Essay: Genrationskonlikt

Anamida

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Das unverstandene Kind

Marie erwachte aus einem scheinbar traumlosen Schlaf, 7:00 Uhr. Zeit den alltäglichen Verpflichtungen nachzukommen. Erst sechs Stunden bedingungslose Aufmerksamkeit, sozialisiert und
fügsam fürs Leben lernen und dann wie ein erfahrener Mensch das Leben meistern müssen.
Doch darin lag das Problem, das keiner wahrhaben wollte. Marie konnte nicht erst unschuldig sein und danach diese Unschuld ablegen, nur weil die nicht mehr Unschuldigen vergessen, dass man auch einmal ein Recht auf Unschuldigkeit hatte. Oder vielleicht auch aus Neid, dass sie diese verloren hatten und sie nicht zu schätzen wussten, weil sie, wie der Rest der Welt, nach Erwachsenheit strebten.
So musste Marie eine doppelte Last auf ihren jungen Schultern tragen. Einmal versuchte sie, sich zu finden, trotz der Lawinen von Steinen, die auf ihren Weg geworfen wurden und anderes mal musste sie dem Ideal ihrer Mutter und dem Rest der Welt vom Verhalten eines Menschen, der sie noch gar nicht war, nachkommen.
Das Problem verkomplizierte sich, als sie kennenlernte, was in der Natur aller lebenden Wesen einen wichtigen Teil der Existenz ausmachte:
Jonas, ihr erster Freund. Er war genauso alt wie sie, 13. Und somit laut der allgemein gültigen gesellschaftlichen Norm unwissend und unreif seine Gefühle zu kennen und das Recht, abgesprochen seine keimenden Gefühle zu erkunden.
Sie sind gefangen in einem kommerzialisierten, digitalisierten, auf Perfektionismus getrimmten System, in dem kein Platz für Unsicherheit oder Unwissenheit ist. Wo Demokratie den Platz von Monarchie eingenommen hat, wo die westliche Welt Kinderarbeit vertabuisiert und den Kindern das Recht auf Kindheit abspricht. In dieser Welt versucht Marie um 13:20 Uhr, auf dem Weg nach Hause ein vom Leben geformter Mensch zu werden, um den Anforderungen ihrer Mutter nachzukommen und ein vernünftiger, gesetzter, akzeptabler Mensch zu sein, dessem man sich nicht schämen oder der gar übermäßig viel erzogen werden müsste.
So blieb es nicht aus, dass das unrealistische Kartenhaus begann. in sich zusammenzubrechen, weil Marie einfach nicht dafür geschaffen war, zu sein, was sie nie sein kann, wenn sie die Freiheit, aus Fehlern zu lernen abgesprochen bekommt.
Schon beim Betreten eines eigentlich vor den Unbillen der Welt geschützten Ortes, wird Marie mit einer ganzen Kolonne von Anforderungen überrollt, die sie beim besten Willen nicht nachkommen kann. Und so wird sie von ihrer mit sich selbst unzufriedenen Mutter unverstanden und als unreif stigmatisiert. Eifersüchtig versucht sie, den aufkeimenden eignen Willen ihrer Tochter zu mit für sie nicht nachvollziehbaren Argumenten der logischen Erwachsenendenkweise zu ersticken.
Diese, für Marie unlogische Demonstration von Macht wird von Marie bekämpft, obgleich sie keine Chance sieht, zu gewinnen. So wird sie denn als gestört zu einem Gelehrten geschickt, der das menschliche Wesen anhand von Büchern erforscht hat. Dieser stellt auch gleich fest, dass Marie nicht weiß, was sie will.
Wer weiß schon, was er will. Oder wann muß man wissen, was man will. Und vielleicht weiß Marie nicht, was sie will, weil sie etwas andres will, als man meint, dass sie wollen sollte. Ja, mit dreizehn Lebensjahren muß man schließlich wissen, wie die Welt funktioniert und was man von ihr zu erwarten hat.
Und so wird Marie von Eltern, Verwandten, Erziehern und dem Rest der Gesellschaft gedrängt, gerückt und gezerrt in Richtungen, die sie nicht bestimmen darf, bis sie später, wenn sie die Welt lernt zu verstehen, so in ihrer persönlichen Entwicklung gehemmt wurde, dass sie zu einem achtbaren, leicht zu führenden Mitglied der Gesellschaft wird und jede Form von aufkeimender Selbstfindung in dass Reich von Sonderlingen, Freaks oder gar Kriminellen geschoben wird. Keiner, der auf ihrer Seite steht, keiner, der sich schützend vor sie stellt.
So war es auch kein Wunder, dass die "Beziehung" von Marie und Jonas nicht lange den äußeren Einflüssen standhalten konnte, wo doch der größte Nebenbuhler ihre Mutter war, die sich die uneingeschränkte Liebe ihrer Tochter wünscht. Und Marie für alle scheinbar glücklich ist, wieder allein zu sein. Kein angehender Erwachsener, nur ein Kind mit der Erfahrung und Lebensweisheit eines Erwachsenen. Ohne sich von dem häuslichen Schutz zu entfernen. Untergeben und doch selbstständig zu sein, ist das Ziel.
Um dann später, wenn Marie dann erwachsen ist, ihre unterdrückten kindlichen Wünsche nach Verständnis und selbstloser Liebe mit egoistischen Mitteln fordern zu sucht. Unfähig ohne Gegenleistung zu geben, unfähig zu sein zu geben, was ihr verwehrt wurde.
 



 
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