Da sitzt sie vor mir: dünn, nein, mager, mit trüben Augen und strähnigem Haar, das Gesicht voller Falten und die Lippen sind so rot bemalt, daß es jeder deutschen Nutte zu viel wäre. Der lilafarbene Nagellack blättert schon ab und einzig die beigen Stöckelschuhe passen zum pumagemusterten Kleid, dessen tief ausgeschnittenes Dekolleté den Blick auf etwas frei gibt, was sich eigentlich niemand traut anzusehen. Um mein Bild von der osteuropäischen Frau über 50 aufrecht zu erhalten, hätte sie eigentlich rote Pumps dazu tragen müssen. Mein Blick fällt in eine Ecke ihres kleinen, spärlich eingerichteten Zimmers und ich bin beruhigt, denn da stehen sie: rote Plüschpantoffel – mein Vorurteil wurde wenigstens halbwegs bestätigt. Ein Hauch von Flieder liegt in der Luft – sagte ich Hauch? – ich meine eine Wolke, eine Cumuluswolke umgibt sie.
Sie bietet mir eine Tasse Kaffee an, türkisch und stark. Ihre Hände zittern, als sie das Tablett abstellt. Ich sehe sie an und weiß, sie wird die Prüfung nicht bestehen. Trotzdem trinken wir unseren Kaffee und ich erkläre ihr Aufgabe für Aufgabe.
Du weißt es doch! Nun konzentrier dich endlich und sag es einfach!
Schweigen,
langes Schweigen.
„Bitte helfen Sie mir bestehen Prüfung!“
Habe ich versagt? Habe ich es ihr nicht deutlich genug erklärt? Habe ich zu wenig geübt? Bin ich ein schlechter Lehrer?
Noch eine Stunde quälen wir uns mit Lückentexten, multiple-choice-Aufgaben, Zeitungsanzeigen, Grammatikübungen und Ausdrucksfragen. Immer wieder lesen, nachdenken, schreiben, wiederholen, noch mal lesen, lange überlegen, nachschlagen, erklären, warten und hoffen.
Mit einem aufmunternden Blick und den Worten „Sie schaffen das!“ verabschiede ich mich. „Warten Sie! Ich haben ... nein ... habe ein Geschenk für Ihnen.“ Für Sie – denke ich, unterlasse aber jeden Berichtigungsversuch. Ich will raus! Sie drückt mir eine kleine Schachtel in die Hand. „Danke!“, sage ich, stecke die Schachtel ein und trete in die Sonne. Als die Tür endlich hinter mir zu ist, weiß ich nicht recht, ob ich weinen oder lachen soll.
Ich gehe nach Hause und mit jedem Schritt werde ich trauriger. Diese Frau fasziniert mich, sie tut mir leid und sie begeistert mich, ich würde es ihr so sehr wünschen, aber in drei Tagen wird sie in ihre Heimat fliegen – ohne das lang ersehnte Zertifikat.
Eine Woche später klingelt das Telefon: „Hallo, hier Eljena. Ich bin zu Hause und wollen sagen, daß ich bestanden Prüfung und nur wegen Ihnen! Viele Dank!“
Sie hat es wirklich geschafft? Ich bin stolz auf sie, aber auch ein wenig auf mich.
Ich suche die Schachtel, die sie mir gegeben hat. Ah, da ist sie ja. Ich muß lachen: Fliederparfüm!
Danke, Eljena!
Sie bietet mir eine Tasse Kaffee an, türkisch und stark. Ihre Hände zittern, als sie das Tablett abstellt. Ich sehe sie an und weiß, sie wird die Prüfung nicht bestehen. Trotzdem trinken wir unseren Kaffee und ich erkläre ihr Aufgabe für Aufgabe.
Du weißt es doch! Nun konzentrier dich endlich und sag es einfach!
Schweigen,
langes Schweigen.
„Bitte helfen Sie mir bestehen Prüfung!“
Habe ich versagt? Habe ich es ihr nicht deutlich genug erklärt? Habe ich zu wenig geübt? Bin ich ein schlechter Lehrer?
Noch eine Stunde quälen wir uns mit Lückentexten, multiple-choice-Aufgaben, Zeitungsanzeigen, Grammatikübungen und Ausdrucksfragen. Immer wieder lesen, nachdenken, schreiben, wiederholen, noch mal lesen, lange überlegen, nachschlagen, erklären, warten und hoffen.
Mit einem aufmunternden Blick und den Worten „Sie schaffen das!“ verabschiede ich mich. „Warten Sie! Ich haben ... nein ... habe ein Geschenk für Ihnen.“ Für Sie – denke ich, unterlasse aber jeden Berichtigungsversuch. Ich will raus! Sie drückt mir eine kleine Schachtel in die Hand. „Danke!“, sage ich, stecke die Schachtel ein und trete in die Sonne. Als die Tür endlich hinter mir zu ist, weiß ich nicht recht, ob ich weinen oder lachen soll.
Ich gehe nach Hause und mit jedem Schritt werde ich trauriger. Diese Frau fasziniert mich, sie tut mir leid und sie begeistert mich, ich würde es ihr so sehr wünschen, aber in drei Tagen wird sie in ihre Heimat fliegen – ohne das lang ersehnte Zertifikat.
Eine Woche später klingelt das Telefon: „Hallo, hier Eljena. Ich bin zu Hause und wollen sagen, daß ich bestanden Prüfung und nur wegen Ihnen! Viele Dank!“
Sie hat es wirklich geschafft? Ich bin stolz auf sie, aber auch ein wenig auf mich.
Ich suche die Schachtel, die sie mir gegeben hat. Ah, da ist sie ja. Ich muß lachen: Fliederparfüm!
Danke, Eljena!