Geborgen in alle Ewigkeit

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Geborgen in alle Ewigkeit

Ich bin jetzt in der glücklichen Lage,
eine Ewigkeit Zeit zu haben.
Gleich als ich dort ankam, wo ich jetzt bin,
musste ich das Wort „Zeit“ vergessen.

Zeit läuft ab und wenn sie abgelaufen ist,
hat sie keine Bedeutung mehr.
Alles ist anders ohne Zeit.
Es gibt kein heute, kein morgen, kein gestern,
kein letztes Jahr, kein früher.
Es gibt keinen Tag, keine Nacht, keinen Morgen.

Ich bin gegangen aber, bitte,
füllt meinen Platz nicht mit Leere.
Ich bin nur an einem anderen Ort,
aber das, was mir wichtig war, lasse ich bei euch zurück.
Ich mache mir weiter Sorge um euch
und ich bin für euch da, wenn ihr mich braucht.

Sucht nicht nach meinen Körper, der ist vergangen.
Nehmt dafür meine Gedanken, die sind unvergänglich.
Vertraut auf meine Liebe, sie ist unendlich.
Trauert nicht zu lange um Vergängliches.

Schon, es war schön, sich anzusehen, sich zu berühren,
Kraft zu schöpfen aus dem physischen Zusammensein.
Aber ist nicht auch das Gemeinsamkeit:
Ihr schließt die Augen, Dunkelheit kommt über euch
und nach einer Zeit wird es wohltuend still.
Dann beginnt die Stille zu sprechen, zu Euch.

Irgendwo in dieser Stille bin ich, körperlos, aber sehr präsent,
teile mit euch eure täglichen Probleme und Sorgen.
Ladet eure Last ab auf mich,
ich kann sie jetzt tragen.
Es ist eine Gnade, nicht mehr da zu sein
für irdische Probleme.

Ich bin euch vorausgegangen ans andere Ufer.
Ich habe die Segel gesetzt und die Winde der Ewigkeit
haben mich an die Strände des unendlichen Glücks geweht.
Über mich senkt sich die Ruhe wie ein Kissen,
weich, warm und - anpassbar an meine innersten Wünsche.
 
M

mirami

Gast
hallo elmar,

das ist ein sehr persönliches, ich möchte sagen, fast ein intimes gedicht. gerade darum gefällt es mir. oftmals büßt "lyrik heute“ sehr viel authentizität ein, weil sie nicht sentimental oder kitschig daher kommen soll.

auch wenn ich selbst eher versuche "modern" zu schreiben, dein gedicht finde ich zwar sentimental, im sinne von gefühlslastig... aber keinesfalls kitischig.

wenn ich die immergleichen zeilen in den traueranzeigen in der zeitung lese, denke ich: das sind dem toten in den mund gelegte worte. etwas das die angehörigen, vermutlich mit dem zweck, sich selbst zu trösten, vom bestattungsunternehmen vorgeschlagen bekommen. aufgezwungene aber immer wieder gern genommene allgemeinplätze.

formuliert man aber so was zu lebzeiten... (so was ist anzuraten!) dann ist es ein wirklicher trost, ein teil von demjenigen, ein ganz persönlicher individueller gedanke, und dieser hat sein gewicht. selbst wenn der zurückbleibende eine eigene, vielleicht ganz andere oder keine vorstellung hat vom totsein.

besonders gelungen finde ich die zeile: „aber das, was mir wichtig war, lasse ich bei euch zurück.“ denn das ist erstens definitiv wahr, auch wenn man nicht an etwas wie das „andere ufer“und ein weiterbestehen in irgendeiner form glaubt. was wir, wie auch immer wir gepolt sind, zurücklassen, ist das wofür wir gelebt, gestritten, gekämpf haben, das was wir lebenslang beschützt und verteidigt haben vor allen gefahren, anfeindungen... es ist das wofür wir in der welt die ganze zeit gestanden haben, der sinn unseres eigenen kleinen lebens.

ein wenig kritik hab ich allerdings auch:
die zeile:
„Ich mache mir weiter Sorge um euch
und ich bin für euch da, wenn ihr mich braucht.“

die scheint mir etwas unhaltbar in anbetracht der tatsache...
sie klingt wie ein falsches, etwas kindisches versprechen.

im zweitletzten absatz würde ich das:

„ich teile mit euch eure täglichen Probleme und Sorgen“
gegen ein“ ich kenne eure täglichen Probleme und Sorgen“
für wesentlich realistischer halten.

und im letzen textteil würde ich das " glücks" weglassen und einfach schreiben:

„haben mich an die Strände des Unendlichen geweht.“

ich hab dein gedicht sehr gern gelesen!

freundliche grüße
mirami
 



 
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