Flucht

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rogathe

Mitglied
Hallo Vera-Lena,
je öfter ich deinen Text lese, um so mehr stören mich die zwei "irgendwelchen". Obwohl ich hinter dieser Dopplung Absicht vermute, schlage ich folgende Änderung vor:
Die Nerven mit Stacheldraht
umwickelt
die Angstzentren blockiert
schuhlos
Schritt um Schritt
[blue]fremden offenen [/blue]Armen
entgegen
die in irgendwelchen Nebeln
immer wieder verschwinden
Marksteine am Weg
auf denen steht
Warte nur balde

Das Gurren der Friedenstaube
von sehr sehr weit her
LG rogathe
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe rogathe,

danke fürs Lesen und für Deinen Änderungsvorschlag.

Das doppelte "irgendwelchen" habe ich aber absichtlich benutzt, um zu verdeutlichen, wie wenig Konkretes dieser fliehende Mensch sich überhaupt noch vorstellen kann. Das Wort "fremden" ist in seiner derzeitigen Situation viel zu eindeutig, so empfinde ich das. Wenn selbst die Nebel, die ja eigentlich schon sowieso "nebulös" sind für ihn "irgendwelche" Nebel sind, dann kann man vielleicht ein wenig nachvollziehen, wie verloren er sich fühlen muss.

Die Marksteine am Weg sind natürlich auch nur als Metapher gemeint, denn er könnte sie ja gar nicht entziffern.

Lieben Dank und liebe Grüße
Vera-Lena
 
O

orlando

Gast
Hallo Vera-Lena,

am beeindruckendsten finde ich die Anspielung auf Goethe, den Sprößling des Volkes der "Dichter und Denker." Und noch dazu in diesem Nachtgedanken ("warte nur, balde ruhest du auch").

Wie ließe sich eine Diskrepanz (Dichtung und Wahrheit?) eindringlicher und doch so unaufdringlich benennen? Gar nicht! :)

Gut gemacht
orlando
 

Vera-Lena

Mitglied
Zu dem "Warte nur balde" möchte ich auch noch etwas sagen:

Zuerst hatte ich es in Anführungszeichen gesetzt. Das wirkte aber sehr aufdringlich, weil der gesamte Text keine Interpunktion hat. Wie ich nun sehe, war das auch gut so, denn Orlando hat das Zitat ja trotzdem entdeckt.

Ich beabsichtigte drei Aussagen:

1. Man erfährt, dass der flüchtende Mensch jetzt in Deutschland angekommen ist.

2. Wie lange wird er Schlange stehen müssen bis es für ihn einen Platz gibt, auf den er sich aufatmend hinsetzen kann?

3. Wird er nicht auch vor dem einen oder anderen deutschen Menschen abermals die Flucht ergreifen müssen?

Bei diesen traurigen Aussichten musste ich das Gurren der Friedenstaube (als meine persönliche Hoffnung) hinzufügen.

Danke allen Lesern und auch Allen, die diesen Text bewertet haben.Fühle ich mich doch auch durch kommentarlose Bewertung verstanden.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 
O

orlando

Gast
Hallo Vera-Lena,
bei Zitaten die nun wirklich jeder kennt, selbst Japaner in und aus Frankfurt, erübrigen sich die Anführungsstriche.

Es gibt ein gutes Gedicht von Kurt Bartsch, das heißt
Liedervereinigung

Auferstanden aus Ruinen
Brüderlich mit Herz und Hand
Lass uns dir zum Guten dienen
Tochter aus Elysium
....
dort gibt es ebenfalls keinerlei Zitatausweisungen, weil die Zitate, bzw. das Zitieren, gleichsam Bestandteile des Gedichts sind. Genau wie bei dir.
Und ein wenig nachdenken ("Das kenne ich doch irgendwo her ..."), sollte/könnte ein Lyrikinteressent schon. ;)


Herzlichst
orlando
 
Warte nur! Balde
Ruhest du auch.
Liebe Vera Lena,
mich hat das ein wenig irritiert. Ich habe das „Ruhest du auch“ immer mit dem Tod in Verbindung gebracht. Es sieht so aus, dass es am Ende der Flucht keine Hoffnung gibt.
Dieses ist mir erst aufgefallen, als über das Goethe-Zitat kommentiert wurde.

Viele Grüße,
Marie-Luise
 
Liebe Vera Lena,
ein tolles Gedicht zur Flüchtlingsproblematik.
Allein die letzten beiden Zeilen überzeugen mich nicht so ganz.
Ich würde es mit dem Goethe-Zitat enden lassen...
Herzliche Grüße
Karl
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Marie-Luise,

das ist einleuchtend, dass Du den Text in dieser Weise betrachtet hast. Aber da ich nur die halbe Zeile verwendet habe, war ich mir sicher, dass man das Zitat nicht mit dem Tod in Verbindung bringen wird.

Nun ja, der Leser hat immer Recht (jedenfalls aus meiner Sicht)
denn schließlich steht er voll und ganz hinter seiner Lesart.

Danke, dass Du mir darüber erzählst, denn für den Autor ist ja jede Lesart interessant.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Karl,

das hatte ich mir auch eine Zeit lang so überlegt, aber mein schmerzbewegtes Herz benötigte unbedingt diesen fernliegenden Trost. Und ich muss ja so einen Text als Ich-Selbst schreiben.

Danke für Deine anerkennenden Worte und auch den Verbesserungsvorschlag!

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

revilo

Mitglied
Mädels , ihr müsst euer Gedicht weder rechtfertigen noch erklären ..mir gefällt es ..und das ich auf beide stehe , ist ja wohl kein Geheimnis mehr ..
hach , ich freu mich richtig darauf , wegen Themaverfehlung ausgeblendet zu werden ..
 

Monochrom

Mitglied
Störende Elemente

Hi,
also, der Text hat für mein VErständnis mehrere Mängel.

Da ist erstmal ein Wort, das einfach nicht lyrisch ist.

"Angstzentrum"? WAs soll ich mir da als Leser vorstellen? WIe soll sich da ein BIld zünden?

Dann sind da mehrere "Redewendungen" und Wörter, die sich mit "Tausendmal im GEdicht gelesen" bezeichnen lassen und diesen TExt schwächen.

"MArksteine", "Nebel", "Friedenstaube", "geöffnete Arme", das sind Wörter, die so oft in GEdichten vorkommen, mit den bekannten Bildern, dass ich dem nix mehr abgewinnen kann.

Einzig der Vers "mit Stacheldraht umwickelt" ist neu und frisch, aber ein Vers allein reisst es nicht raus.

Sorry, aber ich finde es nicht gut.
Ciao,
Monochrom
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo Monochrom,

danke für Deinen Kommentar!

Ich habe mir jetzt einmal Deine lyrischen Texte angesehen. Du hast tatsächlich eine andere Art des Schreibens als ich. Von daher kann ich verstehen, dass Dir mein Text nicht zusagt.

Allerdings reicht es ,glaube ich, nicht einen Text an einzelnen Wörtern festzumachen.

Die Interpretation kann erst erschließen, was hier gesagt wird.

Aber Deine Texte sind spannend für mich und sobald ich ein wenig Zeit habe, werde ich mich einmal damit auseinandersetzen.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 



 
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