Einer bleibt als Pfand.

pleistoneun

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Das Geplätscher im Badezimmer ließ ihn seine Zeitung auf seine Beine senken und aufhorchen. Duschte seine Frau heute lauter als sonst? Verwundert wollte er den Faden seines Gesprächsstoffes wieder aufnehmen, als die Badezimmertür aufsprang und seine schreiende Frau fluchtartig vor einer Wasserfontäne aus der Wand das Weite suchte. Ein Blick des Kenners genügte, um die Situation abzuschätzen: klassischer Wasserrohrbruch! Im Geiste ging der Mann die Schritte durch, wie man wieder Herr der Wassers werden würde - Zeitung beiseite, Pantoffeln, Keller runter, Hauptwasserhahn, bewegt sich nicht, wieder rauf, Werkzeug, runter, Hauptwasserhahn abdrehen und bemerken, dass das schöne Stoffpantoffelpaar wasserdurchtränkt ist und mit dem Nachlassen des Wasserdrucks aus der Leitung ein lästiges Doppelphänomen beseitigt worden ist: der aufgekeimte Wortschwall der Frau und das Geplätscher im Bad hatten beide etwas Wasserfallartiges. Herr des wildgewordenen Wassers verfolgte nun der Mann neugierig den Verlauf der Rohre, um das Leck zu orten. Doch wusste er weder welches wasserführend war, noch wo es verlief.

"Ein Klempner kommt mir nicht ins Haus", sagte der Mann trotz selbsterkannten Unvermögens energisch zu seiner Frau, "Das mach ich selbst. Kleinigkeit. Kinderspiel." Jeder vernunftsbegabte Mensch hätte hier seine handwerkliche Niederlage eingestanden und zum Telefonhörer gegriffen und in der Tat erklärte sich selbst dieser Antagonist, dieser Gegner und Hasser von Handwerkervereinigungen entgegen seiner Überzeugungen nach Androhung wildester Sanktionen seiner Frau schließlich doch bereit, einen dieser verhassten Klempner, Halsabschneider, Ausbeuter... anzurufen.

Nach etwas mehr als zehn Minuten klingelte es an der Tür. Und da stand er: Hose fein kariert, Latz-T-Shirt, Ärmel freigelegt, Haarschnitt kurz und bündig, Bartbereich vernachlässigt, Werkzeugkoffer rot und überdimensioniert. "Wo klemmt´s denn?", begrüßte der Klemper freundlich und etwas selbstherrlich zugleich. Der Schaden wurde vorgeführt. Misstrauisch verfolgte der Hausherr jeden begutachtenden Blick des Fachmannes und hielt nach Hinweisen Ausschau, die seinen Verdacht bestätigten, dass die gesamte Handwerkerszunft nur aus Betrügern, Blutsaugern und Wucherern besteht, die einem das Geld aus der Tasche ziehen wollten. Sie drehen einem alles überteuert an, arbeiten langsam, schlampig und machen Pause auf fremde Kosten. Nach wenigen Augenblicken schien die Sache klar zu sein: eine Muffe hatte sich gelöst. Wie bitte? Muffe? Okay, na schön. "Was wird die Sache kosten?", rang sich der Mann zur entscheidenden Frage durch. "Schwer zu sagen", kam es dann auch prompt, "mein Kollege draußen hat die Liste." Kollege? Waren sie zu zweit gekommen? Mussten beide bezahlt werden? Oh, Gott. Dieser schauerliche Gedanke trieb dem Mann den Schweiß auf die Stirn. Der Klemperkollege wurde gerufen. Ein Lehrling. Sehr gut. Billig. Der Meister zeigte nun dem Jungklempner den Schaden. Der Mann witterte neuerlich Gefahr. Warum schaute sich zuerst der Meister die Sache an, um dann dasselbe mit dem Lehrling nochmal zu tun? Dadurch gewannen sie Zeit, oh Schreck. "Die Sache ist klar. Wir müssen die Muffe auswechseln.", wiederholte der Klempner sein Vorhaben. "Doch wir haben ein Problem.....". Na klar. Das musste ja kommen. Gibt es irgendwo auf dieser Welt Reparaturbedarf ohne Probleme? Auch noch so banale Angelegenheiten sind immer verbunden mit 'unvorhersehbaren Ereignissen', 'Bedarf an Zusatzkräften' und 'große technische Umbaunotwendigkeiten'. ".... Die Muffe, die sie verwenden, müssen wir erst aus dem Lager holen". Immer, wenn irgendein Ersatzteil aus irgendeinem weiß Gott wie weit entfernten, geheimen Aufbewahrungsort geholt werden muss, kann man davon ausgehen, dass die Herrschaften es nicht sehr eilig haben, zurück zu kommen. Und wer zahlt ihnen diese Zeit? Genau, unsereins, der zuhause sitzt und den Minuten, die verrinnen, erbärmlich nachweint. Dieser mit Rotz und Wasser verflüssigte Umstand erhält gerade bei einem Schaden, wie wir ihn hier haben, doppelte Dramaturige.

"Einer bleibt als Pfand", rief der Mann im Befehlston, "Einer bleibt als Pfand. Der andere holt die Muffe!" Keine 20 Minuten später war die neue Muffe im Haus. So, jetzt beginnt die eigentlich Arbeit, die durch unprofessionelles Handhaben der Werkzeuge schnell in die Länge gezögert werden kann. Aber dem aufmerksamen Blick des Hausherrn würde das nicht entgehen. Im Handumdrehen war die neue Muffe montiert. War das möglich? So schnell? Der kurze Weg zum Lager, die flinke Arbeit, unglaublich sowas. Da staunte der Mann nicht schlecht. "Ausprobieren! Sie gehen nicht, bevor wir es ausprobiert haben!", sprudelte es hervor. Hauptwasserhahn auf, rauf ins Bad und ..... und tatsächlich: wie es sich gehörte, strömte das Wasser ruhig und gleichmäßig aus dem Wasserhahn. Die ganze Arbeit war in Ordnung, hatte kaum mehr als eine Stunde in Anspruch genommen und die beiden Typen hatten nicht mal eine Flasche Bier gekappt. "Wir schicken Ihnen die Rechnung zu, wenn´s recht ist", Händedruck, weg. Ja, die Rechnung wird´s dann wohl zeigen, jaja.

Nach zwei Wochen kam der Zahlschein. 150 Euro. Er hatte mit 5.000 gerechnet. Unfassbar billig. Aber diese Leute mussten eindeutig eine Ausnahme sein, denn normalerweise sind Handwerker Banditen, Gauner, Beutelschneider, Bauernfänger, Ausbeuter, Profitmacher ...
 

Catrinchen

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Nette satirische Umsetzung des Handwerker- Problems.
:)

... was mir dazu einfällt, ist der Mainzer Kabarettist "der Pianist". Vielleicht kennst du ihn sogar.

Er hat in seinem Programm einen ähnlichen Beitrag. Ich weiß nicht mehr wie genau das Lied heißt, aber es wäre sicher mal interessant für dich seine Umsetzung anzusehen.

Noch viele kreative Ideen wünsche ich.
 



 
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