Feuer, Wasser, Asche, Licht

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Feuer, Wasser, Asche, Licht


„Ein Glück, dass das Feuer nicht weiter übergegangen ist.“ Der freiwillige Helfer schaut kurz auf. Die alte Frau lächelt. Hunderte von Fältchen spielen um ihre Augen. „Das hätte schlimm werden können.“ In ihrem Blick ist ein waches Funkeln.

Die Neugierigen sind immer die ersten, die reden. Wo kommt sie überhaupt her; als hätten sie die Gefahrenstelle nicht vorhin erst abgesichert. „Na ja, schlimm werden.“ Er zögert kurz, bevor er weiterspricht. „Für die, die hier gelebt haben, ist es wohl schlimm genug. Ist alles weg. Schauen Sie bloß...“ Er zeigt auf die nasskalten, verkohlten Trümmer. „Hier war mal eine Küche.“ Ein paar Töpfe, zusammengeschmolzene Klumpen von Plastik. Viel ist nicht mehr zu erkennen. Dort der Wohnbereich. Ein halbverbranntes Sofa, die metallenen Federn ragen anklagend aus der Sitzfläche. Verschmierte Asche klebt an allem. Er wird den Geruch diesen Abend nicht mehr von den Händen kriegen.

„Ein Bauwagen“, sagt sie. Pause. „Steht schon so lange hier am Ort.“ Ihm fällt nichts ein zur Antwort, und sie sinkt in ihr Schweigen zurück. Von der Straße ist Gesang zu hören, Kindergeschrei. „Die kennen kein morgen“, sagt sie, und lächelt erneut. Er wird wieder geschäftig. „Kommen Sie“, sagt er und hält ihr die Hand hin. „Sonst stürzen Sie am Ende noch.“ Sie nimmt seine Hand und steigt über den heruntergebrochenen Steinwall. Sie mag klein sein, aber ihr Griff ist stark. Sie hätte es auch allein gekonnt, merkt er jetzt.

Sein Blick kehrt zurück zu den Trümmern. „Wer so wohl lebt?“ fragt er, halblaut und mehr zu sich selbst als zu ihr. „Im Bauwagen. Mit so ein bisschen Gemüsegarten dabei. Das ist doch ganz wenig Leben, ganz primitiv.“ „Schauen sie bloß, wie schön die Sonne scheint,“ sagt sie. „Das wird ein ganz wunderbarer Herbst.“ Kriegt sie überhaupt mit, was er sagt? „Na ja, hart wird es die schon ankommen, so einfach das ganze Leben verbrannt.“

Sie macht den Rücken gerade. Ein Wind weht ihr das Haar aus dem Gesicht. „Mein Leben ist mehr als das“, sagt sie schlicht und umfasst mit ihrer Geste die stinkenden Trümmer des Bauwagens ebenso wie die noch intakten Reste des Gartens. Die offene Fläche ihrer Hand zeigt nach oben. Papierdünn die Haut. Der Ruß ist tief eingegraben in die Linien ihrer Hand.

Er sieht sie an. Zu viele Fragen im Kopf und das Sprechen fällt schwer. „Ist das...“, macht er und bricht dann ab. Sie schaut nur. „Es geht schon wieder“, sagt sie, „Danke für ihre Hilfe.“ Dreht sich um, geht die Straße entlang. Wie kann sie nur lächeln dabei, denkt er. Er schaut ihr nach, fassungslos. Ihr Rücken ist aufrecht, ihr Schritt beinahe leichtfüßig. Als wäre Schweben ihre eigentliche Gangart. Er kann es nicht mehr sehen, doch sie lächelt noch immer.
 



 
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