Eine schwere Entscheidung

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Raniero

Textablader
Eine schwere Entscheidung

Edgar Abendroth erhob sich aus dem Sessel und stapfte mit schweißnasser Stirn und feuchten Händen in die Küche, um sich ein Bier zu holen. Vor dem Kühlschrank entschied er spontan, sich nicht mit einer sondern gleich drei Flaschen des gekühlten Gerstensaftes zu versorgen, um nicht so oft laufen zu müssen.

Fiebernd vor Anspannung hatte er vor dem Fernseher gehockt, bis der erlösende resp. einen letzten Aufschub erzielende Abpfiff kam.
Unentschieden stand es, nach Ende der regulären Spielzeit sowie nach zweimaliger Verlängerung, in einem Halbfinale der Fußballweltmeisterschaft, und das bedeutete nach den international geltenden Regeln: Entscheidung durch Elfmeterschießen.
Wenn sie dieses für sich entscheiden konnte, seine Nationalelf, dann stand sie im Finale.
Streckenweise hatte es jedoch gar nicht gut ausgesehen, für seine Mannschaft, und das Schlimmste musste schon befürchtet werden; das Ausscheiden des Gastgebers der Weltmeisterschaft im eigenen Lande, welch eine Schmach.
Doch Edgar hatte nicht aufgegeben, zu hoffen, hatte sie angefeuert, seine Jungs, wie viele Abertausende Fans mit ihm, mit ihnen gebangt und gezittert, und es hatte gereicht, vorerst zumindest.
Natürlich hatte er es sich nicht nehmen lassen, mit einzelnen Spielern zu hadern, die Mannschaftsaufstellung zu rügen und vor allem denjenigen, der dafür verantwortlich war, den Trainer, harsch zu kritisieren, das war schließlich sein gutes Recht.
Er, Edgar Abendroth, hätte, und darin war er sich mit all seinen Kollegen Ersatzbundestrainern vor den Fernsehschirmen und im Stadion einig, die Mannschaft nicht so aufgestellt, so nie und nimmer.
Doch was soll’s, dachte er achselzuckend, das Schlimmste ist geschafft, nun müssen sie halt nur noch das Elfmeterschießen hinter sich bringen.


Als er gerade mit den drei Bierflaschen im Arm die Küche verließ, um zu seinem Sitzplatz in der ersten Reihe zurückzukehren, klingelte das Telefon.
Edgar erblasste.
Wer wagte es, um diese Zeit bei einem dermaßen wichtigen Spiel anzurufen, unmittelbar vor der entscheidenden Phase, dem nerven zerfetzenden Elfmeterschießen?
Eine Frau, schoss es ihm durch den Kopf, das kann nur eine Frau sein!
In Edgars Leben spielten zwei Frauen eine tragende um nicht zu sagen tragische Rolle; eine davon, Isolde, seine bessere Hälfte, stand ihm sehr nahe, doch die andere, die Mutter derselben, eine rüstige Witwe mit gesundem Instinkt, sich permanent in die Angelegenheiten anderer einzumischen, hätte er am liebsten auf den Mond geschossen.
Nach seinem Kenntnisstand verbrachten diese Frauen den heutigen Abend zusammen, denn beide hatten mit Fußball nichts am Hut, und so hatte sich Isolde schon am Nachmittag auf den Weg gemacht, zu ihrer Mutter, die in der gleichen Stadt lebte, um mit dieser einen fußballfreien Abend zu verbringen, damit ihr Edgar seine Ruhe hatte.
Sollte der Anruf dennoch von ihr sein, seiner Frau?
Das konnte er sich nicht vorstellen.
Sie wusste um seine Fußballbegeisterung und es würde ihr im Traum nicht einfallen, ihn jetzt zu stören.
Edgar besaß keines dieser modernen Telefongeräte, auf dem man die Nummer des Anrufers identifizieren konnte, und leider auch keinen Anrufbeantworter, um gegebenenfalls herauszuhören, wer dieser Anrufer war.
Er stellte die Bierflaschen auf den Tisch und goss sich ein Glas ein.
Das Telefon klingelte immer noch.
Auf dem Bildschirm trafen die Spieler der beiden Mannschaften Anstalten, sich zum bevorstehenden Elfmeterduell zu rüsten.
Das Telefon verstummte.
‚Gott sei Dank’, dachte Edgar erleichtert und nahm einen tiefen Schluck.

Auf dem Rasen hätte eigentlich das Toreschießen beginnen müssen, doch offenkundig herrschte Uneinigkeit darüber, wer den ersten Strafstoß treten sollte.
Das Telefon klingelte erneut; irgendwie eindringlicher, hatte Edgar das Gefühl.
„Verdammt noch mal!“ entfuhr es ihm, „das kann doch wohl nicht wahr sein!“
Und wenn etwas Schlimmes passiert war?
Seiner Schwiegermutter, der alten Hexe, etwas zugestoßen?
Zuzutrauen wäre es ihr, dass sie ihm mit einem Herzanfall die wichtigsten Minuten des Spiels vermasseln würde.
Doch wenn Isolde etwas zugestoßen wäre, seinem geliebten Weib, und ihre Mutter, die arme Frau, verzweifelt versuchte, ihn zu erreichen?
Auf dem Rasen war man sich, soweit Edgar sehen konnte, immer noch uneins über den ersten Torschützen.
Schweren Herzens entschied er sich, den Hörer aufzunehmen und erblasste zum zweiten Mal.


Am anderen Ende der Leitung waren weder seine Frau noch seine Schwiegermutter, noch sonst eine Frau, sondern ein Mann.
Kein Geringerer als der Bundestrainer der Fußballnationalmannschaft persönlich, wollte ihn sprechen und jetzt sah Edgar ihn auch auf dem Bildschirm, mit seinem Handy, in die Kamera winkend.
„Hallo, Herr Abendroth, können Sie mir helfen? Ich weiß nicht, wie ich mich entscheiden soll. Wer von meinen Spielern soll zuerst schießen, Ihrer Meinung nach?“

Wütend legte Edgar den Hörer nieder; diese Entscheidung sollte er schon selber treffen, der Mann; er hatte ihn, Edgar Abendroth, ja sonst auch nie in seine Planungen einbezogen.
 
N

nobody

Gast
Kürzen - kürzen - kürzen - aber den Schluss finde ich nicht schlecht.
Gruß Franz
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Recht hat der nobody. Und wenn dasd Kürzen erst erfolgreich abgeschlossen ist, könnte es eine klassische Kurzgeschichte werden. Ich schieb da schon mal hinüber.

GRuß Ralph
 

Rumpelsstilzchen

Foren-Redakteur
Teammitglied
Und wenn Du einmal beim Kürzen bist, kürze doch auch gleich die Schachteln und die darin eingepackten Kommafehler raus. Über den Rest reden wir dann später...


Ball gefangen und aus dem Tor gegangen
 

Raniero

Textablader
Hallo miteinander,

vielen Dank für Eure Anregungen. Werde ich mir zu Herzen nehmen und mich dran setzen, an's Kürzen.

Wenn es mir gelingt, schicke ich dem Jogi Löw 'ne Kopie. :)

Gruß Raniero
 



 
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