Fata Morgana

3,00 Stern(e) 1 Stimme
Das warme Bier breitete sich fahl in seinem Mund aus.
Genauso fahl wie die Umgebung, die er betrachtete, sich in
seinem Kopf festsetzte. Doch er unternahm nichts, um diesen
Geschmack durch eine weiteren Schluck hinunterzuspülen. Er
wusste, die Erleichterung würde von kurzer, davoneilender
Dauer sein. Wie sie auch nur von kürzester Dauer war, als er
seinen Blick abwandte um die Gedanken zu befreien.
Das abgestandene Getränk wäre eine Beschwerde wert. Aber er
war ja kein Bierkenner.Er konnte nichts beweisen, niemanden
beschuldigen ihm seinen sonst so frischen Atem vergiftet zu
haben. Er malte sich aus wie es wäre, den kühlen Schaum auf
seinen Lippen zu spüren. Wie es wäre, das kühle Nass seine
Kehle hinunterrinnen zu fühlen. Würde er damit siegen, damit
seine selbstmörderische Stimmung tilgen können?
Als hätte sie die unerfüllten Wünsche des Gastes erraten,
näherte sich eine Kellnerin. Sie war so blass und vergilbt
wie der Hintergrund vor dem sie stand. Der defekte Kühlschrank
funktioniere wieder; den Beweis hielt sie in ihrer schmalen
Hand. Einen Krug Bier, von dem die eisigen Tropfen auf ihre
mit einer Laufmasche versehenen Strümpfe perlten. Sie stellte
ihn mit einem lächelndem Seufzer auf den wackeligen Tisch an
dem er saß. Sein Gehirn begann zu pulsieren. In diesem Glas,
es war handgespült, lag die goldbraune Freiheit. Doch als er
die Hand danach ausstreckte wusste er um die Nutzlosigkeit
dieser Geste.
 
S

Saurau

Gast
hallo Veronika!

deinen text zu bewerten fällt mir jetzt nicht leicht. am besten gefällt mir der letzte satz, er ist traurig schön, melancholisch, verdeutlicht den sucht-charakter (oder flucht-). dazwischen tauchen aber immer wieder motive auf, die für mich nicht aufgelöst werden. wieso stellt sich erleichterung ein, wenn der protagonist den kopf abwendet? was ist mit selbstmörderischer stimmung genau gemeint? wieso ist die kellnerin blass und vergilbt bzw. warum erwähnst du es? und meinst du tatsächlich "fahl" oder vielleicht "schaal"?

du könntest noch einmal über den text gehen und dabei versuchen, blinde motive wegzulassen oder aber sie zum eigentlichen stilmittel werden zu lassen, wenn du etwa die verwirrtheit und haltlosigkeit des prot. schildern möchtest, bevor er endlich seinen ersten schluck bier bekommt. da können ihm dann sachen auffallen bzw. er sie verstärkt wahrnehmen, die völlig irrelevant oder für andere nicht ersichtlich sind.
reduziere in gedanken den ganzen text auf einen begriff, auf den du es ankommen lassen willst (sucht?, täuschung?, enttäuschung?) und lass den sinn des begriffs in jedem satz mitschweben, ohne ihn anzusprechen.

für meine begriffe verwendest du zu starke ausdrücke (selbmörderische stimmung, beschwerde) gekoppelt mit näheren beschreibungen (wackelnder tisch, blasse kellnerin,...), die dem text authentizität verleihen sollen. stimmiger wäre es, wenn du beispielsweise den tisch jedesmal ein wenig schwanken ließest, wenn der prot. seinen kopf in die aufgestützten hände legt. und die kellnerin könnte ihn aus dunklen höhlen ansehen mit ihren rotgeäderten augen.

das sind so meine eindrücke, bleib auf jeden fall dran! ich freue mich auf weitere texte von dir!

ganz liebe grüße,

daniel
 
hallo daniel!

vielen dank für dein aufmerksames lesen!
kurz vorweggenommen: habe diesen text so wie er aufs blatt gekommen ist eingestellt. nichts überdacht, nichts korrigiert.
werde das aber baldmöglichst nachholen und schauen, ob sich mir die welt der dichterischen stilmittel eröffnet.
zu deinen fragen:
1. wieso stellt sich erleichterung ein, wenn der protagonist den kopf abwendet?
--> um festgefahrene gedanken zu verscheuchen hilft manchmal ein kopfschütteln, manchmal auch ein "bildwechsel". die frage ist nur, für wie lange bleiben sie weg.
2. was ist mit selbstmörderischer stimmung genau gemeint?
---> damit meinte ich die stimmung, die sich manchmal einstellt,
oder einstellen kann, wenn alles ausweglos erscheint.
3.wieso ist die kellnerin blass und vergilbt bzw. wieso erwähnst du es?
-->weil alles in der welt des protagonisten so ist bzw. so wirkt. dabei bilden menschen, und gerade die wichtigen (in diesem falle die frau, die ihn mit dem für ihn lebensrettenden bier versorgen könnte) in seinem leben keine ausnahme.
4. und meinst du tatsächlich "fahl" oder vielleicht "schaal"?
-->so geschrieben, so gemeint. man kann doch in der literatur
das bier auch "blass" werden lassen, oder?
danke jedenfalls für deine konstruktive kritik! ´mal sehn, was sich machen lässt.
bis bald, veronika
 

herb

Mitglied
Hallo,

mich überzeugt der Text nur so halb. Er könnte intensiver und länger sein. Da ist durchaus Potential enthalten, nach meiner Ansicht.
Du solltest aber das Wort "kaputt" vielleicht durch "defekt" ersetzen, kaputt gibt es nämlich gar nicht.

lieben Gruß

herb
 
hallo herb!

halbvoll ist besser als halbleer! werde den text vorerst so stehen lassen und warten, bis mich diesbezüglich die muse küsst.
mit dem "kaputt" muss ich dir recht geben: wird sofort geändert.
danke. geniess den tag,
veronika
 

MDSpinoza

Mitglied
Was ist gegen "kaputt" einzuwenden? Ich find es paßt.
Jetzt erstmal ein FRISCHES Weißbier. Oder vielleicht doch ein Aventinus?
 



 
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