Erwischt

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Wünstler

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Erwischt

Er hat mich erwischt.
Ich dachte, ich falle nicht auf. Aber er hat mich erwischt.

Mit Mülltrennung hatte ich schon immer meine Probleme. Natürlich habe ich ihn nicht getrennt und prompt wurde ich gestellt.
Schon als ich in dem Appartementhaus ankam, fielen mir die Plakate auf.
„Bitte trennen Sie Ihren Müll!“ forderten sie mich auf.
Aber ich tat es nicht.

Bestimmt tun es die anderen.
Der, der jeden Tag im Stechschritt zum Ehrenmal nach Laboe pilgert und dort die Hand zum deutschen Gruß erhebt. Sicherlich auch die Nachbarn, wo so schön die Geranien blühen, und mich der Gartenzwerg stets freundlich anlächelt.
Und ohne Zweifel ebenfalls der Familienvater, der täglich vor der Tagesschau seine beiden Söhne verprügelt. Zuerst dachte ich, die Kinder hätten irgendeine Allergie, Heuschnupfen vielleicht, wegen der verheulten Gesichter. Später am Strand waren mir aber ihre von blauen Flecken übersäten Körper aufgefallen. Natürlich mischte ich mich nicht ein, da ich die Unantastbarkeit der Familie als Keimzelle der demokratischen Grundordnung respektiere.

Die alle und natürlich auch die anderen Mitbewohner in dieser Ferienwohnungsanlage hatten auf jeden Fall ihren Abfall sortiert.
Aber ich, der so große Probleme mit dem Müll hat, tat es nicht und wurde nun überführt.

Alles hatte ich ungetrennt in den Mülleimer geworfen, bis er voll war. Dann musste ich den Plastiksack herausnehmen und in den Müllschacht werfen.
Dummerweise bin ich gleich mit dem Fahrstuhl nach unten gefahren, um den Nachmittag am Strand zu verbringen.
Sobald ich aus der Tür kam, herrschte mich eine Stimme an: „Waren Sie das eben?“
Sofort fielen meine Schultern nach vorne, wie in meiner Kindheit, wenn ich etwas ausgefressen hatte.
„Aha!“
Zufrieden bebte der Schnauzer des Hausmeisters, der immer zu der Tonne eilt, wenn er ein Poltern im Müllschacht hört.
„Sie haben Ihren Müll nicht getrennt!“
„Ja“ musste ich kleinlaut zugeben.
„Sofort sortieren Sie hier Ihren Dreck!“
Im Geheimen wünschte ich mir, dass ich nicht so viel Abfall produziert hätte.
4 Haupthaufen türmten sich auf: 1) Papier, 2) Glas, natürlich getrennt nach der Farbe, 3) Metall und Kunststoffe, 4) Restmüll
Dabei lernte ich, wie wichtig Mülltrennung ist.
Danach durfte ich noch einen Fachaufsatz über das Thema „Recyceln“ lesen, bekam eine kleine Broschüre über Abfallsortierung mit auf den Weg und wurde mit der väterlichen Ermahnung entlassen, ab sofort meinen Müll zu trennen.
Ich habe mir fest vorgenommen, mich daran zu halten.

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Manchmal glaube ich, das Einzigste, was ich produziere ist Müll oder Schunst.
(Es zählt, was hinten dabei herauskommt. Beim Menschen ist das halt Schunst.)
 

anbas

Mitglied
Hallo Wünstler,

dieser Text hat was. Mir ist er aber in der aktuellen Fassung etwas zu flach, zu platt. Die Beschreibung "der anderen" ist eher ein kurzer Rundumschlag, als eine Beschreibung. Kann man so machen, passt auch - irgendwie. Mir fehlt einer klare Richtung, was der Text transportieren möchte. Potential hat er für mindestens drei Richtungen:

a) Themenbereich: Anpassung, Zugehörigkeit,
b) Themenbereich: Moralische Widersprüche, Werte
c) Themenbereich: ähnlich wie "b)" mit stärkerem Schwerpunkt auf die Verhältnismäßigkeit (Beim Nazi sagt keiner was, beim Müll wird gepöbelt)

Diese Richtungen stecken alle in dem Text, keine wird aber richtig herausgearbeitet. Alle gleichzeitig zu bedienen, würde den Text entfeder überfrachten oder zu einem Wischiwaschi werden lassen.


Noch zwei weitere, stilistische Anmerkungen:
Sicherlich auch die Nachbarn, [blue]wo[/blue] so schön die Geranien blühen, und mich der Gartenzwerg stets freundlich anlächelt.
Oh, dieses "wo" :D... Ich mag es nicht, es ist kein schönes Deutsch - auch, wenn in manchen Dialekten so gesprochen wird. Besser hört sich - zumindest für mich - "bei denen" oder "in deren Vorgarten" oder ähnliches an.

Manchmal glaube ich, das [blue]Einzigste[/blue],
Schreib "Einzige", dann ist es richtig ;).

Ich hoffe, Du kannst was mit meinen Gedanken anfangen.

Liebe Grüße

Andreas
 

Wünstler

Mitglied
Hallo Anbas,

vielen Dank für die Textanalyse.

Das "wo" habe ich wohl in einem abwertenden Sinn gebraucht.
Den Komparativ von einzig benutzte ich allein wegen dem Witz, da ich doch nur geistigen Müll produziere.

Mit dem Text versuchte ich eine irreale Atmosphäre zu gestalten, die natürlich, da der tägliche Wahnsinn gar nicht mehr wahrgenommen wird, automatisch platt wirken muss.
Wieso darf man eigentlich nicht mehr Problematiken ansprechen?
Texte mit einer einzigen Botschaft gibt es doch genug.
Kritik hat halt immer auch eine subjektive Seite. Als jemand, der seinen Mist auch noch veröffentlichen muss, bin ich auch Deiner Kritik ausgesetzt, die Du anonym und öffentlich publizierst und nicht noch anonymer in einem spontanen Leseeindruck unterbringst. Danke dafür. Somit habe ich wenigstens die Möglichkeit, darauf eine Antwort zu geben. Wahrscheinlich sollte ich noch mehr Nachbarn mit ihren Macken beschreiben, um hier das Irreale zu beschreiben.

Das Schlimmste, was mit meinen Texten, die ich teilweise selbst nicht verstehe, passieren kann, ist, dass sie Schülern zur Interpretation vorgelegt werden. Ich hoffe inständig, dass dies niemals eintreten wird.

Die zentrale Aussage des Textes neben anderen sollte folgende sein:

Quote
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Im Geheimen wünschte ich mir, dass ich nicht so viel Abfall produziert hätte.
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Ich vermute, dass dies im täglichen Wahnsinn doch untergegangen ist. Allein die zur Mülltrennung erforderlichen Müllsäcke ...

Dein Wünstler
 



 
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