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T

Thys

Gast
Hallo HerbertH,

im Prinzip gefällt's mir.
der Text "scheint" beim ersten Lesen etwas widersprüchlich.
Absicht?!

In Strophe 1 trinkst Du gedankenlos (vor Dich hin). Dann
erkennen die Gedanken Dein Los, Du akzeptierst, denkst sie.

In Strophe 2 wirst Du von der neu erkannten gedachten
Erkenntnis trunken (natürlich dieses Mal ohne Alk).
Enthaltsam interpretiere ich hier als Lebensenthaltsam.

In Strophe 3 kommt die Quintessenz aus 1 und 2. Die
Erkenntnis, dass ein reales Leben (wie auch immer) in jedem
Fall besser als ein betäubtes ist.


Ob Erleben dauerhaft sei,
das Ist aber lächerlich?

Das ist meiner Meinung nach überflüssig.


Ich tauche, aus der Tiefe,
noch lächle ich, an die Oberfläche.

Das sieht hier jetzt wie ein kompletter Widerspruch aus.
Ich sehe es aber so. Aus der dumpfen, dunklen Tiefe des
Suffs an die Oberfläche des bewussten (Er)Lebens.

"Noch lächle ich". Ein zwiespältiges Gefühl. Die Freude
über die Erkenntnis, über den Abschied vom Suff und
gleichzeitig eine schlummernde Angst, was LI erwartet und
ob sich die "neuen" Hoffnungen erfüllen.

Gruß

Thys
 

HerbertH

Mitglied
Hallo Thys,

zum Teil widersprüchlich, vielleicht auch gebrochen: Das ist gewollt, weil auch Thema, insbesondere soll das Komma hinter der [red]Tiefe[/red] stehen.

Die von Dir angeführten Zeilen sind letztlich auch dem Spiel mit der Sprache geschuldet, aber auch stark thematisch für mich:

Alkohol ist nicht das Thema, wie es vielleicht scheint, die erste Zeile führt den Leser da sicherlich leicht auf die falsche Fährte.
Ich denke mal über eine Änderung dieser Zeile nach.

Denn eigentlich geht es mir um die Wahrnehmung des eigenen Erlebens, ob das oberflächlich oder tiefgründig ist, ob man so leicht an der Oberfläche dahinplätschert oder es schafft, genauer über sich nachzudenken.

Vielen Dank für die Auseinandersetzung mit dem Gedicht.

Liebe Grüße

Herbert
 

Vera-Lena

Mitglied
Oh weh, das macht mir jetzt richtig Angst, Herbert. Rousseau hat sich in sich selbst zurückgezogen als ein Flüchtender. Kleist hat sich in sich selbst zurückgezogen als ein Flüchtling.
Mir scheint, alles nur in der eigenen Tiefe suchen zu wollen, ist auf Dauer eine gefährliche Wanderung. Da Dein Text "Antworte" dasselbe Thema in sehr aggressiver Form behandelt, gibt mir das einen Anlass, besorgt zu sein.

Behutsamkeit tut jetzt Not und der Austausch mit anderen Wanderen, die sowohl innen wie außen nach dem Eigentlichen suchen.

Deine Spielerei mit den Wörtern ist geradezu ein Deckmantel für eine Verzweiflung, so teilt sich mir das mit.

Gute Wege wünscht Dir
Vera-Lena
 

HerbertH

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

vielen Dank für die lieb gemeinten Worte.

Interessant finde ich Deine Einschätzung des Antworte Gedichts.

Es ist möglich, dass Du als sehr sensible Leserin da Sachen bemerkst, die
mitschwingen, ohne dass mir das ganz bewusst gewesen ist.

Ich sehe das Schreiben als ein sehr vielschichtiges Ding, bei dem natürlich auch Eindrücke verarbeitet werden und man sich und anderen auf die Spur kommen kann.

Liebe Grüße

Herbert
 

HerbertH

Mitglied
Lang hab ich Leben getrunken,
gedankenlos. Gedanken
des Loses, nun denke ich sie.

Das Los der Gedanken, trunken
macht's mich, den lang
schon Enthaltsamen.

Lang hab das Ist ich gelebt,
oberflächlich. Ob es flach
ist und bleibt, es wird mir
nun wichtig, mein Leben.

Ob Erleben dauerhaft sei,
das Ist aber lächerlich?
Ich tauche, aus der Tiefe,
noch lächle ich, an die Oberfläche.
 
T

Thys

Gast
Kleine Änderung, große Wirkung. Jetzt lese ich den Text anders und mir kommt kein Gedanke mehr an Alkohol und möglichen Verbindungen. Die vorgeschlagene Streichung nehme ich in dem Zusammenhang auch zurück.
 



 
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