Es war einmal

4,00 Stern(e) 2 Bewertungen

Talarmar

Mitglied
Es war einmal​


Es war einmal vor vielen, sehr vielen Tagen,
die Wiesen waren satt und grün die Wälder.
Ein Fischer wollte seinen Fang zu Markte tragen.
Am Fluss vorbei und er sah prall gefüllte Felder.
Er sah die Bäume mit Früchten voll gehangen.
Auch schaute er Herden mit wohl genährtem Vieh.
Nachdem er eine Weile stramm gegangen,
erblickte er ein Kind, welches herzzerreißend schrie.

Ein Mädchen war’s, es schrie zum Steinerweichen.
Es blickte ganz starr dabei auf einen großen Baum.
In seinen Ästen hingen ein paar dutzend Leichen.
Der Fischer schluckte, er glaubte sein Sehen kaum.
Urplötzlich verdunkelte sich da der Himmel.
Drei schwarze Vögel flatterten hoch aus dem Geäst.
Den Weg her kam ein Reiter, auf einem Schimmel.
Der Fischer sah die Sense und roch die schwarze Pest.

Vor Grauen starr konnte er jetzt nicht mehr weichen.
Es wendete sich zu ihm jetzt noch das kleine Kind.
Voraus Gevatter Tod und hinter ihm die Leichen
und jetzt erkannte er, das Mädchen es war blind.
Voll Schrecken sah er in ihre leeren Augenhöhlen.
Die Leichen schaukelten behäbig knarrend im Geäst.
Von vorne hörte er ein furcht erregendes Grölen.
Da entdeckte er hoch im Baum ein güldenes Nest.

Daraus schwang sich auf, der schönste aller Greifen.
Er stieß pfeilschnell herab, ergriff das blinde Kind.
Die Luft sie war erfüllt von seinem schrillen Pfeifen.
So wie die alten Greifen schon mal am Pfeifen sind.
Der schwarze Reiter straffte die Zügel und hielt inne.
Aus seinem weiten Umhang zuckte ein Feuerstrahl.
Dem Fischer schwanden vor Grauen fast die Sinne.
Der schöne Greif er trudelte ab und war einmal.

Das Kind, es stürzt hoch von oben in die Fische.
Herringsköpfe glotzten aus dem blinden Mädel.
Die Leichen schaukelten weiterhin in alter Frische,
aus dem Astwerk grinsten noch immer ihre Schädel.
Der Schwarze gab der weißen Mähre jetzt die Zügel
und näherte sich dem starren Fischer mit Gemach.
Da hörte er über sich das Rauschen großer Flügel,
vom Greifenweibchen, welches durch die Blätter brach.

Voller Hass stürzte es sich auf den schwarzen Reiter.
Ein wilder Kampf entbrannte vor ihm auf dem Weg.
Es war nicht auszumachen wer der bessere Streiter,
doch den Tod zu greifen ist schon ein arges Sakrileg.
Nichts mehr wissen wollte er von Toten, Greifen, Reiter.
Der Fischer floh und schiss sich ein vor Angst und Qual
und wenn er nicht gestorben ist, so lebte er noch weiter.
Ach ja das Kind, auf seinem Grabe stand - Es war einmal.

©RT​
 
Hallo Talamar,
wieder mal klasse. Erinnert mich irgendwie an Alpträume eines gewissen Herrn Poe. Also lass die Finger von den Drogen.

Ok, je mehr ich von deinen Gedichten lese, desto mehr verspühre ich ein Konzept darin. Oft(oder immer?) wird die logische Auflösung am Schluss durch einen ironischen Spruch, eine Verallgemeinerung oder ein sehr bekanntes Klischee ersetzt. Ich finds interessant aber nicht immer hilfreich, wenn du der "Moral der Geschichte" abschwörst. Deshalb auch immer dieser Traumcharakter.

Wenn ich es mal auf ungewöhnliche Art formulieren darf: du verkaufst im Bauchladen deiner Gedichte Ideen. Das war mir ja schon beim letzten Gedicht aufgefallen. Man hat das Gefühl, daß du dich hinsetzt, klasse Ideen entwickelst, sie aber offen läßt, so daß jeder aufmerksame und halbwegs begabte Leser das Gefühl hat, die Geschichte wäre noch nicht zu ende geschrieben.

Mhm, wenn ich darüber nachdenke, gefällt mir das, auch wenn ich nicht weiß, ob es so ist. Vielleicht darf ich ja mal eins deiner Gedicht als Vorlage für eine Horrorgeschichte nutzen. Könnte ganz interessant sein, das Gedicht vorweg zu setzen, als eine Art Zitat.

Naja, kommt Zeit, kommt Rat - aber erstmal Zeit.

Gruss, Marcus
 

Talarmar

Mitglied
Hallo Marcus,

"Allohol und Nikotin rafft die halbe Menschheit hin,
ohne Allohol und Rauch stirbt die andere Hälfte auch."

Einem gewissen Mr. E. A. Poe,
dem ging es bestimmt ebenso.
Eines hab ich ihm aber voraus,
mit 40 ging die Luft ihm aus.

wenn Alpträume so wären, dann würde ich noch ein paar
in Kauf nehmen. Stimmt, bei vielen meiner Stücke versuche
ich ein hinterfotziges Ende hinzukriegen, was mir ab und an,
glaube ich, auch gelingt. Geschichten die erst mit der letzten
Zeile bitter aufstoßen, oder eine Ohrfeige verteilen, sind mir
die Liebsten.
Mach ruhig mal was in der Art mit davor setzen.
Mein OK hast Du, wenn’s keine Heiligengeschichte wird.
Aber das kann ich mir bei Dir auch kaum Vorstellen

Danke für Dein Lob
Einen netten Sonntag noch,
Talarmar
 



 
Oben Unten