Es war wie damals; für Nelly Sachs und Paul Celan

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Zarathustra

Mitglied
Es war wie Damals; - für Nelly Sachs und Paul Celan


Prolog Psalm 118


In der Bedrängnis rief ich zum Herrn;
der Herr hat mich erhört und mich frei gemacht.
Der Herr ist bei mir, ich fürchte mich nicht.
Was können Menschen mir antun?

Die Rechte des Herrn ist erhoben,
die Rechte des Herrn ist gewaltig,
ich aber werde nicht sterben, sondern leben
um die Taten des Herrn zu verkündigen.
_____________________________​

Nun aber kam es - wie wir wissen - ganz anders:


Was damals war

Als Jakobs Volk durch die Schlote hinaufzog
um in den Gräbern der Lüfte zu wohnen,
schaute es seinen Gott in den Wolken
- schaute IHN von Angesicht zu Angesicht.
Sulamith, immer noch bekränzt mit aschfarbenem Haar,
sah es zürnen und milde glänzen.

Wir aber exerzierten –
marschierten wie im Wahn
einen bauäugigen Traum entgegen,
einen Traum vom Lebensraum im Osten.
Rechts - schwenk marsch!
so exerzierten wir –
Die Augen gerade aus!


Was heute ist

Als gestern der Himmel verging
merkten wir eigentlich nichts davon.
Wir spielten wie immer mit den Schlangen,
saßen vor den Fernsehapparaten.
Dort wurde einer Millionär.

Nur der Lärm störte – und die Kälte.
- das Donnern, als die Firmamente stürzten.
Da ging ich vor meine Türe.
Wir wunderten uns nur
Wie finster doch die Nacht war,
bedrohlich, undurchdringlich und kalt,
so lichtlos - ohne die Sterne.

Sie waren auf die Erde gefallen
und glühten und brannten und rauchten.
Ein blauer Geschmack war im Auge von Margarete
als die Steine brannten.
Sprich nicht von dem was bitter ist,
sagte sie mir ins Ohr,
flüstere nicht vom Bittermandelöl,
der Sternenbrand
er riecht wie tote Katzen;
es war wie damals,
es war wieder Zyklon – B.

_______________________________________



Nelly Sachs (Literaturnobelpreis 1966) schrieb:

Und wenn diese meine Haut zerschlagen sein wird,
so werde ich ohne mein Fleisch Gott schauen (Hiob)

In einem Gedicht schreibt sie:
O Die Schornsteine
Auf sinnreich erdachten Wohnungen des Todes,
Als Israels Leib zog aufgelöst in Rauch
Durch die Luft –


Paul Celan schrieb in der Todesfuge:
…streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng…
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng


Das Gift hieß Zyklon b oder auch Blausäure (Cyanwasserstoff). Es riecht nach Bittermandeln und wurde früher zur Insektenvernichtung benutzt bevor es von den NS für die Vernichtung von Juden benutzt wurde.
 
E

Elisabeth Merey-Kastner

Gast
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland
wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken
der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft
er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland

dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith
 

Zarathustra

Mitglied
Hallo Elisabeth...

ja das ist Paul Celan pur!

die Todesfuge habe ich auf mp3- mit der Originalstimme von Paul Celan.

Es ist ein Stakkato der Klage, der Anklage und einer Gleichzeitigkeit von Resignation und Reflexion.

Jeder der diese Stimme hört, wird immer wieder hoffen, dass es niemals wieder so wird - wie es damals war.

Dass es nie und nimmer und nirgens so passiert.

Aber die Orte des Völkermordes werden wohl eher mehr als weniger..

Darum habe ich diese Verse geschrieben und auf mich und unsere Gesellschaft bezogen.

Danke nochmals ganz herzlich für deinen Kommentar.

Liebe Grüsse aus München
Hans
 
P

Prosaiker

Gast
hi zarathustra,
geh doch noch einmal durch dein werk, es sind wenige tipp-/flüchtigkeitsfehler darin, du wirst sie selbst finden.

ansonsten: gefällt mir wirklich gut, deine hommage an celan und sachs. du besitzt eine eigene, mir sehr angenehme schreibe. besonders die form dieses gedichts hat mich gleich aufmerksam gemacht. es gelingt dir, neugierde zu erwecken.
vg,
Prosa.
 

Zarathustra

Mitglied
@prosaiker

danke für das Interesse an meinem Gedicht.

Die Flüchtigkeitsfehler (.. so fern ich sie finde) werde ich selbstveständlich korregieren. Bei all meiner Sorgfalt kann es natürlich geschehen, dass ich etwas übersehe.

Es ist mir immer wieder peinlich auf Rechtschreibfehler aufmerksam gemacht zu werden. Aber ich habe nun einmal einen Hang zur Legasthenik. Da kann man 10 - mal darübergehen und alle Worte überprüfen. Es geht mir trotzdem immer wieder was durch die Lappen.

Also, wenn es euch nicht zu viel Mühe macht... ihr dürft mich ruhig auf den Fehlerteufel hinweisen..

Liebe Grüsse aus München
Hans
 

MH

Mitglied
hallo zarathustra,

ein großartiger text. ich wage zu sagen, er fügt sich in den behutsam geschnitzten rahmen der zitate nahtlos ein. er ist unter seinesgleichen, nur zeitversetzt.

von den flüchtigkeiten, die prosaiker oben erwähnte, sind mir übrigens die beiden folgenden aufgefallen:

einen bauäugigen Traum entgegen,

Dort wurde einer wurde Millionär.

ist dieses mp3 frei verfügbar, bzw. wenn nicht, wo zu erwerben?

mfgMH
 
S

Sandra

Gast
Hallo Zarathustra

Noch mehr als an die Todesfuge dachte ich bei deinem Gedicht an einen der zahlreichen Briefe von Paul Celan an seine Freundin Nelly Sachs nach einer Begegnung, bei der sie sich über ihren Glauben unterhielten.

Zürich, Zum Storchen:


Vom Zuviel war die Rede, vom
Zuwenig. Von Du
und Aber-Du, von
der Trübung durch Helles, von
Jüdischem, von
deinem Gott.

Da-
von.
Am Tag einer Himmelfahrt, das
Münster stand drüben, es kam
mit einigem Gold übers Wasser.

Von deinem Gott war die Rede, ich sprach
gegen ihn, ich
ließ das Herz, das ich hatte,
hoffen:
auf
sein höchstes, umröcheltes, sein
haderndes Wort –

Dein Aug sah mir zu, sah hinweg,
dein Mund
sprach sich dem Aug zu, ich hörte:

Wir
wissen ja nicht, weißt du,
wir
wissen ja nicht,
was
gilt.



die Todesfuge habe ich auf mp3- mit der Originalstimme von Paul Celan.
Ich ebenfalls - es ist sehr eindrucksvoll. Aber die Stimme ist mir nicht so nah, wie seine Gedichte. Fast ein wenig ertappt (bei was auch immer) fühle ich mich, wenn ich ihn höre.

Er und Nelly Sachs, beides Lyriker, die selbst den Greultaten des Naziregimes nur knapp entkamen, ein Leben lang dieses Unrecht benannten und dies mit sehr viel Leiden, jedoch ohne Hass aufzeigen konnten. Beiden muss man Hochachtung entgegen bringen.
Sein letzter Band "Lichtzwang" lässt mich nicht mehr los. Ein Liebesgedicht - wenn man es dann so nennen darf - von P. Celan trage ich immer bei mir.

Sink mir weg
aus der Armbeuge,

nimm den Einen
Pulsschlag mit,

verbirg dich darin,
draußen.

Ich komme ins Schwelgen. Dies alles, Zarathustra, weil ich ihn hier wiederfinden konnte. Vielen Dank! Behutsam und sehr einfühlsam schreibst (beschreibst) du.


Um die Zeilen einer lieben Bekannten aufzugreifen, die ebenfalls P.C. gewidmet waren.

Mut hat dir nicht gefehlt
als die Pappelbäume an der Seine
dir über den Kopf gewachsen sind ...


... Dein Herzland ist längst vor deinem Wassergrab zerbrochen.
Nichts dichtet mehr in dir,
auch deine Lippe schweigt sich nun zu Ende.


LG
Sandra
 
E

Elisabeth Merey-Kastner

Gast
Liebe Sandra,

wunderschön hast du das gesagt.

Und immer, wenn ich an ihn denke, sehe ich die Seine vor mir - und dass er sich rein geschmissen hat.

Und dann kann ich nicht anders, als traurig sein.

(Ich würde sagen, das war jetzt Textarbeit.)

Elisabeth
 

MarenS

Mitglied
...die "Flüchtigkeitsfehler" existieren leider immer noch und stören - für mich - das Lesen gewaltig. Schade!

Grüße von Maren

P.s.:
Beispiel: der Herr hat mir erhört
 

Zarathustra

Mitglied
@MH

Servus MH,

... danke dir für deinen Kommentar,
auch für die Korrekturen;

die mp3 sind frei verfügbar. Ich habe sie vor 2 Jahren ganz legal aus dem Internet gezogen.

Aber wo, das weiss ich leider nicht mehr.

Ich schicke dier ein privates Mail...

Liebe Grüsse
Hans
 



 
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