Es gibt sie doch!

4,80 Stern(e) 4 Bewertungen

Kalle

Mitglied
Es war an der Zeit, wieder einen Nebenjob anzunehmen. Nicht etwa, weil Werner und Kalle klamm wären, ganz im Gegenteil. Nebenjobs bringen eine gewisse Horizonterweiterung mit sich, man lernt neue Menschen kennen und kommt ein wenig aus dem Alltagstrott raus.

Horst kellnert ab und an, macht den Nachtportier im Puff nebenan und sonst noch was so anfällt.

Die Jobs kennt er nun recht gut. Weil Werner auch eine neue Nebenbeschäftigung sucht, entschließen sich die beiden gemeinsam zu arbeiten.

Sie sitzen, wie so oft, an der Theke der Kneipe, wo sie damals von Schrottie und co. zur Rettung des Tittenplaneten aufgegabelt worden sind. Tittie ist auch noch oft hier.

Sie sitzen nach mehreren Kaltgetränken stumm nebeneinander auf den Barhockern, die sie mal selbst mitgebracht haben, als der Laden brechend voll war. Sie konnten die Stühle nach mehreren Stunden Wein, Weib und Gesang nicht mehr mitnehmen. Seit dem stehen sie hier, sie sind immer frei für Horst und Werner, da traut sich keiner drauf.

Horst rülpst und der Barkeeper nickt zustimmend. Alles in allem, scheint sich ein entspannender Abend anzukündigen, die Jobsuche wird erstmal verschobem.

Auf einmal scheint die Sonne zu scheinen, eine unheimliche Aura verbreitet sich im gesamten sonst nicht so wohligem Raum.

"Hey, Werner, hast Du in die Hose geschissen?"

"Schnickschnack, dreh Dich mal um"

Horst dreht ein wenig den Kopf, nur ein bißchen über die linke Schulter. Entlang der verklebten, mit Bierrändern verzierten Theke, dann Richtung Tür.

"Scheisse, was ist das?" Horst greift nach seiner Flasche Bier und nimmt einen kräftigen Schluck

"Was soll das sein? So was wie'n Engel. Oder der schwarze Ritter als Engel verkleidet"

"Is grad Fasching"

"Nee, scheint ernst zu sein"

"Oh je"

In der Tür steht ein blonder Engel, umgeben von einem unglaublich hellem, weissblauen Licht. Der Engel trägt weisse Cowboystiefel, hat ein weisses Playboy Kostüm mit Büschel am Hintern an, hat Titten wie sie Engel eigentlich nicht haben, eine goldene Krone im silbernen Haar und ein Lächeln, daß einem warm wird ums Herz.

"Mal sehn was sie will" Horst hat keine Lust auf Abfuhren und dreht sich wieder rülpsend zum Barkeeper. Der Rest der Gäste steht mit offenen Mündern ungläubig im Raum. Es macht sich eine Stimmung zwischen Angst, Science Fiction, Religion und Puff Atmosphäre breit.

Der Engel schwebt in Richtung Theke. Horst kann das Geschehen im Spiegel verfolgen, zeigt aber keine Angst als der Engel auf ihn zu schwebt. Horst war während seiner Armeezeit bei der Eloka, deren Aufgabe es war, die verschissenen Ostler (die heute noch Soli kassieren) und die Russen abzuhören und zu täuschen. Beides war leicht, aber man wird furchtlos, wenn man es länger als ein Jahr täglich mit Ostlern zu tun hat, auch, wenn es nur über Funk war, furchtlos, da muß schon einiges passieren.

Der Engel bleibt hinter Horst stehen, zückt einen Zauberstab und klopft mit jenem güldenen Werkzeug auf Horst's Haupt, so daß ein Nebel an gold-silbernen Schneeflocken entstand.

"Hey, was soll der Zauberscheiß? Der bescheuerte Staub macht mir die Lungen platt, außerdem kannst Du mir gleich nen neues Bier ausgeben"

"Horst, Du bist doch der wundersame Horst?"

"Logomat, Dreck, was willst Du?"

"Ich bin Dein Dir zugewiesener Engel, der auf Dich aufpasst, Dich durchs Leben führt und Dich beschützt"

"Bist Du durchgeknallt?" Obwohl, es macht Horst schon zu schaffen, daß der Engel nicht wie jeder normale Mensch neben ihm steht oder vor ihm kniet. Nein, er schwebt wirklich. Der schwebt da rum. Werner hat sich schon dünn gemacht, wahrscheinlich Hilfe holen, der Gute.

"Warum stellst Du Dich nicht auf Deine Füße? Was soll die schwule Schweberei?"

"Engel schweben"

"Wenn Du meinst". Die Diskussion bekam keiner der Gäste mehr mit. Alle standen wie eingefroren in der Unendlichkeit im Raum herum.

"Was muß ich jetzt Deiner Meinung nach tun? Dich anhimmeln? Winseln? Um mein Leben ringen? Leck mich, kommt nicht in Frage. Ich bins, Horst der Ingenieur, mir macht keiner so leicht was vor"

"Beruhige Dich, Du hast Recht. Ich will Dich nur begleiten, durch Dein zukünftiges Leben. Du kannst mit Deinem Wissen die Menschheit weiter entwickeln, Kriege verhindern, Krankheiten eindämmen..."

"Klar kann ich, wenn ich will! Bin ich bei der Caritas? Steht Heilsarmee auf meiner Stirn? Dafür hab ich keine Zeit. Und keine Lust, die Welt ist voller Nullhirnen, Ostlern, Österreichern und artgleichen Schwachmaten, es ist ein Kampf gegen Windmühlen"

"Geh in die Politik.."

"Mit Deppen verbring ich nicht meine Zeit. Außerdem sind Politiker meisten blöde Sportlehrer, mit denen kann ich ziemlich schlecht"

"Horst, ich glaube, es hat keinen Zweck mit Dir"

"Genau"

"Fickst Du mich wenigstens?"

"Klar, so ne Luftnummer taugt bestimmt"

Es war die Beste Nummer in der Stammkneipe, nein, die Beste seit Menschen- und Engelgedenken.

Der Engel war fertig und schwebte auf halb acht. Horst kriegte auch kaum noch Luft. Die Zeit stand nach wie vor still.

"Horst, darf ich Dich begleiten? Ich passe auch nur auf Dich auf, Du mußt keine Gegenleistung erbringen"

"Klar, ich hab so ein warmes, angenehmes Gefühl, wenn Du in meiner Nähe bist".



Es begann ein wundersame, einmalige Beziehung zwischen zwei außergewöhnlichen Kreaturen. Eine Beziehung, die hielt, durch das unwegsame Gelände der Zeit, bis in die Unendlichkeit. Seit dieser Begegnung entwickelte Horst eine einmalige, selbstsichere (Ok, noch selbstsicherere) Persönlichkeit, der man nichts anhaben konnte.



Und manchmal, streift Werner Sternenstaub von Horsts Schulter
.
Ende dieser wunderbaren Geschichte
 

soleil

Mitglied
Hallo Kalle,

direkt, unverblümt, politisch unkorrekt - diese Geschichte hat was.

Eine lachende
Soleil
 
S

Sanne Benz

Gast
ich hab echt gelacht! *g*
Find ich gut..
Manche Schreiberlinge müssen für so was stoned sein..
und dann noch etwas lyrisches..STERNENSTAUB..

lG
Sanne
 

Annett

Mitglied
Engel und so...

Hallo Kalle, kann es sein dass du dir Bukowski zu deinem Vorbild in Sachen Kurzgeschichten genommen hast????
Dann fehlt deiner Story aber der zynische Schluss! Ansonsten: Ganz originelle Erzählung, nur zu viele Anspielungen auf Ostler, Österreicher, etc. für meinen Geschmack. Muss doch nicht sein, oder? Gerade zur Zeit sollten wir alle mal über solche Sachen nachdenken, bevor wir sie schreiben. Übrigens: es gibt auch total blöde Westler! Nichts für ungut, bis dann.
 

Wolfsbane

Mitglied
100 %

Eine geniale Story. Sie lebt von ihren Gegensätzen. Ich finde sie besser als die meisten Stories von Charles Bukowski. Wenn er dein Vorbild ist, hast Du ihn IMHO übertroffen. Vor allem der Schluß hat mich umgehauen.
Hoffentlich gibt es noch mehr solcher Horst-Abenteuer zu lesen.

:D
 

Zefira

Mitglied
Ich lache jetzt noch :D :D :D
Und auch ich finde: der Mangel an political correctness ist besonders schön.
Ist es eigentlich Absicht, daß auf Sätze in wörtlicher Rede meistens kein Punkt folgt? Die schweben fast alle auch so auf halb acht.. genau wie der Engel.
lG, Zef
 

Kalle

Mitglied
Engel schweben

Hey,

wo hängst Du Dich ran? An die ehrlichen Horst Geschichten? Das hoffe ich doch. Demnächst ist die Kalle Homepage wieder on air.
Sieh mal rein: http://www.krapowsky.de. So, das wars erstmal. Bis demnächst.

Kalle, die Flamme
 



 
Oben Unten