Gartenfreude

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othello

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Gerädert stand ich auf.
Die Nacht war grausam, ich konnte keinen Schlaf finden, da ständig eine Mücke mein Gesicht als Landeplatz aufsuchte.
Das Gesumse der Hummeln, die sich gemütlich im vorderen Dachteil niederließen und sich ein Nest bauten, hatte ich akzeptiert.
Aber dieses Flugobjekt, das nichts anderes im Sinn hatte als mich zu stechen, konnte mit meiner Rache rechnen.
Missmutig stand ich auf und sah durch die Terrassentür in meinen Garten hinaus. Der Groll senkte sich beim Anblick meiner wunderschönen Rosenbüsche. Alle waren fast 2 m hoch und hatten die Farben von dunkelrot über pink, zartrosa bis weiß.
Dazwischen funkelten Blüten in Blautönen und diese ganze Farbskala wiederholte sich in den Teichpflanzen.
Wenn man so eine Pracht haben will – dann ist man dazu verpflichtet viel Arbeit zu leisten.
Also kochte ich mir einen Kaffee, zog mich schnell an, putzte meine Zähne und nach einer Katzenwäsche ging es hinaus.
Rasenmähen war angesagt.
Aber wo war noch Rasen?
Statt grüner Halme sah ich braune Hügel.
Ach, Familie Maulwurf war zurück!
Sie hatte ihren Urlaub auf dem Nachbargrundstück verbracht und war nun heimgekehrt. Wahrscheinlich sehr erholt und ausgeruht, begann sie nun bei mir ihr Tagewerk aufzunehmen.
Meine Wiedersehensfreude hielt sich sehr in Grenzen und der Adrenalinspiegel stieg erneut.
Mit einem Spaten hob ich vorsichtig die Erdhügel ab bis man die Auswurflöcher sah. Da fiel mir ein, dass ich vor kurzem in der Gartenzeitung einen Artikel las, dass man mit einem Solargerät den Maulwurf vertreiben kann.
Ich fuhr mit dem Fahrrad also schnell zum Baumarkt.
Dieses „Maulwurfsfreisolargerät“ kostete fast 30 Euro. Aber das war es mir wert. Wurden die Batterien durch die Sonne aufgeladen, dann gab es Töne ab. Unterirdisch - in die zahlreich angelegten Gänge dieser Wühltiere.
Als ich zurückkam steckte ich das Gerät mit dem Erdspieß in ein freigelegtes Loch und begann die einzelnen qm des übriggebliebenen Rasens zu mähen. Ich hätte auch eine Schere nehmen können, so wenig Gras war noch zu sehen.
Verliebt sah ich meine Edelrose "Leonardo da Vinci" an.
Das Samtrot leuchtete in der Morgensonne und stimmte mich gnädig. Auch Petticoat, Reshet und Bobby James, der wüste Rambler, zeigten sich von ihrer Besten Seite.
Da ich selbstverständlich mit meinen Pflanzen kommuniziere, wünschte ich ihnen einen angenehmen Tag und sah dabei, dass auf den Knospen kleine grüne Tierchen klebten.
Nein, sie waren nicht niedlich - es handelte sich um Blattläuse.
Ich fällte nach kurzer Verhandlung das Urteil.
Todesstrafe durch Giftspritze lautete es und fuhr erneut mit dem Fahrrad zum Baumarkt. Bewaffnet mit Sprühflasche und Giftampullen radelte ich zu meinem Grundstück.
Dort mixte ich den Cocktail und begann meine Rosen zu spritzen.
Blatt-Oberseite, Blatt-Unterseite, Stiel, Knospe und das so ungefähr 17 mal. Leonardo da Vinci fand diese Aktion überhaupt nicht witzig. Drohend warf sie ein Blütenblatt ab.
Als ich mich den Beetrosen zuwandte rutschte ich fast aus.
Unter meinen Gummisohlen war alles schleimig.
Eindeutige Spuren von Nacktschnecken.
Dieser Feind tarnt sich in schwarz oder dunkelbraun.
Mein geübter Gärtnerblick fand die Heerschaft sofort unter den Lupinien.
Das alte Sprichwort „Leben und leben lassen“ kam mir zwar in den Sinn, ich konnte es im Moment aber nicht mit diesen Schnecken in Einklang bringen.
Mein Fahrrad kannte den Weg zum Baumarkt schon fast alleine und die Verkäufer begrüßten mich bereits wie Familienangehörige.
Die Lösung hieß Schneckenkorn. Ich streute es vorsichtig unter alle Beetpflanzen und um mein Gewissen zu beruhigen sagte ich im Inneren zu mir „sie haben ja selber Schuld, warum kriechen sie ausgerechnet in meinem Garten herum?“
Selbstzufrieden holte ich die Harke aus dem Schuppen.
Es raschelte im Eichenlaub hinter mir.
Da sah ich sie auch schon vorbei flitzen, entlang des Fliederbaumes und weg war sie.
Die Wühlmaus!
Ich hinter her und fand 4 große Eingänge rund um meine frisch gepflanzte Weinrebe.
Das kann doch nicht wahr sein!
Und was habe ich gemacht?
Richtig!
Ab zum Baumarkt.
Man lächelte mich mitleidsvoll an und ein besonders gewitzter Verkäufer fragte „haben Sie wieder was vergessen?“
„Nein“ antwortete ich, „ich wohne hier“ und ging weiter um nach dem bekannten „Wühlmausschreck“ zu suchen.
Eine Gas-Art, die man in die Löcher einleitet und damit den Tieren mitteilt, dass sie unerwünscht sind.
Als ich auch dieses erledigt hatte, war es mal an der Zeit ein Päuschen einzulegen und begab mich auf meine Sonnenliege. Vor mich hindösend dachte ich über den Vernichtungsschlag nach. Ich, die kein Gen-Gemüse isst, sämtliche Importartikel aus Spanien meidet, weil sie so sehr gespritzt sind und großartig für die Wunder der Natur eintritt, hatte kein gutes Gefühl dabei.
Reue stieg in mir hoch.
Ich ging ins Haus und wollte mir ein Glas Wasser holen, da sah ich den nächtlichen Feind an der Zimmerdecke sitzen.
Die Reue war weg – die Fliegenklatsche in meiner Hand.
Wütend haute ich in ihre Richtung.
Die Mücke hatte keine Chance, die Deckenlatte auch nicht.
Sie fiel herab.
Als ich sie wieder einhängen wollte, schnupperte mir eine kleine Nase entgegen.
Total erschrocken wich ich mit meinem Kopf zurück und fiel fast von der Leiter.
Ein Siebenschläfer sah mich müde an.
Anscheinend hatte ich ihn geweckt.
Der Siebenschläfertag war schon vor zwei Wochen,
bei herrlichem Sonnenschein und wir Gartenbesitzer freuten uns alle darüber. Denn angeblich soll das Wetter sieben Wochen lang so bleiben – wie es an diesem einen Tag ist.
Der Kleine hatte wohl verschlafen, aber dafür gibt es im Baumarkt kein wirksames Mittel.
Als ich die dunklen Wolken am Himmel sah, da kam mir in den Sinn:
Vielleicht sollte ich im nächsten Jahr einen Wecker
in die Decke einbauen.
 
K

Kasper Grimm

Gast
Eine schöne Satire auf den perfektionistischen Gärtner.
Wir wollen zwar alle Natur - aber nicht pur, sondern künstliche nur, könnte man reimen.
Vom Sprachlichen auch sauber gearbeitet.
 



 
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