Erinnerung

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weghenkel

Mitglied
ERINNERUNG AN DAS LEBEN



Es ist früher Mai. Ein heißer Tag. Schwitzende Menschen bei der Arbeit. Mühvoller Kleinkrieg um das Holz für den Winter. Gegen Abend kommt milde Luft. Apfelblüten färben die Landschaft blaßrosa, blaßviolett. Wolken spielen über dem Horizont. Behutsam bricht die Nacht an. Aus Fenstern dringt lüsternes Lachen. In den Vorgärten treibt der Nadelwald Knospen. Still liegt der Teich. An seinem Ufer steht eine Bank. Eine Bank, um darauf zu sitzen. Und auf das spiegelglatte Wasser zu schaun. Und den Fröschen zuzuhören. Die Frösche singen.
[ 7]Der Sichelmond hat einen Hof. Die Mädchenblusen sind weiß. Es duftet nach erstem Heu, nach Flieder, nach Kuhdung. Und nach dem Benzin der Mopeds, mit denen die Jungen wie irr über die Feldwege fahrn. Und nach einer verbotenen Zigarette. Grillen durchsirren den Abend. Die Frösche singen.
[ 7]Die Menschen sind freundlich. Sie stehn in der Schenke und sprechen vom Fußball. Ein nicht erlaufener Paß, eine schöne Flanke, die Angst vor dem Gegenspieler. Man raucht und man trinkt. Die Mädchen sind sanft. Sie nehmen die schweren, zerschundenen Hände auf ihre Schultern und
stehn blicklos. Die Frösche singen.
[ 7]Hunde antworten mitternächtlich mit Gebell. Irgendwo fährt ein Laster an. Es sind ein paar Sterne am Himmel. Ein paar Mücken im Laternenlicht. Es schneit erste Blüten. Ein leichter Wind beginnt zu wehn. Fledermäuse fliegen durchs Geäst.
[ 7]Dann gibt es keine Worte mehr, um diesen Tag zu beschreiben.
 
R

Rote Socke

Gast
Hallo!

Irgendwie schöne Bilder darin zu sehen, aber irgendwie ist die "Geschichte" auch nur Kurzsatz an Kurzsatz. Ich bin etwas unschlüssig.

Gruss
Socke
 

Paul Stoyan

Mitglied
der schlusssatz

Nein, rote Socke, Schlusssatz an Schlussatz ist das nicht. Es ist ein sehr schönes Schweigen, was da beschrieben wird. Es hat etwas romantisches. Es hat etwas dampfendes, etwas riechendes, etwas störendes... Das ist die Ungewissheit in der Stimmung, aber eh man sich der Stimmung ausliefert, wird sie dann mit dem tatsächlichen Schlusssatz abgewürgt.

Mir geht der Schlussatz dann zusehr nach Innen, zusehr zurück zum Autor. Dieser letzte Satz drückt letztlich eine schweigende Zufriedenheit aus, die dann allerdings mich stört. Der Autor geht einfach ins Bett, lese ich da. Obwohl da noch mehr Riechen, und noch mehr Hören, und noch mehr Spüren drinsteckt.

Spontan fiel mir ein. Und dann kam das Schweigen. Aber dann wäre das Staunen tot. Irgendwie will er da zuende kommen. Wenn man den Satz einfach wegnimmt, fehlt allerdings auch etwas. Nein. Ich würde den Schlusssatz als Anfang formulieren. Und dann ...

Dann beginnt die Geschichte.
(Da muss ich dann rote Socke recht geben. Ich stochere auch noch etwas herum, wie man hier sieht...)

Vielleicht kann man hier mit einem Dialog anfangen? Ein Gespräch aus dem Nichts? Hier singen ja zweimal die Frösche... das deutet auf Liebe. Deswegen würde ich es nun aber gerade nicht auf Liebe ankommen lassen. Oder doch? Ach Gott. Jetzt fusche ich rum... Das ist unfair... Der Text ist sehr gut, finde ich, aber am letzten Satz bin ich gescheitert...

Nochmal: In dem letzten Satz steckt ja die eigentliche Geschichte. Wir haben hier weiße Mädchenblusen gesehen. Also irgendwovon träumt er ja. Und läßt es die ihn umgebenden Geräusche erzählen, als Verliebtheit, oder als Träumen.

Wenn da noch was käme, ja, ich würde es weiterlesen. Aber so war ja nun Schluss.
Da waren ja zum Glück noch die Tage, die folgten...
 

Zefira

Mitglied
Immerhin steht am Ende "Dann gibt es keine Worte mehr, um diesen Tag zu beschreiben", was andeutet, daß es auf jeden Fall noch etwas anderes gibt, womit man den Tag beschreiben könnte.

Das eröffnet noch einiges, und nicht unbedingt, daß der Autor sich bloß schlafen legt und fertig, denke ich ... aber ihr habt insoweit recht, daß aus diesem Satz eine gewisse Kapitulationshaltung zu sprechen scheint, ein Aufgeben. Könnte man ihn vielleicht etwas positiver formulieren?

Evtl. genügt es, die Betonung zu verschieben, etwa "Worte beschreiben diesen Tag nicht" bzw. "diesen Abend nicht"; das macht die Öffnung zum Nicht-Sagbaren größer ...

grübelt
Zefira
 

strumpfkuh

Mitglied
Lieber Weghenkel,
ich bin vollkommen begeistert von dieser wunderschönen Beschreibung einer Erinnerung, und mir gefällt der letzte Satz sehr gut. Ich habe ihn aber auch positiv verstanden. Eher so, als ob alle weiteren Worte nicht annähernd die Stimmung dieses Tages beschreiben könnten.
Nur etwas hat mich verwirrt. "Die Mädchen sind sanft... sie stehn blicklos" das passt in meinen Augen nicht so gut zusammen.
Liebe Grüße
Doro
 
Hallo weghenkel,
ja, ich kenne diese Maitage, die in diesen Maiabenden enden. Sie haben meine Jugend geprägt und sind hängengeblieben und haben geprägt. Und es ist wirklich so. Nie mehr im Leben begibt man sich so zufrieden in den Schlaf, wie am Ende eines solchen Tages. Dann gibt es nichts mehr zu sagen, man hat dann keine Ansprüche mehr, kein Streben, kein Engagement. Man ist zufrieden und eins mit der Welt. Diese innerliche Ruhe und Zufriedenheit, mein Gott, Du hast es so schön erklärt. Hab Dank für diese kurze Erinnerung. Aber die Mädchen in den weißen Blusen haben mich auch gestört. Die Jungs auf ihren Motorrädern, ja, die gibt es. Aber die Mädchen in den weißen Blusen ... Was willst Du damit sagen? Sie würden mir nicht fehlen, wenn sie nicht wären ...
Gruß schreibteufelinchen
 



 
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