Einfach nur leben (Teil 2)

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liveforever

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„Hallo !“ Sarah kam diese Stimme irgendwie bekannt vor. Sie saß hinter ihrem Schreibtisch in der Bücherei und tippte etwas am Computer. Diesmal war viel Betrieb und sie hatte eine Menge zu tun.
„Hallo !“ sagte sie und richtete sich auf. Es war der Mann vom letzten Freitag. Nun war es Montag.
„Wollen sie etwa noch ein Buch ausleihen ?“ fragte Sarah.
„Nein, ich bringe das Alte zurück.“ antwortete er.
„Jetzt schon ? Sie haben es doch erst vor drei Tagen ausgeliehen.“
„Ich habe es schon durch. Schließlich mußte ich meine Arbeit heute abliefern.“
„Ach so. Also, sie können es hier hinlegen. Ich räum es später weg.“ sagte Sarah und wollte sich wieder der Tastatur zuwenden.
„Sagen sie, wann haben sie Feierabend ?“ Sarah erschrak. Was sollte das ?
„Warum ?“ fragte sie mißtrauisch.
„Weil ich sie gerne zu einem Kaffee einladen würde. Oder zu was anderem, wenn sie keinen Kaffee trinken.“
„Ich, ich kann nicht. Danke.“ Sarah distanzierte sich.
„Aber warum ?“
„Ich habe schon etwas vor.“
„Dann ein ander mal vielleicht ?!“ Er gab nicht auf.
„Hören sie. Ich habe kein Interesse.“ sagte sie bestimmt. Der Mann sah zu Boden. „Verstehe.“ meinte er geknickt. „Dann gehe ich mal besser. Danke für die Hilfe mit dem Buch.“ Er machte Anstalten sich umzudrehen. Alles wäre ganz anders gekommen, wenn Sarah in diesem Augenblick nicht die Initiative ergriffen hätte.
„Warten sie.“ sagte Sarah leise. Schnell stand er wieder vor ihr.
„Ja ?!“
„Ich habe um sechs Uhr Schluß. Am besten sind sie um halb sieben hier.“
„Ich werde da sein.“ rief er fröhlich.
„Nur einen Kaffee.“ ermahnte Sarah.
Dann drehte er sich endgültig um, verabschiedete sich und verschwand.
Sarah wußte nicht, ob sie es bereuen sollte, oder nicht. Dieser Mann, er war sehr freundlich, sah nicht schlecht aus, war ihr eigentlich gleich sympathisch gewesen, aber trotzdem.
Als sich der Uhrzeiger der sechs näherte, überlegte sie, einfach abzuhauen und die Verabredung platzen zu lassen. Aber sie konnte sich nicht dazu durchringen. Und so stand sie um halb sieben vor der Bücherei und keine Minute später kam er auch schon.
„Hallo !“ rief er.
„Hallo.“ sagte Sarah. „Und wohin wollen sie mich entführen ?“
„Wollen wir nicht vom blöden Sie abkommen. Schließlich sind wir beide doch gar nicht so alt. Ich bin Marco.“
„In Ordnung. Ich finde es eigentlich auch ziemlich blöd, gesiezt zu werden. Ich bin Sarah.“ meinte sie.
„Toll. Dann kennen wir uns ja schon ein Stück näher. Was hältst du vom Eiscafé ?“ Sarah überlegte nur provisorisch. „Gute Idee.“
Sie liefen gemeinsam die Straße entlang.
„Wofür haben, äh, hast du die Arbeit denn geschrieben ?“ fragte Sarah.
„Ich bin Philosophie- und Germanistikstudent. Mein Professor hat sich gedacht, daß ich dafür geeignet wäre.“
„Und wo studierst du ?“
„Hier. An unserer Uni.“ sagte Marco. „Ist zwar nicht die Welt, aber ich hatte einfach keine Lust großartig umzuziehen.“
„Ich gehe noch zur Schule.“ sagte Sarah.
„Hab ich mir gedacht. Machst du das in der Bücherei so als Nebenjob ?“
Sarah nickte. „Ich bin in der 11. Aber ich bin mir noch gar nicht so sicher, ob ich mein Abi machen will.“
„Warum ? Wegen den Noten ?“
„Nein, die sind in Ordnung. Aber ich glaub ich krieg das nicht hin.“
„Und darf man fragen warum du das glaubst ?“
„Nun, ich... wir sind da.“ unterbrach sich Sarah selber. Sie setzten sich an einen kleinen Tisch und bestellten zwei Cappuccino.
„Du hattest nicht zu ende gesprochen.“ erinnerte Marco.
„Ja, ach so. Ich weiß eigentlich selber gar nicht warum ich mein Abi nicht machen will. Ich finde keine Zeit zum lernen.“
„Dann solltest du dir Zeit nehmen. Abi ist echt klasse. Sieh mich an. Student sein ist né tolle Sache. Du lernst viele Leute kennen und du hast ziemlich viel Urlaub. Neben dem Lernen natürlich.“
„Ich werd es mir überlegen. Es ist nur, daß ich zu Hause nicht die Ruhe habe und meine Eltern mich auch nicht sonderlich... ach, ist auch eigentlich egal.“
„Okay, wie du meinst.“ sagte Marco.
Die Kellnerin brachte die zwei Tassen.
„Jetzt trinken wir doch keinen Kaffee.“ bemerkte Marco.
„Dabei wollte ich nur Kaffee trinken gehen.“ Sie lachten.
„Bist du jeden Tag in der Bücherei ?“
„Nein, nur montags, mittwochs und freitags.“
„Ich hab dich noch nie vorher gesehen.“ meinte er.
„Das liegt wohl daran, daß ich erst seit zwei Monaten dabei bin.“
„Ach so, daß kann sein. Ich war schon lange nicht mehr in der Bücherei. Liest du viel ?“ Sarah nickte. „Es ist mein Hobby.“
„Dein Hobby also. Was hast du denn noch so für Hobbys ?“ fragte er.
„Nicht viele. Eigentlich beschränkt sich mein Leben aufs Lesen.“
„Kein Mensch kann von morgens bin abends nur lesen.“ entgegnete Marco.
„Ich esse und trinke auch zwischendurch.“ meinte Sarah lachend. „Und manchmal sehe ich fern. Ab und zu bin ich in der Schule und ich muß oft auf meinen kleinen Bruder aufpassen. Dann helfe ich meiner Mutter viel und...“ sie überlegte. „Das warst wirklich schon. Ach, mit meiner Freundin treffe ich mich auch ab und zu.“
„Ist ja ein echt erfülltes Leben.“ stellte Marco fest.
„Hör auf mich zu verarschen.“ meinte Sarah.
„Mach ich doch gar nicht.“ Dann schwiegen sie eine Weile.
Als Sarah auf die Uhr sah, erschrak sie zutiefst.
„Ich muß gehen.“ meinte sie nur. Marco sah sie fragend an. „Wir haben doch erst halb acht.“
„Ich muß schon längst zu Hause sein.“ Sie stand auf und kramte ihre Geldbörse heraus. „Laß mal, ich hab dich eingeladen.“ sagte er schnell.
„Danke.“ sagte sie leise. „Aber ich muß wirklich gehen.“
„Warte, ich komm mit. Ich kann dich ja nach Hause begleiten.“
„Das ist keine gute Idee. Marco, war schön mit dir zu plaudern. Aber ich muß los. Meine Eltern...Also, bis bald.“
Sie ließ den verdutzten Marco am Tisch zurück und lief aus dem Café .
Wenige Sekunden später hörte sie Schritte hinter sich.
„Hey, warte doch mal.“ rief Marco. Als er neben ihr ankam, war er völlig außer Atem.
„Werde...ich dich denn...mal wiedersehen ?“
Sarah blieb kurz stehen und sah ihn an. Dann schüttelte sie den Kopf. Wenn Jochen das herausbekommen würde, dachte sie und bekam im selben Moment eine Gänsehaut und der Angstschweiß trat ihr aus allen Poren.
„Warum ?“ rief Marco verständnislos.
Sie ging weiter. Diesmal mit größeren Schritten.
„Ich kann nicht.“ meinte sie.
„Aber wir haben uns doch grade erst kennengelernt. Ich finde, du solltest mir eine Chance geben.“
Sarah blieb erneut stehen.
„In Ordnung. Du kannst mich ja am Mittwoch nach meiner Schicht vor der Bücherei abholen. Aber ich kann nicht lange.“
„Toll ! Ich werde da sein. Versprochen.“
„Gut. Also, bis dann.“
„Ja, bis dann.“ flüsterte er. Sie lief hastig weiter. Nach vielen Schritten drehte sie sich um. Er war ihr nicht gefolgt. Wenn Jochen sie mit einem Jungen sehen würde... nicht auszudenken, was er mit ihr anstellen würde. Es war schon schlimm genug, daß sie heute zu spät war. Hoffentlich würde er sie in Ruhe lassen. Sie betete im Stillen darum.

Liebes Tagebuch,
endlich sind meine Gebete erhört worden. Er hat mich zwei Tage lang nicht angefaßt. Mehr noch, er macht auch keine Anspielungen mehr. Kein Klaps mehr auf den Po, keine Hände auf den Schenkeln. Ich bin so froh.
Und dann dieser Marco. Wer ist er ? Ich habe keine Ahnung, aber er macht mich für einen Augenblick glücklich. Habe ihn erst dreimal gesehen, aber er läßt mich die ganze Scheiße vergessen. Den ganzen Kummer und meine Sorgen. Wenn ich mit ihm rede, spüre ich nicht mehr Jochens Hände auf meinem Körper. Nein, mein Körper ist dann so rein, wie ein unbenutztes Blatt Papier.
Deine Sarah

Sarah stand zusammen mit Chrissi auf dem Schulhof. Sie hatten in der nächsten Stunde Mathe und Chrissi schrieb die Hausaufgaben von Sarah ab. Immer wenn ein Lehrer vorbeikam, taten sie so, als würden sie sich unterhalten. Chrissi hatte sich bei Sarah entschuldigt, im gleichen Moment wie Sarah es tun wollte. Danach waren sie sich lachend um den Hals gefallen. „So, fertig.“ triumphierte Chrissi und klappte ihr Heft zu. Sie reichte Sarah ihres. „Hast du heute Nachmittag Zeit für mich ?“ fragte Chrissi. Sarah lächelte. „Auf jeden Fall.“
„Dann würde ich sagen, daß wir ins Schwimmbad gehen. Es ist so schönes Wetter. Ich habe keine Lust zu Hause zu verdorren.“
„Super !“ rief Sarah begeistert. „Schwimmen ist né klasse Idee. Wann sollen wir uns treffen ?“
„Um vier Uhr an der Bushaltestelle.“ schlug Chrissi vor. Kurz darauf schellte es und sie ertrugen den Rest des Schultags.
Als Sarah am Nachmittag nach Hause kam, schien niemand zu Hause zu sein. Sie nahm sich einen Joghurt aus dem Kühlschrank und setzte sich vor den Fernseher. Doch dann vernahm sie ein Geräusch aus dem Badezimmer. Sarah nahm ihren Joghurt und lief zum Bad. Sie rechnete damit, daß es Tim sei, der wieder Unsinn machte und die Wanne voll laufen ließ, wie vor ein paar Monaten. Deshalb öffnete sie die Türe mit einem Ruck und erschrak zutiefst. In der Badewanne saß nicht Tim und auch nicht ihre Mutter. Es war Jochen, der splitternackt in der Badewanne lag und sie angrinste.
„Entschuldigung.“ stammelte sie. „Ich... ich dachte...“ Sie wollte sich umdrehen, doch er rief sie zurück. Wie erstarrt blieb sie stehen. Nicht hier, nicht heute, nicht grade heute, dachte sie verzweifelt.
„Komm mal her mein Zuckermäuschen.“ trällerte Jochen und plätscherte mit den Händen im Wasser.
Sarah drehte sich langsam um. Auf dem Wasser war kein Schaum und sie konnte ihn in seiner vollen Nacktheit sehen. Sie schrak zurück.
„Bitte, laß mich in Frieden.“ flüsterte sie.
„Ich laß dich doch in Frieden. Tu doch nicht so, als ob du es nicht wolltest.“
Sarahs Hände fingen an zu zittern. Was würde er verlangen ?
„Komm zu mir. Hier in die Wanne. Zieh dich aus und komm zu mir in die Wanne. Sie ist groß genug für zwei Personen, Zuckermäuschen.“
Sarah rührte sich nicht.
„Zieh dich aus, hab ich gesagt.“ Jochen wurde zornig. Hastig streifte sich Sarah das T-Shirt über den Kopf. „Weiter Zuckermäuschen.“
Ihre Hände zitterten jetzt so stark, daß sie sie kaum noch unter Kontrolle hatte. „Mach gefälligst etwas schneller. Oder soll ich dir helfen ?“
Sarah erschrak und versuchte sich zu beeilen. Doch es ging einfach nicht schneller. Sie nahm war, daß Jochen aus der Badewanne stieg und auf sie zukam. Dann ging alles ganz schnell. Er riß ihr die Kleider vom Leib und schlug sie heftig ins Gesicht. Sarah wimmerte und hielt sich die Wange.
„Mach schon, die Jeans.“ schrie Jochen. Sarah fingerte an den Knöpfen ihrer Jeans herum, doch sie waren so schwer aufzubekommen. Jochen versetzte ihr einen Stoß in den Magen und brüllte sie an.
Als sie endlich die Jeans aushatte, zerriß er ihren Slip, schürfte dabei ihre Haut auf und zog sie in die Badewanne. Das Wasser war mittlerweile kalt geworden und Sarahs Zähne klapperten immer wieder aufeinander.
Sie sah sich die Kacheln an der Decke an, während er auf ihr lag und stöhnte. Sie zählte 57 hellblaue Kacheln.

„Verdammt Sarah, wo warst du den gestern ?“ Chrissi war stinksauer. Es war Pause und die Beiden saßen im Schulcafé.
„Ich hab fast eine Stunde auf dich gewartet. Und bei dir zu Hause ist keiner ans Telefon gegangen.“
„Es tut mir leid.“ flüsterte Sarah.
„Ich hab das Gefühl, daß du das nur so sagst. Sonst würdest du doch nicht am laufenden band unsere Verabredungen sausen lassen. Wir hatten uns doch grade wieder versöhnt.“
„Du mußt mir glauben, es war nicht meine Schuld. Meine...“
„Sag nicht, daß deine Eltern dir nicht erlaubt haben, schwimmen zu gehen. Sag es nicht, denn ich kann dir das einfach nicht glauben.“
„Chrissi, bitte es tut mir leid.“ flüsterte Sarah verzweifelt.
Als Jochen mit ihr fertig gewesen war, hatte er sie alleine in der Badewanne zurückgelassen. Als sie sich im Spiegel betrachtet hatte, war sie vor sich selbst zurückgewichen. Ihre Linke Wange war zugeschwollen und ihre Schultern und Beine verkratzt. So hätte sie doch nicht ins Schwimmbad gehen können. Als ob Chrissi ihre Gedanken lesen könnte, sagte sie auf einmal sehr leise : „Was ist eigentlich mit deinem Gesicht passiert.“
„Nichts, ich hab mich nur gestoßen.“
„Gestoßen ?“ fragte sie ungläubig.
„Ja, ich bin,“ Sarah zwang sich zu einem Lächeln „gegen unseren Wohnzimmerschrank gelaufen. Nichts schlimmes. Aber ziemlich komisch, nicht ?!“
„Wenn du es sagst.“ meinte Chrissi nur. „Ich muß jetzt gehen. Bis später.“
Sie stand auf und ließ Sarah allein zurück. Sarah hatte nicht den Mut ihr nachzugehen. Wer weiß, vielleicht würde sich Chrissi dann nicht mehr mit dem Wohnzimmerschrank abfinden. Es klang ja auch unglaubwürdig genug. Sarah wartete auf das Schellen und ging dann in die Englischstunde.

Am Nachmittag in der Bücherei hoffte Sarah darauf, daß Marco kommen würde, doch die ganzen drei Stunden ließ er sich nicht blicken. Erst als sie nach draußen trat und nach Hause gehen wollte, lief er ihr entgegen.
„Hallo Sarah !“ rief er fröhlich, stockte aber sofort als er ihr geschwollenes Gesicht sah. „Was ist dir denn passiert ?“ fragte er besorgt. Sarah versuchte zu lächeln. Wie oft war sie das schon gefragt worden ? Mittlerweile glaubte sie die Story mit dem Schrank schon fast selber.
„Du bist gegen einen Schrank gelaufen ?“ fragte Marco überrascht. Sarah nickte. „So sieht man doch nicht aus, wenn man gegen einen Schrank läuft. Ich bin in meinem Leben schon oft gegen Schränke gelaufen, aber du, du mußt da nicht gegen gelaufen, sondern mit 50 Sachen die Stunde gegen gedonnert sein.“ Sarah lächelte kurz. „Wirklich, nur gelaufen.“ versprach sie. Sie haßte es Marco anzulügen. Aber sie mußte es. Was sollte sie schon sagen ? Mein Stiefvater hat mich verprügelt ?
„Hast du Zeit ?“ fragte Marco schließlich. Sarah nickte. Sie hatte zu Hause gesagt, daß sie später käme, weil es in der Bücherei länger dauern würde.
Sie hatte nicht gewußt, aber gehofft, daß Marco kommen würde.
„Ich würde dir gerne meine Wohnung zeigen.“
„Was ?“ rief Sarah.
„Ich weiß, sag nichts. Ich bin mir darüber im klaren, daß wir uns erst seit ein paar Wochen kennen, aber mir kommt es vor, als ob ich dich schon eine Ewigkeit kennen würde.“
„Mir geht es ähnlich.“ gab sie zu.
„Also, was ist. Ganz unkonventionell.“
Sarah überlegte ernsthaft, ob sie ihn einfach stehen lassen sollte. Aber sie konnte nicht. Etwas war da zwischen Marco und ihr. Eine Verbundenheit, so als ob er der Schlüssel zu ihrer Seele wäre, sie es aber beide nur ahnten.
„Gut, zeig mir deine Wohnung.“ rief sie und rannte voraus.
„Hey, falsche Richtung !“ schrie er. Sie machte Kehrt und gemeinsam liefen sie durch die Stadt und bogen schließlich in einige Straßen ein, bis sie vor einem Mehrfamilienhaus halt machten.
„So, da wären wir !“ sagte Marco. „Hier wohnt der Student Marco Gießen.“
Er schloß die Haustüre auf und sie traten ein. „Ich wohne direkt hier unten.“ erklärte er. Mit einem zweiten Schlüssel schloß er die Wohnungstür auf und vollführte eine kleine Verbeugung, so daß Sarah eintreten konnte.
Ein langer Flur empfing sie, von dem rechts zwei Zimmer abgingen und der in ein Wohnzimmer führte.
„Soll ich meine Schuhe ausziehen ?“ fragte Sarah.
„Brauchst du nicht.“ antwortete Marco. „Aber setz dich doch. Willst du was trinken ?“
„Gerne. Egal was.“ sagte sie und ließ sich auf dem Sofa nieder. Mit verstohlener Neugierde sah sie sich im Zimmer um. Der Schreibtisch an der linken Wand war vollgestapelt mit Büchern, Ordnern und Papieren.
„Tut mir leid, wegen der Unordnung. Aber ich bin mitten in einer Semesterarbeit.“
„Wieder für Philosophie ?“ fragte Sarah. Marco schüttelte den Kopf. „Diesmal für Germanistik. Ziemlich öde. Über Goethe. Aber laß uns nicht von meinem Studium reden. Reden wir über dich.“
„Über mich ?“
„Ja, es gibt doch bestimmt mehr zu erzählen, als daß du gerne ließt.“ sagte Marco während er ihr ein Glas Orangensaft reichte. „Danke.“ sagte sie.
„Aber über mich gibt es wirklich nichts zu sagen. Ich führe ein furchtbar langweiliges Leben.“
„Das kann ich mir nicht vorstellen. Wie alt bist du ?“
„17 !“
„Siehst du. Als ich so alt wie du war, hatte ich ein sehr aufregendes Leben.“
„Dann warst du eben anders.“ stellte Sarah fest.
„Ich bin jetzt 23 und habe immer noch ein aufregendes Leben. Da muß doch was zu erzählen sein über dich.“
„Nein, wirklich nicht. Ich bin furchtbar langweilig. Du weißt gar nicht, auf was du dich da eingelassen hast.“
„Oh doch. Ich weiß das ganz genau. Weißt du Sarah, ich kenne dich zwar noch nicht lange, aber ich mag dich unheimlich gerne.“
Sarah lächelte schüchtern und sah auf den Boden.
„Sorry, ich wollte nichts falsches sagen.“ entschuldigte er sich.
„Schon gut. War doch gar nicht falsch. Ich bin es nur nicht gewohnt, daß jemand so was zu mir sagt.“
„Du hast doch sicher einen Freund.“ Sarah schüttelte heftig den Kopf.
„Nein ?!“ rief Marco. „Das kann ich nun gar nicht verstehen. Da gibt es so ein hübsches und kluges Mädchen und sie ist noch nicht in festen Händen. Ich würde dich sofort nehmen.“
„Ich bin ganz anders als du denkst.“ sagte Sarah. Marco sah sie lange an.
„Was ist denn so anders an dir, Sarah.“
„Ich kann nicht darüber sprechen.“ flüsterte sie. „Vielleicht sollte ich besser gehen. Es ist schon spät und wenn Jochen wieder...“ Sie verstummte.
„Wer ist Jochen ?“
„Niemand.“
„Niemand heißt also Jochen. Ist er dein Freund ?“
„Ich sagte dir doch, daß ich keinen Freund habe. Jochen ist mein Vater, mein Stiefvater.“
„Aha. Und was ist wenn du zu spät kommst ?“
„Er wird sauer. Ich soll immer pünktlich zu Hause sein.“
„Dann solltest du wirklich besser gehen.“
„Ja, das sollte ich.“ Sarah stand auf und ging in den Flur. Marco folgte ihr.
„Wann sehen wir uns wieder ?“
„Ich bin erst am Montag in der Bücherei. Aber morgen muß ich einkaufen. Du kannst ja mitkommen.“ schlug Sarah vor. „Morgen ist prima.“ meinte Marco fröhlich.
„Treffen wir uns am alten Springbrunnen ?“ Er nickte.
„Bis morgen !“ sagte Sarah und ging.
„Bis morgen.“
Sarah rannte den Weg nach Hause. Sie war gar nicht so spät dran, aber sie hatte einfach Angst bekommen, Angst davor, daß Marco sich solche Sorgen machte. Es hatte sich noch nie jemand um sie gesorgt. Es war neu, vollkommen neu für sie. Und anders.
Zu Hause angekommen ging sie sofort in ihr Zimmer. Jochen ließ sie in Ruhe.

Liebes Tagebuch,
wußtest du, daß es Menschen auf der Welt gibt, die einfach nur gut
sind ? Ich nicht. Bis heute. Marco ist solch ein Mensch. Jedenfalls für mich. Er ist so lieb, so freundlich. Ich glaube er mag mich, doch ich habe Angst. Was ist, wenn Jochen es herausfindet. Ich muß immer wieder an die Badewanne denken. Meine Wange tut noch immer weh. Es ist mir so peinlich. Ich schäme mich so. Ich bin doch selber schuld. Warum bin ich auch ins Bad gegangen, ohne anzuklopfen. Es wäre nie passiert, wenn...
Zu viele WENNS in meinem Leben. Wenn das nicht passiert wäre, dann wäre... Aber wie soll man anders überleben ? Marco weiß von all dem nichts. Und das ist auch gut so. Er wäre sicher enttäuscht von mir und würde sich ekeln. Ich ekel mich ja vor mir selbst.
Deine Sarah

Mutter saß am Küchentisch und schnitt Möhren, als Sarah fertig zum einkaufen in die Küche trat.
„Wo willst du hin ?“ fragte sie.
„Ich hab dir doch gesagt, daß ich einkaufen gehe.“
„In die Stadt ?“
„Natürlich in die Stadt. Wo sonst sollte ich einkaufen gehen. Soll ich was mitbringen ?“
„Ja, dein Vater hat sich Vanillepudding zum Nachtisch gewünscht. Bring doch frische Milch mit.“
„Kein Problem. Aber können wir nicht lieber Schokopudding machen. Ich mag doch keinen Vanillepudding.“
„Dein Vater möchte gerne welchen mit Vanillegeschmack.“ entgegnete Mutter. Sarah seufzte. „Er mag Schoko genauso gerne. Aber laß gut sein.“
„Wieso mußt du immer rummeckern. Wenn dein Vater sich Vanillepudding wünscht, dann soll er ihn bekommen. Er arbeitet hart und wenn er nach Hause kommt, soll er sich keine Gedanken mehr machen müssen. Er hat schon genug Sorgen mit euch Kindern. Und nun geh einkaufen.“
„Ja Mama !“ resignierte Sarah und ging aus dem Haus. Sie beeilte sich, in die Stadt zu kommen.
Marco wartete schon am Brunnen. Sie lief auf ihn zu und umarmte ihn leicht von hinten. „Hey, wenn das nicht Sarah ist.“ rief er lachend.
„Hallo. Na, wie geht es dir ?“
„Ich kann nicht klagen. Aber wie geht es dir, Oder sollte ich fragen, wie geht es deiner Wange ?“
„Ach so, der geht es gut. Den Umständen entsprechend.“
Sie gingen los, Sarah steuerte H&M an. „Klamotten kaufen ?!“ stellte Marco fest. Sarah nickte. „Ich brauche unbedingt eine neue Jeans und zwei oder drei Oberteile für den Sommer. Aber wenn es dir zu langweilig wird, ich schaff es auch alleine.“
„Nein, wieso das denn ? Ich wollte doch mitgehen. Außerdem kann ich dir als Berater zur Seite stehen. Oder vertraust du nicht auf meinen Klamottengeschmack ?“ Sarah betrachtete Marco prüfend.
„Doch, ich vertrau deinem Urteil. Aber sei nicht böse, wenn ich es nicht ernst nehme.“ Sie lachte und er stupste sie in die Seite. Es war schön, mit einem Freund durch die Stadt zu gehen.
Sie suchten zuerst nach einer Jeans, einer weißen für den Sommer. Sarah wurde sofort fündig und Marco war vollkommen mit ihrer Wahl einverstanden. „Die sitzt echt toll an dir.“ war sein unbestrittenes Urteil.
Bei H&M fanden sie nichts anderes mehr, aber in den verschiedenen Jeansstores ergatterte Sarah ein blaues Top, ein Kleid und zwei T-Shirts.
Nach zwei Stunden, die sie von Geschäft zu Geschäft gelaufen waren, nichts desto trotz aber viel Spaß gehabt hatten, fragte Marco : „Sonst noch einen Wunsch, die Dame ?“
„Nein, nichts weiter. Ich bin völlig fertig.“
„Hast du noch Zeit ?“ Sarah sah auf die Uhr. Dann nickte sie.
„Ja, ein bißchen.“
„Sollen wir zu mir gehen ?“
„Gerne.“ Sarah schwenkte ihre Einkaufstüten hin und her. Sie war vollkommen glücklich. Einen solchen Tag hatte sie schon lange nicht mehr erlebt. Sie hatte alles vergessen. Alles, was Jochen ihr angetan hatte, alles was ihre Mutter ihr durch ewiges Schweigen zugefügt hatte. Die Welt war für einen Moment, einen winzigen Moment in Ordnung.
Sie gingen zu Marco und er setzte Teewasser auf, nachdem sie sich geeinigt hatten, daß sie lieber Tee als Kaffee tranken.
„Du scheinst heute so ausgewechselt.“ bemerkte Marco. Er saß ihr gegenüber, nach vorne gebeugt und sah sie an. Sarah war es ein wenig unangenehm, aber nicht so, daß sie wegsehen mußte. Es war nur neu.
„Ich fühle mich auch wie neu.“ sagte sie auf seine Feststellung hin.
„Das freut mich.“
„Du bist das.“ flüsterte sie.
„Was ?“
„Du machst das mit mir. Bevor ich dich kennengelernt habe, war mein Leben ein einziger Scherbenhaufen. Doch jetzt ist da was, etwas, daß ihn wieder ein wenig kittet. Du bist das.“
„Wirklich ? Ich glaub’s kaum. Du meinst echt, daß ich dir helfe ?“
Sarah nickte. „Nicht daß mein Leben jetzt unkomplizierter ist, im Gegenteil, aber es macht Spaß. Ich bin ...ich bin gern mit dir zusammen.“ Den letzten Satz hatte sie geflüstert, so daß sich Marco weit zu ihr beugen mußte, um sie überhaupt zu verstehen.
„Ich bin auch gerne mit dir zusammen. Sonst würde ich mich nicht immer wieder mit dir treffen. Ich mag dich echt Sarah.“
Dann legte er ihr seine Hand auf die Wange. Nur ganz sacht und vorsichtig. Sarah ließ es geschehen. Doch als sein Gesicht näher kam, zuckte sie zusammen und stand auf.
„Die Milch !“ flüsterte sie. „Die Milch, die Milch. Ich hab die Milch vergessen. Die Milch.“ Sarahs stimme wurde hysterisch.
„Welche Milch ?“ fragte er.
„Ich sollte Milch kaufen. Jochen mag nur Vanillepudding. Die Milch. Ich sollte Milch für den Pudding kaufen. Ich muß gehen. Die Milch.“
„Sarah, alle Geschäfte haben zu. Du kriegst jetzt keine Milch mehr.“
„Was ? Aber ich brauch sie. Jochen, er will Vanillepudding zum Nachtisch. Ich muß die Milch besorgen. Er ...ich muß...Jochen will...“ Sarah begann zu weinen. Sie schlug sich die Hände vors Gesicht und weinte heftig. Marco stand auf und ging zu ihr, doch sie ließ nicht zu, daß er sie umarmte.
„Ich muß nach Hause.“ sagte sie nach einer Weile. „Ich muß gehen.“
„Bist du sicher ? Du kannst gerne hier bleiben.“
„Nein, Jochen, ich muß mich bei Jochen entschuldigen.“ sagte Sarah, immer noch vollkommen durcheinander.
„Soll ich dich nicht lieber bringen ?“
„Nein, ich geh alleine.“ sagte Sarah. „Machs gut.“ Hastig drehte sie sich um und rannte aus der Haustüre. Marco kam nicht schnell genug hinter ihr her.
Als Sarah nach Hause kam, saßen Mutter und Jochen schon im Wohnzimmer. „Wie war dein Tag ?“ fragte Mutter.
„Schön. Mama, Ich muß Jochen sprechen. Alleine.“
„Sicher. Ich finde es ja schön, wenn ihr einander vertraut und Dinge bespricht.“ Jochen sah erstaunt hoch.
Mutter ging in die Küche und schloß die Türe.
Sarah war noch immer vollkommen verwirrt.
„Es tut mir leid. Ich hab das nicht gewollt.“ fing sie an. Jochen nahm sie auf den Schoß. „Was ist denn Zuckermäuschen ?“
„Ich hab die Milch vergessen. Ich war bei Marco und hab dabei die Milch vergessen.“
Jochens Griff um ihre Taille wurde fester. „Wo warst du ?“
„Es tut mir leid.“ schluchzte sie.
„Wo warst du ?“ Seine Hand glitt unter ihr T-Shirt.
„Es tut mir leid.“ seine Hand auf ihrer Haut.
„Bei Marco. Ich war bei Marco. Aber es läuft nichts. Ich liebe nur dich, Jochen. Verzeih mir.“
Jochens Hand glitt unbarmherzig weiter. Aber Sarah fühlte sich schuldig. Sie mußte bestraft werden. Schließlich hatte er ihr immer eingeschärft, nichts mit Jungs anzufangen. Sie hatte es verdient.
„Wer ist dieser Marco ?“ fragte Jochen nun. Sarah weinte.
„Er ist Student. Ich kenne ihn gar nicht richtig. Ich habe ihn erst zweimal gesehen.“ wimmerte Sarah, während seine Hand über ihre Brust fuhr.
„Zuckermäuschen, du tust mir sehr weh, wenn du dich mit anderen Jungs abgibst. Da muß ich ja denken, du wärst eine Schlampe. Und du weißt ja, daß man mit einer Schlampe alles machen kann. Bist du eine Schlampe ?“
Sarah schüttelte heftig den Kopf. „Ich bin dein liebes Mädchen.“ schluchzte sie. „Es tut mir leid.“
„Wenn du wirklich mein liebes Mädchen sein willst, dann sei brav und treffe dich nie mehr mit diesem Marco. Er wollte nur mit dir ins Bett. Und ich bin doch der einzige, den du liebst, nicht wahr ?!“ Sarah nickte. „Ja !“
„Also, ich will, daß du diesen Jungen nie wieder siehst.“
„Ja Jochen, ich werde ihn nie wieder sehen.“
„Und wenn du gleich ins Bett gehst, mach dich bereit. Ich werde dich heute nacht besuchen kommen.“ Sarah schluchzte auf.
„Freust du dich etwa nicht ?“
„Doch Jochen.“
„Dann geh und warte auf mich. Hopp !“ Als sie aufstand gab er ihr einen Klaps auf den Po.
Weinend lief sie in ihr Zimmer. Ihre Mutter sah sie verständnislos an.
„Sie hat die Milch vergessen.“ sagte Jochen, als er in die Küche trat.

Liebes Tagebuch,
ich hätte Marco niemals treffen dürfen. Die winzigen Momente mit ihm, in denen ich glücklich war, haben mich Jochen vergessen lassen. Aber das ist falsch. Jochen hätte es so und so rausgefunden und weil ich es ihm gestanden habe, ist er gnädig gewesen. Ich mußte nur IHN streicheln und drücken, wie schon so oft. Jochen liebt mich und wahrscheinlich hatte er recht, als er gesagt hat, daß Marco nur mit mir ins Bett wollte. Wie sonst kann ich mir erklären, daß er mich küssen wollte.
Mir wird er fehlen, aber noch ein Verstoß gegen die Regeln, und Jochen wird mich hart bestrafen. Er wird alles auffliegen lassen. Ich will nicht, daß es jemals raus kommt. Es ist mir so peinlich. Wenn Mama es erführe, würde ich sterben. Wenn überhaupt jemand es erführe würde ich sterben. Ich will es ja manchmal schon so. Einfach einschlafen und nie mehr aufwachen. Wer weiß, vielleicht mach ich es ja eines Tages.
Deine Sarah

„Sarah, ein Schulkamerad von dir hat angerufen. Mario oder so. Du sollst ihn zurückrufen.“ sagte Mutter, als Sarah am Montag aus der Bücherei nach Hause kam.
„Mario ?“ fragte sie. Sie kannte niemanden, der Mario hieß.
„Er hat mich seine Nummer aufschreiben lassen.“
„Ich ruf ihn gleich an.“
Sarah setzte sich und Wohnzimmer und wählte die Nummer auf dem Zettel neben dem Telefon.
„Marco hier !“ tönte eine Stimme vom anderen Ende der Leitung. Sarah erschrak.
„Warum rufst du hier an ?“ giftete sie.
„Sarah ! Ich bin so froh, daß du mich zurückrufst.“
„Was willst du ?“
„Hör mir einfach nur zu. Sarah, es tut mir leid, wenn ich dich verletzt habe. Ich wollte dir nicht zu nahe treten. Ehrlich. Ich habe gedacht, daß du es auch willst. Weißt du, ich habe mich nämlich in dich verliebt. Und ich hatte das Gefühl, daß es dir genauso geht. Nur deshalb wollte ich dich küssen. Ich konnte doch nicht ahnen, daß du mich so abstoßend findest. Bitte verzeih mir. Ich will nicht, daß du mich jetzt haßt.“
Sarah schluckte, sagte aber gar nichts.
„Sarah, hast du aufgelegt ?“
„Nein !“ brachte sie hervor.
„Kannst du mir verzeihen ?“ Er hörte ein schluchzen.
„Du weinst !“ stellte er fest. „Sollen wir uns treffen ?“
„Nein !“ sagte sie schnell. „Ich kann mich nicht mehr mit dir treffen.“
„Warum ?“ rief Marco.
„Er möchte es nicht:“
„Wer ? Dein Stiefvater ? Dieser Jochen ?“
„Ich muß Schluß machen.“ sagte Sarah.
„Leg noch nicht auf. Ich muß dich wieder sehen.“
„Es geht wirklich nicht.“ Damit legte sie den Hörer auf die Gabel.
„Gut gemacht !“ sagte Jochen. Erschrocken drehte sie sich um. Wie lange hatte er da schon gestanden ?
„Du bist also wirklich ein braves Mädchen.“ Sarah nickte, er trat näher und gab ihr einen Kuß auf den Mund.

Es war Mittwoch, ihre Schicht in der Bücherei war in zehn Minuten vorbei, als Frau Hoffmann zu ihr kam. „Dort oben ist ein Kunde, der nur von ihnen bedient werden möchte.“
„Aber wir schließen gleich.“ sagte Sarah. Frau Hoffmann sah sie strafend an. „Wir bedienen unsere Kunden bis wir schließen. Sie haben noch zehn Minuten. Beeilen sie sich. Er wartet oben.“
Sarah lief schnell die Treppe hoch. Erst sah sie niemanden. Doch als sie sich zu den Regalen umdrehte, erkannte sie Marco.
„Was machst du hier ?“ fragte sie zornig.
„Ich mußte dich wieder sehen.“
„Ich hab dir doch gesagt, daß ich nicht...“ Er kam zu ihr und legte seine Hand auf ihren Mund.
„Ich liebe dich ganz furchtbar, Sarah.“ flüsterte er.
Sie spürte seine Hand, doch es war anders als wenn sie Jochens Hand spürte. Es prickelte. Sarah hätte nie gedacht, daß es ein schönes Gefühl sein konnte, wenn jemand sie berührte.
„Mußt du gleich nach Hause ?“ Sie nickte.
„Schade. Kann ich dich nicht nach Hause bringen ?“ Er hatte seine Hand wieder zurückgezogen. Irgendwie kam er ihr so hilflos vor, wie er da vor ihr stand. Also nickte sie.
„Aber nur ein Stück. Mein Stiefvater darf mich nicht mit dir sehen.“
„Wieso hast du solch eine Angst vor deinem Stiefvater ?“
„Hab ich doch gar nicht.“
„Natürlich. Ich bin doch nicht blind und taub. Was ist los mit dir ?“
„Hör zu, ich sag Frau Hoffmann Bescheid, daß ich jetzt gehe.“ Sarah lief die Treppe runter. Marco sah ihr nach. Was war nur mit diesem Mädchen los ?
„Irgendwas ist doch nicht in Ordnung bei ihr !“ sagte er leise.
Sarah kam wieder hoch. „Ich kann schon gehen.“ rief sie.
Gemeinsam gingen sie durch die Stadt. „Wo wohnst du denn ?“
„Das wirst du dann ja sehen.“ sagte Sarah. Sie hatte nicht vor ihn bis vor die Haustüre mitzunehmen.
Plötzlich spürte sie etwas warmes an ihrer kalten Hand. Marco hatte ihre Hand berührt und hielt sie nun in seiner. Für einen Augenblick erstarrte Sarah, doch dann fand sie das Gefühl schön. Leicht drückte sie Marcos Hand und sie merkte, daß er lächelte. Genau wie sie.
„Darf ich dich was fragen ?“
„Ja !“ sagte sie.
„Aber es ist persönlich. Und ich möchte nicht, daß du gleich wieder sauer auf mich wirst. Du brauchst ja nicht antworten.“ Sarah nickte trotzdem.
„Schlägt dein Stiefvater dich ?“ Stille !
„Nein.“ sagte Sarah dann. „Er hat mich ein mal geschlagen. Aber das war auch das einzige mal. Er liebt mich sehr.“
„Die Wange ?“ Sarah nickte.
„Das sah nicht so aus, als ob er dich lieben würde.“
„Tut er aber. Und er ist der einzige Mensch, den ich liebe.“
„Oh !“ machte Marco. „Ist ja klar. Jeder liebt seinen Vater.“
„Er ist nicht mein Vater.“ sagte Sarah laut.
„Ja, schon klar. Aber du liebst ihn wie einen Vater.“
„Nein !“ sagte Sarah.
„Aber grade hast du gesagt, daß...“
„Laß es gut sein.“ unterbrach sie ihn. „Es ist kompliziert.“
„Das merke ich. Aber es bedrückt dich doch.“
„Mich bedrückt so viel, Marco. Da kannst du mir auch nicht bei helfen.“
„Laß es mich doch versuchen.“ entgegnete er, doch sie schüttelte den Kopf.
Sie waren an der Einfahrt zu ihrer Straße angekommen. Sarah blieb stehen.
„Sind wir da ?“ fragte Marco.
„Fast. Du mußt jetzt gehen.“
„Ich darf dich noch nicht mal bis ganz nach Hause bringen ?“
„Nein !“ sagte Sarah.
„Ich möchte nur eins von dir wissen.“ sagte er leise. „Ich habe dir gesagt, was ich für dich empfinde. Liebst du mich auch ?“
Sarah schluckte. Sie hatte so etwas befürchtet. Sie war so nah bei Jochen. Sie hatte Angst es auszusprechen. Sie hatte Angst, daß er es hören würde, was natürlich Unsinn war, denn es trennten sie noch mindestens 500 Meter von ihrem Haus. Aber allein der Gedanke, daß er dahinten war, ließ sie erschauern. Was sollte sie jetzt tun ?!
Marco stand ihr gegenüber und sah sie an. Sie rang mit ihren Gefühlen. Entweder sie würde sich jetzt für Marco entscheiden oder ein Leben lang an Jochen gefesselt sein.
„Ja !“ sagte sie nur. Marco atmete auf. Dann streckte er einem Arm nach ihr aus und wollte sie umarmen. Doch sie drehte sich um und rannte die Straße runter. Er sah ihr verdutzt nach.

Liebes Tagebuch,
ich bin völlig durcheinander. Seit ich Jochen kenne, also seit 5 Jahren, bin ich von ihm abhängig. Ich hab immer gedacht, daß er der einzige auf der Welt ist, den ich lieben darf. Der so etwas mit mir machen darf.
Aber jetzt ist Marco da und ich habe mir eingestanden, daß ich ihn liebe. Und zwar völlig anders als Jochen. Ungezwungen. Freiwillig. Ich liebe ihn, ich liebe ihn, ich liebe ihn !!!
Aber das ändert nichts daran, daß Jochen mich in der Hand hat. Wie soll ich mich nun ihm gegenüber verhalten. Es tut nun um so mehr weh, da ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man geliebt wird. Wenn er mich nun anfaßt kann ich mich nicht mehr ausklinken. Es tut weh, unbeschreiblich weh. Immer wieder vergleiche ich es mit Marcos Hand an meiner. Aber dieser Vergleich tut mir schrecklich weh. Ich habe Angst, daß es nun mein Leben lang so qualvoll mit Jochen sein wird. Aber was rede ich da. Vorhin habe ich mir geschworen, daß ich Jochen nicht liebe. In einem Jahr werde ich 18. Das heißt, daß ich weg kann. Weg aus der Hölle, die sich Jochen nennt.
Ein Jahr noch. Aber was ist, wenn Marco dann nicht mehr da ist. Egal, ich versuche nicht daran zu denken. Erst einmal das Morgen bestehen. Dann kann es weitergehen.
Deine Sarah

„Ich habe ihre Klausuren korrigiert und muß sagen, daß sie alle sehr gut ausgefallen sind. Alle bis auf eine Ausnahme. Sarah, würdest du dir deine Klausur nach der Stunde bitte bei mir abholen.“ Sarah nickte. Herr Reuter, ihr Englischlehrer sah sie streng an. Eigentlich mochte sie ihn, und er hatte noch nie Probleme mit Sarah gehabt. Sie war zwar nie die beste Schülerin im Englischkurs gewesen, aber immer etwas über dem Durchschnitt. Gut, die letzte Klausur war nicht ganz so gut gewesen, aber Sarah hatte mit einer 4 gerechnet. Und wegen einer vier holte Herr Reuter niemanden extra zu sich. Nach der Englischstunde ging Sarah also nach vorne an Pult. Die anderen Schüler waren schon alle draußen.
„Sarah, was ist los mit dir ?“ fragte Herr Reuter grade heraus.
„Gar nichts.“ antwortete Sarah.
„Deine Klausur ist die schlechteste des ganzen Kurses. Eine 5-. Aber wirklich Minus, Minus, Minus und noch mal Minus. So kenne ich dich doch gar nicht.“
„Ich weiß auch nicht, Herr Reuter. Ich hatte einen schlechten Tag als wir sie geschrieben haben.“
„Auch im Mündlichen bist du rapide abgesackt. Hast du irgendwelche Probleme ? Zu Hause oder mit deinen Mitschülern ?“
„Nein, es ist alles in Ordnung.“ log Sarah.
„Dann kann ich mir deinen Notenabfall nicht anders erklären, als das du einfach nur faul geworden bist. Ich werde dir im Halbjahreszeugnis eine 4 geben müssen und die steht auf der Kippe. Deine erste Klausur war auch schon nicht so gut.“
„Ich verstehe. Ich werde mich anstrengen, Herr Reuter.“
„Das hoffe ich für dich.“
„Bis Morgen dann.“ sagte Sarah und drehte sich um.
„Sarah !“ rief er sie zurück. Sarah wandte sich wieder um.
„Falls du doch über irgend etwas sprechen möchtest, du weißt, daß ich euer Vertrauenslehrer bin. Du kannst jeder Zeit zu mir kommen.“
„Danke.“ sagte Sarah und flüchtete aus dem Klassenzimmer. sie wollte sprechen, aber nicht mit ihm.
Auf dem Flur rannte sie Chrissi in die Arme.
„Hoppla !“ rief die. „Was hast du es denn so eilig ?“
„Hallo ! Der Reuter hat mich grade über meinen Notenabfall in Englisch informiert. Ich stehe auf einer schwachen 4.“
„Oh, du bist doch ganz gut in Englisch. Wie kommt’s ?“
„Ich hab in den Stunden halt nicht mehr so mitgemacht, wie er es gerne hätte. Du kennst das doch. Irgendwann ist die Luft raus.“
„Verstehe. Außerdem bringt einen eine 4 in Englisch doch nicht um.“ meinte Chrissi. Sarah lachte. „Da hast du wohl recht.“
„Ich muß weiter.“ sagte Chrissi.
„Sag mal, sollen wir uns nicht mal wieder treffen ?“ schlug Sarah vor.
„Du, tut mir leid. Momentan hab ich keine Zeit.“
„Ach so.“ meinte Sarah enttäuscht. „Dann mach’s mal gut.“
Chrissi lief weiter und ließ Sarah im Gang stehen.
„Ich bin es ja selber schuld,“ flüsterte sie. „Ich hab sie immer wieder versetzt. Kein Wunder das sie nicht mehr meine Freundin sein will.“

Nach der Schule begegnete sie Marco. Er kam ihr entgegen. Sie mußte einfach lächeln, als sie ihn sah.
„Ist das jetzt Zufall ?“ rief sie schon von weitem.
„Sagen wir es so. Ich hab dem Zufall ein wenig auf die Sprünge geholfen. Hallo, wie geht es dir ?“ Er war bei ihr angelangt und wollte sie umarmen.
Doch Sarah wandte sich um. „Bitte, laß das.“
„Es ist doch nur eine Umarmung.“ verteidigte er sich. Dann zuckte er mit den Schultern und lief neben ihr her.
„Können wir uns nicht heute Nachmittag treffen ? Ich will dich unbedingt mal länger als eine halbe Stunde sehen.“
„Ich schau mal.“
„Wie, du schaust mal. Was spricht denn dagegen ? Arbeiten mußt du heute doch nicht.“ meinte er.
„Ich muß erst fragen.“ antwortete sie. „Ich kann dir nichts versprechen.“
„Du darfst nicht nachmittags mal weg ?“
„Vielleicht muß ich auf meinen Bruder aufpassen oder Jochen möchte es nicht oder ich muß meiner Mutter helfen. Ich habe keine Ahnung. Außerdem habe ich heute eine 5- in Englisch geschrieben.“
„Ups !“ machte Marco.
„Das werde ich meiner Mutter und Jochen natürlich nicht grade heute auf die Nase binden. Aber trotzdem. Ich kann es nicht genau sagen.“
„Dann komm doch einfach vorbei, wenn du Zeit hast. Ich bin zu Hause.“
„Ja, so können wir es machen.“
„Super. Sarah, du ahnst gar nicht, wie glücklich mich das macht.“
„Du solltest besser gehen.“
„Gut. Ich will dir schließlich keine Schwierigkeiten machen. Ich liebe dich Sarah !“ rief er und lief weg.
„Er ist verrückt !“ flüsterte Sarah und ging weiter.
Zu Hause war Jochen natürlich noch nicht da. Aber ihre Mutter.
„Mama, ich hab mich heute mit Chrissi verabredet. Geht das klar ?“ fragte Sarah sofort. Ihre Mutter nickte. „Aber zu erst wäscht du mir das Gemüse hier.“ sagte sie.
Sarah seufzte. Aber wenigstens durfte sie gehen.
Natürlich machte sie sich sofort daran, daß Gemüse zu waschen und zu putzen. Um 4 Uhr war sie fertig und machte sich auf den Weg zu Jochen. Erst mußte sie überlegen, wie der Weg noch gleich gewesen war, doch sie ging ihn fast automatisch.
Sie drückte den untersten Klingelknopf, als sie an dem Mehrfamilienhaus angekommen war. Die Tür summte und sie drückte sie auf.
Marco stand schon an der Tür. „Hallo ! Ich bin froh, daß du gekommen bist.“ begrüßte er sie. Diesmal ging die Initiative von Sarah aus und sie umarmte ihn schüchtern und sehr kurz. Als sie ihn danach wieder ansah, lächelte er und sah ziemlich glücklich aus. Wie sie selber auch.
„Womit habe ich denn das verdient ?“ fragte er.
„Ich weiß nicht. War reine Eingebung.“
„Komm doch erst einmal rein. Ich hab Tee gekocht. Möchtest du auch welchen ?“ Sarah nickte und zog sich ihre Schuhe diesmal doch aus.
Sie machte es sich im Wohnzimmer auf dem Sofa gemütlich und wartete auf den Tee, den er ihr brachte.
„Also war es doch kein Problem, daß du zu mir kommst.“ stellte er fest.
„Doch. Ich hab nur ein wenig geschummelt und gesagt, daß ich zu Chrissi, meiner Freundin gehe. Außerdem war Jochen noch auf der Arbeit und Gemüse waschen mußte ich auch vorher.“
„Wenn es weiter nichts ist.“
„Zum Glück nicht. Aber wenn Jochen raus findet, wo ich wirklich war...“
„Was soll er denn machen ? Dir Hausarrest geben ?“
„Viel schlimmer.“ Sarah wollte eigentlich nicht so viel erzählen aber es kam so aus ihr heraus. Sie wollte ihn nicht belügen.
„Fernsehverbot ?“ fragte er. Sarah verneinte.
„Laß uns nicht von Jochen reden.“ bat sie. „Ich muß mir schon oft genug Gedanken über ihn machen.“
„Ist es bei euch so, wie man es aus dem Fernsehen kennt ? Eine Familie, deren Kinder sich mit ihrem neuen Stiefvater nicht anfreunden können ?“
„Nein, ganz anders. Aber im gewissen Sinne hast du recht.“
„Jetzt bin ich neugierig geworden. Du mußt es mir sagen.“
„Ich kann nicht. Merkst du nicht, daß du mich quälst.“
Marco wurde sofort ernst.
„Entschuldige. Ich will dich nicht quälen.“ Sarah fing an zu weinen und als er es bemerkte, setzte er sich neben sie.
„Sarah, du bist so unglücklich. Ich will dir irgendwie helfen.“
„Mir kann niemand helfen.“ schluchzte sie verzweifelt.
„Weil du niemanden an dich heran läßt.“ gab er zu bedenken.
„Jochen, es ist so schrecklich was er macht. Ich hab Angst, daß du mich dann nicht mehr gern hast.“
„Sag mir doch was es ist. Nichts kann meine Gefühle für dich ändern. Nichts !“ Sarah hatte ihren Kopf leicht an seine Schulter gelegt.
„Er tut mir weh.“ wimmerte sie. Marco ließ ihr Zeit zum reden. Er blieb erst einmal ruhig.
„Er schlägt mich nicht, bis auf das eine mal. Da hat er nur geschlagen, weil ich mich nicht schnell genug ausgezogen habe.“
Sie hörte Marco tief einatmen. Er hielt die Luft an.
„Er tut Dinge mit mir.“
Dann war lange Zeit nur Stille. Sarah weinte immer noch. Marco sagte nichts. Er wußte nicht was. Erlebte er das wirklich ?
Nach geraumer Zeit sprach Sarah weiter. Ganz leise nur.
„Er hat mir gesagt, daß Mama mich in ein Heim steckt, wenn ich jemals was sage. Deshalb hab ich immer geschwiegen. Ich hatte solche Angst. Aber jetzt werde ich bald 18 und dann haue ich ab und bin ihn für immer los.“
„Mein Gott !“ hörte sie Marco flüstern.
„Ich hab immer gedacht, er darf das mit mir machen. Aber du, du hast mir klar gemacht, daß nicht nur er das darf.“
„Hey !“ Marco drehte sich um. „Keiner darf das mit dir machen. Nicht er, nicht ich nicht irgend ein anderer.“ Sarah weinte heftiger.
„Aber...“ schluchzte sie. „Ich meine doch nur, daß es noch andere Menschen auf der Welt gibt, außer ihm.“
„Ja, natürlich. Was er mit dir macht ist verboten. Du mußt zur Polizei gehen. Sarah, du mußt ihn anzeigen.“
„Nein !“ schrie sie. „Das kann ich nicht. Er liebt mich doch.“
„Was !“ schrie er. „Das meinst du doch nicht ernst. Nachdem was er dir angetan hat ?!“ Sarah weinte immer heftiger.
„Komm her. Beruhige dich erst einmal.“ flüsterte er. Dabei nahm er sie in den Arm und wiegte sie hin und her. Seine Hände strichen immer wieder vorsichtig über ihren Rücken. Er hatte Angst, daß er ihr weh tun könnte. Eine unbedachte Bewegung, die sie an ....diesen Schrecken, diesen Ekel erinnern könnte. Sie saßen lange Zeit einfach nur so da. Auch als Sarah schon nicht mehr weinte. Dann, ganz plötzlich schrak sie wie aus Trance hoch und sagte : „Ich muß nach Hause.“
„Niemals !“ widersprach er ihr. „Ich laß dich nicht gehen. Nicht zurück zu ihm.“
Sarah sah Marco an. „Du mußt.“
„Ich kann dich doch nicht gehen lassen, in dem Wissen, daß er mit dir ....“ Er sprach es nicht aus, aber sie beide wußten, was er hatte sagen wollen.
„Wenn ich heute Nacht nicht wiederkomme, wird er nur noch wütender.“
„Dann gehst du halt morgen auch nicht mehr nach Hause. Du bleibst einfach für immer bei mir. Er kann dich doch gar nicht finden.“
„Oh doch, er wird mich finden. Früher oder später. Und dann ist es aus.“
„Nein, ich ...bitte Sarah..:“ Marco fing an zu weinen. „Ich kann dich doch nicht in seine Hände schicken. Ich kann nicht.“
„Er wird mich heute in Ruhe lassen.“ beruhigte Sarah ihn.
„Woher willst du das wissen ?“
„Ich weiß es. Er hat keinen Grund.“
„Braucht er denn einen Grund ?“
„Nein, nicht immer. Aber meistens. Glaub mir, er wird mir nichts tun heute Nacht.“
„Bist du dir sicher ?“fragte Marco noch einmal.
Sarah nickte entschlossen, dabei war sie es gar nicht so sehr.
„Gut, dann laß ich dich gehen. Aber wenn er dich auch nur einmal anfaßt, kommst du zu mir. Ich bring ihn um. Ich bring ihn um.“
Sarah nahm Marco in den Arm. „Er wird mir nichts tun.“
„Verspreche mir, daß wir uns morgen sehen. und verspreche mir, daß du zu mir kommst, wenn er dir was tut.“
„Ich verspreche es.“ sagte sie. „Komm morgen zur Bücherei. Ich bin ab drei Uhr da.“
„Sarah, paß auf dich auf.“ sagte er und dann ging sie aus dem Haus.

Liebes Tagebuch,
Marco weiß alles. Ich hab ihm alles erzählt. Er war sehr geschockt und hat auch geweint. Dann wollte er mich nicht mehr gehen lassen. Ich hab ihm versprechen müssen, das Jochen mir nichts tut. Hat es trotzdem getan.
„Ich hab bei deiner Freundin Chrissi angerufen. Sie war gar nicht mir dir verabredet.“ hat er mich begrüßt. Ich hätte niemals gedacht, daß er mir so nachspionieren würde. Als ich schon fast eingeschlafen war, ist er ins Zimmer gekommen. Er war nackt. Noch nie ist er vollkommen nackt zu mir gekommen. Ich hab mich erst schlafend gestellt, doch es hat nichts genutzt. Also hab ich es so schnell wie möglich hinter mich gebracht. Er wollte alles. Es tat furchtbar weh. Wie immer hat er bei jedem Stoß gesagt :„Du mußt lernen zu gehorchen !“
Du- mußt- lernen- zu- ge- horchen !“
Ja, wahrscheinlich muß ich das wirklich. Morgen treffe ich Marco.
Deine Sarah

Marco wartete schon vor der Bücherei, als Sarah zur Arbeit ging.
Zur Begrüßung nahm er sie in den Arm, drückte sie ganz fest. „Au !“ machte sie. Schnell ließ er sie los und sah sie fragend an.
„Was ist ?“
„Ich hab nur eine Prellung. Nichts weiter.“
Marcos Gesicht verfinsterte sich. „Eine Prellung ?“ fragte er ungläubig. „Was hat er mit dir gemacht ?“
„Sarah kämpfte gegen ihre Tränen. Es gelang ihr nicht ganz. „Er hat rausbekommen, daß ich bei dir war.“
„Er weiß von mir ?“ Sarah nickte.
„Komm her.“ flüsterte er und nahm sie sacht in die Arme. „Scheiße, du hättest weglaufen sollen. Ich hätte dich gar nicht erst gehen lassen sollen. Ich konnte die ganze Nacht kein Auge zutun...“
„Du kannst doch nichts dafür !“ sagte Sarah.
„Doch !“ meinte er. „Ich muß doch irgendwas machen. Dich beschützen.“
„Du kannst mich nicht beschützen. Ich bin bisher gut alleine zurecht gekommen.“
„Ich sehe ja wie.“
„Ich habe überlebt.“
„Wenn das Leben nicht mehr für dich ist, als zu überleben, dann...“
„Es ist halt schwer Spaß zu haben, wenn man immer an Jochen denken muß. Jede Minute spüre ich seine Hände, sehe seinen Körper. Er ist in mir drin. Ich kriege ihn nicht weg.“
„Auch jetzt ?“ fragte Marco.
„Nein.“ antwortete sie. „Das ist es ja eben, was ich dir gestern sagen wollte. Du machst mich glücklich. Bei dir kann ich die ganze Scheiße vergessen. Ich hab ihn nicht mehr vor meinem inneren Auge, wenn ich dich sehe.“
„Aber wenn du nach Hause kommst, ist er wieder da. Das kann doch nicht so weitergehen. Auch wenn du bald 18 wirst. Du kannst doch nicht so lange warten. Er zerstört dein Leben. Wahrscheinlich hat er das auch schon.“
„Ich weiß nicht.“ sagte sie leise. „Aber was soll ich denn tun. Ich kann nicht weg. Ich kann einfach nicht. Er würde mich ausfindig machen und mich umbringen oder noch Schlimmeres.“
Marco nahm ihre Hand. „Man muß doch was tun können. Irgendwas. Ich fühle mich so hilflos.“
„Wir sind hilflos.“ sagte sie resignierend. „Ich muß jetzt rein. Frau Hoffmann wartet sicher schon.“
„Soll ich bei dir bleiben ?“
„Ich weiß nicht ob das eine so gute Idee ist. Frau Hoffmann sieht es nicht gerne, wenn man sich während seiner Arbeitszeit privat beschäftigt.“
„Gut, dann komme ich nachher wieder. Ich hole dich ab.“
„Das ist lieb.“ sagte sie. „Und mach dir nicht allzu viele Gedanken.“
„Bis nachher !“ sagte er, umarmte sie noch einmal kurz und lief in die Stadt. Sarah sah ihm nach, bis er um die Ecke gebogen war. Dann ging sie in die Bücherei und fing ihre Arbeit an. Es war recht viel zu tun und so konnte sie abschalten. Sich einfach nur auf die Arbeit konzentrieren.
Pünktlich um sechs Uhr kam Marco wieder.
„Ich komme gleich. Muß nur noch das Buch hier wegbringen.“ sagte Sarah und lief zwischen die Regale. Marco folgte ihr.
„Warte doch mal.“ rief er mit gedämpfter Stimme. Sarah blieb stehen und wartete bis er sie erreicht hatte. Dann ging sie weiter und stellte das Buch zurück. Als sie sich wieder aufrichten wollte, hockte Marco neben ihr.
„Nanu !“ machte sie.
„Sarah, ich liebe dich so sehr. Bitte denke nicht, daß es etwas zwischen uns ändert.“ Sarah wußte, was er mit ES meinte.
„Danke !“ hauchte sie. Der Moment war unwirklich. Sie hockten da zwischen zwei Bücherregalen und waren kurz davor sich zu küssen. Doch keiner wagte es den ersten Schritt zu machen. Marco hatte wahrscheinlich Hemmungen. Angst sie zu verletzen. Sarah war sich nicht sicher, ob Marco es überhaupt wollte, ob er sich nicht ekeln würde, von ihr geküßt zu werden. Schließlich machte er den ersten Schritt.
„Sarah,“ flüsterte er. „ich würde dich unheimlich gerne küssen. Aber ich weiß nicht, ob du es auch willst.“ Sie lächelte ihn an und dann umschlang sie seinen Hals und drückte ihren Mund auf seinen.“ Einige Sekunden waren ihre Lippen aufeinander, dann verlor er den Halt und fiel nach hinten. Lachend plumpste er auf den Boden. Sie fiel halb auf ihn drauf, konnte sich aber noch rechtzeitig abstützen.
„Wir sind schon welche !“ lachte er. Als sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatten, standen sie auf und verließen die Bücherei. Marco brachte Sarah nach Hause, auch wenn er protestierte und sie lieber mit zu sich genommen hätte.

„Hallo, jemand zu Hause ?“ rief Sarah fröhlich, als sie das Haus betrat.
Jochen kam ihr entgegen. „Nur ich !“ meinte er. Seine stimme war belegt und Sarah wußte, was kommen würde.
„Bitte, laß mich heute zufrieden.“ flüsterte sie, eher zu sich selbst als zu ihm. „Bitte, was hast du gesagt, Zuckermäuschen ?“ fragte er lauernd.
„Nichts.“ log sie. Sie bückte sich um ihre Schuhe auszuziehen.
„Du kannst gleich bei der Hose weitermachen.“ sagte er.
„Jochen, bitte nicht heute.“ bat sie.
„Du solltest immer lieb zu mir sein. Vor allem jetzt, wo du einen Freund zu haben scheinst. Ich erwarte ja nicht viel von dir, aber das du dich nicht wie eine Schlampe von Bett zu Bett schläfst, ist doch wohl selbstverständlich. Ich habe euch gesehen, dich und diesen Marco.
Er heißt doch Marco oder ?“
„Er ist gar nicht mein Freund. Da ist nichts zwischen uns.“ wimmerte Sarah jetzt.
„Lüg mich nicht an.“ schrie Jochen. „Und jetzt zieh dich gefälligst aus.“
Sarah tat was er befahl. Das letzte mal, als sie gezögert hatte, war ihre Wange hinterher blau gewesen und ihre Haut zerkratzt. Also zog sie sich Jeans und T-Shirt aus und stand schließlich nackt im Flur. Ihr gegenüber Jochen.
„Geh schon mal ins Schlafzimmer. Ich komme gleich nach. Heute wollen wir mal was besonderes ausprobieren.“
Sarah weinte noch immer, tat aber, was er ihr gesagt hatte. Als er auch ins Schlafzimmer kam, hatte er eine Kordel mitgebracht. Damit fesselte er ihre Arme am Bett. „Nein, bitte Jochen. Bitte nicht.“ wimmerte sie.
„Halts Maul !“ schrie er. „Das bist du mir schuldig.“
Sie wand sich hin und her, doch dafür bekam sie nur Schläge.
Es ging schnell. Er war in ihr drin, bewegte sich ein paar Minuten auf ihr und sackte schließlich wieder zusammen. Sarah weinte die ganze Zeit. Sie hatte den Kopf zur Seite geneigt und schluchzte während er IHN in ihr hatte. Als er fertig war, löste er ihre Fesseln, küßte sie feste und naß auf den Mund und zog sich wieder an. Sarah blieb liegen. Sie wagte nicht, aufzustehen, nahm sich aber das Bettlaken um sich zuzudecken.
Nach einer Weile hörte sie die Haustüre zufallen und draußen sein Auto starten. Er war weggefahren.
Sie stand mit zittrigen Beinen auf und zog sich an. Alles tat ihr weh. Ihre Handgelenke waren eingeschnitten, von der dünnen Kordel.
Sie ging wie in Trance in ihr Zimmer, packte ein paar Sachen zusammen und ging dann in das Zimmer ihres Bruders.
Tim schlief tief und fest. Sie gab ihm einen Kuß auf die Wange und ging.

Sarah preßte ihren Zeigefinger auf die unterste Klingel des Mehrfamilienhauses und wartete. Ihr Atem ging schnell, denn sie war den ganzen Weg gerannt. Nach ein paar Sekunden drückte sie erneut auf den Klingelknopf, diesmal länger als zuvor. Gehetzt blickte sie auf die Straße. Sie rechnete jeden Augenblick damit, daß der blaue VW um die Ecke kommen würde. Natürlich war das unmöglich, denn als sie aus dem Haus gegangen war, war er gar nicht zu Hause gewesen. Nur ihr kleiner Bruder, dem sie einen Abschiedskuß gegeben hatte.
Endlich hörte sie das Summen der Öffnungsanlage und drückte hastig die Türe auf. Sie lief die kurze Treppe hoch. Marco stand an der Tür und als er sie sah, mit ihrem Rucksack auf dem Rücken und tränenverschmiertem Gesicht, wurde er ganz bleich. Sarah fiel ihm weinend um den Hals. „Es tut mir leid !“ wimmerte sie immer wieder. „Es tut mir leid !“
Marco drückte sie an sich und sagte erst einmal gar nichts. Dann nahm er sie an die Hand und führte sie in die Wohnung.
Sarah setzte sich auf das Sofa und Marco kochte ihnen einen Tee.
„Was ist passiert ?“ fragte er. „Hat er wieder...“
Sie nickte unter Tränen.
„Es war schrecklich diesmal. Er hat... ich kann nicht. Aber es reicht. Ich kann einfach nicht mehr da sein wo er ist. Verstehst du das ?“
„Ob ich es verstehe ? Natürlich. Du bleibst erst einmal hier. Und morgen sehen wir weiter. Trink deinen Tee. Du mußt jetzt nichts sagen.“
„Danke.“ flüsterte sie. Sarah schlürfte an dem heißen Getränk, aber ihre Hände zitterten so, daß sie die Tasse kaum halten konnte und den Tee verschüttete.
„Es tut mir leid !“ weinte sie erneut.
„Ist doch nicht tragisch. Du legst dich erst einmal hin. Ich mach das schon sauber. Komm mit, du kannst in meinem Bett schlafen.“ sagte Marco beruhigend. Er nahm Sarah an die Hand und führte sie ins angrenzende Schlafzimmer. Es war klein, grade mal Platz für ein Bett und einen Kleiderschrank.
„So, jetzt legst du dich erst mal hin und schläfst. Morgen sehen wir weiter. Es wird schon wieder.“
„Ich hoffe es !“ flüsterte Sarah.
Sie kuschelte sich in die warme Decke, alles roch nach Marco und das war schön. Nichts, daß an Jochen erinnerte.
„Ich liebe dich.“ flüsterte sie.
„Ich dich auch.“ sagte er.
Nach einer Weile war sie eingeschlafen.

Der nächste Morgen kam schnell und schonungslos. Sarah erwachte aus einem Alptraum und stieß einen Schrei aus. Es dauerte eine Weile, bis die Klauen des Traums sie losließen und sie sich in der fremden Umgebung zurechtgefunden hatte. Schwer atmend und mit zitternden Hände und Füßen stand sie auf. Auf einmal bekam sie furchtbaren Durst, so daß sie schnell die Küche aufsuchte. Im Wohnzimmer sah sie Marco schlafend auf dem Sofa liegen. Er hatte sich in eine Wolldecke eingewickelt. Sie tappte wie blind bis in die Küche und machte alle möglichen Schränke auf, um ein Glas zu finden. Als sie fündig geworden war und ihren Durst gestillt hatte, sah sie das erste mal auf die Uhr. Es war erst fünf Uhr morgens. Kein Wunder, daß alles noch so ruhig war. Aber sie war hellwach und wenn sie ehrlich war, hatte sie auch Angst wieder einzuschlafen. Sie wußte zwar nicht mehr, um was ihr Alptraum gehandelt hatte, aber es mußte schrecklich gewesen sein. Denn schon die reine Vorstellung an Schlaf ließ sie erzittern. Da sie immer noch nicht sicher auf den Beinen stand, machte sie es sich am Küchentisch bequem und laß die darauf liegende Zeitung. Es mußten mindestens zwei Stunden vergangen sein, als es an der Haustüre schellte. Sarah schrak hoch. Schnell sah sie auf die Uhr. Tatsächlich. Es war fast halb acht. Wer konnte das zu so früher Stunde sein ? Aus dem Wohnzimmer nebenan hörte sie Marco aufstöhnen. Schnell stand sie auf und lief zu ihm. Mit einem mal überkam sie die Angst, daß es Jochen sein könnte. Sie hatte ihm zwar niemals etwas von Marcos Wohnung gesagt, aber vielleicht war er ihnen mal gefolgt. Andeutungen in diese Richtung hatte er ja genügend gemacht.
„Marco !“ flüsterte sie. Das Schellen wiederholte sich. „Marco. Wach auf. Es hat geschellt.“ Marco öffnete die Augen einen Spalt breit.
„Was is´los ?“ nuschelte er schlaftrunken.
„Vielleicht ist es Jochen. Ich hab Angst.“ Plötzlich war Marco wach und setzte sich auf.
„Jochen ?“ fragte er. „Bist du sicher. Es ist erst“ er sah auf die Uhr. „halb acht.“
„Ich bin nicht rausgegangen und hab nachgesehen.“ zischte Sarah zynisch. Just in diesem Moment klingelte es erneut.
„Entschuldige.“ meinte er. „Ich geh nachsehen.“
„Nein !“ rief Sarah und wurde aber sofort wieder leise. „Wenn er es ist, hast du keine Chance gegen ihn. Wenn er denkt, daß ich hier bin, haut er dich glatt weg. Warten wir ab bis er geht.“
Marco sah kurz in den Flur und nickte. „Was machst du eigentlich schon so früh ?“ fragte er dann.
„Ich konnte nicht schlafen.“ sagte Sarah. Das Klingeln wiederholte sich noch einmal. Sarah fuhr zusammen.
„Ganz ruhig. Hier drin bist du sicher. Woher weiß er nur..:“
„Er hat mir sicher nachspioniert.“ beantwortete Sarah seine Frage. Marco nickte und ließ sich zurück auf das Sofa fallen. Sarah hockte noch immer daneben.
„Hier ist genug Platz für Zwei.“ sagte er. Sarah überlegte. Der Gedanke, daß draußen Jochen war, machte sie ängstlich und hilflos wie ein Kleinkind.
Doch dann überwand sie ihre Angst, die ja eigentlich keine Begründung hatte und legte sich neben Marco. Sarah wartete gespannt, was er tun würde, doch er tat nichts. Er blieb liegen wie er lag und daß beruhigte Sarah sehr. Er forderte nichts von ihr. Er verlangte nichts und er gab auch nichts, SOLANGE SIE ES NICHT WOLLTE.
Als nach einer viertel Stunde kein weiteres Schellen an der Haustüre kam, atmeten sie beide erleichtert auf.
„Wenn es wirklich Jochen war, hat er es aufgegeben.“ schlußfolgerte Marco.
Erschöpft blieben sie beide liegen und Sarah schlief noch einmal ein. Als sie wieder aufwachte, war es neun Uhr und Marco war schon aufgestanden.
Es roch nach Tee und Brötchen und bevor sie sich richtig besinnen konnte, kam Marco mit einem Tablett ins Wohnzimmer, das er auf dem Tisch abstellte. „Frühstück für die Prinzessin !“ rief er fröhlich. „Und für den Prinzen.“ fügte er noch hinzu. Dann setzten sie sich an den Tisch und aßen ihr erstes gemeinsames Frühstück. Sarah hatte sich noch nie so wohl gefühlt, wie an dem Morgen. Und das sagte sie Marco auch.
„Trotzdem müssen wir sehen, was wir mit dir machen.“ meinte er dazu.
Sarah erstarrte. Was wollte er mit ihr machen ? Sie etwa wieder nach Hause bringen ? Sie rausschmeißen ?
„Was...was meinst du damit ?“ fragte sie verstört.
„Na, es muß doch irgendwas gegen Jochen unternommen werden. Und du, du brauchst Unterstützung. Ich will dir helfen, aber alleine schaffe ich das nicht. Das kannst du mir echt nicht zutrauen. Du mußt dir das alles von der Seele reden, aber nicht bei mir. Ich bin immer für dich da, aber ich ertrag diese ganzen Horrorgeschichten nicht.“
„Aber...“
„Sarah, versteh mich doch. Du kannst mir natürlich jederzeit alles erzählen, wenn dir danach ist. Aber dein ganzer Kummer und wie du damit fertig wirst, dabei müssen dir erfahrene Leute helfen.“
„Und wer ?“ wimmerte Sarah. Sie haßte es. Warum mußte sie bei jeder Situation anfangen zu weinen. Aber sie konnte nicht anders.
„Wir sollten zu diesen Beratungsstellen gehen. Pro Familia zum Beispiel. Die Telefonnummer steht im Telefonbuch. Ich kann sie gleich raussuchen und einen Termin ausmachen.“
„Ich hab Angst.“ schluchzte sie. Marco kam zu ihr und nahm sie in seine Arme. „Das mußt du nicht. Ich bin immer für dich da. Ich liebe dich. Wenn du willst, geh ich mit dir da hin. Aber du mußt da einfach hin. Sonst packst du das nie. Und Jochen muß doch irgendwie zur Rechenschaft gezogen werden.“
„Ich kann ihn nicht anzeigen.“
„Das werden die alles mit dir besprechen.“ beruhigte er.
„Ich hab trotzdem Angst.“
„Ich weiß. Ich weiß. Aber es ist die einzige Möglichkeit.“
„Und ...“ Sarah traute sich kaum, die Frage zu stellen. „Kann ich denn erst mal hier bei dir bleiben ?“
Marco lächelte sie an . „Klaro. Das ist doch kein Problem.“
„Liege ich dir auch nicht auf der Pelle ?“ fragte sie leise.
„Nein. Niemals. Du kannst hier bleiben, solange du willst.“
Sarah drückte sich fest an ihn und gab ihm dann schüchtern einen Kuß auf den Mund.
 

Eberhard

Mitglied
nur kurz

Hi,

habe mir den text offline geladen und lese ihn in Ruhe durch. Werde mich dann ganz sicher melden...einfach toll, habe schon 2, 3 Zeilen intus, also ich melde mich...bis dahin sei herzlichst gegrüßt......;)
 

Eberhard

Mitglied
Unglaublich

Hallo Live,

nun ist es auf jeden Fall passiert, du hast einen neuen riesen Fan gewonnen. War ich schon bei E.n.l. Teil 1 begeistert war, so bin ich jetzt in deinem Bann.

Diese Geschichte, ist etwas was ich wirklich lange nicht mehr gelesen habe.
Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll, manchmal kommt es vor, dass ich etwas lese und die Seiten nur überfliege, querlese um blabla zu überlesen, aber du hast es geschafft, dass ich Zeile für Zeile gelesen habe, jede Zeile barg Spannung und Konflikt und hat mich unweigerlich in den Bann der nächsten Zeile geschickt. Jede Zeile gehört zur nächsten und die nächste zu der davor.
So wie sich Lust auf die nächste Zeile einstellt, ist auch Lust auf die nächste Seite da. Die ganze Geschichte ist so einfach gestrickt, du bedienst dich keinerlei Glitter und Schnörkel, die Dialoge sind kurz treffend, du verschwendst keine stundenlangen Erzählungen wie die Umstände um die Figuren ausschauen, du bringst kaum Interpretierungen von Aktion und Reaktion in die Geschichte, alles was ich da lese, passiert auch und der Rest ist unwichtig.
Du steuerst die Dialoge zwischen den Figuren so perfekt, hart, grausam, feindlich, verletzend, hilflos zwischen Sarah und Jochen. Herzlich, freundlich, verstehend zwischen Sarah und Chrissi. Verzweifelt, ignorand, dumm zwischen leiblicher Mutter und Sarah. Und dann lieb, zufrieden, befreiend, lustig, spielersch, enteckend, schutzgebend, verliebt und wahnsinnig zärtlich zwischen Sarah und Marco.
Ich habe kein mal geglaubt, jetzt kommt das Marco körperlich etwas von ihr will.
Ich war in die Geschichte dermaßen vertieft, dass ich jegliches Zeit und Raum Gefühl verloren habe (im Worddokument 15 Seiten).
Ein Genuß, gar so wie man seine Lieblingspeise in einem Feinschmeckerlokal bestellt und sich dann jeden Bissen gut und ausgiebig schmecken läßt, so habe ich dein Geschichte gelesen.
Wer hier etwas auszusetzen hat, den Buhe ich aus. Doch es wird niemand etwas auszusetzen haben.

Die Figuren sind so einfach und doch soooo stark, Chrissi die Freundin, die zu Sarah hält trotz vermeintlicher Nachläßigkeiten von Sarah, der Englisch Lehrer, Frau Hoffmann, die anderen und Marco. Der junge Mann der Sarah nicht wieder in die Klauen von Jochen geben kann. Und dann dieser Jochen diese Bestie, dieses widerwärtigste aller Geschöpfe dich ich in einer Geschichte getroffen habe, mir wäre beinahe ein Happyende mit einer grausamen Bestrafung am liebsten, aber du hast ein "Happy Ende" geschrieben , was selbstverständlich die logische Abfolge deiner Geschichte ist... ich muß mich wirklich bedanken für die geniale Geschichte.


Habe mir schon die anderen Geschichten von dir geholt, also bitte, schreibe kräftig weiter, es macht Spass, dich zu lesen :) :) :)
 

liveforever

Mitglied
danke

Hallo Eberhard!

Wow, vielen lieben Dank für die 1000 Komplimente, was meine Geschichte(n) angeht. Ich kam gerade aus dem Urlaub und war völlig aus dem Häuschen, als ich las, dass meine Geschichte "Einfach nur Leben" wieder gelesen wird. Und dann auch noch mit so einem Lob überschüttet. Ich freue mich, dass sie Dir gefällt.
Ich werde demnächst mal wieder eine andere etwas längere Geschichte einstellen. Muß sie nur noch überarbeiten. Hoffe, dass sie Dir dann auch zusagt *g*
Schön einen fan zu haben :)

Allerliebste Grüße, live
 

Eberhard

Mitglied
yep

Da bin ich aber froh, dass du aus dem Urlaub zurück bist,( hoffe er war schön ;) ) denn dann wirst du bestimmt gleich wieder mit dem Schreiben weitermachen..:D
Also mal ehrlich, meine Begeisterung für einfach nur leben, ist grenzenlos. Ich weiß nicht ob mir immer alles was du schreibst gefällt, gefallen wird. Aber das muß es ja gar nicht, welcher Autor gefällt schon allen, immer?
Momentan bin ich aber schwer überzeugt davon, dass das was du noch schreiben wirst, mir sehr wohl gefallen wird...;)

Also freue ich mich riesig auf deine nächsten Zeilen..cu
 



 
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