sie vermutlich missverstanden. Aber sie hätte sich wirklich mal etwas mehr um mich kümmern können.
Da folgt ihr so ein Typ die Treppenstufen herunter. Er mustert mich wie Gammelgemüse im Kühlschrank und steckt vor meiner Nase seine Zunge in ihren Hals. Der ist wohl ihr Freund, der blöde Dandy, denke ich entmutigt, sonst hätte Sie mir im Urlaub bestimmt mehr Aufmerksamkeit geschenkt.
Als ich die Wohnung im ersten Stock betrete, kommt mir gleich Micha entgegen. Ich kenne ihn zwar kaum, schüttele ihm aber mit dem linken Arm die Hand und klopfe ihm geradezu so, wie einem alten Schulfreund, den ich nach langer Zeit zufällig auf einer Party wiedergetroffen habe, feierlich auf die Schulter. Ich schildere ihm kurz was zu dem Gipsarm geführt hat. Micha fühlt - er ist ja Pädagoge und die zeigen, wie ich finde, immer große Anteilnahme - aufrichtig mit und bedauert meinen Unfall aus vollem Herzen. Er stellt mich seinem Kumpel vor, der mir, wie ich glaube, gleichfalls aufrichtiges Mitgefühl entgegenbringt, da ich ja nicht mehr onanieren kann. Das Mitgefühl von Leuten zu ernten, die ich nicht kenne, bin ich derweil durch den Gips gewohnt. Micha lässt uns stehen und begrüßt zwei neue Gäste, die grade die Küche betreten.
Der Bruch ist jedes Mal ein Aufhänger für einen Smalltalk, wie ich ihn jetzt mit Michas Kumpel halte. Ich kann so einen Gipsarm nur Jedem empfehlen, der unter Kontaktschwierigkeiten mit anderen Menschen leidet.
Von dem Treiben der Leute abgelenkt, werfe ich ein paar flüchtige Blicke in die anderen Zimmer, während mir Michas Kumpel dicht auf den Fersen hinterherdackelt und Ausschnitte aus seinem uninteressanten Berufsleben erzählt. Die Leute unterhalten sich angeregt. Manche sitzen gelangweilt daneben, andere verfolgen das Gespräch mit Interesse und alle nuckeln sie an ihrem Bier. Wie schön, das wird mal wieder so eine - Wir sitzen zusammen friedlich im Kreis - stecken uns Räucherstäbchen in die Nase und führen intellektuelle Gespräche - Party, denke ich höhnisch und drehe mich lustlos zum Gabentisch in der Küche, auf dem sich allerhand Selbstmitgebrachtes der Gäste staut. Ich nicke Michas Kumpel in relativ regelmäßigen Zeitintervallen zustimmend zu und reiße etwas vom Fladenbrot ab, das ich zu einer Dönertasche umfunktioniere, die ich bis zum Rand mit gemischtem Salat vollstopfe. Michas Kumpel arbeitet in der Elektrobranche. In einem Stück erzählt er von seinen beruflichen Heldentaten, seinen Einkünften und Aufstiegsmöglichkeiten, die mich von Minute zu Minute immer weniger interessieren. Interesse vorheuchelnd, stelle ich ihm ab und an überflüssige Fragen, auf die er bedauerlicherweise ausführlich eingeht, wobei er, während ich an meinem vegetarischen Döner kaue, ganz ernst und sachlich bleibt. Der Typ langweilt mich einfach zu Tode, und geht mir nur noch auf die Nerven! Wie kann er bloß einen sitzen haben und mich durchgehend mit Fachchinesisch und all dem anderen Mist vollquatschen? Das geht doch nicht, empöre ich mich innerlich. Mit dem stimmt doch was nicht. Wir sind hier auf einer Party! Da wollen die Leute Spaß haben und sich nicht über langweiliges Zeug unterhalten. Die Wahrscheinlichkeit, dass er ein lustiges Gesicht zieht oder einen Witz reißt, ist bei ihm so hoch wie… Ach, was soll`s. Anstatt mich über ihn aufzuregen, sollte ich mir besser einfallen lassen, wie ich den Langweiler loswerde, ohne dabei unhöflich zu werden. Er ist ja ein Freund von Micha und der soll mich auch weiterhin mögen.
Da kommt mir die Idee.
Ich gebe mich einfach als Hobbykünstler aus und erzähle ihm von meinem Plan, eine Vernissage zu organisieren, auf der ich ausschließlich großflächige schwarz-weiß Fotografien von menschlicher Scheiße aushänge.
„Hey, bevor du weitererzählst und ich es vergesse, lade ich dich hiermit herzlich zu meiner Fäkal-Vernissage ein. Hast du übernächste Woche Donnerstag schon was vor?“
„Hä?“
„Ach ja, das hab ich dir ja noch gar nicht erzählt“, geht mir auf. „Ich bin freischaffender Hobbykünstler und fotografiere die Exkremente anderer Leute.“
„Wie bitte?“
„Du hast mich schon richtig verstanden. Ich fotografiere Scheiße, Kot, Mist, Dünger. Wie auch immer du es nennen magst. Auf meiner Ausstellung werden die Findlinge in ihren unterschiedlichsten Formen und Konsistenzen präsentiert. Nur so vermitteln sie dem Betrachter in ihrer Gesamtheit eine Geschichte und ein ganzheitliches Bild.“
„Vielleicht solltest du Kunst studieren“, schlägt mir Michas Freund trocken vor.
„Nein, eher nicht. Kunst ist in der Regel ein brotloses Gewerbe, bei dem der Künstler neben herausragendem Talent sehr viel Glück haben muss. Nein, das hier mit dem Fotografieren ist nur so als Hobby gedacht.“
„Und wessen Scheiße fotografierst du so?“
„Na, Scheiße von ganz normalen Leuten. Ich begegne ihnen auf Toiletten von Bars und Kneipen. Sobald ich ihnen von meiner Vernissage erzähle, sind sie bis auf ein paar Ausnahmen meistens bereit zu kooperieren. Ich warte bis sie sich ausgeschissen haben, dann mache ich das Foto und betätige für sie die Spülung. So einfach geht das.“
„Hört sich interessant an, was du da machst.“
„Ja, das ist es auch. Soll ich deinen Stuhlgang auch mal fotografieren?“
„Ich weiß nicht so recht. Habe so was noch nie gemacht“, gibt Micha zu bedenken.
„Na, dann wird’s mal höchste Zeit. Ich mache dir einen Vorschlag: Ruf´ mich an, falls du Lust auf ein paar Shootings hast. Gute Bilder werden definitiv aufgehängt. Hier ist meine Karte. Vielleicht ist übernächste Woche Donnerstag auch deine Scheiße dabei“, sage ich und halte ihm im gleichen Atemzug mit einem Augenzwinkern meine Visitenkarte vor die Nase. Micha macht ein nachdenliches Gesicht und reibt sich das Kinn.
Ja, das ist wirklich gut. Nicht schlecht, die Idee. Aber was mache ich, wenn er meine Arbeit wertschätzt und auf mein Angebot eingeht? Dann werde ich ihn wohl nie mehr los.
Vielleicht sollte ich noch einen draufsetzen und ihm vorgaukeln, dass ich mir neben dem Studium meinen Lebensunterhalt als Pornodarsteller finanziere:
„Ach ja, Micha. Wo du gerade von Verdienstmöglichkeiten in deinem Berufszweig gesprochen hast: Als Pornodarsteller kann man auch gut verdienen, wenn man sich, wie du in deiner Branche, in eine Richtung spezialisiert hat. Ich sag`s dir, heutzutage ist Spezialisierung das A und O!“
„Wie meinst du das?“
„Ich habe mich auch spezialisiert. In meiner Branche bin ich mittlerweile als „Fistfucker“ bekannt.“
„Hä?“
„Gleich bei den ersten Drehs nach dem Unfall haben wir die üblichen Dildos, Vibratoren und sonstige Gegenstände der Stimulans einfach weggelassen. Jetzt arbeite ich nur noch mit dem Arm, und das mit Erfolg“, antworte ich gelassen und klopfe mit der gesunden Hand auf die Gipsschale, aus der ein hohles Geräusch dringt.
Schlagartig fällt Michas Kumpel das Lächeln aus dem Gesicht, und sein Kiefer klappt herunter. Ehe sein Mund wieder zugeht, entschuldige ich mich höflich bei ihm unter dem Vorwand, die Toilette aufsuchen zu müssen und stehle mich in den Keller, von wo ich anfangs die Musik gehört habe. Micha’s Partykeller ist mit einer satten Discoanlage und bunten Lichtern an der Decke ausgestattet. Die Mucke dröhnt aus den Lautsprechern und die Leute tanzen mit fliehenden Schweißperlen im Gesicht, als gäbe es in dieser Stadt sonst keine Diskos.
Ich greife nach einer der frischen Biere aus einer der unzähligen Bierkisten, die in allen Kellerecken zu mehreren Türmen aufgestapelt stehen und wechsele ein paar belanglose Gesprächsfetzen mit Arne, den ich meistens betrunken auf Parties treffe. Er ist erst vor kurzem aus Südafrika wiedergekommen und lässt momentan die Sau raus, bevor es, so sagt er, mit seiner Diplomarbeit ernst wird. Er gibt sich als Beach Boy und hat damit spürbaren Erfolg. Es scharen sich am heutigen Abend um ihn gleich zwei Damen von denen er, behauptet er zuversichtlich, nur eine, aber er wisse noch nicht welche, mit nach Hause nehme. Seine Sorgen hätte ich jetzt auch gerne, denke ich verbittert und kratze mich verzweifelt am Genital.
Ehe ich mich versehe, hat sich der relativ kleine Keller gänzlich mit Leuten gefüllt. Die Feier ist jetzt im vollen Gange. Ich bemühe mich, mit meinem Partygipsarm, so gut es geht zu tanzen, aber die Kunsthoffkralle fliegt im Gedränge der pogenden Meute hin und her und ich unfreiwillig mit. Etwas ungelenk führe ich die Hartschale an den wild zappelnden Leuten vorbei und rette mich nur mit großer Mühe in eine ruhigere Ecke. Bereits ein leichter Stoß gegen die Finger meiner Gipskralle würde höllisch wehtun.
Da trifft mich doch der Schlag. Da ist er ja wieder, der nervige Kumpel von Micha, steht da mitten auf der Tanzfläche, prostet in meine Richtung und schickt sich an, mich kumpelhaft zu begrüßen.
"Hey, was geht ab?" frage ich ihn entnervt.
"Mensch, ich habe nachgedacht. Dass mit dem Pornoding, musst du ja selbst wissen, aber die Fotoausstellung mit der Scheiße hört sich gar nicht so schlecht an", begeistert sich der Freund von Micha und steckt mir postwendend seine Telefonnummer zu.
"Oh shit", denke ich nur. "Es gibt Tage, die möchte man lieber meiden. Wäre ich heute doch bloß nicht aus dem Bett gestiegen. Jetzt komme ich um diese blöde Fäkalvernissage kaum mehr drum rum."
 



 
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