Erzählungen

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Nici

Mitglied
Hassen der Liebe

Herzen schlagen im Rhythmus der Zeit. Jeder verbirgt sein Gesicht hinter Mauern. Sein wahres Gesicht. Ich sitze unter einem Regenbogen und denke an die Zeit. Denke an das Leben, an die Hoffnung. Der Tau der Blätter vermischt sich mit meinen Tränen der Einsamkeit. Mit meinen Tränen der Freude, der Hoffnung, des Glückes. Und mit denen der Stille. Die Stille des Waldes. Eine grüne Decke aus Einsamkeit. Aus Wahnsinn. Aus Bedauern. Die Sonne neigt sich über die schlafende Schönheit, den verständnisvollen Wald, der keine Fragen stellt. Versprüht ihre goldenen, roten Funken über mein Antlitz. Färbt es in schweigsame Geheimnisse. Geheimnisse des schweigenden Ertragens. Verbirgt die Härte, die Verletzlichkeit, die Schönheit dahinter, versteckt die Mutter. Meine Mutter, Gäa, blickt in ihrer endlosen Grausamkeit auf das Bündel Mensch herab und lässt es weiterleiden, in der Gewissheit lassend, sterblich zu sein. Weiß in ihrer unendlichen Bitterkeit um sein Schicksal bescheid. Und sieht zu. Einfach so. Kennt kein Leben, obwohl Menschen es damit meinen. Gäa – das Leben, die Schönheit, die Unendlichkeit. Einsamkeit, Trauer, Tod. Die Geburt, das Leben – etwas Besonderes! Der Tod nicht? Warum nicht? Weil wir nicht wissen, was danach ist? Wir wissen, nach Geburt folgt Leben, Nach Leben Tod, aber nach Tod? Einsamkeit? Was ist so schlimm daran? Jetzt, dem Verlauf des Frühlings folgend, die Tiere des Waldes erblickend, den Vogelgesang vernehmend, das feuchte Moos unter meiner nackten Haut verspürend, dem Rauschen der Blätter lauschend, bin ich auch einsam und es ist wunderschön. Ich denke an die Vergangenheit, das Jetzt, an die Zukunft, die mich älter werden lässt. Und ich lächle, lächle bei den Gedanken an den Tod. Dann weine ich, weine, weil ich vermissen werde. Den Wald, die Freundschaft, das körperliche Begehren, die Schönheit von Gäa, mein besitzorientiertes Dasein. Und ich fliege, hebe ab, in Gedanken an die Zufriedenheit, die nie ein Mensch erreichen wird, da er sonst stirbt, weil er alles hat. Er sucht Herausforderung, und bewältigt sie.
Ich erfreue mich an der Vielfalt, die man mir zeigt, und begehre sie. Ich warte auf das nächste, das mich erwarten wird.
Ich greife zu meinem Kleid, streife es über meinen Körper, schlüpfe in die Sandalen, lausche und gehe nach kurzem Nachdenken, die Schuhe nun unter den Arm geklemmt, heim. Erschaue ein letztes Mal den gewaltigen Einklang und begebe mich, das feuchte Gras unter meinen Füßen, auf den Rückweg. Spüre meinen schmerzenden Unterleib, der mich an die vorige Nacht erinnert, an die Sinnlosigkeit und gleichzeitig an die Logik, die sie in sich birgt. Die Kälte macht meinen Körper erzittern, bewirkt Gefühllosigkeit in mir. Denke an ein erwachendes Gefühl der Freundschaft und des Hasses in mir. Zur selben Person, zum selben Menschen. Die mir wieder die Triebe im Menschen bewusst werden lassen, sie sind mit beschwerender Gefühllosigkeit verbunden, zeigen mir, das wir keine Liebe empfinden können, dass wir sie verwechseln, mit Vertrautheit. Denke an meinen Unterleib, der bei dieser Gefühllosigkeit vielleicht neues Leben hervorbringen wird, und denke daran, dass es hoffentlich nicht so sein wird. Begehre die Einsamkeit, die still meinen Gedanken lauscht und versteht ohne zu begreifen. Betreue meinen Körper mit verletzender Stärke, verstehe meine Gedanken nicht. Ich denke, dass man mir nicht genug Verständnis und Gefühl eingehaucht hat, oder vielleicht gar zu viel, und denke, dass man mir dadurch, dass man mir immer wieder die Rolle der verständnisvollen Liebhaberin zuteilt, viel genommen hat, meine Unschuld, meine Träume, meine Kindheit. Grausamkeit macht Erwachsensein aus. Das Rauben meiner Gefühle, die Beständigkeit meiner Seele. Wer versteht mich?
Lausche dem Atem der Zeit, dem Pulsieren des Lebens um mich. Und verstehe. Versteh zu lieben. Auch wenn es nicht das ist, was die meisten damit verwechseln.
Ich verstehe.
 
H

hoover

Gast
hi nici,

der text ist so interessant, wie beeindruckend. hat mich wirklich gefesselt und begeistert beim lesen. das passiert mir nicht oft. diese kluft und die entscheidung zwischen tod und leben, hass und liebe, hmmmmm ... das hat mir wahnsinnig gut gefallen.

grüßle
hoover
 
Q

Quidam

Gast
Liebe Nici,

ich kann mich hoover nur anschließen: Klasse Erzählung.

Man kann dich für diese natürliche Liebe nur beneiden...
Das Wort "Einsamkeit", eigentlich mit sehnsüchtigen Liebesschmerz behaftet, verbindet sich bei dir im Zusammenspiel mit der Natur mit einem glücklichen, erfüllten Dasein.
Ich freue mich sehr für dich!

Eine zugegeben kalte Anmerkungen zu einem Text, der einem warm ums Herz werden läßt: ;)

Ich greife zu meinem Kleid, streife es über meinen Körper, schlüpfe in die Sandalen, lausche und gehe nach kurzem Nachdenken, die Schuhe nun unter den Arm geklemmt, heim.
Ich greife zu meinem Kleid, streife es mir über, schlüpfe in die Sandalen, lausche und gehe nach kurzem Nachdenken heim, die Schuhe nun unter dem Arm geklemmt.


Achja, es ist schon interessant: Erzählst du von der Natur, so bist du im Einklang mit den Worten, doch wenn du mit den Gedanken zu den Menschen schwenkst, ihren Trieben und Fragen -> Zerrissenheit.

*winke*
quid
 

Nici

Mitglied
Wow, danke für die nette Kritik!
Ich mach sowas zum ersten Mal und war auch sehr verunsichert, ob es überhaupt jemandem gefällt. hm. Jetzt bin ich wirklich beruhigt.
Es ist schon ein Weilchen her, dass ich diesen Text geschrieben habe, aber ich bin wirklich davon beeindruckt, wie ihr meine damaligen Gefühle auf den Punkt bringt!

Liebe Grüße
 



 
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