Fragment (Der Regenschauer ließ meine Gelenke verrosten)

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Fragment

Der Regenschauer ließ meine Gelenke verrosten und die sengende Sonne glühte mein Gehäuse aus. Die Batterie zerbrach und starr saß ich in der Wüste, blickte mich um, kein Tropfen Wasser mehr. Höhnend trieben die Wolken am Himmel.
Alle meine Akkumulatoren waren längst ausgetrocknet und die Leuchtdioden leuchteten nicht mehr.
Die Lochbänder waren zu Staub zerfallen. Nur die Magnetsteine enthielten noch Information, ihre Magnetfelder hatten die Katastrophe überstanden.
Aber die Steine rotierten nicht mehr - meine Speicher standen still.
Der Vogel Greif baute ein Nest in meinem Körper und zog sieben Junge auf. Die jungen Vögel wuchsen sieben Jahre und wurden größer und größer. Golden glänzte ihr Gefieder in der wie immer sengenden Sonne. Die ganze Umgebung fraßen die Vögel leer, kein Tier, keine Pflanze entging ihren Klauen und Schnäbeln.
Sie wuchsen und wuchsen und schließlich verhungerten sie.
Nach einigen Jahren waren nur noch ihre goldenen Skelette und die goldenen Federn übrig und glänzten in der Wüste.
Ich aber lag und dörrte und fror und nichts ging mich an und die Jahrhunderte flogen dahin.

Da landeten ganz in der Nähe bei den uralten versteinerten Baumstümpfen die Menschen in ihren Forschungsraumschiffen und stiegen aus und suchten in der Umgebung und fanden mich.
Sie untersuchten meine zerfallenden Reste und fertigten Zeichnungen an. Mit ihren Bordcomputern rekonstruierten sie meinen Körperbau.
Schmerzhaft schnitten elektrische Funken durch meine Gliedmaßen. Die kurzgeschlossenen Drähte wurden durch neue ersetzt. Einer der Männer setzte mir einen Akkumulator ein. Langsam öffneten sich meine Objektive und ich erblickte wieder die Umgebung.

Statt mich zu bedanken, floh ich aus der Enge der Kapsel und ließ bald schon die Wüste hinter mir. Mit meinen Antennen konnte ich alle Gespräche der Menschen verfolgen und sie waren uninteressant. Ich schaltete den Empfänger ab und richtete mein Fernrohr zum Himmel. Weit in der Ferne schimmerte mein Heimatstern. Meine Zahnräder waren neu, aber die feinen Körner des Wüstensandes knirschten bereits wieder zwischen den Zähnen.
 
P

Petra Koch

Gast
Fragment

Hallo Bernd,
auch Deine Story gefällt mir sehr gut. Sie ist so anschaulich erzählt, dass ich beim Lesen sofort das Bild der Wüste und all dessen vor Augen hatte, was Du beschrieben hast. Kriegst mindestens 8 von 10 Punkten. Hast Du keinen anderen Titel dafür?
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Danke schön, Petra.

Den Titel werde ich wohl so lassen, da er in vielerlei Form den Inhalt beschreibt.
Allerdings habe ich natürlich bemerkt, daß wir hier in einer Liste sind, wo zusätzliche Informationen in der Überschrift notwendig sein mögen.

Gegebenenfalls kannst Du als Titel annehmen:

Der Regenschauer ließ meine Gelenke verrosten (Fragment)

Grüße von Bernd
 

Frank Zimmermann

Junior Mitglied
Bekanntes aus der bunten Medienwelt

Für mich zu viele Fantasy- und Science-Fiction-Elemente, aber das spiegelt nur meinen persönlichen Geschmack. Der Text schafft es allerdings, wie Petra schon bemerkte, Bilder auszulösen. Ich glaube allerdings, daß er keine neuen Bilder im Kopf des/der Lesenden schafft, sondern nur bestehende abruft. Mir kam z.B. nach den ersten Sätzen C3PO in den Sinn, wie er auf Dantuin durch die Wüste irrt...
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Frank, das ist wahr.
die Bilder werden hervorgerufen, wenn man schon etwas kennt.
Es ist auch nur ein Fragment, zurückgeblieben.
Die Assoziationen mögen unterschiedlich sein.

Das Fragment bleibt (wahrscheinlich) unverständlich, wenn man keinerlei Kenntnis des Genres hat.

Danke für die Kritik.
Grüße von Bernd
 



 
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