Feierabend; - homeward bound...

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Zarathustra

Mitglied
Es war kalt,
als ich nach Hause ging,
schwer beladen mit Sorgen der Arbeit,
überladen wie ein müder alter Flusskahn;
das Kantinenessen kam mir hoch.

Sollte ich noch Brot kaufen,
Brot für zu Hause,
Brot zur Versöhnung
- um wieder einmal den Duft
von Roggen in deinen Augen zu schmecken.

Aber das blassrosa Streusalz,
schmutzig, giftig und gallig
- hinein getreten in Waschbetonfliesen
zeichnete Wunden in den Boden,
nicht blutig, aber schmerzvoll nass und rot.

Hinuntersteigen musste ich,
Stufe für Stufe,
in die lebensfeindliche Tiefe,
dem Ende sehr nahe,
- dem Anfang der Nacht.

Neonlicht blutet leise und grell; -
tropft unablässig
in den schmutzigen Darm der Stadt.

Der U – Bahn Tunnel, - nichts weiter
als eine zum Oval gequetschte Speiseröhre.
Das Würgen und Rumpeln geht den ganzen Tag
- die ganze Nacht.

Der Zug:
Ein glänzendblauer Aal - mit Haifischhaut
quirlig wie ein Tausendfüssler
er schluckt und würgt
und schwemmt mich durch zum Ostbahnhof.

"To fast-train-tracks; - please change here."

Ein Quäken wie von Baby-born Puppen,
kommt vom Band,
ist auf Chips gespeichert.
Digitalprozessorstimmen,
moduliert und leblos tot.

Mit mir reisen Klons.
Sie haben Schaufensterpuppengesichter,
unbeschreiblich cool,
alle sind gleich,
nur der Säufer nicht;
er stinkt.

"Dieser Zug endet hier!
In Fahrtrichtung rechts aussteigen,
die Türen öffnen sich von selbst."


Als ich dann ausstieg,
schloss sich die Tür,
schnell wie ein Augenlid
und zerschnitt mich in zwei Hälfen.

Ob das bis morgen wieder heilt?

© Hans Feil
 
P

Prosaiker

Gast
nein. du wirst zweigeteilt weiter dich quälen müssen wie ein wurm. leblos tot, bloß billiger abklatsch deines alten ich. sieh nur zu, dass dich die speiseröhre nicht verschluckt.
mir gefällt die tagebuchartige aufzeichnung, der entspannte ton, der jedoch teilweise unbeholfen auf mich wirkt ("Der U – Bahn Tunnel ist nichts weiter". vielleicht hättest du das liebliche, grammatikalisch falsche "dieser zug endet hier", bekannt aus allen zug-innenansagen, noch einbauen sollen ;)
lg,
Prosa.
 

Meral Vurgun

Mitglied
Ein schänes Altagbeschreibung. Monoton, dass wir leben müssen.

ich fand in deinem Gedicht von meinem Leben auch etwas, was ich täglich empfinde...

Viele Grüsse.
 

Zarathustra

Mitglied
@Prosaiker, Meral Vergun

Guten Morgen,

ich danke euch beiden für die Kommentare; -

"Zweigeteilt müssen wir weiterleben, uns durch die Röhre quetschen"! -

So empfinde ich oft mein Leben.

Die Anregungen von Prosaiker habe ich umgesetzt...

Thanks a lot...

Grüsse aus dem verschneiten München

Hans
 

Mirko Kussin

Foren-Redakteur
Hallo Zarathustra, ich habe dieses Gedicht auf die Empfehlungsliste gesetzt, weil es mir außerordentlich gut gefällt.
Du hast eine alltägliche Situation, die durch die Gedanken des Ichs halt doch nicht alltäglich ist, mit wundervollen leisen Worten und Bildern beschrieben.
Da ist nichts platt in diesem Gedicht, alles sehr subtil und in einem Rhythmus geschrieben, der den Leser mitnimmt in die Bahn.
Bei ein zwei Stellen bin ich gestolpert: Zum einen der Grammatikfehler "um wieder einmal dem Roggen...". Das müsste doch "den Roggen" heißen, oder? Und der zweite klitzekleine Punkt ist das Ausrufezeichen hinter dem stinkenden Säufer. Du verwendest nirgendwo sonst in diesem Text Ausrufezeichen (und die hat er auch gar nicht nötig). Ich würde es einfach weglassen bzw durch nen Punkt ersetzen. Es wirkt sonst so "laut" in diesem Text.
Ansonsten hatte ich sehr viel Spaß mit diesem Gedicht.
Gratulation und Danke
Mirko
 

Zarathustra

Mitglied
@mirko

Danke Mirko,

für die Empfehlungen und auch die Fehlersuche,
beides habe ich bereits umgesetzt.

Schönen Advent noch.

P.S. -> recht hast du; - ohne das Ausrufezeichen ist das Gedicht leiser geworden und der Säufer sympatischer...

Liebe Grüsse
Hans
 
S

Stoffel

Gast
allgemein...

Guten Morgen Hans,

mir gefallen Deine Beschreibungen immer besser. Ich habe das Gefühl, dass Du Dich immer weiter entwickelst in der Bandbreite Deiner Sprachwahl. Es gibt ausserordentlich gute Stellen, die mir sehr gefallen. Bringt mir Bilder und das dazugehörige Gefühl rüber.

Würde selbst gern Eindrücke in der Form bringen können.
Vielleicht sollte ich wieder in die Großstadt ziehen, Marktoberdorf hat meine Erinnerungen verblassen lassen. *smile*

Allen einen schönen Tag
lG
Stoffel
 

Zarathustra

Mitglied
Hallo Stoffel,

danke erstmal für deinen Kommentar.

Eigentlich war Lyrik für mich immer Nebensache. Ein lästiges Übel oder Poesiealbum- und Betroffenheitslyrik.

Der Liebsten, die man aus Schüchternheit ein paar Verse widmete, oder dem Verlassensein - gehören Verse.

Erst durch die Lektüre von Paul Celan oder Ingeborg Bachmann, .. seit Neuestm auch Uljana Wolf ... gefällt mir Lyrik immer mehr.

Marktoberndorf,
wahrlich es liegt weit ab von allem.
Aber auch dort küsst die Muse oft.

Also, dir noch einen schönen Advent
Hans
 
S

Sandra

Gast
Ein schöner Text. Sehr schöne Bilder, starkes Ende.
Bei den folgenden drei Versen läuft der Text m.E. ein bisschen Gefahr zu metaphernbeladen, zu ausschweifend zu werden. Das ist eine Meinung. Die andere ist, dass mir die Bilder gerade hier ausnehmend gut gefallen. Keine Ahnung, was du mit dieser Aussage anfängst, aber ich wollte sie loswerden.

Der U – Bahn Tunnel, - nichts weiter
als eine zum Oval gequetschte Speiseröhre.
Das Würgen und Rumpeln geht den ganzen Tag
- die ganze Nacht.

Der Zug:
Ein glänzendblauer Aal - mit Haifischhaut
quirlig wie ein Tausendfüssler
er schluckt und würgt
und schwemmt mich durch zum Ostbahnhof.

"To fast-train-tracks; - please change here."

Ein Quäken wie von Baby-born Puppen,
kommt vom Band,
(ist auf Chips gespeichert.
Digitalprozessorstimmen,
moduliert und leblos tot.)

Die Klammer ist doch eigentlich schon mit dem vorherigen Satz gesagt worden. Warum mehr?


LG
Sandra
 



 
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