Elternführerschein

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rothsten

Mitglied
Wenn ich an den Kühlschrank wollte, kam mein Vater mit der Taschenlampe und warf sie nach mir. Ich sollte meine Finger von den Lebensmitteln lassen. Irgendwann fing er an, die Einkäufe zu verstecken, damit ich nichts davon essen konnte. An den Kühlschrank durfte ich nur, wenn ich ihm ein bisschen was von dem wenigen Geld gab, das mir Oma zugesteckt hatte. Er kaufte davon Getränke am Kiosk. Ich musste Kranwasser trinken.

Wir hatten eine Ölheizung, mein Vater tankte aber nie. In meinem Zimmer waren es gefühlte zehn Grad minus. In den anderen Räumen standen Kaminöfen. Mein Vater versprach mir, wenn ich Holz hacke und den Schnee schaufle, bekomme ich was zu essen. Also erledigte ich die Aufgaben. Zu essen bekam ich trotzdem nichts. Stattdessen wurde mir Prügel angedroht – und ausgeführt. Ich bekam Sie jeden zweiten Tag, auch mit Gegenständen, alles, was er in die Hände bekommen konnte. Nur weil ich ihm nicht helfen konnte oder einfach nur was essen wollte. Im Winter hat er mich abends regelmäßig vor die Tür gesetzt und erst mitten in der Nacht wieder rein gelassen.

Toilettenpapier bekam ich keines. Ich sollte Zeitungspapier nass machen und benutzen. Ich besitze nur zwei Hosen, die sind total kaputt, ich bekomme kein Geld für neue. Unserem Hund geht es besser als mir, er bekommt jeden Tag was zu essen. Wenn das Kindergeld aufs Konto kommt, gibt meine Mutter alles für Kosmetikartikel aus. Das Geld vom Amt versäuft mein Vater.

Mein Vater schlug auch meine kleinen Geschwister. Ich glaube, dass mein Vater auch meine Mutter schlägt, gesehen habe ich es aber noch nie. Er hat schon mehrfach gedroht, sie umzubringen. Ich habe Mutter schon oft den Schnaps im Haus verstecken sehen. Sie heult dabei und sagt, es müsse ja weitergehen.
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo Rothsten,

ich bin ratlos … was willst Du mit dieser Geschichte ausdrücken? Warum wechselst du ständig die Zeiten, so dass für den Leser nicht einmal erkennbar ist, ob dieses Martyrium noch andauert oder sich in der Vergangenheit abgespielt hat? Warum sind Vater und Mutter so geworden, wie sie sind? Wofür steht der Titel?

Mir fehlt hier ganz vieles für eine richtige Geschichte. In der jetzigen Fassung wirkt sie auf mich nur wie ein Konzept, das es auszuarbeiten gilt. Vielleicht kannst Du ja noch mehr daraus machen.

Gruß Ciconia
 
A

aligaga

Gast
Hallo @rothsten,

dein bemerkenswerter Text klingt bedrückend authentisch. Ich hoffe sehr, dass er nicht anteilig autobiografisch gefärbt ist.

Alles Weitere, was @ali dazu einfiele, hat er vor ein paar Tagen schon an anderer Stelle abgelassen und sehr bemerkenswerte Reaktionen erhalten.

Wenn du Lust hast, dann [blue]guck doch mal da[/blue]! Du brauchst nicht darauf zu antworten, schau's dir nur mal an. Vielleicht kannst du ja etwas damit anfangen.

Gruß

aligaga
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo rothsten,

eine Geschichte ist das nicht, eher eine Bestandsaufnahme eines bedauernswerten Zustands.
Versuche lieber, einen Tag aus der Sicht des Protagonisten zu (be)schreiben.

@aligaga:

Unterlasse Hinweise auf eigene Texte!


LG DS
 

rothsten

Mitglied
Wenn ich an den Kühlschrank wollte, kam mein Vater mit der Taschenlampe und warf sie nach mir. Ich sollte meine Finger von den Lebensmitteln lassen. Irgendwann fing er an, die Einkäufe zu verstecken, damit ich nichts davon essen konnte. An den Kühlschrank durfte ich nur, wenn ich ihm ein bisschen was von dem wenigen Geld gab, das mir Oma zugesteckt hatte. Er kaufte davon Getränke am Kiosk. Ich musste Kranwasser trinken.

Wir hatten eine Ölheizung, mein Vater tankte aber nie. In meinem Zimmer waren es gefühlte zehn Grad minus. In den anderen Räumen standen Kaminöfen. Mein Vater versprach mir, wenn ich Holz hacke und den Schnee schaufle, bekäme ich was zu essen. Also erledigte ich die Aufgaben. Zu essen bekam ich trotzdem nichts. Stattdessen wurde mir Prügel angedroht – und ausgeführt. Ich bekam Sie jeden zweiten Tag, auch mit Gegenständen, alles, was er in die Hände bekommen konnte. Nur weil ich ihm nicht helfen konnte oder einfach nur was essen wollte. Im Winter setzte er mich abends regelmäßig vor die Tür und ließ mich erst mitten in der Nacht wieder rein.

Toilettenpapier bekam ich keines. Ich sollte Zeitungspapier nass machen und benutzen. Ich besaß nur zwei Hosen, die waren total kaputt, ich bekam kein Geld für neue. Unserem Hund ging es besser als mir, er bekam jeden Tag was zu essen. Wenn das Kindergeld aufs Konto kam, gab meine Mutter alles für Kosmetikartikel aus. Das Geld vom Amt versoff mein Vater.

Mein Vater schlug auch meine kleinen Geschwister. Ich glaube, mein Vater schlug auch meine Mutter, gesehen habe ich es aber nie. Er hatte mehrfach gedroht, er bringe sie um. Ich habe Mutter schon oft den Schnaps im Haus verstecken sehen. Sie heulte dabei und sagte, es müsse ja weitergehen.
 

rothsten

Mitglied
@Ciconia:

Vielen Dank für Deinen Hinweis auf den Wechsel der Tempi. Ja, ich setzte bewusst die Gegenwart ein, um es Andauern zu lassen und um mehr Nähe zu erzeugen. Ich stiftete dadurch wohl eher Verwirrung, daher habe ich es geändert. Passt es jetzt besser?

Das "Konzepthafte" ist ebenfalls Absicht, ich verzichte bewusst auf Rückblenden etc. Es wird nur kurz das Licht angeknipst.

Was der Text will? Der Titel verrät es. Und manchmal schaut man einfach nur auf anderer Menschen Leben oder wie man das nennen soll. Man nennt das heute Reality-TV, ich nenne es Voyeurismus. Ein Trieb, so alte wie die Menschheit selbst.

@ali:

Nein, mein Leben ist es nicht. Ich kenne aber bestens solche Menschen und weiß daher, wovon ich rede. Du verstehst? Mir war übrigens völlig klar, dass Du den Text "bemerkenswert" findest. Er ist authentisch, absolut!

@DocSchneider:

Nein, eine fertig erzählte Geschichte will es nicht sein, ich werde auch keine daraus basteln, denn das wäre was völlig anderes, was ich Euch mitzuteilen habe. Es ist kein belletristischer Text, ich will Euch nicht unterhalten, ich will Euch eine Anregung zum Nachdenken geben, zum Mitfühlen, gegen das Wegschauen. Fast alles, was ich hier lese, ist reiner Mainstream, die Spreu trennt sich fast ausschließlich in der Kunst des Handwerks; ich messe dem Handwerk die überragende Bedeutung zu, weiß, das Schreiben nur mit Fleiß, Beharrlichkeit und Lernbereitschaft gelingen kann (siehe mein Profiltext), und ich werde hierzu noch oft genug um Eure Hilfe bitten, aber:

-> Ob ich Worte gefunden habe, die es echt erscheinen, Euch mitfühlen lassen. Darum geht es mir in diesem Text.

Ich war mir auch nicht ganz sicher, ob "Kurzgeschichten" das richtige Forum ist. Immerhin erfüllt es einige der Foren-Kriterien wie zB "in medias res" und "offener Ausgang". Aber ich hätte auch kein Problem damit, wenn Du es in eine andere Abteilung verfrachtetest. Vielleicht nach Kurprosa? Ich vertraue Deiner Erfahrung und akzeptiere Dein Urteil. ;-)

Mein nächster Text wird eine "echte" Erzählung werden, ich arbeite bereits daran. Ich fänds schön, Deine Meinung, einen Abgleich bekommen zu können, ob ich erzählen kann oder nicht und wieso/weshalb/warum. Dann gehts mir wieder mehr ums Handwerk; versprochen. ;-)

lg
 
A

aligaga

Gast
Mein Text ist inzwischen längst keiner mehr, sondern nur noch eine Diskussionsgrundlage im "Lupanum", die keiner Bewertung mehr unterliegt, @Doc.

Warum ich - bei gegebener Sachlage! - nicht auf dieses Thema hinweisen sollte, versteh ich jetzt nicht. Ich habe im "Lupanum" ja auch auf die Texte von @rothsten und von @joezoe aufmerksam gemacht. Was spricht dagegen? Ich glaube nicht, dass dieses Forum dadurch Schaden litte. Ganz im Gegenteil!

Gruß

aligaga
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo Rothsten,

das ist zwar nach der Überarbeitung schon besser, aber eine Kurzgeschichte ist es auf keinen Fall. Es gibt einfach keine Handlung. Ich würde es am ehesten bei Kurzprosa sehen.

Du hat Dich jetzt für eine Zeitform entschieden – das Präteritum -, die die Geschehnisse für meinen Geschmack zu weit wegrücken lässt. Ich probiere bei meinen Geschichten meistens verschiedene Formen aus und entscheide dann, was am besten das ausdrückt, was ich mitteilen möchte. Oft wirkt z. B. ein Text in der 1. Person völlig anders als in der 3., im Präsens anders als im Präteritum. Versuch mal verschiedene Versionen, Du wirst staunen.
Ich meine, in diesem Fall wäre eine Schilderung im Präsens wesentlich eindringlicher, der Leser fühlt viel leichter mit, als wenn jemand aus der Vergangenheit erzählt.

Einige kleine Feinheiten würde ich noch ausbessern:
ein bisschen [red][strike]was[/strike][/red]
bekäme ich [red]was[/red] [blue]etwas [/blue]zu essen
er bekam jeden Tag [red]was[/red][blue] etwas[/blue] zu essen
Ich bekam [red]Sie[/red] [blue]sie[/blue] jeden zweiten Tag
Entscheide Du, was Du von diesen Tipps gebrauchen kannst.

Gruß Ciconia
 

rothsten

Mitglied
Nochmals besten Dank, Ciconia, für Deine Tipps. Ich schreibe das mal ins Präsens. Mal gucken, was mir besser gefällt. Ein interessanter Weg, den eigenen Text mehrfach zu schreiben. Bislang habe ich das höchstens gemacht, um ihn zu polieren.
 

Zeder

Administrator
Teammitglied
Warum ich - bei gegebener Sachlage! - nicht auf dieses Thema hinweisen sollte, versteh ich jetzt nicht. Ich habe im "Lupanum" ja auch auf die Texte von @rothsten und von @joezoe aufmerksam gemacht. Was spricht dagegen? Ich glaube nicht, dass dieses Forum dadurch Schaden litte. Ganz im Gegenteil!
Gruß

aligaga[/quote]

Hallo aligaga,

unsere Forenregeln sind eindeutig, und du kennst sie schon lange ...

Mahnende Grüße von Zeder
 
A

aligaga

Gast
Ich habe den fraglichen Text im Lupanum gelöscht und hoffe, das war in deinem Sinne.

Gruß

aligaga
 

Maribu

Mitglied
Hallo rothsten,

das ist ja ein lakonisch geschriebener Text, ohne anzuklagen, und vielleicht gerade deshalb so bedrückend!

Obwohl die "Ich-Form" ja nicht autobiographisch sein muss,
vermute ich es hier.

Die Mutter war ja wohl sehr schwach und überfordert, dass Kindergeld bei der Armut und Sparen am falschen Ende, für Kosmetik auszugeben! - Es bestand eine Co-Abhängigkeit, bei der sie auch das Leiden der Kinder nicht erkennen konnte.
Sie sagte, es müsse ja weitergehen. - Aber wie?

Lieben Gruß
Maribu
 

rothsten

Mitglied
@Maribu:

Danke für Deine Eindrücke. Der Stil ist bewusst gewählt; es freut mich, dass Du ihn auch so aufgenommen has, wie er gemeint ist. Das macht Mut. :)

Deine Sorge ist rührend, aber unbegründet. Ich hatte eine (meist) akzeptable Kindheit und Jugend. ;-)

@Doc:

Danke fürs Verschieben.
 



 
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