Fango, Massage, Fußpflege

Cafard

Mitglied
Ich will nicht exakt erläutern, wie es zu dieser Trilogie der laufenden Ereignisse kam. Der erste und der zweite Teil gingen nahtlos ineinander über, anschließend hetzte ich zur Fußpflege.

Über solche Dinge spricht man besser nicht, daher möchte ich nur das Gefühl danach beschreiben: Jene zutrauliche Schwere.

Es war erst sechs Uhr am späten Nachmittag, als ich den Tag beenden wollte. Ich aß noch zwei Schnitten mit Fleischsalat und ein Glas Cornichons - und dann wollte ich schlafen. Weil es aber viel zu früh zum Schlafen war, legte ich mich auf mein weißes Sofa. Ich versuchte an so wenig wie möglich zu denken.

Nach zwei Stunden schlich ich zur Küche, um mir eine Tasse Hühnerbouillon aufzuschütten, was mir problemlos gelang. Ich unterließ es, zu früh von der heißen Brühe zu probieren. Die Bouillon gab mir Kraft, doch leider kam diese Kraft nicht gegen die inzwischen aufsässige Schwere an.

Es war erst halb Neun, doch ich legte mich schlafen.

Schlichtweg, um den Tag zu beenden, mir reichte es für heute, das kann mal vorkommen, man muss darüber nicht allzu beunruhigt sein. Im Bett wurde mir klar, wie sehr ich es später bereuen würde, einen solch frühen Schlaf gewählt zu haben. Insofern lenkte ich mich nun in den Tag zurück, in die Eindrücke von diesem Tag. Ich blieb liegen, ich stand nicht auf, um irgendwo ein einzelnes kleines Bier zu trinken. Nur beinahe war ich so weit.

Ich dachte an die Zeit vor der Fango, der Massage und der Fußpflege zurück. Sie überfiel mein Gemüt, jene kostbare Schwere. Wegen einer Kurzgeschichte. Neuerdings lese ich jeden Tag in einem Buch, ich lese genau eine von den traurigen und zugleich magischen Geschichten. Gestern Mittag verhielt es sich so:

Ein Mann wird von seiner Frau verlassen, er akzeptiert diese Entscheidung sofort: Sie hatte sich aufrichtig bei ihm entschuldigt.

Der Mann zieht aus, kündigt seinen Job und eröffnet eine kleine Bar. Dort geht es ihm gut, er liebt es, in dieser Atmosphäre Jazz zu hören. Die wenigen Gäste fühlen sich wohl in Kinos menschenarmer Bar. Alles scheint gut für ihn zu laufen, bis er von dort vertrieben wird, unter bedrohlichen Umständen. Ich hatte dem Mann gewünscht, dass er bis an sein Lebensende Jazz in seiner Bar hören könnte. Konnte er aber nicht, was mich bedrückte.

In dieser Stimmung durchlebte ich die besagte Trilogie der laufenden Ereignisse.

Nur so ist es zu erklären, dass ich später ein ganzes Glas Cornichons verdrückte, normalerweise esse ich nur zwei bis drei von den süßsauren Gürkchen. Nun aber wollte ich dieses schöne Gefühl noch etwas hinauszögern, wie zum Trotz. Kann das sein? Ich weiß nicht. Ein Glas Cornichons ist schnell leer, es ist ein rapide sterbender Trost. Wenn überhaupt ein Trost. So lag ich im Bett, mit lauter unnützen Gedanken.

Gegen Mitternacht schaute ich das letzte Mal auf die Uhr, jene langatmige Schwere zog mich kurz darauf in den Schlaf (oder die Müdigkeit hatte sich ihrer erbarmt). Jetzt war der Tag beendet, ein seltsamer Tag, aber nicht nur seltsam, sondern auch schön:

Bei der Fußpflege hatte eine hochbetagte Dame von ihrem jüngsten Treppensturz erzählt. Es war kaum etwas passiert. Nur hören kann sie schlecht, aber das war schon vor dem Sturz so. Ich musste laut und deutlich sprechen:

"Ich bin zum ersten Mal bei der Fußpflege, es geht nicht mehr anders, der Rücken!"

Meine Beine zuckten ein paarmal während der Behandlung, es war nicht zu kontrollieren, es lässt sich nicht alles kontrollieren, das weiß man.

Sonst liefe immer noch Jazz in Kinos längst verwaistem Paradies.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das hört sich nach einem sehr authentischen Text an, der besser im Tagebuch aufgehoben wäre. Wenn er fiktiv ist, bleibt die Frage nach der Aussage.

LG DS
 

Cafard

Mitglied
Och, die Aussage bleibt ein wenig im Ungewissen, quasi Murakami-Style, von dem ist auch die inkludierte Story: Kinos Bar - und guten Rutsch!
 



 
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