Fluch der Lyrik

4,30 Stern(e) 7 Bewertungen
Ich nehme einfach ein tönernes Gefäß,
um meine Tränen zu sammeln,
und wenn ich hineinsehe,
entdecke ich staunend darin das Meer.

Ich kaufe einen edlen hölzernen Sarg,
um meine alten Ängste zu betten,
und beim zögernden Öffnen,
entdecke ich mich begraben unter ihnen.

Ich schwinge unermüdlich den Käscher,
um meine Träume einzufangen,
und ihren Anblick wagend,
entdecke ich sterbende Schmetterlinge.

Ich greife endlich zu schwersten Ketten,
um meine Gefühle zu bändigen,
und als ich sie im Verlies suche,
entdecke ich mich zerfallend zu Staub.
 

Duisburger

Mitglied
Hallo Kerstin,

willkommen auf der Leselupe und besonders im meinen Bereich.
Wir kennen uns bereits von anderen Foren. Solltest du noch Fragen haben, so kannst du mir eine kurze PN schicken.

Dein Gedicht spricht mich an, da es verständliche Methapern benutzt und dem Leser deutlich vermitteln, was du ausdrücken willst. Du hast deine "Endeckungsreise" durch dich selbst anschaulich und ohne Kitsch und Pathos zu Papier gebracht. Meine Hochachtung.
Einige Anmerkungen ghabe ich doch.

Ein wenig stören mich die Füllwörter in der jeweils ersten Zeile der Verse.

Ich nehme [red]einfach[/red] ein tönernes Gefäß
Ich kaufe einen [red]edlen[/red] hölzernen Sarg,
Ich schwinge [red]unermüdlich[/red] den Käscher,
Ich greife [red]endlich[/red] zu schwersten Ketten

Ich meine, sie bringen das Werk nicht weiter, da sie die Aussage nicht beeinflussen.

Noch ein kleiner Stellungsfehler:

und als [red]sie ich [/red]im Verlies suche
und als [blue]ich sie [/blue]im Verlies suche

Ändert aber nicht an meinem positiven Urteil.

lg

Uwe
 
Vielen Dank ...

Hallo Uwe,

vielen Dank für den netten Empfang in deiner Rubrik der LL. Ich hatte schon lange vor, mir die LL näher anzuschauen und bin sehr gespannt auf Atmosphäre und Leute.

Schön, dass man Schreibpatzer hier so problemlos korrigieren kann. :)

Deinen Hinweis auf die "Füllwörter" der ersten Zeilen finde ich sehr interessant.
Sie markierten für mich einen Prozess - der mit der spontanen Beobachtung beginnt, zu bewusstem und bedachten Reagieren führt und nach einem systematischen Ringen in "endgültiger" Resignation/ Verweigerung endet.

Aber vielleicht ist diese Verdeutlichung tatsächlich gar nicht nötig? Für mich selbst natürlich nicht.
Wenn du sie nun als überflüssig empfindest, dann ist das wirklich spannend.

Genau solche Tipps machen Foren dieser Art so wertvoll.

Viele Grüße
Kerstin
 
S

Sandra

Gast
Hallo Kerstin,

auch von mir ein herzliches Willkommen in der LL. Mir gefallen die Bilder, die Du mit Deinem weitschwingenden Pinsel malst sehr gut. Spontan ist mir das Gleiche aufgefallen wie Uwe. Die Füllwörter sind m.E. überflüssig. Ich verstehe, warum Du sie verwendet hast, aber Deine Lyrik erklärt dies auch ohne. Ich hätte Dir gerne noch anders irgendwie weiter geholfen, aber an Deinem Werk gibt es nichts zu meckern. Also - mit Füllwörter oder ohne, Deine Zeilen sprechen mich sehr an.

Vielen Dank für's Lesen dürfen.

LG

Sandra
 
Kann nicht ...

Liebe Sandra,
tausend Dank für dein Willkommen und auch ganz besonders für deine Meinungsäußerung zu den "Füllwörtern".

Ich habe mich riesig gefreut, die Gedanken von Uwe auch bei einer Frau wieder zu finden.
Also habe ich die reduzierte Version geschrieben, überschlafen und heute wieder gelesen, wie ich das immer bei der Entscheidung zwischen Varianten tue....
Doch - ich kann es nicht.

Ehrlich gesagt, steckt in diesen Worten ein ganz wichtiger Teil meiner Entwicklung.
Ich habe "einfach" mal so Lyrik geschrieben, um in meine Seele zu sehen, ohne beachten zu müssen, was ich meine, sehen zu müssen.
Ich habe so intensiv und "teuer erkauft" darum gekämpft, meinen Ängsten und Zweifeln zu begegnen.
Ich habe so unverdrossen über Jahre versucht, in einer sterbenden Ehe die Träume zu retten, die sie geschmiedet hatten.
Und erst als letzten Schritt, nach dem Aufgeben jeder Hoffnung auf Glück, wollte ich einfach nur noch funktionieren, nur noch Begonnenes zu Ende bringen.

Ich kann diese Worte nicht wirklich aus diesem Gedicht streichen - es würde meine Seele verlieren.

Liebe und dankbare Grüße
Kerstin
 
S

Sandra

Gast
Liebe Kerstin,
Du hast Dich wunderbar erklärt, obwohl Du es nicht hättest tun müssen und welche Begründung wäre einleuchtender als die, die Du uns gegeben hast. Ganz sicher müssen die Wörter jetzt stehen bleiben :)

Wie gesagt: So oder so - ein wunderschönes Gedicht.

LG

Sandra
 

Nachtigall

Mitglied
Freue mich Dich hier zu treffen, liebe Kerstin.
Bin ich doch eine Bewunderin Deiner Werke.

Ein gelungenes Werk.

Liebe Grüße
Alma Marie
 
Ich nehme einfach ein tönernes Gefäß,
um meine Tränen zu sammeln,
und wenn ich hineinsehe,
entdecke ich staunend darin das Meer.

Ich kaufe einen edlen hölzernen Sarg,
um meine alten Ängste zu betten,
und beim zögernden Öffnen,
entdecke ich mich begraben unter ihnen.

Ich schwinge unermüdlich den Käscher,
um meine Träume einzufangen,
und ihren Anblick wagend,
entdecke ich sterbende Schmetterlinge.

Ich greife endlich zu schwersten Ketten,
um meine Gefühle zu bändigen,
und als ich sie im Verlies suche,
entdecke ich mich zerfallend zu Staub.
 



 
Oben Unten