Fortschritt mit Nebenwirkungen

E

Epiklord

Gast
Bevor ich zum Menschsein reinkarniert bin, lebte ich in Hundehausen mit der kleinen Dorfschule im Mittelpunkt und zwanzig Kilometer von der Hauptstadt Dogcity entfernt. Ein großer innovativer Schub sollte dort geschehen sein und aufgeregt wendete ich mich an meinen Großvater Wuff.
„Opa Wuff, ich bin stolz jetzt zu leben. Mein Lehrer hat gesagt: `Die Moderne hat ihren Zenit in der Stadt erreicht.` Du warst ja gerade dort.“
Wuff kratzte sich am Kopf: „Nun ja, Biffi, ich habe noch die Zeit miterlebt, als das mit dem Fortschritt losging.“
„Oh prima, erzähl es mir.“

„Nun gut, Biffi. Unser hündisches Weltbild war immer sehr eingeengt gewesen. Gleichgültig registrierten wir unsere Hundevisagen, während das Interesse einzig den ungezählten Ärschen galt, die einem ständig ins Gesichtsfeld drängten. Hier auf dem Lande genoss man noch den Anblick eines jeden und schnüffelte lustvoll herum. Und kam mal ein Nachbarshund nicht nach draußen, litt man, als wenn drei fehlten. Aber in der Hauptstadt entwickelte sich diese Lust zum Frust.“
„Ja, Opa Wuff, das ist ja alles schön und gut. Aber wo blieb der Fortschritt?“

„Biffi, nun hab Geduld. Einige sehr sensible Hunde reagierten total überspannt. Sie hatten die Nasen voll von dieser ewigen Präsenz unzähliger Ärsche und flüchteten sich in andere Forschungsgebiete. So kamen sie darauf, dass unsere Stöckchen Phallussymbole wären. Um so größer der Stock, desto kleiner der...na, du weißt schon. Und Hündinnen trügen Stöcke aus Penisneid als deren Ersatz.“
„Aber Opa, das ist doch alles Quatsch.“
„Ja, Biffi, erst hat es auch keinen interessiert. Es blieb forscherintern. Aber zeitgleich entstand im Stadtpark von Dogcity ein Problem. Unsere lieben Artgenossen hatten überall verstreut ihre prächtigen Stöckchen einfach liegen lassen. Ein chaotisches Bild bot sich und kleine Hunde stolperten immer wieder. So wurden die Stöckchen von der Stadtreinigung entsorgt und man hängte Tafeln mit der Aufforderung auf, die Stöcke nach dem Gassigehen unverzüglich mit nach Hause zu nehmen. Ergebnislos.“
„Na Opa, Stadthunde sind eben schlampig. Aber wie kam’ s nun zum Fortschritt?“

„Nun Biffi, ein Herr vom Stadtrat hatte von der Stöckchenforschung erfahren und es weit und breit publik gemacht.“
„Ach, Opa Wuff, du meinst die Sache mit dem größten Stöckchen beim kleinsten Pillermann tragen und so.“
„Genau Biffi. Und einige Stunden später sah man nur noch Rüden mit Minihölzchen demonstrativ promenieren, und die Hündinnen gingen ohne.“
„Aber Opa, das ist doch ein toller Erfolg gewesen. Die Zwerghunde konnten so nicht mehr stolpern und die winzigen Hölzchen trübten das schöne Parkbild kaum.“
„Ja Biffi, es stellte sich aber gleich eine Nebenwirkung ein. Wir Hunde hatten bis dato gerne vor unseren Hütten leckere Knochen geknabbert. Doch nun auf mal ergab sich eine zwingende Assoziation zu den phallischen Stöckchen, was uns in grässliche Zweifel trieb. Knochen wurden gemieden, und unser wichtigster Wirtschaftszweig, die Knochenfertigung, lahmgelegt.“
„Oh Opa, das war ja furchtbar. Aber konnte man da nichts machen?“
„Aber klar, Biffi, es hatte doch schon einmal funktioniert. Zunächst ehrte der Stadtrat die Stöckchenforscher. Und in deren Namen erfolgte eine öffentliche Proklamation zukunftsweisender Thesen. Man behauptete, das Fressen von Knochen wäre als Gehirnnahrung sehr zu empfehlen. Und im übertragenem Sinne würde dabei der Phallus bzw. die Clitoris vernichtet. So stelle es ein imaginäres Zeichen für den Überwindungswillen der genitalen Phase dar, in der wir bis dahin gefangen waren, und an welche die bis hierher unbekannte erstrebenswerte geistige Hoch- und Endphase direkt anknüpfen sollte. Nur durch Knochenfressen gelänge man dorthin. Und mehr Knochen als je zuvor wurden verzehrt, dass deren Produktion brummte.“
„Ein toller politischer Streich, Opa, und ein Triumph der Wirtschaft.“

„Klar, lieber Biffi, aber ich muss dich erneut enttäuschen. Auch hier gab’s eine Tücke. Jeder Hund litt nun an heftiger Verstopfung. Der Hintern juckte und man rutschte auf ihm herum. Wir nannten es „Schlittenfahren“. Rizinusöl fand zwar kurzzeitig regen Absatz, aber die Dosierung blieb schwierig.“
„Ja, Opa Wuff, man hätte den Knochenverzehr einschränken müssen.“
„Biffi, du hast vergessen, dass man die genitale Phase durchbrechen wollte. Und man musste diese unangenehmen Nebenwirkungen halt ertragen. So ist das eben beim Fortschritt.“
„Gut, Opa Wuff, das ist Schnee von gestern. Nun hat man endlich den ultimativen Durchbruch geschafft, mit einer genialen Erfindung, hat mein Lehrer gesagt.“
„Ja, Biffi, aber auch dies ist wieder einmal mit einem riesigen Wehmutstropfen verbunden. Sämtliche Bäume in der Stadt, also auch die ungezählten Stammbäume, sind abgeholzt worden. Für so eine ungewisse und zunächst geheimgehaltene Neuschöpfung wollte kein Dörfler seinen Wald hergeben. Holz zum Heizen hat bei uns höchste Priorität. In der Stadt befinden sich jetzt überall Verkaufsstellen des neuen Produkts. Ich besorgte mir auch eins. Denn ohne gehen schickt sich in Dogcity nicht.“

„Cool, Opa, du hast mir aber noch nicht gesagt, um was für eine Erfindung es sich genau handelt.“
„Ja, Biffi, da wollte ich jetzt drauf kommen. Die Erfindung enthebt einem gleichsam vom Problem des Schlittenfahrens in eine höhere Sphäre mit Weitsicht. So schwärmen die Konstrukteure.“
„Klasse, Opa, ein Fortschritt also mit Perspektive.“
„Naja Biffi, man hat einfach aus den gefällten Bäumen Stelzen gefertigt, einen halben Meter hoch und nicht ganz bequem.“
„Geil, Opi, die einfachen Dinge sind meistens die genialen oder umgekehrt. So ähnlich hat sich mein Lehrer ausgedrückt.“
„Du überrascht mich, Biffi. Aber es ist wohl deiner Jugend zuzuschreiben.“

„Opa, ich muss unbedingt in die Stadt. Diesen irren Kick auf den Stelzen darf ich mir nicht entgehen lassen. Das ist wahrer Fortschritt. Eine neue Dimension.“
„Komisch Biffi, ich kapiere nicht, von was du redest. Diese blöden Stelzen drückten an den Pfoten.“
„Och, Opa Wuff. Dass ihr Alten immer an den neuen Dingen herumnörgeln müsst. Die Hunde in Dogcity sollen sehr stolz sein. Und ihr Bewusstsein hat sich enorm erweitert, hat mein Lehrer gesagt.“

„Ja, Biffi, ihre Köpfe tragen sie nun einen halben Meter höher. Doch die Blicklinie ist unverändert geblieben und darin drängen sich immer noch die gleichen Arschlöcher wie früher.“

*
 
E

Epiklord

Gast
Bevor ich zum Menschsein reinkarniert bin, lebte ich in Hundehausen mit der kleinen Dorfschule darin im Mittelpunkt und zwanzig Kilometer von der Hauptstadt Dogcity entfernt. Ein großer innovativer Schub sollte dort geschehen sein und aufgeregt wendete ich mich an meinen Großvater Wuff.
„Opa Wuff, ich bin stolz jetzt zu leben. Mein Lehrer hat gesagt: `Die Moderne hat ihren Zenit in der Stadt erreicht.` Du warst ja gerade dort.“
Wuff kratzte sich am Kopf: „Nun ja, Biffi, ich habe noch die Zeit miterlebt, als das mit dem Fortschritt losging.“
„Oh prima, erzähl es mir.“

„Nun gut, Biffi. Unser hündisches Weltbild war immer sehr eingeengt gewesen. Gleichgültig registrierten wir unsere Hundevisagen, während das Interesse einzig den ungezählten Ärschen galt, die einem ständig ins Gesichtsfeld drängten. Hier auf dem Lande genoss man noch den Anblick eines jeden und schnüffelte lustvoll herum. Und kam mal ein Nachbarshund nicht nach draußen, litt man, als wenn drei fehlten. Aber in der Hauptstadt entwickelte sich diese Lust zum Frust.“
„Ja, Opa Wuff, das ist ja alles schön und gut. Aber wo blieb der Fortschritt?“

„Biffi, nun hab Geduld. Einige sehr sensible Hunde reagierten total überspannt. Sie hatten die Nasen voll von dieser ewigen Präsenz unzähliger Ärsche und flüchteten sich in andere Forschungsgebiete. So kamen sie darauf, dass unsere Stöckchen Phallussymbole wären. Um so größer der Stock, desto kleiner der...na, du weißt schon. Und Hündinnen trügen Stöcke aus Penisneid als deren Ersatz.“
„Aber Opa, das ist doch alles Quatsch.“
„Ja, Biffi, erst hat es auch keinen interessiert. Es blieb forscherintern. Aber zeitgleich entstand im Stadtpark von Dogcity ein Problem. Unsere lieben Artgenossen hatten überall verstreut ihre prächtigen Stöckchen einfach liegen lassen. Ein chaotisches Bild bot sich und kleine Hunde stolperten immer wieder. So wurden die Stöckchen von der Stadtreinigung entsorgt und man hängte Tafeln mit der Aufforderung auf, die Stöcke nach dem Gassigehen unverzüglich mit nach Hause zu nehmen. Ergebnislos.“
„Na Opa, Stadthunde sind eben schlampig. Aber wie kam’ s nun zum Fortschritt?“

„Nun Biffi, ein Herr vom Stadtrat hatte von der Stöckchenforschung erfahren und es weit und breit publik gemacht.“
„Ach, Opa Wuff, du meinst die Sache mit dem größten Stöckchen beim kleinsten Pillermann tragen und so.“
„Genau Biffi. Und einige Stunden später sah man nur noch Rüden mit Minihölzchen demonstrativ promenieren, und die Hündinnen gingen ohne.“
„Aber Opa, das ist doch ein toller Erfolg gewesen. Die Zwerghunde konnten so nicht mehr stolpern und die winzigen Hölzchen trübten das schöne Parkbild kaum.“
„Ja Biffi, es stellte sich aber gleich eine Nebenwirkung ein. Wir Hunde hatten bis dato gerne vor unseren Hütten leckere Knochen geknabbert. Doch nun auf mal ergab sich eine zwingende Assoziation zu den phallischen Stöckchen, was uns in grässliche Zweifel trieb. Knochen wurden gemieden, und unser wichtigster Wirtschaftszweig, die Knochenfertigung, lahmgelegt.“
„Oh Opa, das war ja furchtbar. Aber konnte man da nichts machen?“
„Aber klar, Biffi, es hatte doch schon einmal funktioniert. Zunächst ehrte der Stadtrat die Stöckchenforscher. Und in deren Namen erfolgte eine öffentliche Proklamation zukunftsweisender Thesen. Man behauptete, das Fressen von Knochen wäre als Gehirnnahrung sehr zu empfehlen. Und im übertragenem Sinne würde dabei der Phallus bzw. die Clitoris vernichtet. So stelle es ein imaginäres Zeichen für den Überwindungswillen der genitalen Phase dar, in der wir bis dahin gefangen waren, und an welche die bis hierher unbekannte erstrebenswerte geistige Hoch- und Endphase direkt anknüpfen sollte. Nur durch Knochenfressen gelänge man dorthin. Und mehr Knochen als je zuvor wurden verzehrt, dass deren Produktion brummte.“
„Ein toller politischer Streich, Opa, und ein Triumph der Wirtschaft.“

„Klar, lieber Biffi, aber ich muss dich erneut enttäuschen. Auch hier gab’s eine Tücke. Jeder Hund litt nun an heftiger Verstopfung. Der Hintern juckte und man rutschte auf ihm herum. Wir nannten es „Schlittenfahren“. Rizinusöl fand zwar kurzzeitig regen Absatz, aber die Dosierung blieb schwierig.“
„Ja, Opa Wuff, man hätte den Knochenverzehr einschränken müssen.“
„Biffi, du hast vergessen, dass man die genitale Phase durchbrechen wollte. Und man musste diese unangenehmen Nebenwirkungen halt ertragen. So ist das eben beim Fortschritt.“
„Gut, Opa Wuff, das ist Schnee von gestern. Nun hat man endlich den ultimativen Durchbruch geschafft, mit einer genialen Erfindung, hat mein Lehrer gesagt.“
„Ja, Biffi, aber auch dies ist wieder einmal mit einem riesigen Wehmutstropfen verbunden. Sämtliche Bäume in der Stadt, also auch die ungezählten Stammbäume, sind abgeholzt worden. Für so eine ungewisse und zunächst geheimgehaltene Neuschöpfung wollte kein Dörfler seinen Wald hergeben. Holz zum Heizen hat bei uns höchste Priorität. In der Stadt befinden sich jetzt überall Verkaufsstellen des neuen Produkts. Ich besorgte mir auch eins. Denn ohne gehen schickt sich in Dogcity nicht.“

„Cool, Opa, du hast mir aber noch nicht gesagt, um was für eine Erfindung es sich genau handelt.“
„Ja, Biffi, da wollte ich jetzt drauf kommen. Die Erfindung enthebt einem gleichsam vom Problem des Schlittenfahrens in eine höhere Sphäre mit Weitsicht. So schwärmen die Konstrukteure.“
„Klasse, Opa, ein Fortschritt also mit Perspektive.“
„Naja Biffi, man hat einfach aus den gefällten Bäumen Stelzen gefertigt, einen halben Meter hoch und nicht ganz bequem.“
„Geil, Opi, die einfachen Dinge sind meistens die genialen oder umgekehrt. So ähnlich hat sich mein Lehrer ausgedrückt.“
„Du überrascht mich, Biffi. Aber es ist wohl deiner Jugend zuzuschreiben.“

„Opa, ich muss unbedingt in die Stadt. Diesen irren Kick auf den Stelzen darf ich mir nicht entgehen lassen. Das ist wahrer Fortschritt. Eine neue Dimension.“
„Komisch Biffi, ich kapiere nicht, von was du redest. Diese blöden Stelzen drückten an den Pfoten.“
„Och, Opa Wuff. Dass ihr Alten immer an den neuen Dingen herumnörgeln müsst. Die Hunde in Dogcity sollen sehr stolz sein. Und ihr Bewusstsein hat sich enorm erweitert, hat mein Lehrer gesagt.“

„Ja, Biffi, ihre Köpfe tragen sie nun einen halben Meter höher. Doch die Blicklinie ist unverändert geblieben und darin drängen sich immer noch die gleichen Arschlöcher wie früher.“

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Udogi-Sela

Mitglied
Undeutlich

Mehrfach musste ich ansetzen, um diesen Text in einem Rutsch durchlesen zu können. Denn unterwegs im Text ist mir immer wieder die Lust und das Interesse am weiter lesen „verreckt“. Was will der Autor sagen? fragte ich mich. Soll das humorvoll, gar satirisch sein? Der Text fesselt mich nicht, einen höheren Sinn kann ich auch nicht entdecken.
Da ist eine einfache Aussage: „Äußere Änderungen ändern die Menschen, pardon, Hunde in ihrem Wesen nicht“, zu kompliziert erzählt.
Vielleicht bin ich aber auch nur zu blöd für deine Gedankengänge.
Fast möchte ich sagen: Das ganze Werk ist Stöckchen…

Mach dein Werk mal deutlicher und interessanter!

Gruß
Udo
 



 
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