Fensterblicke

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Fensterblicke

Schon wieder diese neugierige alte Schachtel hinter der Gardine! Sie verschwindet zwar wieder, aber nur für einen Moment. Gleich wird sie mit einem rosa Kissen bewaffnet erscheinen, auf diesem ihre füllige Oberweite ausbreiten, genüsslich aus dem Fenster gucken und die Zeit totschlagen.

So geht es nun schon seit Wochen. Die Frau nervt mich. Ich möchte es ihr abgewöhnen.
Ich öffne das Fenster, stütze „gemäß Vorbild“ meine Ellbogen auf ein grünes Kissen und fixiere mein Gegenüber wie die Schlange das Kaninchen. Die Frau ist, wie erwartet, wenig sensibel. Aber dann verspürt sie doch ein Unbehagen, und sie räumt böse blickend das Feld.

Das war vor fast sechzig Jahren.

Eben höre ich einen eigenartigen Lärm auf der Straße. Schnell ans Fenster … Aber es lohnt sich nicht, nur ein Straßenbaufahrzeug! Fußgänger, Schauobjekte der alten Schachtel von damals, haben fast Seltenheitswert. Das Auto beherrscht die Szenerie. Hast du keins, bist du weg vom Fenster.
Kinder sieht man auch immer weniger. Früh übt sich … am Computer, Fensterln auf dem Monitor. Neues Spiel, neues Glück, immer oberflächlicher. Benutzen, wegwerfen.

Und ich denke schamhaft an Frau Erna Müller, vormals Emser Str. 5, 2. Stock. Ich kann sie heute besser verstehen. Viel besser.
 
E

eisblume

Gast
Schönen guten Abend, Eberhard,

deinen Text finde ich recht ansprechend, auch, wenn er (für mein Empfinden) noch nicht „knackig“ genug formuliert ist, wodurch er mehr Kraft entfalten könnte. Ein wenig Feinarbeit könnte sich lohnen.

Liebe Grüße
eisblume
 
Fensterblicke

Schon wieder diese neugierige alte Schachtel hinter der Gardine! Gleich wird sie mit einem rosa Kissen bewaffnet erscheinen, auf diesem ihre füllige Oberweite ausbreiten, genüsslich aus dem Fenster gucken und die Zeit totschlagen.

Seit Wochen dasselbe Bild. Die Frau nervt mich. Ich möchte es ihr abgewöhnen.
Ich öffne das Fenster, stütze „gemäß Vorbild“ meine Ellbogen auf ein grünes Kissen und fixiere mein Gegenüber wie die Schlange das Kaninchen. Die Frau ist, wie erwartet, zunächst wenig sensibel. Aber dann verspürt sie doch wohl ein Unbehagen, und sie räumt böse blickend das Feld.

Das war vor fast sechzig Jahren.

Eben höre ich einen eigenartigen Lärm auf der Straße. Schnell ans Fenster … Aber es lohnt sich nicht, nur ein Straßenbaufahrzeug! Fußgänger, Schauobjekte der "alten Schachtel" von damals, haben fast Seltenheitswert. Das Auto beherrscht die Szenerie. Hast du keins, bist du weg vom Fenster.
Kinder sieht man auch immer weniger. Früh übt sich … am Computer, Fensterln auf dem Monitor. Neues Spiel, neues Glück, immer oberflächlicher. Benutzen, wegwerfen.

Und ich denke mit Schamgefühlen zurück an Frau Erna Müller,
vormals Emser Str. 5, 2. Stock. Heute kann ich sie verstehen.
 
Hallo eisblume!

Danke für Deine Anregungen. Ich habe den Text in Deinem Sinne bearbeitet, nur auf den bösen Blick wollte ich nicht verzichten, auch wenn ich Dir im Prinzip Recht gebe. Ein Fernglas zu bemühen, hätte aber meinen im Grunde ernsten Beitrag zur Klamotte gemacht.
LG Eberhard
 
K

KaGeb

Gast
Ja, darauf läuft es (leider) hinaus, obwohl ich noch nicht ganz so schwarz sehe. In den Städten treibt Vergnügungssucht die Massen hinaus, auf dem Dorf Notwendigkeiten: Hunde, die Gassi gehen wollen, Fahrradfahrer auf dem Weg zum früheren Konsum, oder Liebespaare. Ich wohne auf so einem (heißgeliebten) Dorf und hier ist die Welt noch absolut in Ordnung (nebst Erna Müllers mit Kissen im Fenster)

Fein beobachtet, lieber Eberhard.

Gruß
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo Eberhard,

ich hab auch einmal in älteren Texten von Dir geblättert und fand diesen hier sehr ansprechend: kurz und prägnant und sofort mit Erinnerungen an ein altes Nachbarpärchen verbunden, das jeden Abend, wenn ich von der Arbeit heimkam, auf Kissen gestützt aus dem Fenster lehnte und das Umfeld beobachtete. Wie habe ich das gehasst!
Heute kann ich die alten Leutchen sehr gut verstehen – man ändert sich eben, und manchmal hört man sich Dinge sagen, die man früher bei den eigenen Eltern unmöglich fand ...

Liebe Grüße
Ciconia
 
Danke Ciconia fürs Blättern. Vielleicht kannst Du noch diesem oder jenem meiner Frühwerke Leben einhauchen, das bisher keine Spuren hinterlassen hat. Du darfst gern meckern.
Lieben Gruß
Eberhard
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Ach, Eberhard, eigentlich meckere ich doch gar nicht so gern ... ;) Ich finde bestimmt noch was zum Loben.

Liebe Grüße
Ciconia
 



 
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