Frederic

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Rubinuit

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Frederic

Vielleicht kann ich meinem Schicksal doch nicht entfliehen. Was ich auch unternehme, es holt mich immer wieder ein. Trotz aller Bemühungen meinem tristen Alltag zu entkommen, muß ich feststellen, daß es mir versagt ist meinem Leben irgendeine Bedeutung zu verschaffen. Nicht daß sie glauben, ich wäre einer dieser gebäudebeschmutzenden Artgenossen, die sich damit zufriedengeben, Brotkrumen aufzupicken, mit Täubinnen zu schnäbeln und blöde zu gurren. Mein Sinnen steht eher nach kulturell Höherwertigem und so begann ich schon früh, mich künstlerisch zu betätigen, experimentierte mit mir zur Verfügung stehenden Materialien, um deren zuvor profane Anwesenheit zum ästhetischen Dasein zu verwandeln. Doch brachten diese Gestaltungsversuche nicht den Erfolg, den ich mir erhoffte. Meine Kunstwerke wurden mir immer wieder von weißbekittelten Herren entrissen, deren Reinlichkeitszwang die Ergebnisse meines individuellen Ausdrucks nicht verschonte. Auch meine von mir komponierte „Gurrophonie“ verhalf mir nicht so recht zum Durchbruch, hatte aber zur Folge, daß mir mein Ausblick, sobald ich meinen musikalischen Vortrag begann, verdunkelt wurde. Wenigstens verhalf mir dies dazu, allein zu sein, wenn ich das wünschte. In dieser Zurückgezogenheit vermochte ich die genialsten Gedanken zu entwickeln.
Nur einer der mich umgebenden Weißkittel schien mein Genie zu bemerken. Ich erkannte, daß dieser, der selber unzufrieden und verkannt schien, etwas Großes im Sinn hatte. Dieser Mann besaß eine Vision und ich sollte dazu beitragen, diese Vision zu verwirklichen. Ich sollte die Möglichkeit erhalten meine bis dahin unvollkommenen Kompositionen in einer Weise zu entwickeln und umzusetzen, die ich mir nicht hatte erträumen lassen.
Eines Tages wurde ein sehr großer Kasten in mein Blickfeld gerückt, welcher eine makellose Reihe weißer und schwarzer Tasten wie Zähne bleckte. Herr Burruk, oder so ähnlich, beförderte mich unsanft, aber nicht ohne eine gewisse Feierlichkeit auf diesen Kasten und blickte mich erwartungsvoll an. Empört über den unerbetenen Ausflug wandte ich mich ab, wollte fort und folgte dem schwankenden Steg zum anderen Ende des Kastens, der bei jeder Berührung nachgab. Ein Schaudern durchfuhr mich, als ich blindlings über die Tasten hastete und hunderte von Tönen in meinen Ohren dröhnten. Trotz des anfänglichen Schreckens erwachte mein musikalischer Geist in voller Größe. Von jetzt an sollte ich jeden Tag Gelegenheit erhalten, mich mehr und mehr mit dem Instrument vertraut zu machen. Wie mickrig erschien mir nun meine „Gurrophonie“, der ich immer verschämter gedachte. Dennoch nutzte ich sie weiterhin, um die Abgeschiedenheit herzustellen, die ich für den schöpferischen Prozeß so sehr benötigte.
Ich begann fieberhaft mit der Arbeit. Notenskalen und Tonleitern tanzten vor meinem inneren Auge und in meinem Geiste formte sich eine Symphonie, die mein ganzes Wesen beanspruchte. Nun läßt sich so ein großer Schöpfungsakt nicht von heute auf morgen erzwingen und Herr Burruk zeigte sich ungeduldig, wenn ich aufgrund der großen geistigen Arbeit, die ich zu verrichten hatte, nicht in der Lage war, mir für die Zwischenzeit kleine Bagatellimprovisationen zu ersinnen. Teilweise kürzte er mir sogar meine tägliche Futterration und zwang mich dazu hirnlose, armselige Tonfolgen auf den Tasten zu vollführen, die keinem kulturellen Anspruch genügten. Und obwohl dieses, in innerster Zerrissenheit vollzogene Gehüpfe auf dem Instrument selbst für eingefleischte Avantgardisten schrecklich klingen mußte, verdiente ich mir damit mein täglich Brot. Ich zweifelte an der visionären Einstellung des Herrn Burruk und hätte Ihn zur Rede gestellt, wäre er ein Artgenosse gewesen. So aber geriet ich ins Grübeln und philosophierte über interspezielle Kommunikation und kam zu dem Schluß, daß, selbst wenn wir dieselbe Sprache sprechen würden uns dennoch nicht zu verstehen wüßten. Es blieb mir nichts weiter übrig, als auf die universelle Sprache der Musik zu vertrauen und beschäftigte mich weiter mit meiner Komposition. Ich arbeitete hauptsächlich nachts und verbrachte den Tag mit hirnrissigen Kapriolen auf schwarzen und weißen Tasten, die Herrn Burruk auf seltsame Weise, gleichzeitig aber auch mein Bedürfnis nach Nahrung befriedigten. Ja, als sich mein großes Werk der Vollendung näherte, schien Herrn Burruk eine eigenartige Glückseligkeit zu umwehen. Sollte er etwas ahnen vom kolossalen Durchbruch meiner künstlerischen Schaffenskraft? Noch in jener Nacht vollendete ich mein Werk.
Als am nächsten Morgen das Tuch von meiner Behausung entfernt wurde, traute ich meinen Augen nicht. Der große Kasten war verschwunden. Auch Herr Burruk erschien nicht wie gewohnt, ich erhielt mein Futter ohne etwas dafür zu tun. Statt dessen sollten noch weitere einschneidende Erlebnisse folgen, die mein weiteres Leben von Grund auf verändern sollten. Ich mußte meine bisherige Behausung verlassen und einem grünschnäbligen Nichtsnutz Platz machen, den ich vom ersten Augenblick an verachtete. Ich wurde in eine Gemeinschaftsunterkunft verlegt, die ich mir seitdem mit elf anderen Artgenossen teilen muß. Welch eine Erniedrigung für einen Künstler wie mich! Die Tage vergehen in ödem Stumpfsinn mit Gesprächen über Drei- Saaten Diäten oder den neuen Federkleidern der Herbstsaison. Nur nachts, wenn alles still ist, und meine Artgenossen die Köpfe in das Gefieder gesteckt haben, spiele ich im Geiste meine Symphonie, die ich wohl nie mehr zur Aufführung bringen werde. Ich gelte als Sonderling in dieser Gemeinschaft und nur eine Täubin, die ansonsten sehr schweigsam ist, rückt manchmal des nachts an mich heran, legt den Kopf auf mein Gefieder und gurrt leise vor sich hin. Was mehr sollte ich mir wünschen ?
 
Abgesehen von der Verwendung unzaehliger Fremdwoerter, die das ganze etwas ( wohl gewollt ) "steif" machen, wird die Geschichte doch eher in das Forum "Humor" passen, oder?

Irgendwie finde ich das Ende etwas duenn, da koennte ich mir Verbesserungspotential vorstellen.
 



 
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