Errettungs - Trilogie

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gareth

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Errettungs – Trilogie


I.
Mitten in des Feldzugs Wirren
Fand ich mich einst, der Morgen graute, kalt war und feucht die Luft,
an eines Baumes rissig rauer Rinde leicht angelehnt,
auf Wache stehend, sehr bewusst der nahen Front des Krieges.
Nichts unterbrach die Stille um mich her und all mein Sehnen
ging nach dem Frieden hin und nach der Heimat, den Freunden auch,
Gefährten, Kameraden, deren Leben schon verloren,
doch ich war noch am Leben.

Da stand ich, aufrecht, still und wach, mit aufmerksamem Blicke
und keinerlei Bewegung noch Geräusch war zu vermelden.
Kein Anlass war, der müden Truppe Ruhe zu beenden
und eben glomm am Horizont der erste rote Schimmer

Da hört´ ich plötzlich meinen Namen rufen,
ganz nahe, hinter meinem Rücken, hell in der kalten Luft:
‚Matthias’ rief da sanft, doch klar vernehmlich meine Mutter.
Sofort erkennend die vertraute Stimme meiner Jugend,
sah ich mich um.

Mit einem dumpfen Krachen schlug genau in der Bewegung
nach kurzem, bösen Sirren eine Kugel tief in das Holz,
dort, wo mein Kopf noch eben, mein Gesicht, arglos geruht.
Dann wieder tiefe Stille. Kein Angriff kam. Ich stand erstarrt.
Niemand war da, niemand, der rief und doch war ich gerettet.

‚Wie kann das sein, Gott,
sag, wie kann es sein, dass du erhalten hast mein Leben hier?
Wie kann mein kleiner Mut bedeutsam sein, mein schwacher Glaube
für dich, und doch hast du´s getan’. Und als ich dies begriffen,
brach ich zutiefst erschüttert in die Knie.

Nach Haus´ zurückgekehrt
nach Jahren der Entbehrung, hab ich mein Leben ihm geweiht
für immer, um ihm lebenslang zu danken meine Rettung.
Er holte mich zu den Erwählten. Ein Engel ward gesandt.
Nie werd ich ihn zu ehren müde.



II.
Jetzt stellen sie sich einmal vor
ein´s von den großen Häusern, die hier so sehr verbreitet sind
und mich als kleines Kind, wie ich da aus dem Fenster lehne,
im fünfzehnten Geschoss und niemand da, mich fest zu halten,
der ich, im Spiel begriffen, noch ein wenig höher steige,
mich freu´ der winzigen Gestalten dort unten tief am Grund,
und als dann auch mein Bär noch fiel und ich ihn halten wollte,
da ist es dann geschehen.

Nichts weiß ich mehr vom langen Fall,
und mein Gedächtnis sagt mir nichts vom fürchterlichen Aufschlag.
Nichts weiß ich von den Menschen, die mich fanden, von der Hilfe,
doch war, das können sie zitieren in ihrem Magazin,
alles in mir zerbrochen und in Trümmern, kaum ein Knochen
noch heil, wie man mir sagte. Allein erhalten mein Gesicht.
So viele Nerven glatt durchtrennt, es gab nur zu erhoffen
ein kurzes, schnelles Sterben.

Und doch, ich blieb am Leben, wie sie hier sehen, lieber Herr.
Und sehen sie mich an. Erscheine ich nach ihrer Meinung
vielleicht beschädigt, oder langsam, ja behindert gar?

Oh nein. Und nichts ist ohne Grund.
Mit eiserner Beharrlichkeit und unbeugsamem Willen,
hab ich als kleines Kind bereits beschlossen zu gesunden.
Beschlossen, ja, nicht nur gewünscht, erhofft, ersehnt, erbeten,
wie man es einzig wohl für angemessen hält bei Kindern.
Ja, schreiben sie das auch, das Wort ‚Beschluss’, wie ich es sagte,
denn darin liegt der wesentliche Schlüssel meines Lebens:
der Wille ist´s, gestützt von Gottes Gnade, der uns erhält
und heilt. Wir müssen wollen!


III.
Oh, Mann!
Ich bin so glücklich, sag ich Euch. Hab ich doch grad erfahren,
dass ich, am ganzen Leib nun frei von allen Metastasen,
mein Leben angstfrei wieder, mit Mut gestalten kann und Kraft.
Ich könnte lachen, schreien, toben ohne Ende.

‚Nicht ich, ach, ich doch nicht’, hab ich gesagt
an jenem Morgen, ‚oh nein, ich nicht, ihr Lieben, lasst mich los.
Dafür hab ich zu wenig noch geseh´n von diesem Leben.
Dafür hab ich zu wenig noch gelebt, geküsst, gelitten.
Wie kann denn alles, was ich tat, mein Leben bis zur Stunde,
so ohne alle Konsequenzen bleiben und vergehen?
Auch hab ich doch so gar nichts noch von diesem Sein verstanden!’,
hab leise ich gesagt, so mehr für mich, nicht für die Ander´n,
doch hatte man´s gehört und mir bedeutet, auch leise nur,
ich mög´ versteh´n im ander´n Leben wohl, doch man befürchte,
nicht in diesem mehr.

Ich hab so sehr geweint, war so verzweifelt wie noch nie.
Sie gaben mich dann auf am gleichen Tag. Und ich mich auch.

Und nun bin ich gerettet. Ganz unverdient. Voll Dankbarkeit
und frohen Herzens will ich mich erfreuen der kurzen Zeit,
die mir geschenkt und will´s vergelten stets mit frohem Wesen
an all den Menschen, die ihr Leben nicht als Geschenk erkennen.


Epilog

Nun habt ihr gehört.
Da hat der eine Gottes Hand und Stimme allein für sich
am Werk geseh’n, aus Gründen, die ihm selbst ganz fremd und ferne,
und will nicht hören all die Klagen derer, die gefallen,
die mahnend rufen: ‚Wer sind wir, die wir gemordet wurden?
Nahm also uns das Leben man zu Recht?’

Da sieht der And´re einzig seinen Willen als jene Kraft,
die ihm die Rettung gab und half, allein indem er wollte.
Er hört nicht den Gebrochenen und Schwachen, der leise fragt:
‚Dann ist es so gewollt? Dann schenkt der Herr nur Gnade jenen,
die geistig stark? Die starken Willens? Und uns nicht, die wir schwach?

Lasst ab, lasst ab, ich rate euch, von jener Sicht der Dinge.
Zu klein erscheint mir doch der letzte Schritt, vom irren Glauben
hin zu der Überzeugung, dass letztlich man gesendet sei
die Botschaft zu verbreiten, die, einzig wahr, bewirken kann,
dereinst aus aller Not des Leibes selig zu befreien.

Ich wünschte sehr, man würde nur vernehmen, was jene sagt,
die demutsvoll und klaren Blick´s, im blinden Schicksalswalten
das Los erkennt, das uns bestimmt, vom Anfang bis an´s Ende
und dankbar weiter reicht an uns das Lächeln des Erbarmens.
 
L

Lotte Werther

Gast
An gareth

In diesem episch breiten Text lässt du drei Gestalten sprechen, um deine Anschauung zu Leben und Schicksal kundzutun.

Der gewesene Soldat, der Gott für seine Rettung dankt, das verunglückte Kind, das als Erwachsener im eigenen Willen die Rettungsursache sieht und die vom Krebs geheilte Frau, für die das Leben ein Geschenk ist.

Drei Szenen auf einer Bühne. So sah ich es und las den Text laut vor. Er wirkte denn auch mehr als nur stumm gelesen.
Beim lauten Lesen aber fällt die Stimme in einen Rhythmus, den du nicht unbedingt in allen Zeilen einhältst. Es wäre eine Überlegung wert, hier noch mehr Fluss hinein zu bringen.

Tief an Gedankenfülle, mit einem Schuss Skepsis und distanzierter Beäugung mancher von Vernunft abweichender Gesten und Regungen des Menschen - so sehe ich deinen Epilog, deine eigene Befindlichkeit zum Thema Leben und Schicksal synthetisierend.

Ein gutes Thema gut umgesetzt.

Lotte Werther
 
C

casy01

Gast
dazu kann ich nur mit einem Titat mich noch verbeugen

"
So wie die Erkenntniß die Sprache ahndet,
so erinnert sich die Sprache der Erkenntniß.

Wenn der Dichter einmal des Geistes mächtig…!


und gehe nun zu Bett
 



 
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