Endlich

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tinchen

Mitglied
Sie war leer. So was von leer, als er aufgehört hatte, mit ihr zu sprechen. Zumindest hatte er endlich mit ihr gesprochen.
Vorher hatte er nur geschwiegen. Hatte ihr jede Möglichkeit offen gelassen.
Was schlimmer war, konnte sie gar nicht beurteilen. Er hatte ihr was genommen, was konnte sie zu dem Zeitpunkt gar nicht sagen.
Sie saß in ihrem Auto. Brauste die Straße entlang. Ungewiss, was sie am Ende erwarten würde. Am Ende der Strecke könnte sie die Wahrheit erwarten.
Die Wahrheit, dass alles nicht echt war, nicht wahr war. Dass sie nicht in diesem einzelnen Moment getäuscht wurde, sondern in all den Augenblicken, Stunden, Wochen und Monaten zuvor.
Dass sie sich vielleicht eingelassen hatte, sich gezeigt hatte, mit all dem, was sie ausmachte. Und mit dem Ergebnis, dass es nicht richtig war. Dass er sie nur benutzt hatte.
Aber dass konnte ja nicht sein. Wie oft hatte er ihr gesagt, dass er sie lieben würde. Wie oft hatte er, wie lächerlich, wie sie das auch immer in den Momenten empfunden hatte, ihr einen Heiratsantrag gemacht. Vor ihren Freunden, ihren Geschwistern. Vor seiner Familie. Das konnte doch alles nicht der Wahrheit entsprechen.
Sie konnte vor lauter Tränen kaum noch das Auto steuern und hielt am Seitenstreifen, mitten im nirgendwo an.
Sie ging ein paar Schritte, um sich zu beruhigen.
Sie weinte, endlose Tränen. Und wusste nicht, wie es jemals weiter gehen sollte.
Doch dann schmunzelte sie auf einmal wieder.
Sie wusste doch, wie er war. Warum hatte sie nicht vorher daran gedacht.
Sie musste innerlich lachen. Mann, es war doch beim letzten Mal auch so gewesen. Es war der Moment, der für ihn doof, etwas schwer war.
Morgen würde er sich wieder melden. Würde sich weinend vor sie knien. Sie wieder anflehen, ihm zu verziehen.
Er fühlte sich manchmal einfach unter Druck gesetzt von den anderen. Von seinen sogenannten Freunden, die ich zwar ewig im Stich gelassen hatten, zu den Zeiten, wo eine Freundschaft mit ihm einfach unbequem, stressig gewesen wäre.
Aber jetzt, wo sie ihn nicht mehr fahren mussten, sich nicht mehr um ihn kümmern mussten, waren sie wieder da.
Und da – musste sie nicht dafür Verständnis zeigen – waren sie eben wieder wichtig; eben gute Freunde. Die, die immer da waren. Die, die man brauchte zur Unterstützung. Da ist es doch klar, dass ihre Meinung zählen würde.
Das hatte sie anscheinend einfach einen kleinen Moment ausgeblendet und vergessen.
Aber wie auch beim letzten Mal, würde er auch dieses Mal irgendwann einsehen, was wirklich zählte, auf wen er sich wirklich verlassen konnte. Auf sie.
Sie stieg mit ihrem Handy in der Hand wieder selbstsicher, verständnisvoll nickend wieder zurück ins Auto.
Wie konnte sie nur so dumm sein, ihm zu glauben, dass er sie wirklich nicht mehr lieben würde. Idiotisch. Sie hatte sich nur vertan.
Er liebte sie. Was für ein beruhigendes Gefühl. Und wahrscheinlich würde er auch schon lange wieder bereuen, dass er sie mit seinen Worten getroffen und verletzt hatte.
Sie wusste doch, wie er war.
Er versprach ihr die Zukunft. Wollte mit ihr Kinder haben. Den Hof der Eltern übernehmen. Er wollte eine Zukunft mir ihr, mit allem, was da warten würde. Aber natürlich brauchte er auch seine Freunde. Da ist es doch klar, dass er auch mal straucheln würde, unsicher werden würde.
Denn eigentlich war er es doch am Anfang gewesen, der sich sicher war. Der von Anfang an bemerkt hatte, wie groß das zwischen ihnen war.
Als sie den Motor wieder startete, schüttelte sie mit dem Kopf. Ein Lachen auf den Lippen, weil sie so schlecht von ihm und seinen Worten gedacht hatte.
Was hatte er schon gesagt: Dass er sie nicht mehr lieben würde, sie kein Verständnis für ihn und seine Bedürfnisse – seine Freunde zu sehen – hatte. War auch wirklich etwas übertrieben, dass sie ihm nicht zugestehen konnte, dass diese Leute wirklich seine Freunde waren.
Es ist ja auch wirklich anstrengend, für einen Freund da zu sein, der eben keinen Führerschein hatte, weit weg wohnte, viel zu tun hatte. Da konnte es auch einfach passieren, dass man sich eben eine Zeitlang, ein paar Wochen, vielleicht auch Monate, von der Person zurückziehen würde.
Aber, das hatte ja nichts mit ihnen zu tun. Da war ja viel mehr.
Das viel mehr, war ganz am Anfang. Als sie wirklich noch beide gezweifelt haben. Als auf einmal das Ergebnis, die Gewissheit da war. Sie würden ein Kind bekommen. Kurz nach dem sie das erste Mal überhaupt Sex hatten. Kurz nach dem feststand, es könnte wahrscheinlich wirklich was sein, zwischen ihnen beiden.
Wie schwer war die Entscheidung gefällt worden, sie nicht zu bekommen. Sondern erst mal ihnen eine Chance zu geben.
Wie konnte sie das nur ausblenden, in dem Moment, wo er sie nicht einmal mehr anschauen konnte, vor wenigen Minuten, nicht einmal eine Stunde her.
So kurz danach hatten sie doch klar, hatte er immer wieder betont, wie sehr er sich auf seine eigenen Kinder gefreut hatte.
Sie war wirklich naiv gewesen, als sie ihm eben geglaubt hatte, dass es dieses Mal ernsthaft geglaubt hatte, es sei alles vorbei.
Sie wählte seine Nummer, mit der Gewissheit, dass er schon auf ihren Anruf gewartete hatte.
Genauso wie er auf ihr ernsthaftes Ja gewartete hatte, auf all seine Anträge, die sie belacht hatte, wenn er wieder mal von ihrer gemeinsamen rosigen Zukunft geträumt hatte.
Sie lauschte dem Tuten, während sie nach einem Wendemanöver wieder ihm entgegen steuerte.
Und sie freute sich innerlich wieder. Sie freute sich, sein Gesicht zu sehen. Die Sicherheit, die er ihr und der Beziehung entgegengebracht, schon nach einigen Wochen, als sie noch zweifelte. Sich so vielen Unwegsamkeiten entgegen stellte, wie dem Alter, seinem Job, dem Hof, der gemeinsamen Zukunft. Er schaffte es immer wieder, sie zu beruhigen.
Ob nach der Entscheidung, das junge Leben noch nicht in ihre gemeinsame Zukunft zu lassen, oder auch nach dem letzten Mal, als er verwirrt war und ihr kalt und unerwartet zu sagen, dass alles vorbei sei.
Als nicht er den Hörer abnahm, sondern sein bester Freund, musste sie lächele. Da erwartete sie anscheinend schon das erste Friedensangebot.
Etwas verwundert war sie, als sie keine Antwort auf ihre Frage, ob es ihm gut gehen würde, bekam, sondern nur Gelächter über irgendwen.
Sie lachte einfach mit ihnen. Hatte sie ihm zufolge eh viel zu selten gemacht.
Erst dann hörte sie ihren Namen. Und seine Stimme.
Ihr Lächeln gefror.
Sie nahm die Straße nicht mehr wahr, als sie ihn flüstern hörte. Lachend. Als er ihnen erzählte.
Von den Zukunftsplänen. So utopisch. Wie dumm war er nur gewesen.
Ihre Hände umklammerten krampfhaft das Lenkrad.
Und sie hörte, wie er lachte, darüber, dass sie gedacht hatte, er wolle Kinder mit ihre. Wie sie einfach nicht mit ihr abschließen konnte. Dem Kind, dass ihr nach wie vor nahe war, auch wenn sie sich dagegen entschieden hatte.
Er hatte sie nicht wahrgenommen. Nicht in diesem Augenblick. Nicht in irgendeinem Augenblick. Nicht in diesem entscheidenden Augenblick.
Ihre Tränen nahmen ihr nicht genügen die Sicht. Die Aussicht auf ein Ende der Schmerzen, die Sicht auf den Baum, der erwartungsvoll das Ende ankündigte. Der ein Ende war.
 

tinchen

Mitglied
Sie war leer. So was von leer, als er aufgehört hatte, mit ihr zu sprechen. Zumindest hatte er endlich mit ihr gesprochen.
Vorher hatte er nur geschwiegen. Hatte ihr jede Möglichkeit offen gelassen.
Was schlimmer war, konnte sie gar nicht beurteilen. Er hatte ihr was genommen, was konnte sie zu dem Zeitpunkt gar nicht sagen.
Sie saß in ihrem Auto. Brauste die Straße entlang. Ungewiss, was sie am Ende erwarten würde. Am Ende der Strecke könnte sie die Wahrheit erwarten.
Die Wahrheit, dass alles nicht echt war, nicht wahr war. Dass sie nicht in diesem einzelnen Moment getäuscht wurde, sondern in all den Augenblicken, Stunden, Wochen und Monaten zuvor.
Dass sie sich vielleicht eingelassen hatte, sich gezeigt hatte, mit all dem, was sie ausmachte. Und mit dem Ergebnis, dass es nicht richtig war. Dass er sie nur benutzt hatte.
Aber dass konnte ja nicht sein. Wie oft hatte er ihr gesagt, dass er sie lieben würde. Wie oft hatte er, wie lächerlich, wie sie das auch immer in den Momenten empfunden hatte, ihr einen Heiratsantrag gemacht. Vor ihren Freunden, ihren Geschwistern. Vor seiner Familie. Das konnte doch alles nicht der Wahrheit entsprechen.
Sie konnte vor lauter Tränen kaum noch das Auto steuern und hielt am Seitenstreifen, mitten im nirgendwo an.
Sie ging ein paar Schritte, um sich zu beruhigen.
Sie weinte, endlose Tränen. Und wusste nicht, wie es jemals weiter gehen sollte.
Doch dann schmunzelte sie auf einmal wieder.
Sie wusste doch, wie er war. Warum hatte sie nicht vorher daran gedacht.
Sie musste innerlich lachen. Mann, es war doch beim letzten Mal auch so gewesen. Es war der Moment, der für ihn doof, etwas schwer war.
Morgen würde er sich wieder melden. Würde sich weinend vor sie knien. Sie wieder anflehen, ihm zu verzeihen.
Er fühlte sich manchmal einfach unter Druck gesetzt von den anderen. Von seinen sogenannten Freunden, die ihn zwar ewig im Stich gelassen hatten, zu den Zeiten, wo eine Freundschaft mit ihm einfach unbequem, stressig gewesen wäre.
Aber jetzt, wo sie ihn nicht mehr fahren mussten, sich nicht mehr um ihn kümmern mussten, waren sie wieder da.
Und da – musste sie nicht dafür Verständnis zeigen – waren sie eben wieder wichtig; eben gute Freunde. Die, die immer da waren. Die, die man brauchte zur Unterstützung. Da ist es doch klar, dass ihre Meinung zählen würde.
Das hatte sie anscheinend einfach einen kleinen Moment ausgeblendet und vergessen.
Aber wie auch beim letzten Mal, würde er auch dieses Mal irgendwann einsehen, was wirklich zählte, auf wen er sich wirklich verlassen konnte. Auf sie.
Sie stieg mit ihrem Handy in der Hand wieder selbstsicher, verständnisvoll nickend zurück ins Auto.
Wie konnte sie nur so dumm sein, ihm zu glauben, dass er sie wirklich nicht mehr lieben würde. Idiotisch. Sie hatte sich nur vertan.
Er liebte sie. Was für ein beruhigendes Gefühl. Und wahrscheinlich würde er auch schon lange wieder bereuen, dass er sie mit seinen Worten getroffen und verletzt hatte.
Sie wusste doch, wie er war.
Er versprach ihr die Zukunft. Wollte mit ihr Kinder haben. Den Hof der Eltern übernehmen. Er wollte eine Zukunft mit ihr, mit allem, was da warten würde. Aber natürlich brauchte er auch seine Freunde. Da ist es doch klar, dass er auch mal straucheln, unsicher werden würde.
Denn eigentlich war er es doch am Anfang gewesen, der sich sicher war. Der von Anfang an bemerkt hatte, wie groß das zwischen ihnen war.
Als sie den Motor wieder startete, schüttelte sie mit dem Kopf. Ein Lachen auf den Lippen, weil sie so schlecht von ihm und seinen Worten gedacht hatte.
Was hatte er schon gesagt: Dass er sie nicht mehr lieben würde, sie kein Verständnis für ihn und seine Bedürfnisse – seine Freunde zu sehen – hatte. War auch wirklich etwas übertrieben, dass sie ihm nicht zugestehen konnte, dass diese Leute wirklich seine Freunde waren.
Es ist ja auch anstrengend, für einen Freund da zu sein, der eben keinen Führerschein hatte, weit weg wohnte, viel zu tun hatte. Da konnte es auch einfach passieren, dass man sich eben eine Zeitlang, ein paar Wochen, vielleicht auch Monate, von der Person zurückziehen würde.
Aber, das hatte ja nichts mit ihnen zu tun. Da war ja viel mehr.
Das viel mehr, war ganz am Anfang. Als sie wirklich noch beide gezweifelt haben. Als auf einmal das Ergebnis, die Gewissheit da war. Sie würden ein Kind bekommen. Kurz nach dem sie das erste Mal überhaupt Sex hatten. Kurz nach dem feststand, es könnte wahrscheinlich wirklich was sein, zwischen ihnen beiden.
Wie schwer war die Entscheidung gefällt worden, sie nicht zu bekommen. Sondern erst mal ihnen eine Chance zu geben.
Wie konnte sie das nur ausblenden, in dem Moment, wo er sie nicht einmal mehr anschauen konnte, vor wenigen Minuten, nicht einmal eine Stunde her.
So kurz danach hatten sie doch klar, hatte er immer wieder betont, wie sehr er sich auf seine eigenen Kinder gefreut hatte.
Sie war wirklich naiv gewesen, als sie ihm eben geglaubt hatte, dass es dieses Mal ernsthaft alles vorbei sei.
Sie wählte seine Nummer, mit der Gewissheit, dass er schon auf ihren Anruf gewartete hatte.
Genauso wie er auf ihr ernsthaftes Ja gewartete hatte, auf all seine Anträge, die sie belacht hatte, wenn er wieder mal von ihrer gemeinsamen rosigen Zukunft geträumt hatte.
Sie lauschte dem Tuten, während sie nach einem Wendemanöver wieder ihm entgegen steuerte.
Und sie freute sich innerlich. Sie freute sich, sein Gesicht zu sehen. Die Sicherheit, die er ihr und der Beziehung entgegengebracht, schon nach einigen Wochen, als sie noch zweifelte. Sich so vielen Unwegsamkeiten entgegen stellte, wie dem Alter, seinem Job, dem Hof, der gemeinsamen Zukunft. Er schaffte es immer wieder, sie zu beruhigen.
Ob nach der Entscheidung, das junge Leben noch nicht in ihre gemeinsame Zukunft zu lassen, oder auch nach dem letzten Mal, als er verwirrt war und ihr kalt und unerwartet sagte, dass alles vorbei sei.
Als nicht er den Hörer abnahm, sondern sein bester Freund, musste sie lächele. Da erwartete sie anscheinend schon das erste Friedensangebot.
Etwas verwundert war sie, als sie keine Antwort auf ihre Frage, ob es ihm gut gehen würde, bekam, sondern nur Gelächter über irgendwen.
Sie lachte einfach mit ihnen. Hatte sie ihm zufolge eh viel zu selten gemacht.
Erst dann hörte sie ihren Namen. Und seine Stimme.
Ihr Lächeln gefror.
Sie nahm die Straße nicht mehr wahr, als sie ihn flüstern hörte. Lachend. Als er ihnen erzählte.
Von den Zukunftsplänen. So utopisch. Wie dumm war er nur gewesen.
Ihre Hände umklammerten krampfhaft das Lenkrad.
Und sie hörte, wie er lachte, darüber, dass sie gedacht hatte, er wolle Kinder mit ihr. Wie sie einfach nicht mit ihr abschließen konnte. Dem Kind, dass ihr nach wie vor nahe war, auch wenn sie sich dagegen entschieden hatte.
Er hatte sie nicht wahrgenommen. Nicht in diesem Augenblick. Nicht in irgendeinem Augenblick. Nicht in diesem entscheidenden Augenblick.
Ihre Tränen nahmen ihr nicht genügen die Sicht. Die Aussicht auf ein Ende der Schmerzen, die Sicht auf den Baum, der erwartungsvoll das Ende ankündigte. Der ein Ende war.
 



 
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