Fassungslos

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Nod

Mitglied
Find ich nicht sehr gut. Die Pointe "Aber ich bin fassungslos" kommt viel zu schnell, zu brachial. Klar, im Forum "Experimentelles" kann ich wohl Experimente und/oder Neuerungen erwarten, aber das sieht mir einfach hingeklatscht aus. Ein zwei Zeilen mehr Vorspiel und deine Pointe würde einer ganz andere Wirkung erzielen.

lg Nod.
 

Thylda

Mitglied
Lieber DocSchneider

Das Gedicht lebt offensichtlich von den Gegensätzen "fassen" und "fassungslos".
Meines Erachtens ist es genau so gut, wie es ist. Je härter diese Gegensätze aufeinander prallen, desto mehr kommt der "normale" Gebrauch der Sprache an diesen Worten ins Bewußtsein. So zeigt das "fassungslos" nicht nur die reine Information (da ist jemand sehr verwundert), sondern auch die typische Reaktion in der Körpersprache, nämlich nicht gerade eine Kuschelstimmung. Als Fassungsloser will man eben nicht angefaßt werden.
Ich finde diese Situation hervorragend herausgearbeitet und kurz, knapp und präzise sprachlich dargestellt. Ein Mehr würde den Text nur verwässern.

Liebe Grüße
Thylda
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Liebe Thylda, bin jetzt echt fassungslos ob dieser positiven Einschätzung!
;-)
Ich lasse den Text jetzt doch unverändert.... weil die Intention so viel härter rüberkommt.
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo doc,

gleich vorweg: ich bin ein großer freund von wortspielen, und erfreue mich an wendungen
in wörtern, die mir eine neue ebene des verstehens öffnen.

insofern mag ich dieses gedicht - und mag es gleichzeitig nicht.

diese zwittrigen zustand möchte ich erklären:
das Wort Fassung ist toll:

es ergeben sich viele anknüpfungspunkte auf einer selbstverständlichen ebene wie:

um fassung ringen
die fassung verlieren

das fass zum überlaufen bringen

fassungslos sein

weitere denkebenen ergeben sich

durch das verb „ fassen“ das substantiv „ fass“
dann hin zu „gefäß“
hier liegt eine sprachlich etymologische beziehung zwischen „fass und fessel“
die ich sehr interessant finde

hinzu kommt die „fassung“ als werksgegegnstand z.b. bei einer glühbirne
also ein utensil das halt gibt

oder
verschiedene fassungen von kunstwerken etc

dann ergeben sich sprachlich interessante deutungen aus der lesart adjektivisch
„ etwas ist fassungslos“ und substantivisch „ das ist das fassungs-los“

so gesehen hätte ich gerne gesehen wenn du mit diesem stück mehr „ angefasst“ hättest
bzw. die fassung des stückes voluminiöser wäre.

will sagen du hast ein paar ebenen liegen gelassen
und dem stück etwas genommen…

nichtsdestotrotz: gerne gelesen

lg ralf
 

Thylda

Mitglied
Lieber Ralf

Ich sehe Deinen Ansatz, den ich im Grunde auch gut finde. Das Wortfeld "fassen" abzuarbeiten ist sicherlich sehr ergiebig, wie Du sehr schön gezeigt hast. Dadurch verschiebt sich allerdings die Aussage des Textes gewaltig.
Ich sehe in dem Text die Darstellung des ersten Risses in einer Beziehung. Bisher hat man in vermeintlicher Einigkeit gelebt. Diese Illusion ist weg, Lyri ist fassungslos und löst sich auch ein wenig vom Lyrdu. Lyri möchte nicht Hand in Hand gehen. Eine symbolträchtige Geste.

Liebe Grüße
Thylda
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo thylda,

du hast recht, deswegen mag ich ja auch dies stück.

aber ich sehe halt auch die vielen anderen ebenen.

sicher es wäre ein anderes stück

ich wollte auch nur aufzeigen, was ich noch sehe.

dir einen schönen tag

ralf
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Thylda und Ralf: Ihr beiden habt schon so viel geschrieben, dass mir nur bleibt: DAS ist das Schöne an dem Wort fassen und seinen Verbindungen, dass es so viele Assoziationen erlaubt. Allerdings liegt Thylda mit ihrer Einschätzung am nächsten: Jemand versucht die Hand eines anderen zu fassen, aber derjenige entzieht sich, weil sein innerer Zustand schon "fassungslos" (=entsetzt) ist, was nicht erklärt wird, aber jedem Menschen vermutlich schon passiert ist und deshalb einen hohen Identifikationswert bietet.

Ein Witzbold hätte auch das Gedicht aus der Sicht einer Glühbirne lesen können. Wäre aber für mich auch okay gewesen. ;-))
 



 
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