„Osman! Komm' mal rüber! Die Eisen müssen hier weg!“
„Patrick hat gesagt...“
„Scheiß der Hund drauf! Bin ich hier Oberpolier, oder was?“
„Oberarsch,“ murmelte Osman und ließ den Schraubenschlüssel fallen. Sorgfältig schüttelte er das Wasser aus der Kapuze, ehe er sie über den Helm zog und über das Gerüst zur gegenüberliegenden Seite des Treppenturms trottete, wo der rote Helm des Oberpoliers über dem Rand der Wanderschalung ungeduldig auf und ab hüpfte. Wenigstens würde ihm bei der Schlepperei wieder warm werden.
„Zweiundfünfzig Meter!“ Hoffschneider schob den Kopf vor. „Soll das ein Witz sein?“ Er war sich der Wirkung seiner bulligen Präsenz durchaus bewusst, während er sie mit nacheinander mit seinen wasserhellen Augen durchbohrte. Dienberg, den örtlichen Projektleiter. Berkemann, den Koordinator für Abschnitt B. Holl, den Bauleiter für E0 UHA, Murati, den Lohnunternehmer. Ein Irgendjemand, der mit Murati gekommen war und dessen Namen er vergessen hatte. Der Fahrer oder was. Als moralischer Beistand. Er beugte sich zu Murati über den Tisch. „Ich verstehe Sie nicht. Hier ist der Bauzeitenplan.“ Beinahe zärtlich legte Hoffschneider seine Hand auf den bunten Balkenplan zwischen ihnen. Leise fuhr er fort:: „Er ist Bestandteil ihres Vertrages. Sie haben ihn doch sicher gelesen, bevor sie unterschrieben haben, nicht wahr? Auch den Passus über die Koventional...“
„Bitte, Herr Hoffschneider, ich bin ein Mann von Ehre, halte mein Wort, aber es ist ein schreckliche Fehler passiert, weil, meine Bauleiter war in Urlaub, hat zu wenig Leute kalkuliert, jetzt Urlaubszeit, bitte, Herr Hoffschneider, tue alles, aber was soll ich machen, keine Leute da...“
Hoffschneider hieb auf den Tisch. Murati verstummte und sank auf seinen Platz zurück.
„Ich will meine Frage noch einmal stellen.“ Hoffschneider richtete sich auf. Sein Rücken schmerzte. „Haben sie den Vertrag gelesen, den sie unterschrieben haben?“ Der Bürostuhl knarrte protestierend unter dem Anprall seiner zwei Zentner.
„Ja, aber...“
„Hoffschneider wischte den Einwand mit einem Blick beiseite. „Wir haben ihnen Nachfristen gesetzt,...“
„Ich bin jeden Tag auf der Baustelle...“
„Unterbrechen sie mich nicht.“ Ruhig sprach er weiter: „Wir haben ihnen Nachfristen gesetzt, die sie nicht eingehalten haben.“
„Herr Hoffschneider! Das stimmt nicht!“ Murati war aufgesprungen. Seine Stimme überschlug sich, als er fortfuhr. „Bei D1 UHB sind wir einen Tag früher fertig gewesen!“ Seine Hände bebten, als er mit der Linken seinen rechten Zeigefinger umfasste. „Samstag! Bis Mitternacht betoniert!“ Er nahm den Mittelfinger hinzu. „Sonntag! Bis Mitternacht betoniert!“ Er schüttelte seine Finger. „ Was wollen sie, Herr Hoffschneider? Was?“
Hoffschneider saß zurück gelehnt und sah ihm stumm in die Augen. Murati starrte zurück. „Sind Sie fertig? Sie merken, ich lasse sie auch ausreden.“ Er beugte sich vor, legte den Oberkörper auf den Tisch und deutete mit dem Kinn auf den rot markierten Balken. „Sehen Sie, was das ist? Ich will es ihnen erklären.“ Er tippte mit dem Zeigefinger auf den Balken vor seiner Nase. „Das ist die dritte Nachfrist.“ Er richtete sich wieder auf und lächelte freudlos zu Murati hinauf. „Ich will keine Nachfristen. Keine erste, keine zweite und erst Recht keine dritte. Fünf Meter die Woche ist das Minimum. Schaffen sie die?“
Murati hielt seinen Blick fest. „Herr Hoffschneider, ich gebe mein Ehrenwort, wir werden unser Bestes geben, ab Montag habe ich eine zusätzliche Kolonne hier, dann wir schaffen noch mehr...“
Hoffschneider unterbrach ihn: „Ich will die Baustelle sehen.“ Er erhob sich. Holl warf beinahe seinen Stuhl um, als er aufsprang, um Hoffschneider den Helm vom Planschrank zu reichen.
„Dienberg.“
Der Projektleiter zuckte zusammen.
„Besorgen sie uns einen Wagen.“
Dienberg nickte und eilte zur Tür, wo er einen Moment inne hielt, um es nicht allzu sehr nach Flucht aussehen zu lassen. „Wir sehen uns dann in einer Viertelstunde unten.“
Hoffschneider ignorierte ihn ebenso wie Holl, der die Gelegenheit nutzte. Sein Finger spießte Berkemann auf, der gehofft hatte, ebenfalls in Dienbergs Gefolge unauffällig verschwinden zu können. „Mit Ihnen habe ich noch zu reden.“
Berkemann sank enttäuscht zurück. Hoffschneider wandte sich zur Kaffeemaschine um und füllte seine Tasse nach. „Wir sind fertig, Herr Murati. Sie können gehen. Das Protokoll zusammen mit dem aktuellen Zeitenplan geht noch heute per Email an ihr Büro.“ Er sah zu Berkemann, der beflissen nickte und versuchte dabei streng auszusehen. Auf seiner Stirn perlte Schweiß.
„Noch einmal, Herr Hoffschneider, ich gebe ihnen mein Ehrenwort...“ Hoffschneider winkte ab. „Geschenkt. Bitte gehen sie jetzt, ich habe heute noch mehr Termine.“
„Das ist ein Arschloch! Da kann man nicht mit reden!“ raunte Murati seinem Begleiter zu, der stumm nickte, während sie die Stahltreppen hinunter polterten.
„Patrick!“ Holl brüllte in sein Handy, während er über die Baustraße rannte. Keuchend blieb er stehen, während ein Sattelzug mit durchdringendem Piepen rückwärts in seinen Weg rangierte. „Patrick, du Wichser, melde dich!“
„Was willst du?“
„Hoffschneider ist im Anmarsch!“
„Scheiße. Den kann ich gerade gebrauchen. Der Oberarsch hat alle meine Leute zum Eisen aufräumen geholt. Nix geht! Kannst du den nicht hinhalten? Zeig' ihm sonstwas...“
„Patrick, bist du bescheuert? Hoffschneider! Glaubst du, der ist blöd?“
„Scheiße, nein.“
Der Motor des Sattelzuges brummte auf und der stählerne Hydraulikstempel stemmte die Mulde in die Höhe. Holl ging vorne herum. „Patrick?“
„Halt doch mal die Schnauze, ich überlege.“
„Denk schneller, er hat zwar noch Berkemann zwischen, aber das kann nicht lange dauern.“
Das Rauschen des herab rutschenden Kieses übertönte die Stimme aus dem Handy. „Was?“
„Ebene zehn.“
„Was ist damit?“
„Wir haben heute hoch gerüstet, Osman hat die letzten Anker gesetzt. Sollte eigentlich gleich fertig sein.“
„Was heißt gleich?“ Holl blieb stehen. „Was ist mit der Gerüstfreigabe?“
„Was ist dir lieber, ein friedlicher Hoffschneider oder ein Wisch von der Sicherheit, auf dem steht, was wir sowieso wissen. Mann! Wir arbeiten selber darauf! Also piß dich nicht an.“
Das Mehrklanghorn des Lkws ließ Holl zusammen fahren. Der Fahrer grinste fröhlich und zog langsam vor.
„Okay, aber ich weiß von nichts, klar?“
„Klar du Arschloch, hab' nichts anderes erwartet."
Aber das hörte Holl nicht mehr, der eilig die matschige Böschung der Fahrspur herunterschlitterte.
Er war aus Stahl, wie seine Brüder. Beste Qualität, wie seine Brüder. Mit amtlicher Zulassung als Gerüstanker, wie seine Brüder. Eines hatte er ihnen sogar voraus: er war halb in den Dübel eingedreht. Bis achtzig Kilo könnte er sogar halten.
Immerhin.
„Patrick hat gesagt...“
„Scheiß der Hund drauf! Bin ich hier Oberpolier, oder was?“
„Oberarsch,“ murmelte Osman und ließ den Schraubenschlüssel fallen. Sorgfältig schüttelte er das Wasser aus der Kapuze, ehe er sie über den Helm zog und über das Gerüst zur gegenüberliegenden Seite des Treppenturms trottete, wo der rote Helm des Oberpoliers über dem Rand der Wanderschalung ungeduldig auf und ab hüpfte. Wenigstens würde ihm bei der Schlepperei wieder warm werden.
„Zweiundfünfzig Meter!“ Hoffschneider schob den Kopf vor. „Soll das ein Witz sein?“ Er war sich der Wirkung seiner bulligen Präsenz durchaus bewusst, während er sie mit nacheinander mit seinen wasserhellen Augen durchbohrte. Dienberg, den örtlichen Projektleiter. Berkemann, den Koordinator für Abschnitt B. Holl, den Bauleiter für E0 UHA, Murati, den Lohnunternehmer. Ein Irgendjemand, der mit Murati gekommen war und dessen Namen er vergessen hatte. Der Fahrer oder was. Als moralischer Beistand. Er beugte sich zu Murati über den Tisch. „Ich verstehe Sie nicht. Hier ist der Bauzeitenplan.“ Beinahe zärtlich legte Hoffschneider seine Hand auf den bunten Balkenplan zwischen ihnen. Leise fuhr er fort:: „Er ist Bestandteil ihres Vertrages. Sie haben ihn doch sicher gelesen, bevor sie unterschrieben haben, nicht wahr? Auch den Passus über die Koventional...“
„Bitte, Herr Hoffschneider, ich bin ein Mann von Ehre, halte mein Wort, aber es ist ein schreckliche Fehler passiert, weil, meine Bauleiter war in Urlaub, hat zu wenig Leute kalkuliert, jetzt Urlaubszeit, bitte, Herr Hoffschneider, tue alles, aber was soll ich machen, keine Leute da...“
Hoffschneider hieb auf den Tisch. Murati verstummte und sank auf seinen Platz zurück.
„Ich will meine Frage noch einmal stellen.“ Hoffschneider richtete sich auf. Sein Rücken schmerzte. „Haben sie den Vertrag gelesen, den sie unterschrieben haben?“ Der Bürostuhl knarrte protestierend unter dem Anprall seiner zwei Zentner.
„Ja, aber...“
„Hoffschneider wischte den Einwand mit einem Blick beiseite. „Wir haben ihnen Nachfristen gesetzt,...“
„Ich bin jeden Tag auf der Baustelle...“
„Unterbrechen sie mich nicht.“ Ruhig sprach er weiter: „Wir haben ihnen Nachfristen gesetzt, die sie nicht eingehalten haben.“
„Herr Hoffschneider! Das stimmt nicht!“ Murati war aufgesprungen. Seine Stimme überschlug sich, als er fortfuhr. „Bei D1 UHB sind wir einen Tag früher fertig gewesen!“ Seine Hände bebten, als er mit der Linken seinen rechten Zeigefinger umfasste. „Samstag! Bis Mitternacht betoniert!“ Er nahm den Mittelfinger hinzu. „Sonntag! Bis Mitternacht betoniert!“ Er schüttelte seine Finger. „ Was wollen sie, Herr Hoffschneider? Was?“
Hoffschneider saß zurück gelehnt und sah ihm stumm in die Augen. Murati starrte zurück. „Sind Sie fertig? Sie merken, ich lasse sie auch ausreden.“ Er beugte sich vor, legte den Oberkörper auf den Tisch und deutete mit dem Kinn auf den rot markierten Balken. „Sehen Sie, was das ist? Ich will es ihnen erklären.“ Er tippte mit dem Zeigefinger auf den Balken vor seiner Nase. „Das ist die dritte Nachfrist.“ Er richtete sich wieder auf und lächelte freudlos zu Murati hinauf. „Ich will keine Nachfristen. Keine erste, keine zweite und erst Recht keine dritte. Fünf Meter die Woche ist das Minimum. Schaffen sie die?“
Murati hielt seinen Blick fest. „Herr Hoffschneider, ich gebe mein Ehrenwort, wir werden unser Bestes geben, ab Montag habe ich eine zusätzliche Kolonne hier, dann wir schaffen noch mehr...“
Hoffschneider unterbrach ihn: „Ich will die Baustelle sehen.“ Er erhob sich. Holl warf beinahe seinen Stuhl um, als er aufsprang, um Hoffschneider den Helm vom Planschrank zu reichen.
„Dienberg.“
Der Projektleiter zuckte zusammen.
„Besorgen sie uns einen Wagen.“
Dienberg nickte und eilte zur Tür, wo er einen Moment inne hielt, um es nicht allzu sehr nach Flucht aussehen zu lassen. „Wir sehen uns dann in einer Viertelstunde unten.“
Hoffschneider ignorierte ihn ebenso wie Holl, der die Gelegenheit nutzte. Sein Finger spießte Berkemann auf, der gehofft hatte, ebenfalls in Dienbergs Gefolge unauffällig verschwinden zu können. „Mit Ihnen habe ich noch zu reden.“
Berkemann sank enttäuscht zurück. Hoffschneider wandte sich zur Kaffeemaschine um und füllte seine Tasse nach. „Wir sind fertig, Herr Murati. Sie können gehen. Das Protokoll zusammen mit dem aktuellen Zeitenplan geht noch heute per Email an ihr Büro.“ Er sah zu Berkemann, der beflissen nickte und versuchte dabei streng auszusehen. Auf seiner Stirn perlte Schweiß.
„Noch einmal, Herr Hoffschneider, ich gebe ihnen mein Ehrenwort...“ Hoffschneider winkte ab. „Geschenkt. Bitte gehen sie jetzt, ich habe heute noch mehr Termine.“
„Das ist ein Arschloch! Da kann man nicht mit reden!“ raunte Murati seinem Begleiter zu, der stumm nickte, während sie die Stahltreppen hinunter polterten.
„Patrick!“ Holl brüllte in sein Handy, während er über die Baustraße rannte. Keuchend blieb er stehen, während ein Sattelzug mit durchdringendem Piepen rückwärts in seinen Weg rangierte. „Patrick, du Wichser, melde dich!“
„Was willst du?“
„Hoffschneider ist im Anmarsch!“
„Scheiße. Den kann ich gerade gebrauchen. Der Oberarsch hat alle meine Leute zum Eisen aufräumen geholt. Nix geht! Kannst du den nicht hinhalten? Zeig' ihm sonstwas...“
„Patrick, bist du bescheuert? Hoffschneider! Glaubst du, der ist blöd?“
„Scheiße, nein.“
Der Motor des Sattelzuges brummte auf und der stählerne Hydraulikstempel stemmte die Mulde in die Höhe. Holl ging vorne herum. „Patrick?“
„Halt doch mal die Schnauze, ich überlege.“
„Denk schneller, er hat zwar noch Berkemann zwischen, aber das kann nicht lange dauern.“
Das Rauschen des herab rutschenden Kieses übertönte die Stimme aus dem Handy. „Was?“
„Ebene zehn.“
„Was ist damit?“
„Wir haben heute hoch gerüstet, Osman hat die letzten Anker gesetzt. Sollte eigentlich gleich fertig sein.“
„Was heißt gleich?“ Holl blieb stehen. „Was ist mit der Gerüstfreigabe?“
„Was ist dir lieber, ein friedlicher Hoffschneider oder ein Wisch von der Sicherheit, auf dem steht, was wir sowieso wissen. Mann! Wir arbeiten selber darauf! Also piß dich nicht an.“
Das Mehrklanghorn des Lkws ließ Holl zusammen fahren. Der Fahrer grinste fröhlich und zog langsam vor.
„Okay, aber ich weiß von nichts, klar?“
„Klar du Arschloch, hab' nichts anderes erwartet."
Aber das hörte Holl nicht mehr, der eilig die matschige Böschung der Fahrspur herunterschlitterte.
Er war aus Stahl, wie seine Brüder. Beste Qualität, wie seine Brüder. Mit amtlicher Zulassung als Gerüstanker, wie seine Brüder. Eines hatte er ihnen sogar voraus: er war halb in den Dübel eingedreht. Bis achtzig Kilo könnte er sogar halten.
Immerhin.