Erinnerungen

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ERINNERUNGEN

Beide standen sie in ihrem Zimmer, den Duft erloschener Kerzen um sie herum. Das war aus, das Haus still. Fest aneinandergedrückt hielten sie sich umarmt, schweigend – und doch alles sagend. Ihm war, als feierten sechzigtausend Seelen in seinem Körper eine unbeschreibliche Party.
Über ihre Wangen zu streicheln war als glitten seine Fingerkuppen über die weiche Seite eines Buches, in dem der Sinn des Lebens beschrieben steht.
Mit seinem Zeigefinger dem seichten Tal zwischen ihrem Kinn und ihrer Unterlippe zu folgen war als befände er sich auf der Reise durch ein unerforschtes Land, wo rechts von ihm die Bäume irisierende Blätter trugen, und links von ihm zwei Sonnen den Himmel in ein Farbenmeer tauchten.
In ihre blauen Augen zu sehen war als blickte er durch ein Teleskop in die Weite des Universums, wo ganze Galaxien geboren wurden, schwarze Löcher wirbelten, das Licht verrückt spielte und Wunder allgegenwärtig schienen.
Ihren Atem auf seiner Haut zu spüren war als liefe er durch einen Regenschauer, nicht aus Wasser, sondern bestehend aus funkelnden Farben.
Durch ihre langen Haare mit seinen gespreizten Fingern zu gleiten war als rannte er durch eine Welt, gesponnen aus schimmernden Fäden, durch welche Elektrizität funkenschlagend floß.
Seine Lippen auf die ihren zu legen war als stände er vor der Pforte zu einem riesigen Haus, von dem es hieß, dass es darin wundervolle Dinge gäbe.
Mit seiner Zunge die Höhle ihres Mundes zu betreten war als öffnete er die Pforte zu diesem Haus, begrüßt werdend von Anblicken und Gefühlen zugleich, für die die menschliche Sprache keine Worte bereit hielt, um sie angemessen zu beschreiben.
Die Kraft wahrzunehmen, mit welcher sie ihn an sich drückte war als läge er dem Planeten, auf dem er wohnt, in den Armen, seinen Glauben an die Vernunft seiner eigenen Rasse nicht aufgebend.
Ihren gleichmäßigen Herzschlag zu ertasten war als hörte er den Rhythmus seines Lieblingsliedes, bei welchem er immer an sie denken muß.

SEE THE STONE SET IN YOUR EYES
SEE THE THORN TWIST IN YOUR SIDE
I WAIT OR YOU
SLEIGHT OF HAND AND TWIST OF FATE
ON A BED OF NAILS SHE MAKES ME WAIT
AND I WAIT ... WITHOUT YOU

WITH OR WITHOUT YOU
WITH OR WITHOUT YOU
I CAN’T LIVE

Mit seinen Lippen ihr Ohrläppchen zu berühren war wie eine Begegnung zwischen ihm und einem Einhorn, irgendwo in einem nebelverhangenen Wald.
Ihre Hüften gegen die seinen gepresst zu wissen war wie ein herrlicher Traum, in einer Welt, in der es keine Wecker und keinen Tagesanbruch gab, wo Träume endlos waren und der Schlaf sehr tief.
Zu wissen, dass er sie liebte und sie ihn war wie die herbeigesehnte Ankündigung, dass es auf der Erde nie wieder Krieg, nie wieder Gewalt geben würde.

Erinnerungen.

Und wo immer er sich befand, sie würde bei ihm sein.
Sie war in seinem Mund, wenn er mit seiner Zunge eine Rundreise entlang der Mauern seiner Zähne unternahm.
Sie war in den Gassen seines Verstandes, wo sie nach ihm rief und ihm zuwinkte.
Sie war in dem Gewebe seiner Kleidung und in dem neuralen Gewebe seines Gehirns, wo sie verewigt sein würde.
Sie war in der Strömung seines Blutes, sich mit den Abwehrzellen seines Körpers anfreundend.
Sie war eingebrannt auf die Netzhaut seiner Augen – was erklärte warum er sie immerzu vor sich sah.
Sie war ein Teil seines Hungers, der nicht mit Kalorien allein zu stillen war.

Erinnerungen.

Und dann eines Tages ...




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