Gebraucht und fallen gelassen.

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pleistoneun

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Wieder einfach gebraucht und in die Ecke geworfen versuchte sie im Bad des Etablissements wenigstens die Frisur wieder in Ordnung zu bringen. Es war heute schon der dritte und die Arbeit machte vor allem an den Sommertagen keinen Spaß. Es ist einfach extrem, wenn sich ihr die Kunden direkt nach dem Mahl, im angrenzenden Restaurant, zuwandten und - man mag es kaum aussprechen - sie mit fettigen Lippen und fauligen Zähnen liebkosten. Wann würde das endlich aufhören.

Schon als Jugendliche wurde sie in engen Plastikschatullen zur Ruhe gelegt. Kasper-Hauser-Syndrom erlitt sie dennoch keines. Nur der Himmel weiß warum. Vielleicht, weil der Boden nicht aus Plastik war, sondern aus Pappe. Das brachte wohl die unterschiedlichen Reize, welche man zur „normalen“ Entwicklung brauchte. Vor allem wenn die Pappe nass war - wodurch braucht hier nicht erwähnt zu werden - fühlte sich der Untergrund so wohlig warm und kuschelig an wie ein Mutterbusen. Nur das Nuckeln wollte nicht so recht munden.

Mit 3 Monaten schon versuchte sie etwas aus ihrer Frisur zu machen und ihre Macher - bei der Behandlung darf man das Wort Eltern sicher nicht in den Mund nehmen - halfen ihr sogar dabei. Die Macher bezeichneten ihr Haar zwar nur als Borsten doch unsere Heldin war stolz auf ihre Frisur.

Sie trug ihr Haar aufgestellt mit blondem Mittelschopf und grün an den Seiten. Ihr Hals war etwas hypermobil und so wippte der Kopf mit der bunten Pracht immer etwas komisch hin und her. Auch ihrem letzten Kunden gefiel das. Er schüttelte sie zum Vor- und Nachspiel jeweils heftig. Sie war es gewöhnt, das war nicht der einzige Wahnsinnige mit eigenartigen Vorlieben, dem sie ihre Dienste anbieten musste. Es war die Hölle.

Sie wusch das überschüssige Mittel aus dem Haar und auch die anderen Reste, welche noch darin hängen blieben. Die zähe Paste ging nur mühsam ab. Der Ekel stand Ihr ins Gesicht geschrieben. Sogar der Bauch war noch voll von einer Mixtur aus Schmutz und Creme und der Kunde kümmerte sich nur teilweise um die Wiederherstellung ihres Ausgangszustandes. Wozu auch, er bezahlte ja dafür und würde erst im nächsten Monat wieder vorbei schauen.

Sie sackte wie jeden Abend erschöpft und entwürdigt zusammen, hing über dem Waschbecken und wartete auf den nächsten Kunden. Was für ein entwürdigender Anblick.

Doch einmal wird auch unsere Heldin zwischen Bierflaschen und Spritzbesteck zur letzten Ruhe gebettet und mit viel Glück nicht von Ratten oder Hunden davon gezerrt. Ja so als Leihzahnbürste des Obdachlosenasyls hat man es nicht leicht.
 



 
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