Estefania (ein Rosenmärchen)

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Lomil

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In dieser Nacht hatte Abdul al Arbili nicht nicht eine einzige Minute schlafen können. Zu sehr kreisten seine Gedanken um seine morgige Reise nach Europa. Des Reisens müde geworden, hoffte er, in Deutschland endlich am Ende seiner jahrelangen Suche angekommen zu sein.
Abdul al Arbili war Rosenminister am Hofe des Sultans von Bagdad. Der einzige Ministerposten seiner Art, den es auf der Welt gab. Oder hatte man jemals in anderen Regierungen von einem Rosenminister gehört?
So hatte er sich im Laufe der Jahre ein profundes Wissen angeeignet, über alles was Rosen betraf.
Alle Kommunikationsmöglichkeiten hatte er sich zu Nutze gemacht. Waren es früher die Kaffeehauserzähler , so war es heute das Internet.

Der Hakawati, wie der Kaffeehauserzähler genannt wurde, erfüllte zwei wichtige Aufgaben. Zum einen musste er für die Unterhaltung seiner Zuhörer sorgen. Zum anderen hatte er das Wissen um bestimmte historische Ereignisse an das Volk weiter zugeben. Aber er trug auch Tratsch und Klatsch weiter oder führte für eine Hand voll Bachschisch kleinere Spionierdienste aus.

Und doch war es Abdul al Abili bislang nicht gelungen den größten Wunsch seines Gebieters zu erfüllen, der ansonsten alles hatte was sein Herz begehrte.
Die prunkvollsten Paläste.
Die schönsten Frauen bevölkerten seinen Harem und er nannte die edelsten Pferde sein Eigen.
Er aß von goldenen Tellern und trank aus kristallenen Gläsern.
In vielen Truhen lagen Diamanten, Perlen und Rubine.
Doch ein Wunsch war ihm bis heute unerfüllt geblieben.
Eine schwarze Rose, mit exakt neunundzwanzig Blütenblättern und rubinrotem Blütenkelch. Genau der Farbe des Rubins entsprechend, der plaumengroß in der Mitte des Diadems seiner Frau Estefania prangte, die vor nunmehr neunundzwanzig Jahren bei der Geburt ihrer Tochter Shila verstorben war.

Als Shila zehn Jahre alt war, hatte der Sultan zum ersten Mal den Wunsch geäußert. Sollte die Rose damals nur zehn Rosenblätter haben, mussten es mittlerweile neunundzwanzig sein; für jedes Lebensjahr oder Todesjahr, wie die Leute sagten, eins.
Das machte es den Züchtern besonders schwer. Das ganze Land wurde überschemmt von einem Meer schwarzer Rosen. Denn ein Jeder wollte Shila zur Frau, die der Preis für ihre Bemühungen sein sollte.

Doch Shila liebte Abdul al Arbili und er liebte Shila, seit sie denken konnten und deshalb fürchteten sie den Tag, an dem es einem Züchter gelingen würde, die ersehnte Rose zu züchten.
In der letzten Woche war es dann geschehen.
Jussuf, der jüngere Bruder von Abdul war aufgeregt und verschwitzt, ohne dem älteren Bruder die nötige Ehre zu erweisen und ihn zu begrüßen, ins Zimmer gestürmt und redete unzusammenhängendes Zeug. Erst nachdem Abdul ihn zur Ruhe gemahnt und er, den ihm angebotenen Tee getrunken hatte, begann er zu erzählen.
Im Kaffeehaus, dessen Erzähler(bedauerlicher Weise) wie Abdul fand, durch Computer ersetzt worden waren, hatte er beim Surfen im Internet einen Züchter in Deutschland gefunden, der unter dem Namen "Estefania" eine Rose züchtete.
Jussuf legte den Internetausdruck vor seinen Bruder auf den Tisch.

Kletter-Strauchrosen auf Hochstamm veredelt

"Estefania"

schwarz, 29 blättrig mit rubinrotem Blütenkelch

10 Stck. 185.-

Wir beraten sie gerne, Hans Hubertus, Spezial Rosenkulturen


Abdul al Arbili warf sich schweissgebadet im Bett hin und her. Er war froh, dass die Nacht endlich vorbei war.
Der Muezzin hatte sein Morgengebet gerade begonnen, als er wie gerädert aufstand. Einerseits war er froh, dass die Suche nun endlich ein Ende hatte, andererseits wusste er nicht wie es weitergehen sollte. Ob der deutsche Rosenzüchter Hans Hubertus, sein Recht einfordern und Shila zur Frau nehmen wollte? Vielleicht ist er ein alter Mann, oder schon verheiratet, redete er sich Mut zu. Abdul wusste, dass ein Mann in Deutschland nur eine Frau haben durfte. Seine Gedanken überschlugen sich, als plötzlich Jussuf vor ihm stand und ihm, in Anzug und Krawatte gekleidet, recht fremd vor kam.

"Bruder, ich werde diese Angelegenheit für dich erledigen, wenn ich deine Erlaubnis habe", sagte er und schmunzelte vor sich hin, als er merkte mit welcher Erleichterung Abdul zustimmte.

Für Jussuf war es eine Leichtes diese Aufgabe zu erfüllen. Er sprach fließend Deutsch und war schon einige Male im Auftrag seiner Bank, bei der in führender Stellung tätig war, in der Zentrale in Frankfurt gewesen.
Und soweit er sich erinnern konnte, lag dieses Rosendorf Steinfurt nicht allzuweit von Frankfurt entfernt.

Am Frankfurter Flughafen mietete er sich ein Auto und machte sich auf den Weg nach Steinfurt. Dort angekommen, wurde ihm die Zufahrt in den Ort mit dem Hinweis verweigert, dass dort das Rosenfest statt findet und der Umzug in vollem Gange wäre.
Er stellte das Auto, auf der ihm zugewiesenen Wiese ab, die als Parkplatz diente und bahnte sich seinen Weg durch die Menschenmenge die am Wegesrand stand um dem Umzug zuzuschauen. Doch plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen. Ein Raunen war durch die Menge gegangen und direkt vor ihm wurde der Wagen der Rosenkönigin von einem Vierer Gespann edelster Rappen gezogen.
Sie saß auf einem Thron von tausenden blutroter Rosen und trug ein schneeweißen Kleid. Ihr schulterlanges blondes Haar reflektierte die tiefstehende Sonne. Irrte Jussuf sich, oder lächelte sie ihm zu? Erlag er einer Sinnestäuschung? Bevor er den Gedanken zu Ende gedacht hatte, war der Wagen an ihm vorbei. Er verspürte einen starken Schmerz in seiner Brust, als hätte sich ein Ring um sein Herz gelegt. Er wusste, dass er nie wieder eine Frau so begehren würde, wie diese Rosenkönigin. Gesenkten Hauptes versuchte er, durch die dicht stehende Menschenmenge, zu seinem Auto zu kommen.

Nach einer unruhigen Nacht, in der ihn Albträume plagten, unternahm er einen neuen Anlauf den "Rosenhof Hubertus" zu erreichen um sich davon zu überzeugen, dass die Rose "Estefania" den Wünschen des Sultans entsprach.

Als Jussuf in den Ort hinein fuhr, erschien es ihm,als würde dass das Dorf in einem Dornröschenschlaf liegen. Er hatte, wie Tags zuvor auf der Wiese geparkt, auf der jetzt die Motivwagen des Umzuges abgestellt waren. Jussuf suchte nach dem Wagen der Rosenkönigin. Als er endlich vor ihm stand, raubte ihm nicht nur der betörende Duft der Rosen den Atem.
Obwohl in Jeans und T-Shirt gekleidet erkannte er sie sofort. Unter hunderten, ja tausenden von Frauen hätte er sie erkannt. Die Rosenkönigin stand vor ihm und es fiel ihm nichts Besseres ein, als sie nach dem Weg zum "Rosenhof Hubertus" zu fragen.
Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn in ihr Elternhaus.

Der Sultan von Bagdad bekam seine Rose "Estefania."

Abdul al Arbili heiratete Shila "Prinzessin von Bagdad."

Jussuf al Arbili heiratete die "Rosenkönigin Iris die Erste."


Und wenn Sie nicht gestorben sind, dann...........
 



 
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