Fortsetzung Hauptschule

anemone

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Hauptschule

Die ersten Folgen findet ihr unter Profile


„Ein Anruf für Frau Tesch? So?“ die Sekretärin stellte ihr das Gespräch durch. Der Meister des Betriebes informierte die Klassenlehrerin über das Fehlen zweier Schieblehren und teilte ihr seinen Entschluss mit, nach Absprache mit dem Chef der Firma keine Besichtigungen des Betriebes mehr durchführen zu lassen.

Das wollte Frau Tesch aber nicht so ungestraft bei ihrer Klasse durchgehen lassen und mit Hilfe ihres Referendares stellte sie Nachforschungen in der Sache an, doch wie ihre Erfahrungen Sie bisher gelehrt hatten, sollte auch diesmal die Suche erfolglos verlaufen. Sie hatte zwar einen Verdacht, konnte ihn jedoch nicht beweisen und wie immer in solchen Angelegenheiten, selbst wenn es jemand wusste, hielten die Hauptschüler dicht, so dass der Übeltäter nicht erkannt wurde. Das Problem musste der Rektor der Schule lösen, indem er den Geldbetrag für zwei Schieblehren zur Verfügung stellte und ihn Frau Tesch überreichte.

So geschah es, dass Frau Tesch einige Stunden am nächsten Morgen ihrem Referendar überließ und sich auf den Weg in die Firma machte, um dort dem Betriebsmeister den Betrag für die Schieblehren zu überreichen. Sie blieb recht lange aus und Andreas fand Gelegenheit sich in mehreren Fächern mit der Klasse zu beschäftigen.

Er mochte sie, diese Bande, so verschieden sie auch waren. Jeder hatte auf seine Art Dreck am Stecken und die, bei denen es den Anschein hatte, dass sie die Bravsten der Klasse waren, waren oft die Allerschlimmsten.

Da war zum Beispiel Markus, dessen Eltern geschieden waren und der immer über genügend Geld verfügte, da er es von jedem Elternteil zugesteckt bekam. Ihn konnte man ganz sicher von der Liste der Verdächtigen streichen, das stand fest. Markus hatte es nicht leicht in dieser Klasse und wurde nur deshalb anerkannt, weil er ständig Geld zur Verfügung hatte. Er musste schon immer bezahlen, denn er hielt sich häufig am schuleigenen Kiosk auf, um sich dort sein Frühstück zu holen. Oft jedoch musste er es abliefern und kam gar nicht dazu es selbst zu essen. Häufig zahlte er auch für andere Zwecke, es gab immer einen Grund ihn zur Kasse zu bitten. Inzwischen brachte er regelmäßig ein paar Euro mehr mit, damit sein Fahrrad nicht beschädigt wurde; er zahlte regelmäßig an einen Wolgadeutschen, dessen Brüder sich ebenfalls auf dem Schulhof aufhielten und sein Rennrad immer wieder bewundernd anschauten.

Markus hatte es gesehen, dass die Schieblehren in die Tasche von Richard verschwanden, es war der Typ, dem er Geld für sein Rennrad zahlte, doch er hütete sich dieses zu verraten, denn soviel hatte er in den vergangenen Jahren an dieser Schule gelernt: Petzen wurde schlimmstens bestraft.

Frau Tesch kam nicht nur zurück von der Firma, nein sie schwebte förmlich; es entging Andreas nicht und sie konnte es auch nicht lange für sich behalten, es musste heraus. Unter dem Mäntelchen der Verschwiegenheit teilte sie ihm mit, dass Herr Roth ihr die Schieblehre erklärt hätte und er doch ein seeeehr netter Mensch wäre. Er persönlich würde weiteren Betriebsbesichtigungen durchaus zustimmen und sie solle doch noch einmal vorbeikommen wegen einer Praktikanten-Stelle für einen ihrer Schüler für zwei Wochen im Herbst. Sie konnte es kaum erwarten, bis in der kommenden Woche um die gleiche Zeit der Termin für sie anstand. Andreas übernahm gerne wieder ihre Stunden.
 

anemone

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hallo Tagmond,

Die Bezeichnung lautet besser: Mess-Schieber, doch da war das Problem mit den drei S und das erforderte: Nachsehn im Duden. Es geht dabei um millimetergenaues Messen von Metallstücken (Mist, den Duden hab ich immer noch nicht gefunden!)

LG
anemone
 

anemone

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Es war Samstag, als Frau Tesch mit ihrem Ehemann über den Trödelmarkt am Bahnhof lief. Sie suchte nichts Bestimmtes, doch ihr Mann war immer auf der Suche nach alten Autoersatzteilen und auch diesmal wurde er fündig. Es war das Lenkrad eines alten Opel und gerade so ein Oldtimer stand zur Zeit in der von ihm angemieteten Scheune. Werner Tesch war Automechaniker von Beruf, den er aber nur noch halbtags ausführte. Die restliche Zeit des Tages verbrachte er damit, Oldtimer aufzumotzen.

Lange stand Axel Tesch vor dem Stand, um mit dem Händler über den Preis des Lenkrades zu feilschen. Das konnte dauern, Anita Tesch kannte diese Verhandlungen: Weglaufen, wiederkommen, erneut das Teil in die Hand nehmen, um es dann doch nie aus den Augen zu lassen, weil er darin total vernarrt war. Sie lief inzwischen an den Nachbarstand und stutzte. Da lagen unter anderen Teilen auch einige Mess-Schieber herum, die sie magisch anzogen. Sie blickte den Trödelhändler an, der ihr Interesse erkannte und pro Teil 5 EURO verlangte. Sie besah sich diese Teile sehr genau und ihr fiel eine kleine Kerbe an der Oberkante des einen Mess-Schiebers auf. Dann suchte sie auf dem ganzen Platz nach einer Person, die ihr bekannt vorkommen sollte, ein Schüler vielleicht. Dass Richards älterer Bruder an dem Stand mit den Schieblehren stand, wusste Frau Tesch nicht und selbst wenn, es interessierte sie nur am Rande. Für sie war die Sache nicht so wichtig, sie freute sich auf Dienstag, wenn Andreas ihre Stunden übernahm und dafür waren die Schieblehren äußerst interessant.
 

anemone

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Es näherte sich der Tag, an dem Anita Tesch sich mit dem Meister in der Firma treffen wollte. Alle Vorbereitungen waren getroffen und Andreas freute sich auf die Englisch- und Deutschstunde, bei der er sie in der Abwesenheit in den letzten beiden Stunden vertreten sollte.

Gerade fand die große Pause an der Schule statt, welche Markus mal wieder dazu veranlasste, sich ein belegtes Brötchen am Kiosk zu kaufen. Im Hintergrund sah er Richards jüngeren Bruder, der ihn nicht aus den Augen ließ. Richard selbst betrat selbstsicher die Toilettenanlage der Schule. Während er in die Rinne pinkelte, holte er einmal kräftig aus um den ganzen Dreck aus seinen Körper herauszubefördern der als gelbe Masse gegen die geflieste Wand geschleudert bzw. gerotzt wurde und in Streifen zäh die Wand abwärts floss. Er klopfte auf seine Zigarettenschachtel, die er anschließend aber zerdrückte und in die Ecke bugsierte. „Scheiße!“ fluchte er laut und trat nochmal gegen die Schachtel.

Inzwischen befand Anita Tesch sich bereits in der Firma. Der Meister studierte diesmal mit ihr den Terminkalender und merkte sich den Termin für die Praktikumstelle im Herbst vor. Die firmeneigene Kantine mochte er ihr nicht zumuten und schon bald saßen sie sich bei einem Kaffee in der Nähe des Betriebes gegenüber und kamen sich recht schnell näher.


***

Markus stand lange an, denn der Hausmeister bediente diesmal allein am Kiosk und das dauerte. Der Junge war es gewohnt und meckerte nicht, geduldig wartete er in der Reihe, darauf hoffend, dass der jüngere Bruder Richards in der Zwischenzeit verschwand. Er ging allerdings erst, nachdem Richard seinen Posten übernahm. Zu dumm! Markus schummelte in seiner Börse schon nach ein paar Euros. Diesmal waren sie hartnäckig, er würde zahlen müssen.

Doch Markus hatte Glück, kaum hielt er sein Brötchen in der Hand, schon ging die Pausenglocke und alle begaben sich wieder in die Klasse. Schnell biss er hinein und kauend betrat er den Klassenraum.

Ärgerlich rempelte Richard ihn in der Türe an, ihm fehlte die Pausenzigarette und das machte den Burschen agressiv. Hoffentlich erhielt er bald das Geld für die Schieblehren von seinem älteren Bruder, am Samstag waren sie nicht verkauft worden.
 

anemone

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Hauptschule letzter Teil

Richard besah sich aus der letzten Bank Markus, wie er immer wieder heimlich in sein Brötchen biss, während Andreas versuchte ihnen die neue Rechtschreibreform nahe zu bringen. Er hasste diesen Jungen, der von seiner Mutter total verwöhnt wurde und die wegen jeder schlechten Note schon wieder in der Schule erschien, um dort mit der entsprechenden Lehrperson zu diskutieren, da sie sie für ungerechtfertigt hielt. Nach dem Unterricht wollte er für ausgleichende Gerechtigkeit sorgen.

Nach der Deutschstunde führte Andreas das Kassenbuch für den Klassenausflug weiter. Es wurde nur schleppend bezahlt. Die wenigsten Jugendlichen hatten den gewünschten Beitrag bei sich. Nur ein geringer Teil von ihnen bekam den Beitrag überwiesen, zu denen auch Markus gehörte.

Richard zahlte nicht ein und für ihn fiel der Klassenausflug flach. Andreas betonte nochmal, dass in diesen Fällen das Sozialamt einen Antrag bereithielt, doch Richard winkte ab. Wie seine älteren Brüder, würde auch er für die Tage des Klassenausfluges in einer anderen Klasse am Unterricht teilnehmen müssen, ebenso wie die drei Mädchen, die wegen ihres mohammedanischen Glaubens von ihren Eltern aus nicht teilnehmen durften. Ganz sicher würde dieser Unterricht von ihm geschwänzt werden. Richard wohnte im Asylantenheim in der Nähe des Bahnhofs, zu Hause würde er wie üblich vorgeben in die Schule zu gehen. Es war für ihn die beste Gelegenheit sich etwas nebenbei zu verdienen und er wusste auch schon wie! Dabei traf sein Blick auf Markus, der endlich sein Brötchen zu Ende gegessen hatte. Sicher musste er jetzt etwas trinken!

Genau so war es. Markus kaufte sich noch bevor er nach Schulschluss den Heimweg antrat, am Kiosk eine Dose Cola. Erstaunt blickte er um sich, er hatte mit Richard und seinen Brüdern gerechnet, doch sie waren nicht zu sehn. - Noch besser, - dachte Markus und – In 2 Wochen, auf unserem Klassenausflug nach London werde ich sie 5 Tage nicht sehn. –

Frau Tesch schien die Reise nach London wenig zu gefallen, sie war mit den Gedanken nicht bei der Sache und hätte Andreas am Liebsten die Klasse ganz übergeben. Sie sprach davon, seine Selbständigkeit testen zu wollen und beschäftigte sich ständig mit ihrem Handy. Es waren lange 5 Tage für sie.

Nicht so für Richard, der sich in Ruhe das Eigenheim vornehmen konnte, in dem Markus zu Hause war. Er wusste, dass seine Mutter ganztags bei der Behörde beschäftigt war und er hatte wirklich großartige Arbeit geleistet. Seine Brüder lobten ihn sehr. Am folgenden Samstag gab es auf dem Trödelmarkt eine Menge neuer guter Sachen, die für einen Spottpreis gleich weggingen.

Noch am gleichen Tag kam ein Bus mit Schülern auf dem Schulhof vorgefahren.
 



 
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