Extremurlaub

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Herbstblatt

Mitglied
Extremurlaub

Eh, ich gloob, ich spinne, Alter. Da hat man als schwer malochender Arbeiter endlich ma ne Woche frei und diese Tussi, also meine Alte, verstehste, schreibt sich da ein bei so ne Scheißveranstaltung. „Vier Wochen anders leben“. Könnse ja machen, die Scheißer, die könn` von mir aus ihr ganzes Scheißleben anders machen, das is mir so was von Titte, das glaubste nich, eh. Aber doch nich meins, eh, die soll`n mich gefälligst aus der Gülle raushalten, „vier Wochen anders leben“ – Ha! Das intressiert mich doch wie Latte! Ich will mein`Urlaub genießen, wa, schön `ne Pulle zischen und abmatten, Erholung, verstehste?! Aber nee, Madam muss sich ja vortun : Hach, wat bin ick altanativ!, ja Scheiße eh, und ich darf`s ausbaden! Nu sitz ich hier und hab nix zu tun, das glaubste einfach nich, eh. Gestern Abend sacht se: „Lass` uns doch mal eine Runde spazieren gehen!“ – na, der hab ick aba was erzählt! Vielleicht führ` ich meine Alte aus wie andre ihr`n Hund, nee nee du, nich mit mir! Nichmal das Scheißradio geht, seit die Affen hier alles abgestellt ham, den Fernseher hamse gleich mitgenomm`. „Zur Sicherheit“ hamse gesacht. Genau, die wissen, dass ick schwer of Draht bin, ich hätt`das Ding ooch ohne Scheißkabel zum loofen gebracht! Eh, ich kipp mir jetzt die Rübe zu, dat hälste ja ni aus, diese Ruhe, oder wie siehst du das?! Und morgen, wenn ick wieder loofen kann, da such ich mir ne Kneipe wo `ne Kiste läuft. Da wirste doch bescheuert, so ganz ohne Kultur!
 

Herbstblatt

Mitglied
Angeregt zu diesem Text wurde ich durch eine Sendung bei ARTE, in der ein Programm gestartet wurde, bei dem sich Freiwillige dazu eintragen konnten, 4 Wochen ohne elektronische Medien zu leben. An einem Tag wurde das Experiment vorgestellt und man konnte sich eintragen. Am nächsten Tag wurden die Leute besucht, um die Fernseher und Radios abzuholen. Ca. 80% traten mit den unterschiedlichsten Begründungen von ihrer Beteiligung zurück.
 
S

suzah

Gast
hallo herbstblatt,
das war eine gute idee. schade, dass ich die arte-sendung nicht sah.

liebe grüße suzah
 

Hacienda

Mitglied
Schön Böse der Text und durch die "besondere" Sprache zunächst sehr interessant, allerdings, wenn man bedenkt, dass 80% vom Experiment zurücktraten (vgl. Arte), wäre es wohl weit treffsicherer, Jemanden aus der bürgerlichen Mitte ins Zentrum der Satire zu stellen, denn was bringt es, das Vorurteil
"Nur die Doofen hängen vor der Glotze" zu bestätigen?
liebe Grüße
Klaus
 

Herbstblatt

Mitglied
Liebe Suzah - es ist auch schon eine Weile her, dass die Sendung im Fernsehen war. Aber es beschäftigt mich noch immer.

Womit ich gleich bei dir, lieber Klaus wäre: ich arbeite noch an dem Text, der die von dir benannte "bürgerliche Mitte" betrifft, denn wie gesagt: es beschäftigt mich noch immer. Nur ist das ein "schwererer" Brocken. (gibts das Wort so überhaupt, das tut ja fast weh...?) Aber manches muss halt wachsen. Sollte ich einmal damit zufrieden sein, stell ich auch das ein, versprochen :)

LG Herbstblatt
 

steyrer

Mitglied
Hallo Herbstblatt

Kann ein "braver Bürger" auch so herrlich daherschimpfen? Ich denke nicht. Der Kontrast Prolet / alternative Frau gefällt mir.

Schöne Grüße
steyrer
 
K

KaGeb

Gast
Also, ich finde den Text witzig, die schnottrige Sprache passt hervorragend - und um das Problem mit dem "Bürgertum" ;)
zu lösen, wäre es doch am einfachsten, so was ähnliches zu schreiben wie: Mein Nachbar, der Banker, macht das Ganze auch mit. Hat schon nach einer Woche das Handtuch geworfen, ist ausgestiegen aus dem Programm. Jetzt zieh ich das doch durch ...

Nur so eine Idee.

LG, KaGeb
 
S

suzah

Gast
hallo kageb und herbstblatt,

das ist nicht so leicht und genau so witzig zu machen mit der "bürgerlichen mitte", wenn nur "fernseher und radio" abgeholt wurden. der banker verfolgt die börsenkurse auf dem handy oder im internet und viele andere sehen auch die nachrichten und filme im internet, schließlich gibt es noch den i-pod und anderes.

liebe grüße suzah
 

Herbstblatt

Mitglied
Hallo euch allen,

danke für eure Beiträge. Ich war jetzt längere Zeit nicht hier, deswegen erst jetzt die Reaktion! Ich hoffe, ihr seht es mir nach.

Der "bürgerliche Text" krümmt sich noch unter meinem Stift, ich komme immer nur ein Stück. Ich stell ihn aber ein, sobald ich etwas zufriedener damit bin! Versprochen!

Die Idee mit dem Banker ist gut, wirft aber genau die benannten Probleme auf. Ich arbeite dran...
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Sehr "schöne" Sprache. Anstatt "abmatten" würde ich chillen vorschlagen.

Gut, dass wir hier nicht auf den PC verzichten. :)

LG Doc
 

Herbstblatt

Mitglied
Lieber @DocSchneider ,

10 Jahre später ist es genau genommen ein Unding, sich aus den elektronischen Medien auszuklinken. Noch geht dieses oder jenes noch analog - aber wie lange noch? Die Krake Digitalität greift inzwischen tief in jeden denkbaren Bereich.

LG Herbstblatt

P.S. Hach, was hab ich euch vermisst :)
 

hein

Mitglied
Hallo @Herbstblatt ,

diese Geschichte sollte neu geschrieben werden mit einem 15-jährigen Protagonisten, der 2 Stunden auf sein Smartphone verzichten muss. Da wäre doch mindestens eine psychiatrische Intervention fällig.

Wir hatten vor einiger Zeit einen ganzen Tag kein Internet, weil irgendwo ein Kabel angebaggert worden war. Dass war wirklich grenzwertig, obwohl der Fernsehen glücklicherweise nicht betroffen war.

LG
hein
 

John Wein

Mitglied
Als Beispieltext ist er knorke!

Aber, ist das noch Sprechen oder ist es nur noch Kommunizieren? Dabei ist die Deutsche Sprache doch vielseitig, umfangreich und gespickt mit präzisen Verben, Substantiven u.m.

Ich habe beim Schreiben oft Jonathan Franzen im Kopf, ein amerikanischer Schriftsteller, der die Deutschen Vokale so liebt und meint sie klängen wir reife Pflaumen. Sagt dieser Begriff nicht alles!?
 
G

Gelöschtes Mitglied 21924

Gast
das is mir so was von Titte, das glaubste nich, eh
Danke für den Schmunzler.
Eine Anregung: Den Ich-Erzähler am Anfang erzählen lassen, warum man seinen Fernseher rausgetragen hat. Ich dachte erst an Räumungsklage und war ohne Deine Erklärung auf der falschen Fährte. Als weibliche Leserin kommen Ausdrücke wie "meine Alte" extrem unsympathisch rüber, wenn der Ich-Erzähler "lustig" erscheinen soll, reicht mir "Madam wollte mal Alternativ sein".
 



 
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