Einsam

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Pageman

Mitglied
Einsam

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Wie schwere Tücher hing der Nebel in den Bäumen. Die Sonne dieses Systems stach wie mit heißen Nadeln, Löcher hindurch. Von seinem Standort aus konnte er die ganze Lichtung überblicken. Ein paar Kuhhasen grasten auf der linken Seite. Diesen Namen hatte der Commander ihnen gegeben. Weil sie sich wie Hasen fortbewegten obwohl sie fast wie Kühe aussahen, und weil ihnen sowieso nichts besseres eingefallen war. Zwei gigantische Klauenträger jagten die Herde auseinander. Das waren wohl die größten Raubtiere dieses Planeten. Aber er brauchte sich deswegen keine Sorgen zu machen. Sie würden ihn nicht angreifen. Wohl waren sie ein-, zweimal hier gewesen und hatten an ihm geschnüffelt, aber dann waren sie wieder weitergezogen ohne großes Interesse an ihm zu bekunden. Er kümmerte sich jetzt erst mal um die Solarpaneele. Die waren durch die Feuchtigkeit der Nacht ganz naß und klamm. Sie mußten getrocknet und nach dem Sonnenstand gerichtet werden. Mit einem feinem Summen fingen sich die Flügel der Emitterplatten an zu drehen. Früher hätte er die Heizwendeln aktiviert, allerdings wußte er mittlerweile, daß die Sonne hier genug Kraft hatte um die Platten innerhalb weniger Minuten vollständig abzutrocknen. Das sie in dieser Phase eine etwas geringere Menge Energie lieferten war zu vernachlässigen. Einige Minuten vergingen bis die Energieproduktion auf voller Kraft war. Als die Systeminformatik Maximalstatus anzeigte, aktivierte er den Sender. Seit sie hier notgelandet waren, sorgte er jeden Tag dafür, das ein automatisches Notsignal zu der im Orbit stationierten Funkbake übermittelt wurde. Anfänglich hatte die Bake ja automatisch gesendet, aber nachdem sie von einem Mikrometeoriten beschädigt wurde, waren sie froh, daß man sie noch als Relais einsetzen konnte. Der Captain und der Techniker hatten sich diese Sendeanlage ausgedacht und es zu seiner Aufgabe gemacht, sie zu betreuen. Nun stand er hier und lies seinen Blick über die Lichtung schweifen. Für den Anfang hatte er heute alles getan, was er tun konnte. Die Anlage hatte Strom und setzte in regelmäßigen Abständen den Notruf ab. Das Diagnosemodul und die Empfangsbenachrichtigung waren aktiv und würden ihn über eventuell auftretende Fehler oder eingehende Funksprüche informieren. Jetzt hatte er Zeit zum Nachdenken.
Das Camp befand sich fast genau auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung. Das war immerhin fast 3 Kilometer Wegstrecke. Dort befand sich eine natürliche geologische Formation, die einen ziemlich guten Schutz vor den Tieren und den Wetterunbilden dieses Planeten bot. Die Sendestation mußte allerdings hier aufgestellt werden, damit die Orbitalbake sich im Richtstrahl der Antenne befand. Immerhin hatten sie Glück gehabt und noch einen Planeten mit atembarer Atmosphäre gefunden. Sonst wäre es aus gewesen. Einsam war es auf dieser Seite der Lichtung. Seit einiger Zeit hatte sich keiner der Kameraden mehr bei ihm blicken lassen. Langsam machte er sich Sorgen. An seinem rechten Bein wucherte bereits eine dieser Schlingpflanzen in die Höhe. Er konnte sie ja nicht selbst entfernen. Der Techniker hatte ihm damals seine Bewegungsfreiheit genommen. Er hatte ihm erklärt, daß das nötig wäre, damit er seine volle Aufmerksamkeit der Überwachung des Notsenders widmen könne. Damals hatte er es auch geglaubt. Der Techniker hatte ihn nie belogen. Warum sollte er es also gerade in einer so schweren Situation wie nach diesem Absturz tun. Jetzt machte ihn dieser Umstand allerdings nervös. Wenn diese Pflanze so weiterwuchs, würde sie ihn bald überwuchert haben. Früher war ja ab und zu noch jemand vorbeigekommen und hatte sich um ihn gekümmert. Es war schön wenigsten einmal am Tag mit jemanden reden zu können, auch wenn er nie eine Erfolgsmeldung geben konnte. Leider hatte sich ja bis jetzt niemand auf ihren Notruf gemeldet. Aber das war kein Grund zu resignieren. Sie konnten einige Zeit auf diesem Planeten überleben. Die Vegetation war genießbar. Es gab Wasser und es gab Wild. Und irgendwann würde es auch wieder Kontakt geben. Man mußten nur warten und überleben. Aber in der letzten Zeit machte er sich Sorgen. Schon seit einem Monat war keiner mehr vorbeigekommen, seit diesem seltsamen Abend.
An diesem Abend stand er wie immer hier und drehte die Sonarpaddel in Richtung Sonnenuntergang um noch eine Energiereserve für die Nacht zu erhaschen, als er das Zischen und Pulsen von Phaserwaffen hörte. Dort, wo sich das Camp befinden mußte, zogen sich die grellen Linien von Photonenschüssen durch den Abendhimmel. Es war ein unkoordiniertes, wildes Geballer, also konnte es sich nicht um eine Jagd handeln. Durch das Ereignis abgelenkt, hätte er fast vergessen den Sendebetrieb für diesen Tag abzuschalten. Nachdem er das getan hatte, wandte er sich wieder den Ereignissen auf der anderen Seite der Lichtung zu.
Die Schüsse erfolgten jetzt vereinzelter und weiter auseinander. Einer der Schützen schien sich sogar in seine Richtung zu bewegen. Nach und nach verebbte das Phaserfeuer. Nur der Schütze, der in Richtung seines Standortes lief, schoß noch ab und zu. So richtig wußte er nicht, wie er das Ganze einschätzen sollte. Aber wenn dieser Einzelne so weiterlief, würde er bald hier ankommen, und dann könnte er ihn ja fragen. Langsam wurde es dunkler und er langsam ungeduldig, als das Unterholz vor ihm in Bewegung geriet. Allerdings kam dort nicht der Captain oder einer der Anderen, sondern ein Krallenträger hervor. Zwischen den Krallen der vorderen Pranken hingen blaurote Stoffetzen und aus seinem Maul tropfte Blut. Er ahnte Schreckliches. Als er am nächsten Morgen den Sendebetrieb wieder aufnahm und die Paddel der Solaranlage in die Sonne drehte, sah er seine Befürchtungen bestätigt. Unweit von ihm lagen die Überreste eines menschlichen Körpers.
Mittlerweile hatten die Aasfresser die Knochen blankgeputzt. Jetzt schimmerten sie nur noch kalkig weiß in der Sonne. Seit diesem Abend war niemand mehr gekommen. Waren alle tot oder hatten sie nur Angst die weite Strecke zu ihm herüber zu laufen. Er wußte ja auch nicht, ob der Rover kaputt war. Immerhin wäre die Strecke mit diesem Gefährt nur ein Katzensprung.
Jetzt stand er hier und wucherte langsam zu. Und das Schlimmste war, er konnte weder etwas gegen die Pflanzen tun noch nachschauen, was mit den anderen Kameraden passiert war. So verging einige Zeit.
Eines Tages hörte er Schritte. Das waren eindeutig Schritte von Menschen. Mittlerweile hatte er gelernt die Kuhhasen und die Krallenträger an ihren Bewegungsgeräuschen zu unterscheiden. Auch die anderen Tiere konnte er auseinanderhalten, doch das waren eindeutig die Schritte von Menschen. Kamen seine Kameraden nach so langer Zeit wieder, um nach ihm zu schauen? Er konnte es nicht sehen, da er gänzlich mit Pflanzen bedeckt war. Auch vor seinem Gesicht hatte sich ein regelrechtes Dickicht gebildet. Die Schritte kamen ganz nahe und plötzlich wischte eine Hand die Zweige von seinem Augen.

„Ich hatte Recht, Mike! Hier ist die Sendestation, und sieh mal, durch was sie gesteuert wird!“
Der so Angesprochene trat näher. „Eine XP3-Einheit ?! Ich werd verrückt! Die haben tatsächlich eine XP3-Einheit zu einem Notrufsender umgebaut?!“ „Ist schon erstaunlich einen einfachen Serviceroboter als Transceiver zu benutzen. Ich werde mal dem Captain Bescheid geben.“ „Ja tu das Frank, ich schau mich noch ein wenig um.“
 
F

FirstAid

Gast
Eine schöne Kurzgeschichte! Wie bist du auf die Idee gekommen sie zu schreiben?
 

Pageman

Mitglied
Wie ich auf die Idee gekommen bin? Keine Ahnung! Solches Zeug fällt mir meist während der Arbeit ein. Es ist nur das erste Mal, das ich es aufschreibe und irgendwo veröffentliche.
 

Volker Kock

Mitglied
Sollte das Dein erster Anfang sein, so ist er originell gelungen.

Isaack Asimov hat seit den fünfziger/sechziger Jahren viele Geschichten um Roboter geschrieben. Teilweise ganze Romane. Schlicht lesenswert.

Weder stilistisch noch von der Originalität her, finde ich, gibt es an Deiner Kurzgeschichte was zu deuteln. Wann kann man mit einer neuen Geschichte rechnen?

Volker
 

Pageman

Mitglied
In Sachen Robotergeschichten fallen mir jetzt nur die "Robotermärchen" von Stanislaw Lem ein. Eine neue Geschichte ist bereits in Arbeit. Diesmal allerdings aus dem Star Trek Universum. Als kleiner Trekkie muß ich ja auch mal sowas abliefern.
 



 
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