Enkel 2035

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Walther

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Enkel 2035

Für Rainer Kirsch

Sie werden „sanft und unnachsichtig schweigen*“,
Auch die, die eigennützig nicht geboren,
Die wir auf uns zentriert dabei verloren:
Sie werden uns die kalten Schultern zeigen.

Wir haben unsrer Zukunft abgeschworen.
Wir wollten unser Haupt nicht wirklich neigen.
Wir wähnten fälschlich uns nur selbst zu eigen.
Wir hielten die Altvorderen für Toren.

Die Welt bleibt einen Augenblick gerecht:
Wir werden unsern Anteil selbst ertragen:
Wir sind ein langsam sterbendes Geschlecht

Und können uns nur bei uns selbst beklagen.
Wer heute sagt, die Zukunft werde schlecht,
Stellt sich nur viel zu spät die rechten Fragen.

* aus „2005“ von Rainer Kirsch
 
Als Text hervorragend gelungen!

Mir aber ein wenig zu einseitig die Sichtweise, denn zwar vergreist dieses kleine Ländle hier (BRD) = stirbt vielleicht aus(?), aber weltweit siehts genau anders aus: Überbevölkerung zunehmend.
Und vielleicht, mein Vorschlag an die Zukunft, lässt sich hieraus dann ja ein klasse Museum machen?
Rentner- und Erwerbsgeminderten-Mumien in verschiedensten Stellungen und Gestiken, gemischt mit Plastikfiguren und plastinierten "lebenden Leichenschauen", und das überall, landesweit: aus Fenstern schauend, auf Bahnhöfen wartend, in Parlamenten sitzend, an Bushaltestellen - wobei Busfahrer und Insassen ebenfalls Mumien sind, Enkrustierte - Anträge und Bittgesuche bei Behörden einreichend, Hartz-Vierer-Mumien vor Suppenküchen (Suppe versteinert), versteinerte Kranke, die verkabelt und verschlaucht in ihren sauberen Krankenhausbetten nicht leben und nicht sterben können, MumienDemos für nichts und gegen nichts, Mumien-Erlebniseinkauf in Einkaufszentren, für die kleine Ewigkeit makeup-Konservierte auf Jahrmärkten, beim Karneval dann echter Mummen= Mumienschanz, und zu Hause auf dem Sofa, beim Fernsehen, vor sich auf dem Tisch mumifiziertes Bier, ein steinernes Skatspiel, und uralt abgelaufene Viagra-Päckchen.
Dann können Afrikaner, Chinesen, Ufos uns besuchen kommen im MuseumsDeutschland, und das Motto wird sein: "So haben sie einst nicht-gelebt, und dann sind sie alle kurz nach dem Versuch eines Dritten Reiches ihrem Kaiser Barbarossa aus dem ersten Reich gefolgt, als Enkrustierungen, mit versteinerten Bärten, die über Tropfstein-Höhlen-Sofas wachsen.
So würde selbst mir unser Land dann gefallen!, künstlerisch exhibitioniert, das heute bereits innerlich Vorhandene jedem sichtbar dann nach außen gekehrt: Mumifizierung eines kompletten Ländchens = Einweckglas Deutschland, Materialsammlung irgendeines absonderlichen Pathologen oder der Weltgeschichte selbst
 

Walther

Mitglied
Waldemar,

danke für die lustigen Einlassungen. So könnte D in der Tat als Museum einen Preis gewinnen.

Letztlich habe ich kein "politisches" Gedicht geschrieben. Ich habe von persönlicher Verantwortung gesprochen. Mit der muß jeder für sich umgehen. Es ist immer wieder spannend, wie die Bezeichnung von Selbstverständlichkeiten hier die Beteiligten aus den verschatteten Räumen hervorlockt und aufstört.

Ich gebe diesen immer mit, daß sie sich mal fragen sollen, wer eigentlich ihren Hintern im Falle der Pflege im Alter einmal wäscht und wer das bezahlen soll. Dann wird klar, worum es hier geht. Wäre Bonanza anwesend, würde er aus dem Leben plaudern können. Ich kann es auch, da ich als Dienstleister diesen Bereich kenne.

Mir geht es um die Fragen, die mir meine Kinder - und deren Kinder, sollte es diese denn geben - stellen werden. Die habe ich einmal vorausgenommen, den Hinweis darauf, daß die, die keine Kinder oder Enkel haben, sich diese Fragen selbst stellen müssen, habe ich ebenfalls die unangenehme Antwort, die wir heute schon kennen, gegeben.

Es ist nie nett, an Unangenehmem zu rühren. Ich tue das gerne in solchen Sonetten, die Bezug auf andere Sonette nehmen, um klar zu machen, daß dieses Feld schon immer eines der Dichtung war. Wobei es immer um Verantwortung ging. Und die es ebenso unangenehm wie immer schmerzhaft.

Es grüßt

der W.
 
Ich hab schon verstanden,

worauf Du im Text hinauswillst, und Deine Argumente sind nicht im Ernst bestreitbar.
Eine allzu selbstsüchtige Gesellschaft löscht sich am Ende mit ihrer Lebensweise selbst aus - übertriebener Eigennutz wird von der Evolution schlicht mit Absterben bestraft, woran man auch den biologischen Sinn des Altruismus fein erkennen kann.
Nur finde ich das halt nicht schlimm, da mein Mitleid mit Menschen und ihren vorsätzlichen(!) Fehlern eher stark-begrenzt ist.
Dass wir heute und hier in einer Umgebung von körperlichen und pychischen Kannibalismen leben, habe ich bereits oft moniert, nur ändern kann man es nicht. Die Leute haben Ohren und Augen, und angeblich Verstand, aber sie können nicht hören, nicht sehen, und offensichtlich auch nicht über das nächstliegende Fun- und Fressvergnügen hinausdenken.
Die Fähigkeit irgendwas zu "antizipieren" = im Gedankenmodell vorwegzunehmen" ist geradezu lächerlich begrenzt, selbst dann, wenn es um das eigene Überleben oder dasjenige der Art geht.

Allerdings gehe ich auch davon aus, dass das Problem, welches Du ansprichst, politisch gewollt ist, also nicht als "Problem" interpretiert wird, denn man kann nicht Nachwuchsmangel einerseits beklagen und andererseits seit Jahrzehnten -und im genauen Gegensatz zu vielen anderen Ländern- eine Gesellschaftspolitik machen, welche gerade die Ursache dafür ist, dass Kinder demnächst als Edelsteine bei Juwelieren gehandelt werden (siehe hiesige Familienpolitik, Jugendpolitik, Bildungs- und Kulturpolitik, Adoptionsrecht, etc.).
Die Regierungen schaffen sich mit dem blanden Aussterbenlassen des Volkes vielerlei und kostenintensive gesellschaftspolitische Notwendigkeiten vom Hals (man braucht zB keine neuen, größeren, besseren Schulen, wenn es keine neuen Kinder mehr gibt). Unkosteneinsparungen also per "sanfter Euthanasie" (siehe auch die Gesundheitsreformen, die in dieselbe Richtung laufen: ganz gelinde absterben lassen, wie eine leiser werdende Melodie).
Wenn man einen Frosch langsam erhitzt und dann zu Tode kocht, merkt der es nicht und zappelt, rebelliert, demonstriert, motzt nicht.
Das Zeitalter der Automatisirung braucht deutlich weniger Menschen auf der aktiven Seite, und genau in die Richtung läufts politisch auch.
Konsumenten braucht man freilich, je mehr, desto besser, aber keine, die man als am gewinnbringenden System parasitäre Mitfresser mit durchschleppen muss, also treibt man zB die Arbeitslosen, die Alten usw. ganz sanft und mit völlig legalen Gesetzen Stückchen für Stückchen ab.
Während die kleinen Idioten samt Kirchen jahrzehntelang und ohne Ergebnis noch immer auf der "Abtreibung Ungeborener" herumkauen, klopften die Politik (und die dahinter stehenden Lobbies) längst die gesetzlich völlig legale Abtreibung Erwachsener (und Randgruppen) fest.
Das ist wie beim Spenden: Hungrige Kinder?, da gibt man doch gerne, ohne zu überlegen, dass das Problem hungriger Kinder damit beginnt, dass Eltern ihre Kinder zwar liebend gerne versorgen würden, es aber nicht können (siehe Dritte Welt, sog. "Welthandel", usw.).

Und, es hat ja auch was Gutes, insb. wenn ich an die zunehmende Militarisierung denke, die heute hierzulande wieder abläuft. Den Steinmeiers und Jungs stehen einfach nicht genügend Kinder zur Verfügung um ihre offenbaren "germans to the fronts"-Phantasien wirklich zukünftig umzusetzen. Wo keine Jugend, da auch keine Soldaten, jedenfalls keine Armeen, mit denen man über andere herfallen könnte.

Es ist mit dem Kindermangel in BRD wohl wie bei den Rabenvögeln: Die Eliten kontrollieren auf diverse Arten die Geburtenrate der Nichteliten, und dies natürlich zum Eigennutz. Ich denke, dies ist ein sehr altes Phänomen. Und sollte es mal wieder sehr viel Nachwuchs geben, dann haben wir wahrscheinlich sogar Grund zur Besorgnis, dass evtl. wieder neue ernsthafte/größere Kriege oder sonstige menschenverachtende Sauereien geplant sind.
Solange aber nur die von-der-Leyens aller Couleuren ihre spaßgedachten Scheißhausparolen ausgeben, können wir ruhig und sorglos bleiben.
 

Walther

Mitglied
Hallo Waldemar,

Du hast natürlich recht, daß hinter dem Einen oder Anderen tatsächlich Konzept stehen könnte. Die Befreiung von Pflichten und Erwartungen hat leider nicht den besseren Menschen hervorgebracht. Der blieb, wie und was er ist, was Wunder. Es ist schon erstaunlich, was manche Menschheitsbeglücker so alles glauben erreichen zu können.

Eine der entscheidenden Fragen wäre gewesen: Befreiung zu was? Die Frage wurde nicht gestellt. Nun stellt sie die Realität unerbittlich, die Demografiemathematik ist eiskalt. Das Ergebnis der Fortpflanzungsverweigerung steht fest. Vorkehrungen gibt es keine, und Schuld waren/sind die Anderen.

Mir geht es nicht um Verschwörungstheorien oder um die Militarisierung. Ich bin viel einfacher gestrickt. Mir geht es um die Erinnerung daran, daß unsere Kinder, die wenigen, die wir haben auf die Welt kommen lassen, eine Aufgabe vorgesetzt bekommen, die sie partiell an uns zurückverweisen werden, weil es anders nicht geht.

Die Konsequenz ist ebenso interessant wie ernüchternd. Weil wir solange leben, wird erstmals eine Generation die Suppe größtenteils mit auslöffeln, die sie gekocht hat. Leider wird dennoch ein großer Brocken für die übrig bleiben, die nichts für die Suppe können: Die Kinder und deren Kinder.

Und die werden sich bei uns bedanken. Aber richtig.

Gruß W.
 



 
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