Engelsverlust

djepicx

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Die Nacht war kalt und nass. Er streifte wie ein ruheloses Tier durch die Stadt und hing seinen Gedanken nach. Die Kneipen, Bars und Clubs waren trotz des miesen Wetters gut besucht und vereinzelt sah er kleinere Grüppchen und Paare durch die sonst verlassene Fußgängerzone ziehen. Er zündete sich eine Zigarette an, nahm einen tiefen Zug und lief weiter bis er auf dem Marktplatz angekommen war. Dort verharrte er und blickte in den wolkenverhangenen Nachthimmel, kein einziger Stern war zu sehen. Er seufzte, zog nochmal an der Zigarette und schnippte den Stummel weg.

Wie viel Jahre wandelte er nun schon auf Erden? Dreitausend Jahre? Das kam ungefähr hin. Die Welt hatte sich in der Zeit sehr geändert und definitiv nicht zum Guten. Jahrhunderte vor der Entsendung des Messias war er schon tätig und versuchte die Menschheit auf den rechten Pfad zu lenken. Doch die Schöpfung Gottes war schwer zu beeinflussen. Nachdem er und seine Mitstreiter Jahrhunderte lang versuchten die Menschen zu leiten und kläglich scheiterten wurden ihre Befehle geändert. Es sollte die Geburt des Messias angekündigt werden, den Befreier und Wegweiser in eine neue und glückliche Zeit der Menschheit. Sie hatten also angefangen Gerüchte zu verbreiten und diese fruchteten, allerdings nicht so effektiv wie es sich Gott vorgestellt hat. Als Messias wurde dann Jesus ausgewählt, ein Emporkömmling und absoluter Lieblingsengel Gottes. Ein aufgeblasener, von Ehrgeiz und Arroganz strotzender Wichtigtuer der keinerlei Ahnung hatte wie es hier auf Erden zugeht. Wie es sich dann herausgestellt hat war er nur bedingt erfolgreich. Ein Großteil der Menschen hat zwar den Glauben angenommen aber zu welchem Preis? Sein Tod war nicht geplant, aber daran war er wohl selbst schuld. Am Anfang lief es ganz gut, das musste er bedingungslos anerkennen, aber dann wurde Jesus aufgrund seiner Erfolge größenwahnsinnig und erregte zu viel Aufmerksamkeit. Vor allen Dingen an den falschen und mächtigsten Stellen. Das Ende vom Lied war seine Kreuzigung und obwohl dies, rückblickend als seine bedeutendste Tat zu betrachten ist, war es eigentlich so nicht vorgesehen gewesen.
Seine Mission war gescheitert, gefrustet und völlig unachtsam befreite sich Jesus aus seinem Grab und wurde beobachtet als er seine wahre Engelsgestalt annahm und in den Himmel emporstieg, als dann auch noch die Menschen seine „angebliche“ Wiederauferstehung beobachteten endete das fast in einer Katastrophe. Aber die Menschen konnten mit diesem Wissen nichts anfangen und interpretierten diese Offenbarung völlig falsch. Aber an die Standpauke die Jesus von Gott bekam konnte er sich noch sehr gut erinnern. Zu Recht wurde Jesus in den niederen Dienst versetzt und bis jetzt war keine Rehabilitierung in Sicht. Sein Versagen allerdings erbrachte mir weitere Jahrhunderte Frondienste auf Erden. Ich und ein paar andere unglückliche Engel bekamen den Auftrag die aufkommende Religion des Christentums zu bewahren. Aber das war genauso erfolgversprechend wie das volllaufende Schiff mit einem Löffel vor dem sinken zu bewahren. Die Worte Jesu gebarten zwar ein Eigenleben aber wurden die Aufzeichnungen falsch interpretiert und ständig von irgendwelchen Aposteln geändert, so dass von den ursprünglichen Lehren fast nichts mehr übrig war. Die Verbreitung der unwahren Schriften war wie ein Flächenbrand. Die Ernte dieser Worte und Schriften zog eine blutige Spur durch die jüngste Geschichte der Menschheit. Es wurden dadurch Greueltaten im Namen Gottes verübt die im Konsortium zu heftigen Debatten führte. Die Kreuzzüge oder die Inquisition zum Beispiel, alles Taten die sich auf die Bibel beriefen. Gott selber konnte den Druck des Konsortiums nicht länger Standhalten und gab seinen Rücktritt bekannt. Als neuer Gott wurde Ismail berufen, eine Wahl die er nicht gut hieß aber seine Worte zählten nicht. Er war nur ein Befehlsempfänger und keiner fragte ihn jemals um Rat. Unter der Führung Ismails versuchte man den Glauben zu reformieren und man hatte Erfolg damit. Seit langem wurden keine Kriege mehr im Namen Gottes oder der Kirche geführt. Die Kirche war zwar noch immer eine mächtige Institution aber ihr Einfluss auf die Weltpolitik kaum mehr vorhanden. Das war auch die Absicht Ismails gewesen, die Arbeit die dafür getan werden musste haben aber andere erledigt. Nämlich Er und seine Leidensgenossen.

Die Lehren Jesu waren noch immer vorhanden aber die Religion wurde ein immer kleiner werdender Bestandteil des täglichen Lebens. Besonders die junge Generation fand immer weniger den Bezug zur Kirche. Die Entwicklung dahingehend war besorgniserregend aber so richtig interessieren tut es da oben eigentlich niemanden. Die Erde war nur ein Projekt wie jedes andere auch. Ein fehlgeleitetes, ohne Frage aber man sollte es nicht außer Acht lassen. Schon oft wurden sich selbst überlassenden Welten vernichtet weil man ihnen keine Aufmerksamkeit schenkte und den Bewohnern freie Hand ließ. Seine Berichte dahingehend wurden zwar registriert aber nichts deutete darauf hin dass sich wirklich mal jemand mit der Problematik auseinandersetzte. Wir Engel auf Erden haben wirklich einen Scheiß Job.

Er steckte seine Hände in die Taschen seiner Jacke, blickte auf die Rathausuhr, die sich ungefähr in 15 Metern Höhe befand und von kleinen Halogenscheinwerfern beleuchtet wurde, um sich dann zu entscheiden das es Zeit war für einen kleinen Absacker. Er lief den Weg wieder zurück und wählte den Musikkeller „Brünnle“ als Endstation für diesen Tag. Das Brünnle lag in einer Seitengasse und war vom Ambiente her einmalig in der Stadt. Das Brunnengewölbe war urig und heimelig zugleich, meist war die musikalische Untermalung rockiger Art, ab und an aber auch etwas heftiger. Genau sein Ding, die Musik war die wohl für ihn bedeutendste Erfindung auf Erden. Das melodramatische Gedudel im sogenannten „Himmel“ konnte mit den energiegeladenen und aufreibenden Rhythmen der Rockmusik nicht anstinken. Ein Lächeln umspielte seine schmalen Lippen als er sich auf einen freien Hocker an der Bar setzte und die ersten Takte von Apoptygma Berzerk`s – In this together erklangen. Eines seiner All-Time -Faves.
Er bestellte sich ein Hefe und blickte sich im Lokal um ob er vielleicht ein bekanntes Gesicht erkannte, er schweifte durch den Raum und sein Blick blieb bei einem Typen hängen der hinter ihm auf einer Eckbank saß und gedankenverloren in sein halbvolles Bierglas starrte. Irgendetwas kam ihm an dem Typ bekannt vor und als er noch darüber nachdachte was es sein könnte, hob der Mann seinen Kopf und lächelte ihn erkennend an.

„Ambriel?“ Er schaute überrascht drein.

Der angesprochene nickte und deutet ihm mit einem Handzeichen an sich zu ihm zu setzen.

„Hallo Darel, oder sollen wir uns lieber mit unseren irdischen Namen anreden?“

Er schmunzelte und sein Blick blieb an seinen Augen haften. Darel schüttelte den Kopf setzte sich Ambriel gegenüber und musterte dessen Gesicht. Er ist wie jeder Engel keinen Tag gealtert aber seine fast leuchtenden blauen Augen zeugen von dem Wissen und den Geschehnissen der Welt. Ambriel war sein ältester und bester Freund seitdem er hier auf Erden wandelte. Er war sein Mentor und lange Zeit sein Begleiter gewesen, er hatte ihm alles beigebracht was man über die Menschen und deren Welt wissen musste.

„Himmel, wie lange haben wir uns jetzt nicht gesehen, sechzig….siebzig Jahre?“ Darel war sichtlich erfreut seinen alten Freund wiederzusehen. Er lächelte und nahm einen tiefen Schluck. „Was führt Dich hierher? Ist denn nichts los in Australien?“

„Oh, Australien geht es bestens. Die können durchaus mal eine Zeit ohne mich bestehen.“

Ambriel lachte und Darel stimmte mit ein. Als sie sich wieder beruhigten zog ein nachdenklicher Schatten über sein makelloses und durchaus attraktives Gesicht. Darel runzelte die Stirn, er kannte diesen Ausdruck. Das letzte Mal als er ihn so nachdenklich sah herrschte der zweite Weltkrieg und dass Holocaust nahm seinen Lauf. Sie konnten es nicht verhindern und das Grauen veränderte ihre Einstellung zur Menschheit grundlegend. Damals waren sie auf sich allein gestellt, das Konsortium sah keinen Handlungsbedarf als man ihnen von den politischen Umwälzungen in Deutschland berichtete. Hitler wurde als Phantast abgestempelt der nicht den Willen und die Unterstützung der Deutschen hatte um weltpolitisch ein Machtfaktor darzustellen. Eine bedeutende Fehleinschätzung. Fünf Jahre später waren die Nazis drauf und dran die Welt zu unterjochen und nur Ambriels und seinem Eingreifen war es zu verdanken dass dem Treiben der Nazis Einhalt geboten wurde.

„Was beschäftigt Dich?“ Ambriel blickte ihm in die Augen und ein schmunzeln ließ seine Augen leuchten.

„Man kann Dir einfach nichts vormachen, Du warst schon immer ein guter Schüler gewesen und Ismail weiß das.“ Darel blickte irritiert.

„Ich glaub kaum das Gott sein besonderes Augenmerk auf mich gerichtet hat.“ Darel rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her, der Verlauf des Gesprächs gefiel ihm immer weniger. Wenn Gottes Name erwähnt wurde war immer Vorsicht angebracht. Ismail mischte sich nur sehr selten in Engelsangelegenheiten ein. Wieso also hatte Ambriel ihn erwähnt?

„Der Glaube auf Erden vergeht, Ismail weiß das und im Gegensatz zu seinem Vorgänger hat er vor etwas dagegen zu unternehmen.“ Ambriel orderte bei der vorbeischwirrenden Bedienung zwei Sambucca bevor er Darel tief in die Augen sah und fortfuhr. „Er hat mir letzte Woche seinen diesbezüglichen Plan vorgelegt und mich um meine Meinung gefragt.“

Darel stand der Mund offen, er konnte sich bisweilen nicht daran erinnern das Gott jemals einen gewöhnlichen Engel um seine Meinung gebeten hat. Was ging da oben vor sich? Hatte er sich in ihm getäuscht und er ist gar nicht so weltfremd wie er ihn in Erinnerung hatte? Was war so besonders an der Erde dass er sein Augenmerk darauf richtete? Fragen über Fragen die er nicht beantworten konnte. Vielleicht weiß Ambriel mehr darüber.

„Was für einen Plan? Und Du bist sicherlich nicht zum quatschen hier, also was hat das alles mit mir zu tun?“ Ambriel lehnte sich wissentlich lächelnd zurück. „Man kann Dir nicht nachsagen auf den Kopf gefallen zu sein.“ Ambriel lachte, bedankte sich bei der hübschen Bedienung die ihnen den Sambucca brachte. Er betrachtete kurz die Kaffeebohne die sich im Sambucca unruhig hin und her bewegte, wie aus dem Nichts begann der Schnaps zu brennen und die Bohne wurde dadurch leicht geröstet. Er blickte Darel wieder an und hob das Glas. “Auf alte Zeiten und eine bessere Zukunft.“

Darel hob ebenfalls sein Glas, prostete seinem alten Freund zu und kippte sich den brennenden Schnaps inklusive Kaffeebohne in den Mund. Er kaute die Bohne kurz durch bevor er alles zusammen hinunterschluckte. Er stellte das leere Schnapsglas vor sich hin, beugte sich leicht nach vorne und blickte Ambriel in die Augen.

„Was ist los?“ Ambriel schaute ihn traurig an und Darel wurde aufgrund dessen mulmig zumute. Ambriel begann zu sprechen und je mehr Darel erfuhr desto bleicher wurde er. Seine Hände zitterten und sein Herz verkrampfte sich zunehmend. Als Ambriel geendet hatte, schaute er betroffen auf sein leeres Bierglas und wünschte sich das er an einem anderen Ort wäre. Was Gott von Darel verlangte war ungeheuerlich. Noch niemals wurde von einem Engel solch ein Opfer verlangt, kein Engel würde sich freiwillig so etwas antun, ja noch nicht einmal ansatzweise in Betracht ziehen. Darel trank den Rest seines Bieres in einem Zug aus, er versuchte das gehörte zu verdauen aber es gelang ihm nicht. Er wollte das nicht, niemand konnte das von ihm erwarten, nicht einmal Gott!

Er fühlte sich beschissen, ausgelaugt, enttäuscht und zutiefst verwirrt. Ambriel spielte nervös mit seinen Fingern und wusste nicht so recht was er sagen sollte. Gottes Plan war ein großes Risiko, und außer ihm und jetzt Darel wusste keiner von dem Vorhaben. Es lag jetzt an seinem ehemaligen Schüler ob der Plan in die Tat umgesetzt wurde oder nicht. Um die Tragweite seiner Entscheidung zu erkennen muss man erklären was es bedeutet ein Engel zu sein. Engel sind in erster Linie unsterblich, sie werden erwachsen geboren. Sie treten aus dem Brunnen der Schöpfung, mit dem Wissen eines Neugeborenen. Sie sind in der Lage zu sprechen und zu verstehen aber ihr Kopf ist vollkommen leer. Ein anderer Engel wird ihm als Mentor zur Seite gestellt und dieser lehrt ihm alles was er wissen muss um seinen angestammten Platz eines Tages einzunehmen. Die Engelsprüfung abzulegen ist das erklärte Ziel aller Frischgeborenen. Nur wer diese Prüfung besteht wird in den Diensten Gottes aufgenommen. Diejenigen die sie nicht bestehen fristen ihr Dasein in den niederen Diensten und werden nach einer gewissen Zeit entstofflicht um ihre Seele dem Brunnen zurückzuführen. Und irgendwann einmal wird eben diese Seele wieder aus dem Brunnen als Engelsanwärter erscheinen um die komplette Prozedur zu wiederholen. Engel haben alle Empfindungen die auch die Menschen besitzen, mit einer Ausnahme, die Liebe. Kein Engel ist in der Lage Liebe zu empfinden.

Gott möchte das Darel den Messias zeugt. Aus einem Akt der Liebe heraus. Ismail studierte lange Jahre lang die uralten Schriften und Aufzeichnungen seiner Vorgänger und stieß dabei auf die „Messiaszeugung“, ein längst vergessenes Ritual um einen spirituellen Führer zu zeugen der sowohl Engel als auch Mensch ist. Ein solcher Hybrid wäre in der Lage die Menschheit zu einen, allein durch seine Aura würden die Menschen seinen Worten folgen. So zumindest steht es in den uralten Schriften, ein Wagnis ohne Zweifel aber die wohl einzige Möglichkeit um den Untergang der Erde abzuwenden. Jesus Geburt in Bethlehem wurde erfunden, er kam als Erwachsener das erste Mal in Erscheinung, deswegen sind seine Jugendjahre auch verhältnismäßig unvollständig in der Bibel dokumentiert worden. Er war damals kein richtiger Messias, er hat sich nur als ein solcher ausgegeben. Gott ist verzweifelt, und es war eine Verzweiflungstat. Aber er hatte keine andere Wahl, denn sollte die Erde fallen wäre seine Zeit vorbei. Darel wurde auserkoren sein Engelsdasein aufzugeben und menschlich zu werden. Er würde altern und letztendlich sterben, aber seine Gene wären noch immer die eines Engels. Er würde die Liebe erfahren und aus dieser Empfindung heraus solle er ein Kind zeugen das die Menschheit vor dem Untergang bewahren soll. Ambriel konnte den Konflikt Darels nachvollziehen, die Bitte Gottes endete mit seinem Tod. Er musste sich mit etwas auseinandersetzen das er nicht kannte. Wie wird er sich entscheiden? Er lehnte sich zurück, bar jeglicher Möglichkeit Darel zu helfen. Diese Entscheidung musste er für sich selbst treffen. Niemand konnte ihm dabei helfen.

„Was würdest Du an meiner Stelle tun?“ Die Frage hatte er erwartet und auch gefürchtet. Er schaute Darel in die Augen und seufzte.

„Ich weiß es nicht!“ Er stand auf, blieb kurz neben ihm stehen, legte die rechte Hand auf seine Schulter und sagte: „egal wie Du Dich entscheidest ich werde für Dich da sein,…… immer.“ Mit diesen Worten ließ er Darel allein und verließ die Kneipe.
Er blieb noch kurz grübelnd sitzen bevor er ebenfalls aufstand und das Brünnle verließ. Als er die kühle Nachtluft in seinen Lungen spürte, klarte sich sein Kopf etwas auf. Er machte sich auf den Weg zum Parkhaus, beglich die Parkgebühr und lief zu seinem Auto. Er setzte sich in seinen Mercedes und bevor er losfuhr bemerkte er das sich auf seinem Beifahrersitz ein kleiner Holzbehälter befand. Er runzelte die Stirn und betrachtete das winzige Kästchen nahm es auf und öffnete es. Darin befand sich in blauem Samt ein Phiole mit einer roten Flüssigkeit darin. Ein Zettel lag daneben, er nahm in heraus, entfaltete ihn und las den Text der in einer kleinen sauberen Handschrift geschrieben war.

Grüße Darel

Solltest Du Dich dafür entscheiden meinen Plan durchzuführen dann weißt Du instinktiv was zu tun ist. Ich weiß, ich verlange viel von Dir aber wenn es auch nur die geringste Möglichkeit gebe einen anderen Weg einzuschlagen, ich würde es sofort tun. Leider gibt es keinen und die Hoffnungen der Menschheit liegen einzig und allein bei Dir. Überlege es Dir gut denn wenn Du den menschlichen Weg wählst, gibt es kein Zurück mehr. Du verlierst all das was einen Engel ausmacht, doch eines kannst Du Dir sicher sein, sollte unser Plan erfolgreich sein wird Dein Name auf ewig die Geschichte der Engel begleiten.

In Liebe Ismail


Er zerknüllte den Zettel und warf ihn in den Fußraum. Er nahm die Phiole aus dem Kästchen und betrachtete sie intensiv. Er öffnete den Verschluß und ohne noch weiter darüber nachzudenken schluckte er den Inhalt hinunter. Warten, er wußte nicht auf was aber nach einigen Minuten ohne irgendwelche Reaktionen dachte er dass der Trank vielleicht gar nicht gewirkt hatte. Er fühlte sich wie immer, er konnte keinerlei Veränderungen spüren. Er versuchte seine Flügel zu materialisieren aber es geschah nichts. Also hat er doch gewirkt, er war jetzt wie jeder Mensch. Sterblich. Er würde altern und irgendwann völlig gebrechlich im Bett sterben. Oder an Krebs, einer Infektion, einer Grippe. Er war nicht mehr unsterblich. Seine Hände zitterten und die Phiole fiel ihm aus den Händen. Er schlug die Hände vors Gesicht und Tränen rannen daran herunter. Er wippte vor und zurück und sein Kopf knallte auf das Lenkrad, immer wieder bis er innehielt und sich die Tränen aus den Augen wischte. Was hatte er getan? Er hat sich soeben selbst getötet. Er atmete tief durch, ballte seine Hände zu Fäusten und verfluchte die erde.

Er drehte den Zündschlüssel rum und fuhr aus der Parkbucht, aus dem CD-Player ertönte von Stryper der Song Murder by pride. Genau das richtige für seine geschundene Seele, dachte er bei sich, gab Gas und fuhr aus dem Parkhaus in eine ungewisse Zukunft.


Als er früh erwachte hatte er leichte Kopfschmerzen, er beschloß schnell zu duschen und dann einen Spaziergang zur REWE zu machen, dort einen Kaffee zu holen und ein paar Brötchen für später zu organisieren. Als er dann erfrischt auf die Straße trat streifte ihn die ersten Sonnenstrahlen, es scheint ein verhältnismäßig schöner Tag zu werden. Als er nach ungefähr zehn Minuten die REWE erreichte, betrat er die Bäckereifiliale und wartete bis er an der Reihe kam. Vor ihm stand eine Frau die ebenfalls ein Kaffee to go orderte und ein Roggenmischbrot. Sie unterhielt sich mit der Verkäuferin, die sie anscheinend kannte. Sie bezahlte, nahm den Kaffee in die linke Hand und das Brot in die rechte, drehte sich um und stieß mit ihm zusammen so dass sich der Kaffee über sein Hemd verteilte.

„Shit! Verdammt!“ Er schnaubte wütend und versuchte zu verhindern das der Kaffee den Weg in seine Unterhose fand. Er musste ziemlich trottelig dagestanden haben den die Frau die ihm den Kaffee sozusagen über den Wanst gekippt hatte fing an zu lachen und entschuldigte sich während der Lachattacke mehrfach. Darel`s Mißbilligung verschwand langsam und ein leichtes Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Das Lachen der Frau war ansteckend und absolut herzlich. Irgendwie konnte man ihr gar nicht böse sein.

„Es tut mir wirklich furchtbar leid, entschuldigen sie bitte vielmals“ sagte sie nach der kurzen Erheiterung. „Es war echt nicht okay das ich gelacht habe aber es sah wirklich total putzig aus wie sie da standen und………“

„Schon gut“, erwiderte Darel „ist ja nichts weiter passiert außer das ich jetzt aussehe wie eine Kuh.“

„Die Reinigung bezahle ich ihnen natürlich.“ Darel schaute sie lächelnd an und winkte ab.

„Das kriegt die Waschmaschine schon raus mach Dir da mal keine Gedanken.“

Sie schaute ihn verschmitzt an und sagte:
„Duzt Du eigentlich jeden gleich?“

„Nein, nur die mir Kaffee übers weisse Hemd kippen.“ Sie lachten beide und Darel orderte zwei Kaffee to go, eine gab er der Frau die andere behielt er für sich.

„Oh wie nett, womit habe ich denn das verdient?“ Fragte die Frau
überrascht. „Ich mach Dich dreckig und dann spendierst Du mir einen Kaffee?“ Darel grinste und ging mit ihr aus der Filiale.

Sie schauten sich in die Augen und Darel wurde mulmig, was ist denn jetzt das? Fragte er sich überrascht. „Ich heisse übrigens Sandra.“ Sagte sie und streckte ihm die Hand entgegen. „Da…..äh Christian, freut mich Dich kennenzulernen.“ Er ergriff ihre Hand und es durchzuckte ihn wie ein elektrischer Schlag. „Teufel!!“ Er schrak zurück und Sandra schaute ihn entgeistert an.

„Alles in Ordnung bei Dir?“ Ihre Augen blickten besorgt.

„Ja, ja alles okay ich habe bloß einen Schlag bekommen.“Er schüttelte sein Hand, Sandra lachte und der Klang ging ihm durch und durch.

„Wieso lachst Du denn schon wieder?“ Fragte er erstaunt.

„Weil es so lustig ist, erst verbrühe ich Dich fast mit heißem Kaffee und dann bekommst Du von mir einen elektrischen Schlag. Ist schon eine Weile her als ich einen Mann so fertig gemacht habe.“ Sie schaute ihn lächelnd an und er empfand etwas dass er nicht in Worte fassen konnte. Himmel, was ist denn los mit ihm?

„Also ich geb Dir mal meine Handynummer, wenn Du möchtest kannst Du Dich gern mal melden. Würde mich gern revanchieren für das Dilemma das ich Dir bereitet habe.“ Sie kramte kurz in ihrer Handtasche, zog einen Kugelschreiber hervor und kritzelte damit etwas auf den Kassenbon danach reichte sie ihm den Bon, er nahm den Zettel vorsichtig an und lächelte.

„Okay, Danke das werde ich tun.“

„Ich würde mich freuen.“ Sandra drehte sich um und ging auf den Parkplatz, Darel schaute ihr nach und bevor sie in ihren Wagen stieg winkte sie ihm noch einmal mit einem Lächel zu. Darel lächelte zurück und verfolgte ihr Auto mit seinen Blicken bis es nicht mehr zu sehen war. Gedankenverloren begab er sich auf den Heimweg, er dachte noch immer an Sandra, an ihre braunen Augen und ihrem entwaffnenden Lächeln. Ihr pfiffige Kurzhaarfrisur betonte ihr attraktives Aussehen und die Berührung ihrer Hand war so warm und aufregend. Was für Gedanken hatte er bloß? Frauen waren für ihn bisher nicht von Bedeutung, wieso ging diese Frau ihm nicht mehr aus dem Kopf?

„Das ist das Gefühl der Verliebtheit.“ Darel erschrak als urplötzlich die Stimme hinter ihm ertönte.
Er drehte sich ruckartig um und blickte in das lächelnde Gesicht seines Freundes Ambriel. Er klopfte ihm auf die Schulter.

„Ismail richtet Dir seinen Dank aus.“ Darel blickte ihn teilnahmslos an.

„Er soll mir nicht zu früh danken, wer weiß ob das alles so passiert wie er sich das ausgedacht hat.“ Darel Stimme klang resigniert. Ambriel sah ihn verstehend an.

„Du bist auf dem richtigen Weg.“

„Ha, ich komme mir vor wie ein Idiot. Ich weiß gar nicht wie ich mich verhalten soll, Du sagtest das ist die Verliebtheit! Ganz toll heißt das dass jeder in dieser Phase nicht weiß was er machen soll?“

„Ich gehe mal davon aus, in der Hinsicht bist Du mir wohl um einiges vorraus.“ Ambriel kicherte.

„Eine große Hilfe bist du mir zur Zeit aber wirklich nicht!“ Darel blickte bedröppelt auf seine Füße. Seine linke Brust fühlte sich irgendwie komisch an, wie wenn sie aufgebläht wäre.

„Ruf sie an.“ Ambriel setzte sich auf einen Mauervorsprung und blickte genüßlich in den Sonnenhimmel. Darel starrte ihn entgeistert an.

„Jetzt schon?“

„Natürlich jetzt! Willst Du noch ein paar Jahrhunderte warten? Denk dran Du bist jetzt sterblich und hast nicht mehr soviel Zeit!“

„Danke dass Du mich darauf hinweist!“ Darel klang verärgert und depremiert.

„Es war nicht so gemeint Darel, du musst nur lernen schneller zu handeln. Sie wird nicht ewig warten.“ Ambriel sprang von der Mauer und legte seine Hände auf die Schultern seines Freundes. Seine Augen suchten die Darels.

„Habe keine Angst vor Deinen Gefühlen, lass Dich von ihnen führen. Dein Herz spricht jetzt mit Dir. Etwas das uns Engeln nicht zuteil wird. Genieße diese Zeit die Dir bleibt und sei Dir versichert Sie mag Dich.“ Ambriel zwinkerte mit den Augen wandte sich ab und verschwand aus seinem Blickfeld.

Mein Herz spricht mit mir? Was meint er damit? Er holte sein Handy hervor, nahm den Zettel mit der Telefonnummer zur Hand blickte einige Sekunden unschlüssig darauf und wählte. Nach dreimaligen klingeln meldete sich Sandra und nach einigen Minuten strahlte Darel über das ganze Gesicht. Heute Abend wird er Sie wiedersehen. Glücksgefühle überschwemmten seinen Körper und er war so gutgelaunt wie nie zuvor. Er fühlte sich lebendig, befreit und glücklich.

Die Liebe hat es ihm gezeigt was es heißt wirklich zu leben.

Nur die Liebe.
 

jon

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Teammitglied
Sehr schöne Anfangsidee, unerträglich süßlicher Kitsch-Schluss, jede Menge Stilschwächen und vor allem Fehler, Fehler, Fehler und Fehler. Hab ich was vergessen? Ja: Fehler.

Lohnt sich Detailarbeit, djepicx, oder hast du auch diesen Text nur mal so den LL-Lesern vor die Füße gekippt?
 



 
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