Es geht nicht um Berlin

tho schett

Mitglied
Heimatlied

Die Hörner meiner Heimat
Setz ich mir auf
Und lasse mich zur
Lächerlichkeit machen
Eine Trostlosigkeit
Vor Bauernmüttern
Mit roten Wangen
Und dummem Blick
Eines Bauernvaters
Von Bauernerde
Eines Waldes
Eines Tales
Grün und braun und grün
Als die wahre Farbe.

Ich lasse mich hinunter
In das graue Innere
Fallender Steine meines
Ewig angeschauten Berges
Dessen graue Umwolkung
Mir ewige Wiederkehr
Verspricht, von weißem
Glück.

Ich besteige meinen Berg
Vor dem einen Haus
Ich lehne mich über den
Balkon meiner Sonne
Und schaue hinunter
In einen vertrocknenden
Fluss mit kranken
Fischen im Winter.

Ich gehe hinaus,
In immer gleichen Kreisen
Von meinen Herkunfts-Gedanken
Umstellt und ich stoße
Permanent an die Mauern
Stumpfsinniger Menschen
Die gleichgültig in ihren Betten
Liegen um sich zu besteigen
Wie dunkle Tiere mit Fell.

Sie lieben und beten dabei
Zu ihrer toten Vielgötterei
Aus dem längst vergangenen Land
Während sie sich hassen und schämen
Wenn sie ihren Kindern ins Gesicht
Schauen müssen, dann und wann
(sie tun es nicht gerne)
nackt, und voller Genitalien.

Aus ihren Mundhöhlen
Quellen schamvolle Lippen
Und sie misshandeln die Kinder
Die sie in die Welt werfen
Um sie zu gebrauchen wie Dinge
Sie hassen die Seelen ihrer
Kinder die sich irgendwann rächen
Oder sterben vor Einsamkeitsschmerz
(Manche werden auch verrückt).

Sie gehen über ihre Güllefelder
Mit schwarzen hohen Stiefeln
Und blauen Arbeitsanzügen
Sie riechen wie die Arschlöcher
Von Kühen die sie lieben
Ihre einzige Liebe
Ist das Kuharschloch
Ihre einzige Poesie
Ist das Kuharschloch
Ihre einzige Leidenschaft
Ist das Kuharschloch
Mit seinem gigantischen Schwanz

Der Kuhschwanz ist das Höchste
Das Göttliche in meiner Heimat

Hier sind wir alle Natur, für immer
Die uns besitzt wie willenlose Frauen
In unserem Schicksal gefangen.
Seit Jahrhunderten.
Für Jahrhunderte.
 

tho schett

Mitglied
Nachdem es jetzt so schöne Gedichte über Berlin von echten Berlinern gab, hab ich mir gedacht, ich schreib auch mal eine Hymne auf meine Herkunft.
 
H

HFleiss

Gast
Tja, was kann man dir da nur raten, to shett?
Umziehen? Wieder nach Berlin? Obwohl wir hier jetzt auch eine Menge Kuharschlöcher haben, das kann ich dir eidesstattlich versichern, aber die meisten sehen aus wie Zugezogene - du Vulgärpoet.

Liebe Grüße
Hanna
 

tho schett

Mitglied
Liebe Hanna,
ich glaub du hast da was verwechselt. Wie gesagt, es geht nicht um Berlin. Das "Vulgärpoet" nehm ich mal als Kompliment. Vielen Dank!
 
H

HFleiss

Gast
Das habe ich auch nicht angenommen, dass es um Berlin geht. Selbstverständlich ist der Vulgärpoet ein Ehrenorden.

Liebe Grüße
Hanna
 
Ein hintergründiger Trick im Text ist, dass die Kinder, "ihre" Kinder, welche die Blaumänner besitzen könnten und zu deren Gedeihen auch müssten, nicht von ihnen besessen werden (Desinteresse) - dass sie andererseits aber nicht, wie irrtümlich im Text ausgedrückt, "ihre Güllefelder" besitzen, sondern umgekehrt die Felder sie, denn auch "die in den schwarzen Stiefeln" sind per ihrer Lebensweise offenbar bereits "Gülle", ohne es allerdings auch nur zu ahnen.

Die Metapher "Arschloch mit riesigem Schwanz" ist mir zur Beschreibung von Menschen zu "platt", zu abgegriffen, trifft irgendwie nicht, denn alle Tiere sind Ausscheider und Vermehrer, und alleine in diesen Funktionen gesehen, würden sie ihre Welt "markieren" (wie etwa Hunde) und hätten damit die Regie ( = Macht).
Das Wesentliche am Menschen aber ist, dass er zwar glaubt, diese Macht "von eigenen Gnaden die Welt markieren" zu können, zu besitzen, dass er aber in Wahrheit ein fast noch größeres Maul ist, als er ein "Arschloch" ist, was bedeutet, auch er ist lediglich eine Art von Durchlauf-Erhitzer, der wie alle Tiere wehrlos und meist ahnungslos in einem Fließgleichgewicht hängt, das für ihn lebenslang genauso funktioniert, wie die einstige Nabelschnur, und das ihn bis zum Untergang völlig dominiert in allen seinen Regungen und Wagungen.

Dies wäre der Grund, weshalb ihn -vermeintlich "seine"- Güllefelder dominieren in Handeln und Erleben, und infolge dessen auch das merkwürdige Interesse der Schwarzstiefeligen an Kuhärschen und an Kuhschwänzen, welche letztere die Fliegen der kommenden Fäulnis (-> Gülle) erfolglos abzuwehren suchen.

"Arsch" und "Gülle" hängen nur mittelbar zusammen, als "Arsch" Teil des Durchlauf-Erhitzers ist, Gülle aber nicht nur Ausscheidung, sondern auch das Ende des Prozesses Durchlauf-Erhitzer signifiziert (Arsch und Maul werden zuletzt selbst zu Gülle).

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Berlin? Ist mir so weit entfernt, wie "Die Insel des gestrigen Tages" (U.Eco), ich habe es immer wieder gesucht, einmal nur auch gefunden, aber diese Begegnung war dann derart enttäuschend, dass ich vor Jahren schon den Wunsch zu weiterem Kennenlernen aufgab.
Wer heute noch in Berlin ankommen kann, der bleibt auch fasziniert vor jeder Jahrmarktsbude stehen.
 

tho schett

Mitglied
Lieber Waldemar Hammel,
Ihr Kommentar ehrt mich, auch wenn ich kein Wort davon verstanden habe. Nur soviel: Das mit dem Arschloch und dem Riesenschwanz ist keine Metapher, sondern wortwörtlich zu verstehen. Überhaupt gibt es in diesem Text keinerlei Metaphern oder Mehrdeutigkeiten, ... alles ist genau so zu verstehen wie es dasteht.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Straßen in Berlin zu breit sind. Schließlich sind sie den Güllefeldern aber doch vorzuziehen, ...aber etwas unmenschliches hat wohl beides.

lg thosche
 

tho schett

Mitglied
Hallo Julia P
geb dir vollkommen recht, ich mag es auch nicht. Traurig hat es mich aber schon vor vielen Jahren gemacht, inzwischen lache ich mehr darüber, was in keinem Fall zynisch zu verstehen ist, denn man sagt ja, dass "Scheiße" in Gold verwandet werden kann, ...so in dem Sinne.
Danke fürs Lesen. Mehr darf man hier ja nicht erwarten, obwohl insgeheim erhoffte ich mir schon, dass hier ein Sturm von 10ern auf mich hereinbrechen würde, so rein bewertungsmäßig. Aber war wohl nichts.

lg thosche
 



 
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