Erinnerung an dich

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Vero

Mitglied
Erinnerung an dich

Wenn die Lichter ausgehen, liege ich jetzt oft lange wach, oft stundenlang auf meinem Kissen. Ein Abend ist wie der andere. Oben auf dem Nachttisch, das monotone Ticken des Weckers. Draußen hin und wieder der Schrei einer Katze wie Klagelaute eines kleinen Kindes. Früher ging mir das sehr nahe und ich bin aufgesprungen, aber heute rührt es mich nicht mehr.

Nur wenn mein Blick durch das Dachfenster geht, in einen klaren Nachthimmel mit fahlem Mond, kommen die Erinnerungen an damals. An dich.

Es war nur der eine Abend und ich bin sicher, du denkst nie mehr daran. Aber ich kann ihn nicht vergessen. Schon als du durch die Tür tratest an jenem Abend, konnte ich riechen, dass du mir liegst. Das lag wohl am Duft deiner langen, braunen Locken, den der Schwung der Tür bis zu mir trug.

Alle anderen im Zimmer begrüßten dich herzlich und umarmten dich. Nur ich saß in der Sofaecke und starrte zu dir hinüber. Ich war noch so jung. Meine Augen konnten sich nicht von dir wenden und sie folgten deinen Bewegungen neugierig bis du dich neben mir auf das Sofa gesetzt hast. Nein, du hast dich eigentlich nicht einfach gesetzt, du hast dich so selbstsicher fallen gelassen, dass ich fast aus meiner Sofaecke geglitten wäre. Ich musste mich festkrallen.

Ich wollte aufspringen und mich schüchtern in eine Zimmerecke setzen, aber du hast dich sofort mir zugewandt mit einem warmen, herzlichen Lachen und hast mich liebevoll am Kopf gekrault. Ich hätte aufjaulen können vor Wonne. Die anderen schauten zu uns hin.

Du hast mich dann zu dir hingezogen und ich habe es zugelassen. Ich liebte deinen Duft. Bin dann in deinen Schoß gesunken und habe meinen Kopf zwischen deine warmen Schenkel geschmiegt. Und geschnuppert. Du hast gekichert, dich zurücksinken lassen und hast mich hinaufgezogen an deinen Busen, mich fest an dich gepresst und ich hechelte leise vor Aufregung. Ich fühlte dein Herz. Deine braunen Locken flossen über meine Rückenhaare. Die anderen lachten.

Irgendjemand sagte dann: Ist er nicht süß? Er heißt Cäsar.

Du wiederholtest meinen Namen und hast noch einmal geflüstert: Cäsar. So leise, dass nur meine Ohren es hören konnten. Es war eine Liebeserklärung und ich höre noch heute dein Flüstern – nach so vielen Jahren.

Dann erhebe ich mich oft von meinem Kissen, tapse hinunter ins Wohnzimmer - vorbei an meinem noch halbvollen Napf - und lege mich in die Sofaecke.
 
B

bluefin

Gast
hallo @vero,

die vermenschlichung der tiere macht heutzutage ebenso rasenden fortschritt wie der gefühlte weltuntergang. insoweit liegt deine geschichte voll im trend.

aber achtung: nicht alle gefühle, die unsereiner so hat, wenn der tag lang ist, lassen sich eins zu eins auf ein vieh übertragen. katzen scheren sich den deibel um ein gesprochenes wort, und fremde "düfte" sind ihnen ein gräuel (wenn sie sich an dir reiben, versuchen sie nur, die deinen mit ihren eigenen ausdünstungen zu überdecken). wer ihnen den napf hinstellt, ist ihnen vollkommen egal - hauptsache, er ist voll. wenn sie hungrig sind, fressen sie alles. wenn ihnen ein fremder das revier streitig macht (z. b. die sofaecke), werden sie grantig. jaulen können nur ihre natürlichen feinde.

mein rat: wenn vertierlichungen des menschen schon sein müssen, dann richtig. sonst wird's, wie hier, viel zu seifig.

im übrigen aber: sehr gut geschrieben!

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

Vero

Mitglied
Hallo, bluefin,

dass diese Art der "Tierbehandlung" im Trend ist, ist mir entgangen. Vielleicht gut so, sonst hätte ich das nicht geschrieben.

Eigentlich sollte es humorvoll sein, sollte den Leser inklusive erotischer Anspielungen auf die falsche Fährte locken. Ist vielleicht auch gelungen, weiß ich nicht, ob man schon zu zeitig erkennt (verbale Spuren waren gelegt), dass es sich um einen Hund handelt -nicht Katze, aber das ist eigentlich austauschbar, aber Katzen jaulen natürlich nicht, klar.

Die "Vermenschlichung" ist hier selbstredende Voraussetzung.
("Vertierlichung" - wie du schreibst - hatte ich nicht im Sinn). Die tierische Realität ist natürlich eine andere.

Aber wie gesagt, es sollte humorvoll sein, hier vielleicht durch das Melancholische zu sehr überdeckt.

Übrigens: Wichtiger ist dein Qualitätsurteil der Schreibe.

Lg Vero
 
B

bluefin

Gast
hallo @vero,

ab dem "festkrallen" weiß man's, denkt aber unwillkürlich an einen kater.

"lustig" im eigentlichen sinne ist die geschichte ja nicht - dafür ist das tierchen am anfang und am ende zu einsam.

wer tiere vermenschlicht, vertierlicht menschen: eine trächtige eisbärin mutiert zur schwangeren mutter, und der zur anbetung herbeieilende mensch wird von der allmächtigen zoodirektion weiträumig ausgesperrt wie ungeziefer.

wär das nicht eine geile weihnachtsgeschichte?

liebe grüße aus münchen

bluefin
 



 
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