Eugen
Als die Grillparty ihren Höhepunkt erreicht hatte und beinah alle Gäste tanzten, als Eugen spürte, dass ihm der Alkohol langsam zu Kopf stieg und die Gedanken an Jule verdrängte, als die schwarzäugige, kolumbianische Schönheit ihn wieder von der Tanzfläche aus anblitzte, da beschloss er vom Tisch aufzustehen und sich von der faden Tischgesellschaft seiner deutschen Kollegen zu lösen.Er griff sich sein Bier, ging zur Tanzfläche und schaute den kolumbianischen Pärchen dabei zu, wie sie ausgelassen über die Tanzfläche fegten.
Eugen war kein guter Tänzer. Ungelenk begann er mit der Hüfte zu wippen und musste dabei wieder an Jule denken. Mit ihr hatte er immer gern getanzt. Und überhaupt, alles war mit ihr schön gewesen. Über jeden Quatsch hatten sie zusammen gelacht. Mit ihr hatte er die glücklichsten acht Jahre seines Lebens verbracht. Nie wieder würde er so eine Frau finden. Das wusste Eugen jetzt. Obwohl er erst 28 war.
Eine warme Hand riss ihn aus seinen Gedanken. Zurück kam der laute Cumbia, die tanzende Menge, die schwül-warme Luft. Die Frau von Jím zog ihn auf die Tanzfläche. Wohl damit er nicht so alleine am Rand stand. Sie lächelte ihn freundlich an und legte ihm ihre freie, rechte Hand um die Taille. Eugen strich sich seine langen, dunklen Strähnen aus dem Gesicht, umfasste sie dann ebenfalls, versuchte sich auf die richtige Schrittfolge zu konzentrieren und begann mit ihr zu tanzen. Die Frau von Jím, er hatte ihren Namen vergessen, ließ sich von ihm führen. Sie tanzten in der Mitte der Tanzfläche, während die anderen Paare um sie herumwirbelten.
Ob Jule jetzt mit ihrem Neuen in der Küche saß und Wein trank, so wie sie das immer zusammen gemacht hatten? Vielleicht belegte sie auch gerade das Klo und las einen Roman von Rosamunde Pilcher. Oder sie und ihr Neuer trieben es gerade miteinander. Als sich Eugen das vorstellte, krampfte sich sein Magen zusammen.
Eugen bemerkte nicht, wie die Tanzenden um ihn und seine Tanzpartnerin herum einen großen Kreis gebildet hatten. Seine Tanzpartnerin führte ihn zu einer Stelle des Kreises, wo man ihn rechts und links unterhakte und ging zu Jím, ihrem Mann, um neben ihm zu tanzen. Untergehakt tanzte Eugen zur Mitte des Kreises hin, dann rückwarts gehend wieder nach außen, dann nach rechts und nach links und wieder zur Mitte. Irgendjemand hatte die Musik noch lauter gedreht. Es wurde gejohlt und gelacht und mitgesungen. Dass der hochaufgeschossene Eugen mit ernster und nachdenklicher Miene tanzte, störte keinen. Das kannte man schon von den Deutschen.
Was wohl gewesen wäre, wenn er in Deutschland geblieben wäre? Wenn er nicht die Stelle am Goethe-Institut in Bogotá angenommen hätte? Wären Jule und er dann noch ein Paar? Bestimmt! Was hatte sie ihm damals gesagt? Er müsse das unbedingt machen, weil das seine Chance sei. Natürlich, es war ein großes Wunder gewesen, dass er die Stelle überhaupt bekommen hatte. Ein Magisterabschluss mit Spanisch und Deutsch. Da krähte kein Hahn nach. Aber dass sie ihn hier genommen hatten, war wohl vor allem auf die Empfehlung seines Onkels zurückzuführen gewesen, der am Goethe-Institut in Kyoto lehrte und ihn empfohlen hatte. Warum war Jule auch durch die Prüfung gefallen? Hätte sie diese blöde letzte Prüfung bestanden, wäre sie längst hier und hätte sich nicht einsam und von ihm verlassen gefühlt.
Als sich der Tanzkreis auflöste und alle herum rannten, um sich eine neue Partnerin oder einen neuen Partner für den Paartanz zu suchen, ging Eugen ins Haus, um sich ein weiteres Bier zu holen.
„Ich weiß jetzt, dass ich dich nicht mehr liebe!“ hatte sie am Telefon gesagt. Einfach so hatte sie ihre letzten acht Jahre in den Müll geschmissen. Obwohl sie es nicht gewollt hatte, war er trotzdem nach Deutschland geflogen. Er hatte gedacht, dass sie ihm in die Arme fallen würde, wenn sie ihn wieder vor sich sah. Aber als er mit einem Blumenstrauß vor ihr gestanden war, hatte sie ihn nur der Form wegen umarmt. Sie hatten zusammen einen Kaffee getrunken und sogar zusammen gelacht. Aber am Ende hatte sie wieder gesagt, dass sie ihn nicht mehr liebe. Und dann hatte sie ihm erzählt, dass sie einen neuen Freund hätte.
Eugen fand den Kühlschrank und machte ihn auf. Hier gab es alles: Bier, edlen Weißwein, sogar Champagner. Das hatte es auf den WG-Partys in Berlin nie gegeben. Trotzdem war er damals glücklich gewesen. Er griff sich eines der Cervezas „Club Columbia“ und schloss die Kühlschranktür wieder. Fast erschrak er, als plötzlich die geheimnisvollen, schwarzen Augen der schönen Kolumbianerin vor ihm auftauchten. Sie musste hinter ihm hergegangen sein. Sie lächelte Eugen an und fragte, ob er ihr einen Weißwein einschenken könnte. Eugen begriff nicht. Er sah ihr schönes feingeschnittenes Gesicht, ihre schwarzen Augen, ihre dunklen Locken, aber dachte dabei an Jule. An seine kleine Jule mit dem blonden, dünnen Pferdeschwanz. Ohne ein Wort zu sagen, ging er aus der Küche, aus der Haustür nach draußen und machte sich auf den Weg zu seiner Wohnung, die in einer Jugendstillvilla genau gegenüber vom Justizgebäude lag.
Als die Grillparty ihren Höhepunkt erreicht hatte und beinah alle Gäste tanzten, als Eugen spürte, dass ihm der Alkohol langsam zu Kopf stieg und die Gedanken an Jule verdrängte, als die schwarzäugige, kolumbianische Schönheit ihn wieder von der Tanzfläche aus anblitzte, da beschloss er vom Tisch aufzustehen und sich von der faden Tischgesellschaft seiner deutschen Kollegen zu lösen.Er griff sich sein Bier, ging zur Tanzfläche und schaute den kolumbianischen Pärchen dabei zu, wie sie ausgelassen über die Tanzfläche fegten.
Eugen war kein guter Tänzer. Ungelenk begann er mit der Hüfte zu wippen und musste dabei wieder an Jule denken. Mit ihr hatte er immer gern getanzt. Und überhaupt, alles war mit ihr schön gewesen. Über jeden Quatsch hatten sie zusammen gelacht. Mit ihr hatte er die glücklichsten acht Jahre seines Lebens verbracht. Nie wieder würde er so eine Frau finden. Das wusste Eugen jetzt. Obwohl er erst 28 war.
Eine warme Hand riss ihn aus seinen Gedanken. Zurück kam der laute Cumbia, die tanzende Menge, die schwül-warme Luft. Die Frau von Jím zog ihn auf die Tanzfläche. Wohl damit er nicht so alleine am Rand stand. Sie lächelte ihn freundlich an und legte ihm ihre freie, rechte Hand um die Taille. Eugen strich sich seine langen, dunklen Strähnen aus dem Gesicht, umfasste sie dann ebenfalls, versuchte sich auf die richtige Schrittfolge zu konzentrieren und begann mit ihr zu tanzen. Die Frau von Jím, er hatte ihren Namen vergessen, ließ sich von ihm führen. Sie tanzten in der Mitte der Tanzfläche, während die anderen Paare um sie herumwirbelten.
Ob Jule jetzt mit ihrem Neuen in der Küche saß und Wein trank, so wie sie das immer zusammen gemacht hatten? Vielleicht belegte sie auch gerade das Klo und las einen Roman von Rosamunde Pilcher. Oder sie und ihr Neuer trieben es gerade miteinander. Als sich Eugen das vorstellte, krampfte sich sein Magen zusammen.
Eugen bemerkte nicht, wie die Tanzenden um ihn und seine Tanzpartnerin herum einen großen Kreis gebildet hatten. Seine Tanzpartnerin führte ihn zu einer Stelle des Kreises, wo man ihn rechts und links unterhakte und ging zu Jím, ihrem Mann, um neben ihm zu tanzen. Untergehakt tanzte Eugen zur Mitte des Kreises hin, dann rückwarts gehend wieder nach außen, dann nach rechts und nach links und wieder zur Mitte. Irgendjemand hatte die Musik noch lauter gedreht. Es wurde gejohlt und gelacht und mitgesungen. Dass der hochaufgeschossene Eugen mit ernster und nachdenklicher Miene tanzte, störte keinen. Das kannte man schon von den Deutschen.
Was wohl gewesen wäre, wenn er in Deutschland geblieben wäre? Wenn er nicht die Stelle am Goethe-Institut in Bogotá angenommen hätte? Wären Jule und er dann noch ein Paar? Bestimmt! Was hatte sie ihm damals gesagt? Er müsse das unbedingt machen, weil das seine Chance sei. Natürlich, es war ein großes Wunder gewesen, dass er die Stelle überhaupt bekommen hatte. Ein Magisterabschluss mit Spanisch und Deutsch. Da krähte kein Hahn nach. Aber dass sie ihn hier genommen hatten, war wohl vor allem auf die Empfehlung seines Onkels zurückzuführen gewesen, der am Goethe-Institut in Kyoto lehrte und ihn empfohlen hatte. Warum war Jule auch durch die Prüfung gefallen? Hätte sie diese blöde letzte Prüfung bestanden, wäre sie längst hier und hätte sich nicht einsam und von ihm verlassen gefühlt.
Als sich der Tanzkreis auflöste und alle herum rannten, um sich eine neue Partnerin oder einen neuen Partner für den Paartanz zu suchen, ging Eugen ins Haus, um sich ein weiteres Bier zu holen.
„Ich weiß jetzt, dass ich dich nicht mehr liebe!“ hatte sie am Telefon gesagt. Einfach so hatte sie ihre letzten acht Jahre in den Müll geschmissen. Obwohl sie es nicht gewollt hatte, war er trotzdem nach Deutschland geflogen. Er hatte gedacht, dass sie ihm in die Arme fallen würde, wenn sie ihn wieder vor sich sah. Aber als er mit einem Blumenstrauß vor ihr gestanden war, hatte sie ihn nur der Form wegen umarmt. Sie hatten zusammen einen Kaffee getrunken und sogar zusammen gelacht. Aber am Ende hatte sie wieder gesagt, dass sie ihn nicht mehr liebe. Und dann hatte sie ihm erzählt, dass sie einen neuen Freund hätte.
Eugen fand den Kühlschrank und machte ihn auf. Hier gab es alles: Bier, edlen Weißwein, sogar Champagner. Das hatte es auf den WG-Partys in Berlin nie gegeben. Trotzdem war er damals glücklich gewesen. Er griff sich eines der Cervezas „Club Columbia“ und schloss die Kühlschranktür wieder. Fast erschrak er, als plötzlich die geheimnisvollen, schwarzen Augen der schönen Kolumbianerin vor ihm auftauchten. Sie musste hinter ihm hergegangen sein. Sie lächelte Eugen an und fragte, ob er ihr einen Weißwein einschenken könnte. Eugen begriff nicht. Er sah ihr schönes feingeschnittenes Gesicht, ihre schwarzen Augen, ihre dunklen Locken, aber dachte dabei an Jule. An seine kleine Jule mit dem blonden, dünnen Pferdeschwanz. Ohne ein Wort zu sagen, ging er aus der Küche, aus der Haustür nach draußen und machte sich auf den Weg zu seiner Wohnung, die in einer Jugendstillvilla genau gegenüber vom Justizgebäude lag.