Für literarische Narren... ;-)

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patscholek

Mitglied
Eine Büttenrede im August

(zum Poetry Slam in Wiesbaden bei "Folklore im Garten" am 25.8.2001)

Hochverehrtes Publikum!
Ihr steht hier nun schon länger rum
und scheint auf irgendwas zu warten
bei diesem Happening im Garten.

Die Frage aber ist: Auf was?
Vielleicht erwartet ihr hier Spaß
und starke Reime, haufenweise,
um laut zu lachen - oder leise.

Denn heute gibt's Poetenschlamm
im hessischen Klein-Amsterdam.
Da treten auf die Koryphäen
und jagen nach den Slam-Trophäen.

Ich hab lang drüber nachgedacht,
was gute Slammer wohl ausmacht
und will es hier konkret verraten
(vielleicht riecht ihr ja schon den Braten):

Wer heute hier gewinnen will,
der sollte laut sein und nicht still.
Er muss auch nicht tiefgründig sein,
denn tiefe Lyrik braucht kein Schwein.

Und ist gar einer zu sensibel,
dann nimmt man ihm das eher übel.
Die besten Chancen hat wohl der,
der komisch ist - und ordinär!

Drum hab ich heute diesen Text
in lauter Paarreime gesetzt.
Die sind zwar ungeheuer simpel,
dafür versteht sie jeder Dompfaff.

Das ist wie bei der Fasenacht,
wo man den dümmsten Witz belacht;
vorausgesetzt, es gibt `nen Tusch
freut man sich auch noch über Pfusch.

Und ist das Hirn voll Malz und Hopfen,
lässt sich´s gar lustig Schenkelklopfen.

[...]

Ihr werdet endlos malträtiert,
wenn ihr nicht endlich applaudiert.

[...]

Wie lange soll ich denn noch warten
bei diesem Happening im Garten?

[...]

Wo bleiben Eier und Tomaten
bei diesem Happening im Garten?

[...]

Wie lange soll ich denn noch warten
auf eure Eier und Tomaten?




© patscholek 2001
 
B

Bruno Bansen

Gast
Schlamm

...witzig gemacht das Teil! Kann mir mal jemand ne handvoll Tomaten und'n paar faule Eier rüber reichen? man erlebt die Athmosphäre hautnah mit. Klasse.
Grüße!

Bruno
 

dissidentin

Mitglied
Wer heute hier gewinnen will,
der sollte laut sein und nicht still.
Er muss auch nicht tiefgründig sein,
denn tiefe Lyrik braucht kein Schwein.

Und ist gar einer zu sensibel,
dann nimmt man ihm das eher übel.
Die besten Chancen hat wohl der,
der komisch ist - und ordinär!
so ähnlich dachte ich mir das auch öfter bei poetry slams, entertainment is da oft wichtiger als der inhalt. hoffen wir mal, dass dein text als versteckte kritik gemeint ist, das kommt beim lesen nicht so ganz durch...
 
Hallo Patscholek!

Vorweg: Ich habe ein sehr großes Herz für Büttenredner und Kleinkunst, die oft ganz große Kunst ist.
Im Gegensatz zu dissidentin meine ich, dass Du die Ironie ruhig vergessen solltest. Wenn sich das Volk freut, ist das ein Wert an sich. Natürlich könnte man handwerklich noch einiges besser machen, aber das ist sicher schwierig. Ich habe kein Problem damit, dass man in Strophe 4 und 5 ziemlich närrisch betonen muss, um im Versmaß zu bleiben, aber mir gefällt auch das.
Nur in einer Zeile gelingt das wirklich nicht. Die solltest Du ersetzen durch
'in lauter paarig Reim' gesetzt'.
Und Tomaten und Garten? Dann schon lieber Tomarten und Garten oder Tomaten und Gaaten. Davor hätte ich hier keine Hemmungen.
Und bitte lass es beim Gimpel. Der Dompfaff sollte zwar die Ironie herausstreichen, doch ich möchte hier nicht ironisch denken.
Jedenfalls ist es Deine Büttenrede wert, auf feinem Büttenpapier in Schmuckbuchstaben verewigt zu werden.
LG Eberhard
 

patscholek

Mitglied
'in lauter paarig Reim' gesetzt ???

hallo eberhard,

zugegeben: deine formulierung entbehrt nicht der originalität. doch ist der text nun schon so alt, dass ich ihn selber halbwegs vergessen hatte - bis ich auf deinen diesjährigen kommentar stieß, quasi "10 years after ..."
(& der war übrigens im tenor sehr nett, also dank ich dir auch brav für die blumen :)

was mir nur nicht einleuchten mag: wieso ist dein textvorschlag für strophe 7, vers 2 evtl. passender, besser, witziger oder verständlicher als mein "... in lauter paarreime gesetzt"?

zwar weiß ich nicht, bei wie vielen poetry slams du anwesend warst ... aber wenn du dich gelegentlich auf solchen veranstaltungen umschaust, wirst du ein paar leute im publikum finden, die bereits beim ausdruck "paarreim" die stirn runzeln - ganz zu schweigen von "in lauter paarig Reim", *augenbrauenhochzieh*, gell?

der POETENSCHLAMM, den ich vor über 10 jahren zwecks eines dichterwettstreits (vor einer dispersen 'crowd' auf der nebenbühne eines alternativen musik-festivals namens FOLKLORE IM GARTEN) produzierte, ist ja nie für die ewigkeit bestimmt gewesen, sondern allenfalls zeit- und situationsbezogen zu interpretieren, bitte.

sei mir ergo nicht allzu böse, wenn ich soweit rückblickend nur wenig lust verspüre, an der büttenrede auch nur ein jota zu ändern. möge sie, so wie sie nun hier bei LL steht, ganz allmählich in vergessenheit geraten.
;-)
LG, yours
patscholek
 



 
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