Engel müssen nicht Männer mit Flügel sein!

3,50 Stern(e) 4 Bewertungen

Wasserlinse

Mitglied
Der Engel von Nymphenburg

Vor einiger Zeit fuhr ich mit meinen Söhnen Jürgen und Martin (damals 8 Jahre und knapp 3 Jahre) nach München. Ich fahre nicht gerne mit dem Auto und meine Kinder sind Eisenbahnfans. So fuhren wir früh morgens in Nürnberg mit dem Zug los. Ich wollte zuerst den Tag in München verbringen und dann dort meine Schwester besuchen.
Als ich in München an einer Haltestelle stand – mit zwei Kids und einem Buggy - und mich umschaute, wurde ich gleich angesprochen: „Kann ich Ihnen helfen?“. Es folgte ein nettes kleines Gespräch und ich folgte der Empfehlung den sommerlichen Tag im Park Nymphenburg zu genießen.

Kaum waren wir dort angekommen brauchte Martin neue Socken. Er war am Ufer eines Bächleins ausgerutscht und hatte nasse Füße bekommen. Als wir weitergingen dachte ich, es sei wohl sicherer von einer Brücke aus die Ästchen ins Wasser zu werfen. Welch ein Irrtum!
Für meine Kinder war es spannend zu sehen, wessen „Floß“ auf der anderen Seite der Brücke zuerst wieder hervorkommt. Plötzlich fing Martin an zu jammern: „Mama! Aua!“ Sein Kopf steckte in einem kunstvoll geschmiedeten Brückengeländer fest, also nicht einfach zwischen zwei Stäben.
„Wenn er eben noch durchgepasst hat, muss er jetzt auch noch passen“, meinte ich trocken. Doch es wollte ihm nicht gelingen. Also bückte ich mich und versuchte ihm von hinten zu helfen. „An welcher Stelle ist der Kerl wohl hindurchgeschlüpft?“, fragte ich mich.
Wir versuchten es etwas höher, dann etwas tiefer. O je! Die kleinen Ohren waren immer im Weg. Langsam kam in mir Panik auf. „Ich kann ihm doch die Ohren nicht einfach abreißen!“ Sie leuchteten schon knallrot. Verzweifelt versuchte ich das Geländer etwas auseinander zu biegen. Auch das gelang mir nicht. Martin flennte, während sein großer Bruder seelenruhig weiter am Wasser spielte.
Unzählig viele Leute waren mittlerweile vorbeigegangen. Ein Handy hatte ich nicht dabei. Ich überlegte gerade, ob ich jemanden bitten sollte die Feuerwehr zu rufen. Eine Frau musste meine Verzweiflung gesehen haben.
„Kann ich helfen?“ Ich nickte nur. Sie beugte sich über das Geländer, legte ihre Hand auf den Kopf des Kindes, drehte ihn leicht seitlich und – schwupp - war der Kopf befreit.
Ich traute meinen Augen nicht. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Glücklich drückte ich Martin in meine Arme. Doch als ich mich umdrehte, um mich bei der Frau zu bedanken, war sie schon in der Menschenmenge verschwunden.
Abends erzählte ich den Vorfall meiner Schwester. „Ich glaube, der Himmel hat mir heute einen Engel geschickt.“ Meine Schwester lachte:
„Also ich glaube, das war eine Hebamme!“
Aus Schaden wird man bekanntlich klug. Kurze Zeit später – wir genossen den Abend vor einem Café sitzend - steckte Martin´s Kopf plötzlich in der Stuhllehne fest. Vielleicht wollte er seinen Schutzengel noch einmal sehen. Doch diesmal schafften wir es selbst ihn zu befreien.
Mütter lernen eben ständig dazu.
 

Lillia

Mitglied
Ich find's sehr suess. Durch die direkte Rede wird der Text echt lebendig und die Perspektive der amuesierten, genervten und doch erschreckten Mutter liest sich sehr lebensnah, sofern ich das beurteilen kann.

Nicht so schoen find ich zu Beginn das Alter der Kinder in Klammern, vielleicht reicht einfach, dass sie klein sind?

Nichts Aufregendes oder Weltbewegendes, aber ein suesser und 'echter' Text.

Gruss
-lilli-
 



 
Oben Unten