Frühling - Aufgewacht!

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Der Frühling scheint Einzug zu halten. Schade eigentlich. Ich hatte nichts gegen den Winter einzuwenden. Aller Welt scheint es da jedoch anders ergangen zu sein. In den Medien, den Cafés, überall schreiben und reden sie vom Frühling, der das Leben erwecke und der Liebe Auftrieb verleihen soll. Ich hatte einen tollen Winter. Für Meike und mich hing der Winterhimmel voller Geigen. Wir liebten uns wie die Karnickel, es schien mir, als sei der Schweiss auf meiner Brust nie getrocknet, als hätten ihre Haar während all den Wochen immer nass am Kopf geklebt. Ich erinnere mich nur an rote Bettwäsche, Kerzenschein und eisgekühlten Billigschampus. Dazwischen verschwommen, Tage, an denen wir wohl arbeiteten. Doch dann wieder die Nächte zwischen Sofa und Waschmaschine, Tisch und Bank… Ein Fest der Sinne, das über vier Monate dauerte, eine Dauerekstase, deren Ende nicht vorstellbar war. Es gab keine Welt um uns in dieser Zeit. Wir lebten einen Traum, der uns verschlang, wie wir uns verschlangen. Wir waren Sklaven der Lust, unsere Sinne die Geissel. Und wir liebten es!
Vor einer Woche ruft mich Sven an, fragt, ob ich wisse, was Meike mit Bodo treibe. Gewusst hatte ich es nicht, aber vorstellen konnte ich es mir. Ich stellte sie zur Rede. „Mach doch keinen Aufstand“, sagte sie. Ich habe sie zum Teufel gejagt. Jetzt stehe ich hier und kann in meiner Wohnung nicht mehr atmen. Die Luft ist geschwängert von Gefühlen, die ich nicht mehr verstehe. Diese dreckigen Lacken können doch nicht meine sein. Wer wohl in diesem Schweinestall gelebt haben mag?
Der Frühling und ich, wir sind beide aufgewacht. Und, Frühling, wie war Dein Winter?
 



 
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