Franz sein Hund

Franz sein Hund

Niemand wusste wie Franz mit richtigem Namen hieß. Immer saß er an seinem Lieblingsplatz vor dem Kaufhof auf seiner schmuddeligen Decke. Vor sich ein verblichenen Pappschild, auf dem mit krakeligen Worten „ Obdachloser bittet um eine kleine Spende „ geschrieben stand. Franz gehörte zum Stadtbild wie das Kriegerdenkmal von 1918. Die gelegentlichen Versuche ihn aus der Fußgängerzone zu vertreiben hatten den gleichen Erfolg wie sich auf Vorrat zu rasieren, kurze Zeit später war er immer wieder da. Also hatte man sich arrangiert. Franz besoff sich nicht während der Einkaufszeiten und die Geschäftsleute ignorierten ihn so gut es eben ging.
Alles hätte bleiben können wie es war, wäre Franz eines Morgens nicht in Begleitung einer schmutzig braunen Töle erschien. Dessen Vorfahren mussten sich wohl mit ganze Herscharen von unterschiedlichsten Rassen gepaart haben, denn eine Zuordnung zu einer bestimmten Gattung hätte wahrscheinlich einen ganzen Stamm von Genetikern in den Wahnsinn getrieben. Sepp, so rief Franz ihn liebevoll, verhielt sich ganz wie man es von ihr erwartete und bepinkelte jeden erreichbaren Pfeiler der sich in seiner Umgebung befand.
Hinzu kamen Tretminen vor den Schaufenstern, die sich nach einem Fehltritt in flachen Abdrücken im ganzen Geschäftsbereich verteilten.
Kurz und gut Franz wurde unmissverständlich aufgefordert sich entweder seines Hund zu entledigen oder sich einen anderen Platz zu suchen. Nach reiflicher Überlegung versuchte er ihn in einer badewannengroßen Einkaufstasche aus Kunstleder zu verstecken, die, wie er schon am ersten Tag feststellen musste, den scharfen Zähnen der Töle nicht gewachsen war.
Als nächstes probierte er es mit einer Babywindel die er sich von einer jungen Mutter erbettelt hatte. Allein das Anlegen brachte ihm eine Ansammlung von Neugierigen, einen Gewinn von 14,80 in Groschen und fünfzig Pfennigstücken, sowie eine Anzeige wegen Tierquälerei ein.
Der Erfolg war ansonsten eher mäßig, fand sich doch die Windel keine zehn Minuten später in briefmarkengroßen Plastikfetzen unter einer besonders saftigen Hinterlassenschaft wieder. Dann lief Franz stundenlang mit ihm erfolglos durch den Stadtpark. Am Ende hatte Herrchen an einem Tag öfter an die Bäume gepinkelt sowie einen Gang hinter die Büsche getätigt als der Hund in einem Monat. Kaum war er mit ihm jedoch zurück, krümmte sich die undankbare Kreatur hinter dem erst besten Marmorpfeiler in verräterischer Haltung zusammen.
Den guten Willen konnte man Franz nicht abstreiten, kaufte er sich doch von seinem erwirtschafteten Geld einen kleinen Besen sowie eine Kehrschaufel mit denen er pausenlos hinter dem Vieh herlief wenn es mal die Decke verlassen hatte.
Zuerst klappte es auch ganz gut bis Franz eines Tages von den Mühen des Jagens erschöpft zwischendurch eingenickt war. Ausgerechnet der Vorsitzende der Interessengemeinschaft Stadtentwicklung Bodo Schwelm trat in den noch dampfenden Haufen. Noch am selben Abend trat das Exekutivkomitee des Verbandes zusammen und beschloss ein angemessenes Exempel zu statuieren.
Der ansässige Fleischermeister Kurt Klöbenbach wurde zu einem Jointventure mit dem Apotheker Albert Selmensteg vergattert. Klöbenbach suchte noch am selben Abend ein besonders schönes Stück Tafelspitz aus, welches der Apotheker in eine E605haltige Marinade einlegte. Kurz nach Mittag des darauf folgenden Tages nutzte der Fleischermeister den Verdauungsgang des Vierbeiners vor dem Schaufenster der Konditorei. Er deponierter geschickt und unbemerkt den appetitlichen Happen in dem gelben Napf den Franz, meist mit billigem Hundefutter vom Aldi gefüllt, für seinen Hund aufgestellt hatte.
Sicher hätte alles geklappt, hatte Klöbenbach ein sehniges unappetitliches Stück Fleisch ausgesucht. So jedoch dachte auch der tierliebe Franz im Traum nicht daran seinem Hund diesen einladenden Happen zu überlassen. Das etwas so verführerisches so ekelhaft schmecken konnte waren die letzten Gedanken die ihm durch den Kopf gingen bevor er von Magenkrämpfen geschüttelt in einer gnädigen Ohnmacht versank.
So weggetreten konnte er natürlich nicht bemerken wie Selmensteg und Klöbenbach mit winkenden Armen wild gestikulierend auf ihn zurannten.
Noch am gleichen Abend fanden sich alle Verbandmitglieder im blauen Ochsen zusammen um die Lage zu überdenken. Nach einigen Bibelversen für das baldige Gesunden des unschuldigen Opfers, wurden die beiden Delinquenten Selmensteg und Klöbenbach mit auf die Brust gesenktem Kopf vor die Inquisition gerufen und unter allgemeinem Beifall aus der Vereinigung ausgeschlossen. Nach diesem Reinigungsritual faste man einen kostspieligen Plan, durch den sich später, aufgrund großzügiger Spenden, beide in Ungnade gefallenen wieder in die Gemeinschaft einkauften.
Franz der überhaupt nichts mitbekommen hatte, war nicht wenig erstaunt als er in einem Einzelbett des Privatkrankenhauses Elbeblick aufwachte, und neben sich Bodo Schwelm mit einem Strauss Blumen in der Hand erkannte.
Ungläubig verfolgte er den Vorschlag den er ihm darlegte. Da war plötzlich die Rede von unentdeckten Fähigkeiten, von geschäftlichen Möglichkeiten von
Toleranz und Großmut.
Keine drei Monate später eröffnete Franz ohne je einen einzigen roten Heller bezahlt zu haben und mit der kollegialen Unterstützung der Mitglieder der Interessengemeinschaft Stadtentwicklung, in die er als besonderes Ehrenmitglied aufgenommen worden war, daß erste Kiosk unserer Stadt.
Wo jedoch der Hund geblieben war, konnte niemand mehr feststellen. Lediglich ein durchziehender Tippelbruder hätte beschwören können ihn als letzter gesehen zu haben als er, zwei Tage nach dessen Neueröffnung, vor das Kiosk geschissen hatte.
 
P

Poldi

Gast
Es war ein echter Genuß, diese Geschichte zu lesen ... wie nennt man sowas eigentlich, Großstadtmärchen? Obwohl, Großstadt kann ja nicht, wenn es der erste Kiosk war ... ;o)

Fröhliche Grüße aus Bonn ... :eek:)

Poldi
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo norbert,

auch ich finde den Text rundrum gut. Endlich mal ne lustige Penner-Geschichte. Gut, sie geht an der Realität meilenweit vorbei, aber auch das muß bei dem sonst immer so ernsthaft angegangenem Thema sein. Hab mächtig geschmunzelt. Nee - an der Geschichte gibts nichts zu meckern. Schön.

Gruß Ralph
 
Meine Story

Hallo,

bin mir gar nicht sicher gewesen ob ich die
Geschichte überhaupt veröffentlichen soll,
Da es nicht um wirklich große und wichtige Dinge
wie " Sein oder nicht Sein" oder irgendwelche
sinnesschwere Botschaften geht.
Nicht das ich etwas dagegen hätte, aber hin und
wieder sollte man ( oder Frau ) nachsehen ob noch
Bodenkontakt vorhanden ist.
Und ob Penner oder Banker, letztendlich sind die
moralischen Unterschiede meistens vernachlässigbar.
Die großen Dinge geschehen eigentlich so wie so
nur im Kleinen.
Das die Story euch dennoch gefällt freut mich.

Norbert
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Norbert,

"sinnesschwere" Botschaften findet man hier mehr als genug. Ist ja auch ganz gut so. Aber hin und wieder mal ein humorvoller Leckerbissen, der ist auch nicht zu verachten. Es gibt ja auch nicht nur "sinnesschwere" Momente im Leben. Deshalb sollte man auch heitere Dinge öfter mal skizzieren und - wie in deinem Fall - satirisch überspitzt dargestellt, da macht das Lesen Spaß.

Gruß Ralph
 



 
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